Regattataktik

Weniger Fehler als der Gegner

Diese Informationen wurden in 3 Teilen/Ausgaben der Yachtrevue im Jahr 1980 veröffentlicht. Author: Michael Farthofer

Der Start und die Startkreuz

  Daß nach einer verlorenen Regatta die Schuld nicht nur beim Material zu suchen ist, wollen die meisten Freizeitkapitäne in erster Enttäuschung kaum einsehen. Neben Boot, Mast und Segel sind Technik und Taktik mindestens gleich entscheidend. Regattataktik ist ein umfassendes Gebiet mit einer Vierzahl von Möglichkeiten. Aber das ist ja das Reizvolle am Regattasegeln: geistige und körperliche Fähigkeiten sind für den Erfolg notwendig.
  Jede Wettfahrt kann man in drei Hauptabschnitte unterteilen Sie erfordern jeweils ein gesondertes Konzept und werden von uns separat behandelt. Der erste Teil beschäftigt sich mit dem wohl wichtigsten, zugleich auch schwierigstem Abschnitt, dem Start und der ersten Kreuz. Raumschotkurs und zweite Kreuz, sowie Vorwind und Zielkreuz eines olympischen Kurses folgen in den nächsten Heften. Das Hauptproblem allen taktischen Handelns liegt in der meist unbewußten Durchführung. Dies gilt nicht für den absoluten Spitzensegler (ihm bleibt in Streßsituationen einer Regatta ohnedies keine Zeit zu überlegen), sondern hauptsächlich für jenen, der in diesem
Punkt noch nicht soweit ausgebildet ist, um unbewußt fehlerfrei entscheiden zu können. Die natürliche Weiterbildung (aus Fehlern lernen) fällt praktisch weg. Der in einer Regatta frustrierte und Im letzten Drittel segelnde Sportsmann ist sich keiner besonderen Fehler bewußt. Das schlechte Abschneiden wird dem Material zugeschrieben.
  Großteils sind aber taktische Fehlentschei- dungen der Grund für Mißerfolge. Um diese auszumerzen muß man wissen, was Taktik im Segelsport bedeutet.
  Der Kampf mit dem Gegner unter Ausnützung der eigenen technischen Fertigkeiten, der Aerodynamik und Hydrodynamik, der eigenen physischen und psychischen Eigenschaften, sowie die Beachtung aller Stärken und Schwächen des Gegners und der vorteilhaften Anwendung der IWB (Internationale Wettsegelbestimmungen) im Rahmen des Erlaubten, mit dem Ziel, die Durchführung der gegnerischen Konzeption zu verhindern.
  Auf Grund dieser Definition können wir ersehen, welchen großen Bereich der Begriff Taktik umfaßt. Zur Vereinfachung konzentrieren wir uns auf die taktische Handlung. Sie vollzieht
sich in drei Hauptphasen:
 1. Wahrnehmung und Ana-lyse der Wettkampfsituation.
 2. Gedankliche Lösung der speziellen taktischen Aufgaben.
 3. Motorische Lösung der taktischen Aufgabe.
  Der erste Abschnitt erscheint als schwierigster. Hier gemachte Fehler wirken sich direkt auf die folgenden Handlungsphasen aus. Fehlentscheidungen werden unwiderruflich.
  Wichtig Ist, das eigene technische Können zu berücksichtigen. Die schönsten gedanklichen Lösungen helfen wenig, wenn sie beispielsweise wegen fehlender Schnelligkeit eines Manövers nicht realisierbar sind.

Taktisches Konzept für eine Wettfahrt

Vor dem Start
  Die Taktik beginnt schon an Land, lange bevor der Startschuß fällt. Die genaue Kontrolle des Bootes und das Lesen der Segelanweisungen gehören ebenso dazu, wie die richtige Segelwahl, die man auf Grund der meteorologischen Voraussagen trifft. Dann sollte man den
Hafen rechtzeitig verlassen, um das Boot auf die entsprechende Windstärke einzutrimmen und Kompaßmessungen der Windrichtung im Startgebiet vornehmen zu können. Dies ist besonders wichtig, da die Windrichtung meist relativ gleichmäßig in einem kleinen Winkel pendelt oder aber konstant nach einer Seite dreht. In beiden Fällen kann man sich für den Zeitpunkt des Startes ein Konzept erstellen, das man, sofern sich die Bedingungen nicht grundsätzlich ändern. konsequent und mit aller Entschiedenheit durchführen sollte.
  Um ein Konzept exakt durchführen zu können braucht man im Augenblick des Startes größtmögliche Entscheidungsfreiheit.
  Zunächst befinden wir uns jedoch in der Vorstartphase. Die Startlinie Ist bereits aus-gelegt und wir wollen wissen, welche der beiden Seiten bevorzugt ist. Die einfachste Methode: Auf einem Bug genau an der Startlinie entlang segeln und dabei die Segel gerade soweit dicht nehmen, daß sie nicht killen. Anschließend wendet man und segelt mit unveränderter Schotstellung auf dem entgegengesetzten Bug

an der Linie entlang. Steht das Segel voller, weiß man, daß die nun achterlich liegende Seite der Startlinie bevorzugt ist. Auf dieser Feststellung baut sich jede weitere Aktion auf. Die verbreitete Auffassung, daß die Lage der ersten Luvboje die Position beim Start bestimmt, ist falsch. Sie hat außer in Extremfällen nahezu keinen Einfluß auf die Startposition (1, 2). Entscheidend ist praktisch nur der Einfallswinkel des Windes zur Startlinie und das taktische Konzept für die alte Kreuz. Bei den heute üblichen großen Startfeldern Ist es jedoch sinnlos auf der zwar begünstigten Backbordseite der Startlinie zu starten, wenn man die erste Kreuz auf der Steuerbordseite segeln möchte. Es kommt in einem solchen Fall zu der schon zitierten Einschränkung der Entscheidungsfreiheit, die meist wesentlich schwerwiegendere Folgen nach zieht als ein Start auf der schlechteren Seite der Linie. Damit kommen wir auch schon zum nächsten Abschnitt, dem Start selbst.

