Spielbesprechung von Györög Kurt
Diplomacy
18.12.2002

von Allan B. Calhamer
HASBRO (Avalon Hill)
für 2 - 7 Spieler
ab 12 Jahren

"Wem können Sie trauen?
Verrat und Vertrauen sind die Gegenpole, aus denen dieses Spiel um Politik und Intrigen seine enorme Spannung bezieht. Jeder Spieler verkörpert eine europäische Großmacht zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Alle Mächte streben danach, ihre Einflussbereiche zu vergrößern - das schafft keine Freunde. Also müssen Sie die Kooperation mit der einen oder anderen Macht suchen, um gemeinsam Dritte auszuschalten oder wenigstens nicht auf allen Seiten von Feinden umgeben zu sein. Sie planen Ihre Strategie und schicken Ihre Armeen und Flotten hinaus. Gebiet um Gebiet wird von Ihnen besetzt. Aber wie lange steht die befreundete Macht zu ihrem Wort? Droht jetzt der Einfall ins ungeschützte Hinterland? Hat sich bereits eine neue Allianz gegen Sie verschworen? Rechnen Sie stets mit Verrat und falschen Versprechen in diesem klassischen Verhandlungsspiel, in dem der Zufall keine Rolle spielt. Schließen Sie nützliche Allianzen und ergreifen Sie Ihre Chance im richtigen Moment. Beherrschen Sie Europa oder gehen Sie unter?"


... Freund oder Feind, Verbündete oder Gegner ???

Spielmaterial:
1 Spielplan, Konferenzkarten, je Spieler 10 "Armeen", 10 "Flotten" und 22 "Flaggen", sowie 1 Spielanleitung.

Spielziel:
18 (24) Versorgungszentren erobern.

Spielablauf:
Der Spielplan wird auf den Tisch gelegt, und die Startpositionen werden eingenommen.

Jeder Spielzug läuft wie folgt ab, wobei sich "Frühling" und "Herbst" abwechseln:
"Frühling" (4 Phasen)
1. Diplomatie-Phase
2. Befehle schreiben
3. Befehle ausführen
4. Rückzugs-Phase

"Herbst" (5 Phasen)
1. Diplomatie-Phase
2. Befehle schreiben
3. Befehle ausführen
4. Rückzugs-Phase
5. Überprüfen der Versorgungszentren

1. Diplomatie-Phase:
In dieser Phase dürfen die Spieler untereinander Strategien absprechen, Allianzen schließen, Versprechungen machen - das kann offen oder geheim (auch in anderen Zimmern) passieren. Die Konferenzkarten können hier als Hilfsmittel herangezogen werden.
Nichts von den Versprechungen und Abmachungen ist bindend - niemand MUSS sich danach daran halten.

2. Befehle schreiben:
Die Befehle für die einzelnen Einheiten werden nun geheim auf ein Blatt Papier notiert. Diese Befehle sind dann verbindlich und können im nachhinein nicht mehr geändert werden, sondern werden so, wie sie aufgeschrieben wurden ausgeführt.
Die einzelnen Befehle werden datiert, wobei mit "Frühling 1901" begonnen wird.

Mögliche Befehle sind:
  • Halten
  • Bewegen
  • Unterstützen
  • Geleiten

    Halten: Die Einheit soll an ihrem Platz bleiben und "die Stellung halten". Dies gilt auch, wenn für eine Einheit kein Befehl abgegeben wird.

    Bewegen: Durch diesen Befehl soll eine Einheit in ein angrenzendes Gebiet bewegt werden.
    Armeen können sich nur am Festland oder an Küsten bewegen, nicht jedoch ins Meer.
    Flotten können sich im Meer oder an angrenzende Küsten bewegen, nicht jedoch in Küsten, die nicht über ein Meerfeld miteinander verbunden sind.

    Unterstützen: Alle Einheiten haben die Stärke "1". Bewegt sich nun eine Einheit in ein besetztes Feld (=Angriff), so kommt es zu einer Pattsituation, und die Bewegung wird nicht ausgeführt.
    Um nun einen Angriff erfolgreich durchzuführen, braucht man die Unterstützung eigener oder fremder Einheiten, die sich auch in dieses Gebiet bewegen könnten. Diesen - unterstützenden - Einheiten wird der Befehl "Unterstützen" gegeben, und es muss genau angegeben werden welche Einheit unterstützt wird. Die Einheit selbst wird nicht bewegt.

    Geleiten: Um nun Armeen von einer Küste - über das Meer - zu einer anderen Küste bewegen zu können, müssen diese von einer Flotte geleitet werden. Hier muss den geleitenden Einheiten der Befehl "Geleiten" erteilt werden, und es muss genau angegeben werden welche Einheit von welchem Gebiet wohin geleitet wird. Die Flotte wird dabei nicht bewegt.

    Das sind die 4 Grundbefehle, mit denen man in Diplomacy auskommt - mit denen man aber auch komplexe und komplizierte Situationen erzeugen kann. Diese Sonderfälle und "Spezial"-Situationen sind aber in der Spielanleitung erklärt und werden dort genau abgehandelt ...

