Progressive Muskeldystrophien:
Es gibt derzeit noch keine definitive Einteilung, doch erfolgt die
Klassifizierung sowohl nach genetischen als auch nach klinischen Faktoren.
X-chromosomal vererbte Muskeldystrophien
Duchenne
Sie ist die häufigste Muskeldystrophie, mit einem Vorkommen von 1 Patienten auf
3000-4000 männliche Geburten.
Die ersten Symptome zeigen sich zwischen erstem und dritten Lebensjahr mit verspäteter
motorischer Entwicklung, Unvermögen zu laufen, häufigem Stolpern und
Hinfallen, zunehmenden Schwierigkeiten beim Stiegensteigen, weiters auffälligem,
breitbeinigem, watschelndem Gang mit zunehmender Neigung zum Zehenspitzengang.
Es entwickelt sich eine ausgeprägte Hyperlordose und es bestehen
Pseudohypertrophien der Waden. Zunehmend wird Anhalten beim Stiegensteigen
notwendig, das Aufstehen erfolgt durch Aufstützen der Arme auf die eigenen
Oberschenkel.
In weiterer Progression entwickeln sich Gelenkskontrakturen. Die häufigsten
Komplikationen in dieser Zeit sind bronchopulmonale Infekte und
Ateminsuffizienz.
Es kommt auch zu einer Kardiomyopathie.
Becker-Kiener
Die Erstsymptomatik beginnt später als bei der Duchenne-Form, in der Regel
zwischen dem 5. und 15. Lebensjahr.
Die Progression ist deutlich langsamer, die Schwäche ist primär auf Becken-
und Oberschenkelmuskulatur lokalisiert und breitet sich langsam auf den
Schultergürtel- und Oberarmbereich aus.
Auch hier bestehen Pseudohypertrophien der Waden.
In den meisten Fällen kommt es zum Gehverlust zwischen dem 12. und 38.
Lebensjahr.
Skapuloperonale Muskeldystrophie
Die ersten Symptome bestehen seit der frühen Kindheit.
Im Verlauf von vier bis sechs Jahrzehnten kommt es zu einer langsam
progredienten Schwäche und Atrophie im skapuloperonealen Bereich.
Autosomal-rezessiv vererbte Muskeldystrophie
Gliedergürtelmuskeldystrophie
Die Erstsymptomatik zeigt sich in einer proximalen Muskelschwäche im zweiten
bis dritten Lebensjahrzehnt.
Muskeldystrophie des Kindesalters
Der Krankheitsbeginn liegt zwischen dem 5. und 10. Lebensjahr.
Die Muskelschwäche ist proximal betont. Die Symptomatik erinnert an
Duchenne-Patienten.
Der Krankheitsverlauf ist jedoch etwas langsamer und führt bei einem Großteil
der Patienten um das 20. Lebensjahr zur Gehunfähigkeit.
Kongenitale Muskeldystrophie
Sie ist gekennzeichnet durch Bestehen einer Hypotonie seit Geburt sowie eine
mehr oder weniger rasch fortschreitende Muskeldystrophie und Schwäche.
Bereits sehr früh bestehen ausgeprägte Gelenkskontrakturen.
Neben einer gutartigen. langsam progredienten Form wurden auch selten rasch
progressive Krankheitsverläufe beschrieben.
Autosomal-dominante Muskeldystrophien
Facioskapulohumerale Muskeldystrophie
Die ersten Symptome finden sich in der Regel zwischen dem 10. und 20.
Lebensjahr, doch ist auch ein früherer Beginn bekannt.
Es findet sich, abgesehen von einer frühen Mitbeteiligung der
Gesichtsmuskulatur (Schwierigkeiten beim Augenschluß), in etwa das klinische
Bild der skapulohumeralen Form.
Bei weiterer Progression kommt es zu Veränderungen des Sprachbildes und Übergreifen
der Muskelschwäche auf Rumpf- und Beckenmuskulatur.
Skapuloperoneale Muskeldystrophie
Der Krankheitsbeginn liegt im zweiten Lebensjahrzehnt.
Der Krankheitsfortschritt ist nur langsam-progredient.
Die Gehfähigkeit ist bis zum Lebensende erhalten.
Gliedergürtelmyopathie mit spätem Beginn
Die Erstsymptomatik wird etwa um das zehnte Lebensjahr registriert.
Die Muskelschwäche ist vorwiegend im Hüftgürtelbereich lokalisiert und zeigt
nur langsame Progression, so daß meist die Gehfähigkeit bis zum Lebensende
erhalten bleibt.
Distale Myopathie - juvenile Form
Die ersten Symptome setzen hier in den ersten fünf Lebensjahren ein und zeigen
nur eine langsame Progression.
Es sind vor allem die distalen Muskelgruppen an den oberen und unteren Extremitäten
betroffen.
Okuläre Muskeldystrophie
Die Erstmanifestation liegt meist im 2. bis 3. Lebensjahrzehnt.
Im Vordergrund steht eine bilaterale Ptose, häufig kombiniert mit einer Schwäche
der äußeren Augenmuskeln.
Es kommt zu einer deutlichen Facies myopathica und im weiteren Verlauf zu einer
Muskelschwäche im Hals-, Stamm- und Oberarmbereich.
Diagnose: Je nach Krankheitsbild sind die Muskelenzyme (CPK, Aldolase,
LDH) deutlich oder kaum erhöht, das EMG zeigt ein myogenes Muster.
Muskelbiopsie und histologische Differenzierung bestätigen die Diagnose.
Therapie: Derzeit ist keine kausale Therapie möglich.
Als erste Maßnahme wird eine intensive, individuell abgestimmte
heilgymnastische Behandlung vorgeschlagen.
Dadurch kann die Muskelkraft längere Zeit erhalten bleiben und der
Kontrakturbildung entgegengewirkt werden.
Weiters ist eine regelmäßige orthopädische Betreuung erforderlich, um die
Gehfähigkeit zu verlängern.
Unbedingt notwendig ist eine psychagogische Betreuung der Kinder und der Eltern.
Die genetische Beratung hat eine wichtige prophylaktische Funktion.