Der Start
  Unter dem Begriff „Start" wollen wir den Zeltraum bis zirka 3 Minuten vor dem eigentlichen Startzeitraum betrachten (3). Nun beginnt der Kampf um die beste Startposition, denn auch die anderen wissen, welche Seite die bessere ist. Automatisch kommt es In diesem Bereich zu einem Bedränge. Prinzipiell kann man zu dieser Situation nur sagen: „Raushalten". Höchstens zwei oder drei Booten gelingt es, aus diesem Tumult frei weg zusegeln und gut zu starten. Alle anderen segeln von Beginn an in Abwinden und sind meist in schlechterer Position als jene, die zwar auf der benachteiligten Seite, aber in freiem Wind starten.
  Auf alle Fälle muß man beim Start versuchen den Bug knapp vor dem des Luvbootes und wenn möglich auch vor dem des Leebootes zu haben. Gelingt das nicht, hat man von vornherein seine Chancen auf einen guten Platz verspielt.
  Grundvoraussetzung für Starts aus der Menge ist perfekte Bootsbeherrschung, ohne die es kaum möglich ist, das Boot über einen längeren Zeitraum ruhig an einer Stelle stehen zu lassen. Stellt man sich zu spät an, findet man schwer einen Platz in der ersten Reihe.
  Erfahrungsgemäß startet ein Großteil der Segler von der Steuerbordseite. Sogar dann, wenn Backbord leicht bevorzugt ist. Dies ist ein schwerwiegender Fehler. Durch den Widerstand der vielen Boote an einer Startlinie, weicht der Wind nach beiden Seiten und
nach oben aus. Das bedeutet (wenn alle Boote mit Backbordschoten starten), daß die Boote in Lee mehr (4) anluven können und in Luv abfallen müssen. Dies geschieht ganz abgesehen von sicherer Leestellung und Strömungsverdichtung. Das heißt: Um die Situation in Luv richtig auszunützen, müßte man umlegen und auf die Steuerbordseite segeln.
  Will man nach eigenem Konzept mit uneingeschränkter Entscheidungsfreiheit starten, gibt es zwei Möglichkeiten: Der Start in Lee vom „Luvpaket", oder in Luv vom „Leepaket". In beiden Fällen startet man zwar nicht an der besten Stelle der Linie, meist aber relativ frei, sowohl was den Wind betrifft, als auch die Entscheidungsmöglichkeiten. Außerdem (das Ist bei den heute oft unumgänglichen Serienfrühstarts wichtig) wird man auch in vorderster Position vom Startschiff aus nicht gesehen.
  Im Augenblicke des Startes sollte sich das Boot bereits in Fahrt befinden. Das heißt, man muß einige Bekunden davor die Segel dicht holen und leicht abfallen. um Fahrt aufzunehmen. Wichtig dabei ist, nicht zu früh los zu segeln, um den Booten in Lee nicht zu nahe zu kommen, dennoch aber rechtzeitig, um nicht vom Luvboot überlauten zu werden.
  Ist der Startschuß gefallen, beginnt die nächste und zugleich auch wichtigste Phase des Startvorganges, die Nachstartphase.
Die Nachstartphase
  Unter Nachstartphase verstehen wir den Zeitraum zwischen dem Startschuß und dem Zeitpunkt, an dem sich der Pulk der Boote auflöst, um mit freier Kurswahl die Luvboje anzusteuern. Ähnlich wie in der Startphase liegen auch in der Nachstartphase die Boote dicht beisammen. Entsprechend stark ist auch die gegenseitige Beeinflussung des Windes durch Ablenkung, Abdeckung und Deflektorwirkung der Segel. Hat man einen guten Start, kann die Position ausgebaut werden. Konnte man beim Start seinen eigenen taktischen Plan nicht realisieren, ist während der Nachstartphase die Möglichkeit einer wesentlichen Positionsverbesserung gegeben. Diese Chance wird im Verlauf der Regatta rasch geringer, da sich die Distanzen zwischen den einzelnen Booten rasch vergrößern. Wer seinen Gegnern die Initiative überläßt, unüberlegt oder unentschlossen handelt, bleibt in den Abwinden des Feldes gefangen. Mannschaften, die in der Nachstartphase bewußt und zielstrebig handeln, können auch nach schlechtem
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14 15 16 Start, nach wenigen Minuten, den Pulk der Boote anführen.
  Viele Segler werden Opfer dar nervlichen Belastung und erreichen bei weitem nicht optimale Bootsgeschwindigkeit. Eben in dieser Situation sollte der zuvor aufgestellte Plan als unmittelbares Ziel nie aus den Augen verloren werden. Hauptziel der Nachstartphase ist es, nach dem Start eine Position einzunehmen, in der man sowohl freien Wind als auch möglichst große Entscheidungsfreiheit hat. Befindet sich ein Boot auf Grund eines guten Starts von Anfang an in dieser Position, kann sich die Mannschaft auf die Verwirklichung ihres taktischen Konzeptes konzentrieren.
  Stellt sich kurz nach dem Start heraus, daß der augenblickliche Kurs nicht mit dem taktischen Plan übereinstimmt, muß man versuchen, sich so rasch wie möglich aus dieser Umklammerung zu befreien. Selbst aus einer sicheren Leestellung ist es oft günstiger durch Verringerung der Geschwindigkeit die Möglichkeit einer Wende zu dem gewünschten Bereich herbeizuführen.
  Trotz der vielen Möglichkeiten, die noch während der Nachstartphase offen bleiben um die Position zu verbessern, muß man sich immer im klaren darüber sein, daß sich der Nachteil eines Starts aus der zweiten oder dritten Reihe nur schwer aufheben läßt. Der Start ist wichtigster Faktor einer Wettfahrt.
Die Startkreuz
  Die Startkreuz unterscheidet sich prinzipiell von den beiden weiteren Kreuzkursen einer olympischen Dreiecksregatta. Man muß versuchen sein eigenes Rennen nach taktischem Plan und unter optimaler Windausnützung zu segeln. Jede zusätzliche taktische Handlung und Verwicklung in Nahkämpfe sollen so weit wie möglich vermieden werden. Erst auf der zweiten oder der Zielkreuz sollen Angriffs- oder Verteidigungsaktionen angewendet werden Zweikämpfe verhindern konzentriertes Segeln auf der ersten Kreuz und verringern die Chance auf eine Plazierung in der Spitzengruppe an der Luvboje.
  Es ist wichtig, daß die gesamte Mannschaft bemüht ist, gute Geschwindigkeit zu segeln und damit die Leistungsfähigkeit des Bootes auszunützen. Ein gutes Team teilt sich die Aufgaben, denn es ist für den Steuermann, der sich auf Welle. Segel und Boot konzentrieren soll, schwer, taktische Maßnahmen rechtzeitig zu erkennen. So sollen die Richtungs- und Stärkeänderung des Windes ständig berücksichtigt werden, die Position die Bahnmarken, und die
Kurse der gegnerischen Boote müssen kontrolliert werden.
  Es werden jene Segler eine gute Plazierung an der ersten Bahnmarke erreichen, die weniger Fehler als ihre Gegner machen, unnötige zeitraubende Duelle mit anderen Booten vermeiden, und den eigenen taktischen Plan nicht vernachlässigen. Eine Mittelfeldplazierung an der Luvboje macht einen Zieldurchgang unter den ersten so gut wie unmöglich.
  Besonders zu beachten ist die Beibehaltung des Kreuzkursbereiches bis zur Luvtonne. Ein Übersegeln der gedachten Linie zwischen Lee und Luvboje ist vor allem auf offenem Wasser mit großen Wegverlust verbunden.
  Genauso wichtig und mit ähnlichen Konsequenzen wie das Kreuzseiten wechseln ist euch falsches Streckbug-Segeln verbunden. Nur selten bildet nämlich die Windrichtung eine Senkrechte zur Startlinie. Meist ist entweder die Backbord- oder Steuerbord- Seite (5) der Startlinie bevorzugt. Von der bevorzugten Seite der Linie ist die Distanz zur nächsten Marke geringer. Je größer die Abweichung der Windrichtung von der Senkrechten zur Startlinie, desto näher führt der Schlag auf dem einen Bug zur Bahnmarke. Dreht der Wind auf die gleiche Seite weiter, Ist der Verlust meist gering und man kann sich mit geschickten kleinen Holeschlägen aus der Affäre ziehen. Bei einer Winddrehung auf die andere Seite (6) ist die Yacht auf dem Streckbug gegenüber jener auf dem Holebug bevorzugt, denn wendet sie, hat sie einen kürzeren Weg zurückzulegen.
  Das Freisegeln nach dem Start sollte man jedenfalls mit Kurswahl auf dem Streckbug verbinden.
  Der letzte wichtige Punkt einer Startkreuz ist das richtige Anlaufen der Luvboje. Grundsätzlich ist es am sichersten, die Boje mit Backbordschoten. (und sofern man sich in einem Pulk befindet; mit genügendem Abstand anzuliegen. Allzu leicht wird man nämlich bei engem Runden von den aus Luv abfallenden und somit auf schnelleren Booten abgedeckt. Bei großen Feldern kann man auf diese Art viele Plätze verlieren. Außerdem ist man so wie beim Start in seiner Entscheidungsfreiheit für den folgenden Kurs beengt.
  Sollte man trotz Befolgung aller taktischer Prinzipien einmal vom Glück verlassen sein und sich an der Luvboje ganz hinten wiederfinden, darf man auf keinen Fall den Kopf hängen lassen. Jede Wettfahrt ist erst im Ziel zu Ende.