    3. Befehle ausführen:
    Die aufgeschriebenen Befehle werden "aufgelöst" und ausgeführt.

    4. Rückzugs-Phase:
    Einheiten die "besiegt" wurden, werden zum Rückzug in ein angrenzendes Gebiet gezwungen. Dabei ist folgendes zu beachten:
  • es darf kein besetztes Gebiet sein.
  • es darf nicht das Gebiet sein, aus dem der Angriff kam.
  • es darf kein Gebiet sein, in dem es aufgrund einer Pattsituation zu keiner Bewegung gekommen ist.

    Ist ein Rückzug nicht möglich, so wird die Einheit aufgelöst.

    5. Überprüfen der Versorgungszentren: (nur in den "Herbst"-Spielzügen)
    Am Ende jedes Herbstes (erstmals "Herbst 1901") werden die Versorgungszentren der Spieler gezählt.
  • Besitzt man mehr Versorgungszentren als Einheiten, so dürfen neue Einheiten in unbesetzten, eigenen Versorgungszentren gebaut werden.
  • Besitzt man weniger Versorgungszentren als Einheiten, so müssen Einheiten aufgelöst werden. Der Spieler darf selbst bestimmen, welche Einheiten wo aufgelöst werden.

    Spielende:
    Wenn ein Spieler im "Herbst" 18 Versorgungszentren oder mehr regiert endet das Spiel und er hat gewonnen. Man kann sich aber auch vor Spielbeginn auf eine bestimmte Zeit einigen. Nach Ablauf dieser haben alle Spieler, die dann noch übrig sind, gewonnen.

    Fazit:
    Diplomacy ist ein interessantes, anspruchsvolles Strategiespiel, das sicher nicht für jedermann geeignet ist.
    Und das nicht nur weil es sich hier um ein "Kriegsspiel" handelt, sonder auch weil es ein Spiel ist, für das man viel, viel Zeit (=viele Stunden) und Geduld braucht. Taktisches Gespür, Verhandlungsgeschick und den Mut, im richtigen Moment die "Gunst der Zeit" für sich zu nutzen gehören auch dazu.

    Dafür hat man aber ein sehr interessantes Spiel, mit vielen Möglichkeiten, in dem nach Herzenslust verhandelt und geblufft wird, Allianzen aufgebaut und wieder verworfen werden, in dem man Intrigen und Gerüchte in die Welt setzt usw. Und das Ganze kommt ohne Glück aus ...
    Vielmehr zählt das Gespür und der "Riecher" wann es Zeit ist, ein Versprechen zu brechen oder aber auch zu merken, wann man von anderen "über's Ohr" gehaut wird.

    Als dies führt aber dazu, das es sehr schwer ist 7 Spieler für eine vollständige Partie Diplomacy zusammen zu bekommen. Man kann zwar auf ein Spiel mit 6 oder weniger Spielern ausweichen, aber ...
    ... je weniger Spieler desto weniger Möglichkeiten zu verhandeln und zu intregieren !!!
    Das Spiel zu zweit ist aber wiederum sehr gut geeignet, um ins Spiel und in den Ablauf hineinzukommen und einige taktische Möglichkeiten auszuprobieren.

    Wer unbedingt in den Genuss einer vollständigen Partie kommen will, hat dann aber auch noch die Möglichkeit auf das Internet ausweichen. Hier kann ich vor allem die Homepage von Ludomaniac empfehlen. Hier finden sich immer 7 "Spielwütige" - eine Partie kann aber dann auch schon mal - bei wöchentlichen Zügen - über mehrere Monate gehen.
    Letzter Ausweg ist dann noch das PC-Spiel "Diplomacy", das mit "Computer-Gegner" - wenn überhaupt - nur den halben Spaß macht ...

    Nun aber zum Spielmaterial: es besteht aus einem schönen, farbigen Spielplan - denn man sich bei so einem Spiel großer vorstellt als er dann ist. Er hat angenehm Platz am Tisch, ist funktionell und die Gebiete sind groß genug. Es kann ja in jedem Gebiet maximal nur Einheit stationiert sein ...
    Die Spielfiguren bestehen aus tollen Metall-Miniaturen - Armeen werden durch Kanonen, Flotten durch Schiffe dargestellt - die Flaggen sind Pappmarker Alles ist gut in der Spielschachtel untergebracht, jedes Teil hat seinen Platz - nur für die Flaggen wurde der Platz etwas eng bemessen - stellt aber nicht wirklich ein Problem dar.

    Die Spielanleitung ist umfangreich - 24 großformatige Seiten - und alles wird mit Beispielen und Bilder ausführlich erklärt. Um aber alle Feinheiten zu durchschauen braucht man trotzdem viel Zeit und Erfahrung ...

    Ob nun Brettspiel oder Internet - Diplomacy ist ein wunderbares, interessantes und immer wieder für Überraschungen gutes Strategiespiel ...

    Vielen Dank an HASBRO für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars

  • "Diplomacy" bei spielenet.de