Polyneuropathien:


Polyneuropathien sind charakterisiert durch distal betonte symmetrische Sensibilitätsstörungen, schlaffe Paresen, Abschwächung oder Aufhebung der Eigenreflexe und häufig trophische Veränderungen.
Die unteren Extremitäten sind früher und stärker betroffen als die oberen.
An subjektiven Beschwerden können sich, je nach Krankheitsursache, Parästhesien bzw. Schmerzen oder Gefühlsstörungen finden, weiters motorische Ausfälle, verschiedene trophische Störungen, sowie bei chronischen Polyneuropathien vor Abschluss der Wachstumsperiode auch Deformationen der Füße.
Ein Ausfall der Lage- und Bewegungsempfindslichkeit kann zu einem pseudoarakischen Bild führen. Bei diesen Polyneuropathieformen besteht häufig auch zusätzlich eine Schädigung der spinocerebellären Bahnen, sowie der Hinterstränge.
Polyneuropathien haben vor allem entzündliche, metabolische und toxische Ursachen.
Im Kindesalter treten in der Regel primär die hereditären Polyneuropathien auf.

Hereditäre motorische und sensible Neuropathie (HMSN)
Synonyme dafür sind auch die Bezeichnungen Neurale Muskelatrophie oder Peroneale Muskeltrophie.

a) Hypertrophische Form der hereditären motorischen und sensiblen Neuropathie (HMSM I)
Die Vererbung ist meist autosomal-dominat.
Die meisten Patienten erkranken zwischen dem 5. und 15. Lebensjahr. Erstsymptome sind meist Schwierigkeiten beim Gehen aufgrund bereits länger bestehender Skelettdeformitäten der Füße (Hohlfuß und Hammerzehe). Sehr früh bestehen bereits eine Schwäche der peronealen Muskulatur und distale Atrophien der Unterschenkel (Storchenbeine).
Erst später kommt es zu einem Übergreifen auf die obere Extremität.
Die Progredienz der Symptomatik ist langsam. Die Diagnose erfolgt durch Nervenleitgeschwindigkeitsuntersuchung und Nervenbiopsie.

b) Neuronale Form der hereditären motorischen und sensiblen Neuropathie (HMSN II)
Der Erbgang ist derselbe wie bei der HMSN I, nur ist der Krankheitsbeginn in der Regel deutlich später; nur in wenigen Fällen in den ersten beiden Lebensjahrzehnten.
Die Symptomatik an den oberen Extremitäten ist deutlich seltener zu finden, Sensibilitätsstörungen wie auch Skelettdeformitäten der Füße sind seltener zu registrieren.
Die Diagnose erfolgt durch Nervenleitgeschwindigkeitsuntersuchungen (motorische Leitgeschwindigkeit kann weitgehend normal bis nur geringgradig vermindert sein) und Nervenbiopsie.

c) Hypertrophische Neuropathie Dejerine-Sotas (HMSN III)
Der Erbgang ist autosomal-dominat oder rezessiv, selten auch sporadisch.
Der Krankheitsbeginn liegt meist in früher Kindheit, mit verzögerter statomotorischer Entwicklung, wobei Gehen und Laufen nie vollständig erlernt werden.
Es bestehen massive distale Muskelatrophien an unteren und oberen Extremitäten. Fußdeformitäten und Skoliosen sind häufig.
Diagnostisch finden sich eine stark verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit und zum Teil ein pathologisch erhöhter Eiweißgehalt im Liquor.

Hereditäre sensible Polyneuropathien (HSN)
Sie sind definiert durch das Betroffensein überwiegend sensibler Nervenfasern.

a) Hereditäre sensible Neuropathie Typ I (HSN I)
Die ersten Symptome treten ab dem 2. Lebensjahrzehnt auf, mit zunächst schmerzlosen Blasen, später auch Ulzerationen, besonders nach Druck.
Diese Ulzerationen reichen häufig bis an die Fußknochen und sind nicht selten mit Osteomyelitis kombiniert.
Sensibilitätsstörungen sind dissoziiert. Der Krankheitsverlauf ist langsam-progredient.

b) Hereditäre sensible Neuropathie Typ II (HSN II)
Erstsymptome wie etwa Blasen mit Ulzerationen an Händen und Füßen bestehen bereits in früher Kindheit.
Die Gefahr einer Osteomyelitis ist gegeben. Eine distale Sensibilitätsstörung betrifft alle Qualitäten.
Der Verlauf ist sehr langsam progredient.

c) Familiäre Dysautonomie (HSN III)
Diese Erkrankung kommt vor allem unter nordamerikanischen Juden vor.
Sie besteht bereits nach der Geburt.
Symptome sind eine generalisierte Sensibilitätsstörung und schlaffer Muskeltonus.

d) Hereditäre sensible Polyneuropathie Typ IV (HSN IV)
Die Symptomatik besteht bereits postnatal mit generalisierter Sensibilitätsstörung, Hypotonie und Anhydrose.
Andere hereditäre metabolisch bedingte Polyneuropathien treten im Rahmen spinocerebellärer Erkrankungen sowie von Lipidosen und Lipoproteinmangelerkrankungen auf.
Diagnostische Maßnahmen sind neben der klinischen Untersuchung vor allem die elektroneurographische Untersuchung, die Nervenbiopsie und verschiedene metabolische Parameter.

 

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