Raumschotkurs und die zweite Kreuz

  Sicher Ist, daß der Start und die Startkreuz besonders in größeren Feldern die wichtigsten Bereiche einer Wettfahrt darstellen. Hier gemachte Fehler lassen sich nur schwer ausmerzen Trotzdem darf man aber die Flinte nicht zu früh ins „Wasser" werfen Plazierungsveränderungen sind bis auf den letzten Meter einer Regatta möglich. Der Patz an der ersten Luvboje ist die Ausgangsposition für Verteidigung oder Angriff. Beide Maßnahmen sind gleichbedeutend.
  Teilweise kommt es zu Situationen, in denen Angriff und Verteidigung gleichzeitig durchgeführt werden sollten.
  Trotz der Im Vergleich zum Kreuzkurs relativ geringen taktischen Möglichkeiten kann man auf dem Raumschotkurs leichter Boote
überholen, bei falschem Handeln aber auch verlieren. Dazu gibt es aber auch einige Grundregeln, bei deren Beachtung man von vornherein viele Fehler ausschließen kann.

Grundregeln für den Raumschotkurs
  Grundsätzlich muß man sich erst einmal über die Mög-lichkeiten der Kurswahl im Klaren sein. Wir unterscheiden den direkten Kurs, das ist die gerade Linie zwischen den beiden Bahnmarken, den Luvbogen, das Ist eine Abweichung vom direkten Kurs nach Luv oder den Leebogen (Bild 1). Egal welche der drei Hauptkursrichtungen gewählt wird, man muß exakt mit den Böen segeln. „Mit den Böen segeln“ bedeutet, wenn der Wind stärker wird, also eine Böe einfällt, abzufallen, und in
den Böenpausen wieder anzuluven. Eine Ausnahme dieser Regel gilt für leichte Gleitjollen, die sich gerade noch in Verdrängungsfahrt befinden: Durch leichtes Anluven in der Böe beschleunigt das Schiff gerade um die Kleinigkeit, um ins Gleiten zu kommen. Man gewinnt dadurch im Endeffekt mehr als durch taktisch richtiges Abfallen. Eine weitere Grundregel: bei stärkerem Wind (der ein Gleiten erlaubt) nach Möglichkeit auf Zweikämpfe zu verzichten und sich mehr auf die richtige Segeltechnik zu konzentrieren. Eben auf diesem Kurs hängt nämlich gute Geschwindigkeit wesentlich mehr von der richtigen Boots- und Segelführung als vom verwendeten Material. Auch der Versuch, das Boot durch richtiges Aussegeln der Wellen ins Surfen zu bringen, ist von großer Bedeutung. Eine große Welle zu verpassen kann oft hundert Meter und mehr Weg-verlust bedeuten.
  Welcher der drei möglichen Kurse Ist nun der Beste?
  Das hängt von mehreren Faktoren ab und muß immer auf die entsprechende Situation abgestimmt werden. Im allgemeinen empfiehlt es sich, bei gleichmäßigem Wind die erste Raumstrecke etwas leewärts und die zweite etwas luvwärts von der direkten Kurslinie zu segeln. Das gibt die Möglichkeit, die bei größeren Feldern äußerst wichtige Innenposition an der nächsten Tonne leichter zu erringen. Den direkten Kurs zu segeln, ist also schon aus diesen Überlegungen ungünstig.

