If You Were Me

(Yeoseot gae ui siseon)

 

Südkorea 2003, 110 Minuten

Regie: Park Chan-wook, Jeong Jae-eun, Park Jin-pyo, Park Kwang-su, Yeo Kyun-dong, Yim Soon-rye

6 (mehr oder weniger) namhafte südkoreanische Regisseure haben im Auftrag der Menschenrechtsorganisation ihres Landes jeweils einen 15-20 minütigen Kurzfilm zum Thema Diskriminierung für "If You Were Me" geschrieben und inszeniert. Wie bei Kurzfilmsammlungen unvermeidbar schwankt dabei die Qualität von beeindruckend bis ...weniger beeindruckend. Ich hatte mich (um streng objektiv bleiben zu können) vorher nicht über den Inhalt der Episoden informiert und wusste so auch nicht welche von Park chan-wook (Oldboy, JSA, Sympathy for Mr.Vengeance), einem meiner Lieblingsregisseure und dem (neben Kim Ki-Duk) international wohl profiliertesten Regisseur des Lande inszeniert wurde. Überraschend stellte sich hinterher heraus, dass er nicht für die Beste verantwortlich war. 
 


The Weight of Her

Regie: Yim Soon-rye  

Aus der Perspektive einer pummeligen Schülerin einer Mädchenschule erlebt der Zuschauer wie die Lehrer ihren Schützlingen eintrichtern das lernen zwar wichtig ist, aber an erster Stelle ein gutes Aussehen steht um einen Job oder wenigstens einen Mann zu finden. Deshalb werden sie auch regelmäßig gewogen und bekommen Lob bzw. Tadel für die jeweiligen Gewichtsveränderungen.

Streckenweise sehr humorvolle Auftakt-Episode. Sollten die hier vorgestellten Praktiken im Schulalltag und in Bewerbungsgesprächen aber keine reine Groteske über eine frauenfeindliche Gesellschaft sondern nur leicht überzeichnet sein, bleibt einem das Lachen im Halse stecken.  Operationen der Augenlider für ein westlicheres Aussehen scheinen der Episode nach auch ein wahrer Volkssport und MUSS zu sein (jepp... kurz gegoogled... die spinnen die Koreaner). Bei dem Bewerbungsgespräch stellt sich dann auch heraus, das die Schule die Mädchen mehr aufs Leben vorbereitete als man dachte. Die einzigen Qualifikationsmerkmale scheinen Aussehen und sozialer Stand zu sein. Atmosphäre, Humor und darstellerische Leistung sorgen für einen guten Auftakt. Zuschauer denen dieser Kurzfilm gefallen hat, sollten auch einen Blick auf die Whispering Corridors Trilogie werfen, die weniger wegen der Geisterstory so interessant ist, sondern weil sie auch einen Einblick in den Schulalltag liefert und einen kritischen Blick auf den Leistungsdruck wirft.  

Wertung:  8/10
 

The Man With an Affair

Regie: Jeong Jae-eun

In einem futuristisch anmutenden Wohnkomplex (in dem auch ein öffentlich bekannter Sexualtäter wohnt) wird ein kleiner Junge von seiner Mutter als Strafe für sein Bettnässen mit einer leeren Schüssel vor die Tür gesetzt und darf erst wieder in die Wohnung, wenn er von den Nachbarn genug Salz eingesammelt hat

Wie in fast allen Episoden hat der mit der koreanischen Kultur nicht sonderlich bewandte Zuschauer (wie ich) hier das Problem nicht zu wissen was auf wahren Sitten beruht/bzw. einen echten sozialen Missstand anprangert oder einfach grotesk übertrieben ist. In dieser Episode ist das aber zum Glück nur zweitrangig, denn hier steht der Umgang der Nachbarn mit dem Sexualtäter im Vordergrund und ihren besonderen Reiz zieht sie aus der surrealen, lynchesken Atmosphäre, die mich glauben ließ Park Chan Wooks Beitrag vor mir zu haben. Die Aussage des Schlusses hat sich mir nicht komplett offenbart, aber ein interessantes Seherlebnis bleibt es dennoch. 

Wertung:  8/10
 

Crossing

Regie: Yeo Kyun-dong 

Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten. Dieser Beitrag, der sehr authentisch einige Episoden aus dem Leben eines körperlich Behinderten schildert, hat jede Menge davon, aber wenn ich undramatische Alltagsszenen sehen will, kann ich auch gleich zu einer Dokumentation greifen. Der Fairness halber vergebe ich hier keine Note. Schlecht war es nicht... es hat mich nur im Umfeld dieses Episodenfilms nicht interessiert.