Eine der wenigen Ausnahmen, doch die direkte Linie zu wählen, ist bei gleichmäßigem Wind und wenn keine Gefahr besteht, von achterlichen Schiffen überlaufen zu werden. Schon bei etwas unregelmäßigem Wind sind entweder der Luv- oder der Leebogen vorzuziehen. Bei auffrischendem Wind ist vor allen Dingen der Luvbogen vorzuziehen, da durch den günstigeren Anstellwinkel des Segels eine Geschwindigkeitssteigerung eintritt. Außerdem ist man näher dem frisch aufkommenden Wind. Beim Abfallen (ehe man die Dwarsboje umrundet) fällt der Wind achterlicher ein, was mit einer Geschwindigkeitsverringerung verbunden Ist. Das Manöver kann unter weniger Gefahren durchgeführt werden. Nachteil: Man kommt meist in Außenposition zur Boje.
  Sprechen die Gegebenheiten für einen Luvbogen, nimmt man diesen Nachteil dennoch auf sich. In einer solchen Situation ist es günstig, vorausschauend und sicher zu handeln und beispielsweise mit einer Geschwindigkeitsverringe-rung durch Dichtnehmen des Großsegels einen Durchgang zu finden, um die Innenposition bei der Boje zu erlangen. Ein wei-terer wichtiger Pluspunkt für die Wahl der luvwärtigen Linie ist der wirksame Schutz gegen die Abdeckung gegnerischer Boote. Gas ist besonders bei großen und dicht gestaffelten Feldern wesentlich.
  Der Leebogen hingegen ist eher eine Angriffsmaßnahme, für die allerdings einige Vor-aussetzungen an der Luvboje gegeben sein müssen. Um den Leebogen zu segeln, muß man nämlich mit Innenposition en der Luvboje runden und darf nicht von einem großen Pulk knapp gefolgt werden. Durch das Abfallen am Beginn des Raumkurses verringert sich die Bootsgeschwindigkeit relativ stark, wodurch man in die Ab-deckung der knapp folgenden und rascheren Boote kommen Hürde. Nur schwer ist es mög-lich sich wieder aus den Ab-winden zu befreien.
  Stellt man auf der Kreuz fest, daß der Wind häufig seine Richtung ändert, so soll dies auf dem Raumschotkurs genützt werden. Verläuft der Wind beispielsweise fast parallel zur direkten Kurslinie, ist auch dann die Leetaktik anzuwenden, wenn man sich in einer, wie vorher genannten, schlechten Ausgangsposition befindet. Auf alle Fälle ist der Beginn des Raumschotkurses zugleich sein wichtigster Teil. Hier gefaßte Entscheidungen über die Kurswahl sollen - und können auch meist - nicht mehr korrigiert werden Sie wären mit zu großen Verlusten verbunden.
  Das eigene taktische Ver-halten wird meist nicht vom Wind, sondern weitgehend von der Position der Gegner bestimmt. Als Führender einer Gruppe muß man sich auf die Verteidigung seines Platzes einrichten. Sofortiges Abfallen nach der Luvboje bringt (wie oben erwähnt) die Gefahr, abgedeckt zu werden, mit sich. Es ist deshalb besonders bel leichtem Wind besser, eine kurze Strecke hoch zu segeln und erst dann langsam abzufallen, wenn sich die Verfolger auf die Verteidigung ihrer eigenen Position konzentrieren. Dieses Anluven muß allerdings geschickt ausgewogen sein, um den Gegner zu einem Leedurchbruch herauszufordern.
  Als Letzter eines Pulks an der Luvboje hat man viele Möglichkeiten die vorne liegenden Boote anzugreifen. Man muß erwägen, ob es entweder günstiger Ist noch weiter nach Luv zu segeln als die führenden Boote, oder einen Leedurchbruch zu wagen (Bild 2). Die Luvposition bringt allerdings den großen Nachteil eingeschränkter Entscheidungsfreiheit bezüglich der weiteren Kurswahl. Der Angriff in Lee ist also meist günstiger, jedoch muß man dazu weit genug ab-fallen, um aus dem Abdeckungsbereich der Luvboote freizukommen. Die nervliche Bela-stung dieser anfangs meist ungünstig aussehenden Position ist groß und verleitet oft dazu, die gewählte Taktik aufzugeben und nach Luv zu segeln. Genau das ist aber zu vermeiden. In diesem Fall verliert man nämlich jene Boote, die zuerst in Luv überholt haben und am Ende des Raumschotkurses noch zusätzlich die des Leebogens.
Zweikämpfe auf Raumschotkursen
Die Angriffs- und Verteidigungsvarianten auf Raumschotkursen sind sehr beschränkt. Der Angriff in Luv auf ein klar voraus liegendes Boot wird dann den gewünschten Erfolg bringen, wenn der Abstand des Verfolgers nicht zu groß ist. Erst wenn der Abdeckungskegel den Gegner erreicht, verliert er an Geschwindigkeit und somit auch den Zweikampf. Aufgrund der höheren Geschwindigkeit auf Raumschotkursen muß man aber beachten, daß der Störungsbereich in Lee des Großsegels achterlicher liegt als die Richtung des wahren Windes (Bild 3). Der Angegriffene muß nun durch rechtzeitiges Luven ebenfalls seine Geschwindigkeit erhöhen, um nicht überlaufen zu werden. Nachteil: Beide Boote segeln zu weit nach Luv und kön-nen von den Nachfolgenden mit
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24 25 26 einem geschickten Leedurch-bruch unterlaufen werden. Es ist daher für den Angreifer günstiger, seine Attacke ruhig und genau vorzubereiten, um sich beim eigentlichen Angriff des Erfolges sicher zu sein Durch genaues Aassegeln der Böen und kurzzeitig leichtes Luven versucht man den Ab-stand ständig zu verringern, und den Gegner aus der Ruhe zu bringen. Dann beendet man die Reizaktionen für einige Zeit um den Gegner scheinbar in Sicherheit zu wiegen. Verbun-den mit einer günstigen Böe kommt der plötzliche und über-raschende Angriff (Bild 4). Der Erfolg ist in den meisten Fällen sicher.
  Wesentlich schwieriger gestaltet sich der Angriff in Lee, da sich der Verteidiger in einer wesentlich günstigeren Position befindet. Um in Lee an einem Schiff vorbeizukommen, muß nämlich der Abstand groß genug sein, um den Abdeckungskegel zu umgehen. In allen Fällen ist der Verfolgte im Nachteil, da er seine Aufmerksamkeit auf den Angreifer richten muß. Er kann sich nicht genügend auf das eigene Boot konzentrieren und somit nach die Abwehrmanöver nicht mit der richtigen Sorgfalt ausführen. Je weniger eine Mannschaft psychisch belastbar ist, um so mehr Fehler werden ihr dabei unterlaufen. Der Vorsprung verringert sich rasch, und muß man einmal einen Angreifer in Luv vorüberziehen lassen, so folgen aufgrund der Turbulen-zen des Windes und damit verbundenen Geschwindigkeitsverlustes meist mehrere nach.
  Manöver an der Leeboje: Wie schon bei der Dwarsboje, ist auch hier die Innenposition von außerordentlicher Wichtigkeit. Um diese auch aus ungünstiger Position zu erlangen, sind vorausschauendes Handeln und perfekte Manöver notwendig. Oft kann ein um zehn Sekunden länger stehender Spinnaker das Überholen von mehreren Booten bedeuten. Bei voraussehbarem Gedränge von mehreren Booten und anschließend kleiner Lücke, wäre es günstiger, die Fahrt zu verringern und mit Innenposition und annähernd freiem Wind an der Leeboje den Kampf um die zweite Kreuz aufzunehmen.
Zweite Kreuz
  Hat man auf der ersten Kreuz besonders darauf geachtet, sich aus Zweikämpfen heraus zuhal-ten, um sein eigenes taktisches Grundkonzept möglichst ungestört und konsequent durchzuführen, so verfährt man auf der zweiten Kreuz nach anderen Prinzipien. Grundsätzlich hängt das eigene taktische Verhalten auf der zweiten Kreuz, wie auch
auf den Raumschotkursen, von seiner Position gegenüber den anderen Regattatateinehmern ab. Will man seinen Platz verbessern und angreifen, oder hat man eine Spitzenposition zu verteidigen. Die Erfahrung zeigt, daß durch offensives und zielbewußtes Handeln noch viel gewonnen werden kann. Ja aufmerksamer auf der ersten Kreuz und den Raumschotkursen die Gegner und meteorologischen Bedingungen beobachtet wurden, desto leichter können weitere taktische Entscheidungen getroffen werden Von großer Wichtigkeit ist es, einen möglichst hohen Grad an Entscheidungsfreiheit zu besitzen, um wirklich tun zu können, was man sich vorgenommen hat. Nahezu unentbehrlich dazu ist die Innenposition an der Leeboje. Nur so kann man mit freier Entscheidung über den zu segelnden Kurs in verhältnismäßig freiem Wind aufkreuzen. Hat man sich entschlossen, ob angegriffen oder verteidigt werden soll, muß man die Geschwindigkeit seines Bootes in Relation zu jener der Gegner überprüfen und real einschätzen. Das gut eingeschätzte Leistungsvermögen bildet die Grundlage für die Auswahl weiterer taktischer Operationen. Das gilt vor allem für die Abstände zu den einzelnen Gegnern und entscheidet, ob bei der Verteidigung die Nah-/Ferndeckung oder beim Angriff der Zweikampf oder das Segeln in freiem Wind zu bevorzugen sind. Auch die Plazierung in der Gesamtwertung einer Wettfahrtserie ist maßgebend für taktische Entscheidungen. So stellt sich bei der Begegnung zweier Boote die Frage, ob auf einen Zweikampf eingegangen werden soll oder nicht. Eine am Boot gut sichtbar angebrachte Notiz darüber kann die Entscheidung erleichtern.
Der Angriff
  Sind die Geschwindigkeitsvergleiche zufriedenstellend verlaufen, und befindet man sich in einer Mittelfeldposition, so ist eine offensive Taktik zu wählen Dazu benötigt man nach Möglichkeit eine Position mit ungestörten Windverhältnissen und einen einwandfreien Trimm von Segel und Boot Man muß bestrebt sein, so rasch wie möglich auf dem Streckbug die bevorzugte Seite zu erreichen. Auf der ersten Kreuz begangene Fehler müssen vermieden und die voraus liegenden Boote ständig beobachtet werden. Auf der zweiten Kreuz ist es schon wesentlich einfacher, die herrschenden Wetterbedingungen richtig einzuschätzen und entsprechend auszunützen.
  Der Angriff auf der zweiten Kreuz wird also ähnlich jener der ersten Kreuz (möglichst unter