Tongue Tied

Regie: Park Jin-pyo 

Anfangs sehen wir Eltern, die ihren Nachwuchs bei einer Schulaufführung filmen und sich stolz über deren perfekte Beherrschung der englischen Sprache äußern. Danach wird uns der Preis dafür offenbart. Zuerst bizarr mit einer Narkose-Assistentin im Häschenkostüm und dann in aller schmerzhaften Ausführlichkeit zeigt der Regisseur den operativen Eingriff an der Zunge eines kleinen Jungen. Trauma, ick hör dir trapsen.

Ob es wohl wirklich normal in Südkorea ist, das Eltern ihre Kinder an der Zunge operieren lassen, damit diese die englische Aussprache besser beherrschen können? Dieser radikalste und nachwirkendste Part von "If You Were Me" erweckt den Eindruck (…und Moment... nochmal kurz gegoogled…die spinnen WIRKLICH, die Koreaner)

Wertung: 9/10

Face Value

Regie: Park Kwang-su 

Ein Mann kann nicht verstehen warum sich die schöne junge Parkhauswächterin so unfreundlich (aus seiner Sicht) gegenüber ihm verhält. 

Diese Episode war schon fertig gestellt bevor das Projekt in Auftrag gegeben wurde und ist eher eine klassische Gruselkurzgeschichte als engagierte Gesellschaftskritik. Gut inszeniert, charmant erzählt und mit einem Twist ausgestattet, steht sie der Sammlung dennoch gut zu Gesicht.

Wertung:  7/10


Never Ending Peace and Happiness (N.E.P.A.L.)

Regie: Park Chan-wook 

Die nepalesische Gastarbeiterin Chandra Kumari Gurung landet wegen einer nicht bezahlten Restaurantrechnung verwirrt auf einem Polizeirevier. Dummerweise ist ihr koreanisch nicht viel besser als meines und da sie keine aussagekräftigen Papiere bei sich trägt und nicht als vermisst gemeldet wurde, wird sie von den Beamten einfach in die nächste Nervenklinik verfrachtet. Da auch dort niemand der nepalesischen Landessprache mächtig ist und Chandra von der Situation natürlich sehr verwirrt und aufgebracht ist, halten sie sie für eine wirr plappernde Irre. Über 6 Jahre muss sie in der Anstalt verbringen, bis der Irrtum aufgeklärt wird. 

Bei dem was wir bisher schon über die bekloppten Koreaner () gelernt haben, sollte es fast schon überflüssig sein zu erwähnen, dass diese unglaubliche Geschichte auf einem realen Fall beruht. Zweifelsohne die interessanteste Geschichte in "If You Were Me", aber wie angedeutet hat Park Chan-wook daraus leider nicht den besten Kurzfilm gemacht. Das Hauptziel eine aufrüttelnde Geschichte über Ignoranz und  Diskriminierung zu erzählen ist ihm gelungen, aber ähnlich wie bei Crossing war mir der Stil trotz Kamera aus der Ego-Perspektive und Farbfiltereinsatz zu trocken und dokumentarisch um berühren zu können.  In Erinnerung bleibt N.E.P.A.L. in erster Linie wegen des wahren Falls. Da diese Kurzfilmsammlung aber nicht das Hauptaugenmerk auf Unterhaltung sondern auf Aussage legt, kann man das Park kaum vorwerfen. 

Wertung:  7/10 

Fazit: Kurzfilmsammlung mit deutlich mehr Höhen als Tiefen, die nicht nur unterhält sondern auch zum nachdenken anregt. Auf den ersten Blick durch die kulturellen Eigenheiten manchmal etwas verwirrend, aber genauer betrachtet doch universelle Themen wie Schönheitswahn, übertriebenen Leistungsdruck, Sexismus, Frauenfeindlichkeit oder Rassismus behandelnd, kann ich If You Were Me aufgeschlossenen Filmfans im allgemeinen und Liebhabern des asiatischen Kinos im Besonderen nur empfehlen. Durchschnittsnote insgesamt 7,8 ergibt aufgerundet verdiente 8/10.

Gesamtwertung:    (8/10)

Verfasser: evildead

 

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Titelbild und Filmausschnitte © 2003 National Human Rights Commission of Korea