Vermeidung unnötiger Zweikämpfe mit einem Großraumkonzept gesegelt. Keinesfalls darf aber beispielsweise eine ungünstige Position nach dem Runden der Leeboje der Anlaß zu einem Extremschlag sein. Ist man weit abgeschlagen oder seiner Sache vollkommen sicher, kann man ausnahmsweise ein, bezüglich der Kurswahl, ganz anderes Verhalten als die Gegner einnehmen. Die Gefahr, dabei viel zu verlieren, ist groß.
Die Verteidigung einer Spitzen-position: Wenn man als Erster oder in der Spitzengruppe die Leeboje rundet, sollte man jedes positionsgefährdendes Risiko vermeiden. Man muß seinen Kurs so einrichten, daß die herrschenden Windverhältnisse bestmöglich ausgenützt, dabei aber auch die Verfolger unter Kontrolle gehalten werden. Die wichtigste Grundregel für eine Positionsverteidigung ist: Jeweils so kreuzen, daß man sich zwischen dem Gegner und der nächsten zu rundenden Bahnmarke befindet. Für das führende Boot gibt es nach dem Runden der Leeboje eine taktische Standardregel: Nach dem Passieren der Boje segelt man ungefähr den halben Weg seines Vorsprunges auf demselben Bug weiter. Danach wendet man und segelt die zweite Hälfte des Abstandes zum Verfolger auf dem anderen Bug. Erreicht dieser die Leeboje, wendet man abermals und liegt somit in Luv vor seinem Gegner in optimaler Abwehrposition (Bild 5).
Egal mit welchen Mitteln er anzugreifen versucht oder in welche Richtung der Wind auch dreht, man hat Ihn sicher unter Kontrolle. Die beiden zusätzlichen Wenden können für die Erlangung dieser Position in Kauf genommen werden. Bei geringem Vorsprung von nur zwei bis drei Bootslängen kann sich das Spitzenboot einen Fahrtverlust durch die zwei zusätzlichen Wenden nicht leisten. In diesem Fall ist für den Führenden höchste Alarmbereitschaft gegeben: Er muß den Verfolger genauestens beobachten. Wendet dieser so muß auch der Führende unverzüglich folgen, um einen Leedurchbruch zu verhindern (Bild 6). Wird der Führende von mehreren Booten gleichzeitig angegriffen, muß sich dieser vor allem auf den am nächsten gelegenen Gegner konzentrieren. Wenn sich allerdings unter den Angreifern einer befindet, der in der Gesamtwertung nahe liegt, dann ist das Augenmerk hauptsächlich auf diesen zu richten.
  In den beiden letzten Wettfahrten einer Serie ist der taktische Plan auf eine Kontrolle der in der Gesamtwertung nahe liegenden Boote auszurichten.
Zweikämpfe auf der Kreuz
  Es würde viel zu weit führen, auf alle Einzelheiten von Kreuzkursduellen einzugehen. Dennoch stellen sie einen derart wichtigen Teil allen taktischen Handelns dar, daß man nicht darauf verzichten darf, zumindest die Grundsätze zu erwähnen.
  Bei allen Duellen muß der Steuermann stets das übrige Renngeschehen im Auge behalten, Außerdem muß man beachten, daß Boote mit geringerer Grundgeschwindigkeit andere taktische Konzepte im Nahkampf erfordern, als schnelle Boote. Mit einem raschen Boot wird man auf dem Amwindkurs die führende Position in der Regel durch Ferndeckung verteidigen und dabei auf aerodynamische Kampfmittel weitestgehend verzichten. Diese erfordern nämlich Nähe zum Gegner - was wiederum eine größere Gefahr bedeutet. Schon eine verpatzte Wende reicht aus, um seine Position zu verlieren. Verfügt man jedoch über genügend Querabstand, so hat man auch wesentlich mehr Entscheidungsfreiheit und kann den Zeitpunkt der eigenen Wende leichter abstimmen. Außerdem können taktische Handlungen des Gegners (Scheinwende oder Doppelwende) bei der Ferndeckung gut verteidigt werden. Der Angriff
eines schnelleren oder gleich schnellen Bootes muß so durchgeführt werden, daß es sich durch Manöver in eine Position mit freien Windverhältnissen bringt. Man entgeht dadurch den aero- und hydro-dynamischen Störungen (z. B. Heckwellen) des Gegners und kann sich voll auf die eigene Segeltechnik konzentrieren. Mit einem langsamen Boot muß man ebenfalls freien Wind suchen, vor allem aber die Winddrehungen uneingeschränkt durch die Nähe gegnerischer Boote ausnutzen. Zweikämpfe sind im allgemeinen mit Positionsverlusten verbunden und sollten daher im Verlaufe einer Wettfahrt so lange als möglich vermieden werden. Eigentlicher Schauplatz von Zweikämpfen sollte erst die Zielkreuz sein, bei deren Behandlung wir näher auf dieses umfassende Kapitel der Regattataktik eingehen möchten.
  Zusammenfassend kann man feststellen, daß auf der zweiten Kreuz taktische Handlungen in wesentlich stärkerem Maße Einfluß auf Entscheidungen und Maßnahmen einer Mannschaft haben als auf der Startkreuz. Wind und Wetterverhältnisse verlieren ihre Vorherrschaft bei Entscheidungen.

Dem Ziel entgegen

Der letzte Teil dieses Abschnittes ist nur mehr dann interessant, wenn das Startschiff zwischen Lee- und Luvboje verankert ist.

  Die Leistungen während ei-ner Wettfahrt werden erst im Ziel gemessen. Wenig gewinn-bringend ist vorerst an der Spitze zu segeln und auf den letzten Teilkursen seinen Platz aufgrund von taktischen Feh-lern zu verlieren Mehr noch als auf allen vorangegangenen Kursen stehen auf der Vorwind und Zielkreuz taktische Über-legungen im Mittelpunkt aller Entscheidungen.
  Wie auch schon auf der zweiten Kreuz sind je nach augenblicklicher Plazierungen zwei Möglichkeiten offen: Angriff oder Verteidigung.

Der Vorwindkurs
  Die Vorwind ist nach der Raumschot der zweite Teilkurs, der unter normalen Bedingun-gen von den meistert Booten mit Spinnaker gesegelt wird. Hier hat man allerdings wesentlich mehr taktische Möglichkeiten und kann bei richtiger Ausnutzung der Situation leicht Plätze gut machen. Dazu kommt noch, daß mehr als auf allen anderen Teilkursen der Regattabahn die taktische
Initiative von den Verfolgern ausgeht. Nimmt der Wind an Stärke zu, laufen fast immer die achteraus liegenden Boote auf.
  Besondere Bedeutung kommt dem Beginn des Vorwindkurses zu. In dem Bemühen den Spinnaker möglichst rasch zu setzen, wird eine Mannschaft durch das eigene Manöver abgelenkt, sodaß die Gefahr besteht, die Gegner aus dem Blickfeld zu verlieren Werden sie von den Verfolgern abgedeckt, und steht der Spinnaker nicht einwandfrei, so verliert das Boot stark an Fahrt. Die Folge: es wird von einem nachfolgenden Pulk rasch überholt. Ist eine Mannschaft derart mit dem Manöver beschäftigt, daß sie die noch auf der Kreuz befindlichen Boote übersieht, kann sich daraus leicht eine Protestsituation ergeben. Es ist daher ratsam - wird man von einem Pulk dichtauf verfolgt - nicht sofort stark abzufallen, sondern zuerst zu versuchen in eine Zone freien Windes zu gelangen. Anschließend setzt man in Ruhe den Spinnaker.
  Eine zweite Möglichkeit wäre, sofern man vorher die Backbordseite der Bahn für den Vorwindkurs gewählt hat, sofort zu Halsen, leicht anzuluven und dann den Spinnaker zu setzen. Sofort stark abfallen und den Spinnaker setzen sollte man eigentlich nur dann praktizieren, wenn man entweder sehr weit hinten im Feld liegt und damit Weg spart, oder wenn der Abstand zu den Ver-folgern groß genug ist und keine direkte Abdeckung auf-treten kann. Auf alle Fälle gilt aber auch für den Vorwindkurs eine möglichst frühzeitige Ent-scheidung zu treffen und eine konsequente Durchführung des Konzeptes anzustreben.
  Dazu gibt es einige Grundregeln für das richtige Verhalten auf dem Vorwindkurs. Diese sind allerdings windstärkenabhängig.
  Bei leichtem Wind sollte man nach Möglichkeit vorwindkreuzen. Das heißt: jeweils räumlich segeln und öfters halsen. Wichtig dabei ist auf Brisenstriche zu achten und das Manöver am richtigen Zeitpunkt (wenn der Wind achter-
licher einfällt) anzusetzen. Gibt es mittleren bis frischen Wind, sollte man ebenfalls - jedoch mit geringeren Kursabweichungen - vorwindkreuzen. Ebenso muß man darauf achten, weniger Hasen zu segeln, da sie besonders bei diesen Windstärken Geschwindigkeitsverlust bringen. Bei stark drehendem Wind ist eine Abweichung vom Generalkurs (das ist die gedachte Linie zwischen Luv- und Leeboje) nach „Lee" vorteilhaft. Man segelt dabei mit den räumlich einfallenden Böen nach ..Lee" und gewinnt dadurch an Tiefe und damit auch an Weg zur nächsten Boje. Ist allerdings die allgemeine Tendenz des Windes, nach Lee zu drehen, dann muß man sofort nach der Boje halsen und auf die andere Seite von Luv aus gesehen die Backbordseite des Vorwindkurses segeln. Frischt der Wind stärker auf und kommt man auf dem Vorwindkurs gerade noch nicht ins gleiten, dann ist ebenfalls das Vorwindkreuzen zu empfehlen. Durch Wahl des räumlicheren Windes kommt das Boot viel früher ins Gleiten und der Ge-

31 32 33 schwindigkeitszuwachs macht den größeren Weg bei weitem wett. Bei ganz starkem Wind oder Sturm ist es am günstigsten, den so weit nach „Lee“ wie nur möglich und dabei kürzesten Weg zur nächsten Boje zu wählen. Risikoreiche Halsen sollen in jedem Fall vermieden werden. Meist stehen bei solchen Verhältnissen weniger die taktischen Fragen im Vordergrund als einfach das „Überleben". Bei Befolgung dieser einfachsten Grundregeln hat man für die Vorwind ein klares Konzept, bei dessen konsequenter Durchführung man meist erfolgreich über die Runden kommt. Schwieriger wird es, wenn man sein Konzept nicht ungestört durchführen kann und es zum Zwei-kampf auf dem Vorwindkurs kommt.

Der Zweikampf auf dem Vorwindkurs
  Der Abdeckungsbereich der Segel stellt hier die wirksamste Möglichkeit dar, den Angriff auf einen voraus liegenden Gegner erfolgreich zu gestalten. Die kegelförmige Zone der gestörten Windströmung beeinflußt auch Boote, die 4-5 Bootslängen voraus segeln. Es gilt daher als Grundregel, bei einem Angriff einen Verfolgers dessen Abdeckungsbereich zu entgehen. Eine Kursabweichung nach Lee oder Luv sichert in der Regel einen freien ungestörten Wind.
  Der Angriff in Luv setzt voraus, dass es zuvor gelang, die Geschwindigkeit des führenden Bootes durch Abdeckung zu verringern. Da mit Abwehrreaktionen der Mannschaft zu rechnen ist, muß man sich besonders auf ihr Verhalten konzentrieren. Ihre Gegenmaßnahmen können aber wirkungs-los verlaufen, wenn der Quer-abstand groß genug ausgelegt ist (Abb. 1). Im allgemeinen luvt aber die angegriffene Yacht mit. Der Verfolger weicht ihr aus und verlangsamt dabei ab-sichtlich sein Boot. Der Ange-griffene liegt jetzt klar voraus und der Verfolger halst gleich-zeitig mit Ihm. Jetzt liegt der Verfolger in Luv, deckt den Angegriffenen ab und hat malst auch Innen-position an der Ton-ne (Abb. 2). Versucht der Ver-teidiger, dem Angriff nach Luv durch eine Halse zu entgehen, so muß der Verfolger sofort mit-ziehen und ebenfalls halsen. Nun kann das vorher bespro-chene Konzept abermals ange-wendet werden. Durch fortge-setzte Abwehrmaßnahmen er-höht sich für den Verteidiger die nervliche Belastung und führt meist zu einer Aufgabe des Kampfes seinerseits. Der Angriff in Lee muß mit einem genügend großen Querab-stand durchgeführt werden, da er sonst von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.
Entscheidend dabei sind optimale Bootsgeschwindigkeit und vor allem der Versuch auch beim Abfallen die Geschwindigkeit konstant zu halten. Nicht immer ist aber die Situation gegeben, den Gegner durch aerodynamische Beeinflussung anzugreifen. Durch offensives Handeln muß man Ihn zu einem Zweikampf herausfordern. Dies gelingt meist durch leichten Anluven, wodurch sich die Geschwindigkeit erhöht und der Abstand nach vorne scheinbar kleiner wird. Unter Beachtung der taktischen Grundregel - sich zwischen Gegner und nächster Boje zu halten - muß der Verteidiger ebenfalls mit-ziehen und kommt, da er das Luven In dieser Situation abrupter und ungenauer aus-führt, in den Angriffsbereich des Verfolgers.
  Die Verteidigung erlaubt zwar eine Reihe von wirkungsvollen Abwehrmaßnahmen, jedoch ist bei gleicher seglerischer Fähigkeit das verfolgende Boot im Vorteil.
  Nicht immer läßt sich trotz großer Vorsicht eine Abdeckung vermeiden. In dem Fall ist es am besten sofort zu halsen und entgegen dem gegnerischen Kurs zu luven. Bel einem Luvkampf darf das führende Boot niemals über die Vorwindseite hinausluven, sondern muß durch andere taktische Handlungen versuchen, sich der Beeinflussung zu entziehen. Wenn der Gegner beispielsweise sehr nahe kommt, Ist es manchmal besser, ihn in Luv passieren zu lassen, um danach sofort zu luven und nun selbst Angriffshandlungen vorzunehmen (Abb. 3). Durch diese Methode hat man die Möglichkeit, die Innenposition bis zur nächsten Bahnmarke zu erkämpfen. Dies ist vor allem für die folgende Zielkreuz von großer Bedeutung (oder für den kurzen Halbwindsprint bis ins Ziel).

Die Zielkreuz
  Für die Zielkreuz gelten alle taktischen Grundregeln die auch für die zweite Kreuz Gültigkeit haben (YACHTREVUE 6./80). Beim Zweikampf mit dichtauf folgenden Booten muß die verteidigende Mannschaft stets auch die weiteren Verfolger im Auge behalten, damit diese nicht aus den Duellen der Spitzenboote profitieren. Wurde nun auch die letzte Kreuz gut absolviert, so kann man durch taktische Fehler die Wettfahrt noch auf den letzten Metern verlieren. Wichtig ist zu erkennen, wie die Ziellinie ausgelegt ist und auf weichem Bug es günstiger ist, diese anzusegeln. Durch die optische Täuschung des größeren Zielbootes werden viele Segler dazu verleitet, möglichst nahe an diesem die Ziellinie zu passieren. Als Grundregel kann man sich merken: Je größer der

Winkel unter dem man sich einer Ziellinie nähert, desto vorteilhafter ist der Schlag.
  In Abbildung 4 liegen zwei Boote ungefähr auf gleicher Höhe zum Wind. Die Mannschaft auf Backbordbug hat die bevorzugte Seite erkannt, und segelt den günstigeren Schlag. Sie nähert sich unter einem viel größeren Winkel der Ziellinie als Ihr Gegner, der auf dem Steuerbordbug fast parallel zur Linie hoch am Wind segelt.

Zielkämpfe zweier Boote
  Segeln zwei Boote auf dem selben Bug und (legt eines der beiden klar voraus, so kann es seine Position nur dann einbüßen, wenn es zu früh wendet und auf jene Seite der Linie zuläuft, die durch den Wind benachteiligt wird. Das nachfolgende Boot muß dabei solange auf dem günstigeren Bug weitersegeln, bis es nach einer Wende die bevorzugte Seite anliegen kann. Nähern sich hingegen die beiden Boote mit dem ungünstigeren Kurs, so wäre es ein Fehler des Führenden, nicht mit seinem Ver-folger mitzuwenden. Er muß dabei achtgeben, daß er nicht in eine Situation gerät, in der der Verfolger mit Backbordschoten Raum von ihm verlangen kann. Grundsätzlich kann man aber sagen: Wenn bei Annäherung an das Ziel eine bevorzugte Seite erkannt wird, ist sofort auf den Bug zu wenden um damit die günstigere Seite der Ziellinie zu erreichen. Befinden sich zwei Boote ebenfalls auf gleichem Bug, besteht aber eine Überlappung, so gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten der Verteidigung und des Angriffes. Liegt das Boot in Luv etwas zurück und ist nur mehr eine kurze Strecke bis Ins Ziel zurückzulegen, dann hat das Boot in Luv Entscheidungsfreiheit über den Kurs und dadurch einen großen Vorteil. Es braucht mit dem Gegner nur bis auf die Höhe der Ziellinie zu segeln, um nach der Wende raumschots als erster einzulaufen. Ist der Weg bis ins Ziel etwas länger, sodaß das Luvboot durch die Deflektorwirkung zurückfällt, so muß es unverzüglich wenden und danach trachten seinen letzten Schlag auf die bevorzugte Seite mit Backbordschoten zu segeln. Dadurch hat es noch einmal die Chance den Gegner zu einer Wende zu zwingen und vorne zu sein. Günstiger steht es für ein Boot, das in „Luv" voraus liegt. Ihm darf allerdings nicht der Fehler unterlaufen, zu früh zu wenden, denn sonst hat der Verfolger die Möglichkeit ihn mit Wegerecht noch knapp vor dem Ziel abzufangen (Abb. 5).
Unterläuft allerdings dem Luvboot kein Fehler, so besteht für ein Boot in Lee kaum eine Chance vorzukommen.
  Anders sieht der Zielkampf zweier Boote auf verschiedenem Bug aus. Ein Boot, das mit Steuerbordbug auf dem zum Ziel günstigeren Streckbug segelt, kann selbst dann das Rennen für sich entscheiden, wenn es noch kurz vor der Ziellinie einem Boot auf Backbordbug begegnet und ausweichen muß. In diesem Fall muß es - wenn anschließend das Ziel angelegt werden kann - abfallen und das Kielwasser der Wegerechtyacht passieren (Abb. 6). Leitet die auf Backbordbug segelnde Mannschaft keine taktischen Abwehrmaßnahmen ein, dann gibt sie sich von vornherein geschlagen.
  Erreicht das Schiff auf Steuerbord noch nicht das Ziel, so sollte es trotzdem das oben behandelte Konzept durchführen und mit einem kurzen Schlag die bevorzugte Seite der Linie erreichen. Außerdem hat sie dann Wegerecht, falls das andere Boot ebenfalls wenden sollte. Ist die Situation gegeben, daß der Wind keine Seite der Ziellinie bevorzugt, sollte eine verfol-gende Yacht auf dem Steuer-bordbug sich noch nicht ge-schlagen geben. Durch ziel-strebiges Handeln ist sie noch in der Lage ihre Position zu verbessern. Kann sie nämlich nach einer Wende in Lee ihres Gegners die Linie anliegen und liegt sie dabei noch etwas vor-aus, dann ist ein erfolgreicher Abschluß des Zweikampfes wahrscheinlich.
  Wie man an den Beispielen sieht ist also noch in den letzten Sekunden einer Wettfahrt eine Veränderung der Position möglich und sehr oft werden große Regatten dadurch in der letzten Wettfahrt entschieden. Wichtig bleibt so lange als möglich ruhig und konzentriert zu segeln, damit weniger Fehler als dem Gegner unterlaufen.
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