Menschenjagd

(Running Man)

 

Veröffentlichung: 1986 (1982), 338 Seiten

Autor: Stephen King (als "Richard Bachman")

Verlag: Heyne

Ben Richards ist verzweifelt: Schon seit Jahren ist er arbeitslos, seine Frau geht hin und wieder auf den Strich, um das fürs Überleben notwendige Geld zusammenzukratzen, und zu allem Überfluss wird nun auch ihr 1-1/2 jähriges Kind krank und man braucht dringend Geld für eine Behandlung. Richards beschließt daraufhin, gegen das betteln und flehen seiner Frau, sich für eine der Game-Shows anzumelden - und wird schließlich für „Menschenjagd“ ausgewählt. Der Kandidat dieser Show wird quer durch Amerika von professionellen Killern gejagt, und auch die Zuschauer setzen alles daran, dass der Kandidat zur Strecke gebracht wird - winken doch für Tipps, die zur "Ergreifung" des Teilnehmers führen, hohe Belohnungen. Im Gegenzug erhält die Familie des Kandidaten für jede Stunde, die er am Leben bleibt, 100 Dollar, und sollte es ihm gar gelingen, 30 Tage in Freiheit zu verbringen endet das Spiel und er gewinnt den großen Preis: eine Million Dollar.

In den Jahren, die zwischen dem Schreiben von "Todesmarsch" und "Menschenjagd" lag, hat Stephen King offenbar dazugelernt. Bei „Todesmarsch“ hatte ich ja festgestellt, dass eines der größten Probleme für mich war, dass ich die Motivation der Kandidaten einfach nicht nachvollziehen konnte und daher auch nicht mitgefiebert und mitgefühlt habe - ich dachte mir einfach nur „selber schuld“ und das weitere Schicksal der Teilnehmer war mir auch dementsprechend egal. „Menschenjagd“ folgt im Grunde einer sehr ähnlichen Prämisse, auch diesmal nimmt jemand freiwillig an einem Wettbewerb teil, bei dem die Überlebenschancen minimal sind. Der Unterschied: Diesmal ist die Motivation völlig nachvollziehbar. Stephen King würzt seine 2. düstere Zukunftsutopie mit einer ordentlichen Prise Gesellschaftskritik, schildert auf schonungslose Weise Armut und die damit einhergehende Verzweiflung, stellt Gameshows an den Pranger, welche eine Bloßstellung des Kandidaten in den Mittelpunkt des Interesses rücken (wie es heutzutage immer häufiger passiert) und zeigt auf anschauliche und nachvollziehbare Art und Weise, wie die ärmeren Schichten langsam aber sicher in diesen Spielshows zu einer art moderne Gladiatoren werden, um der reichen Oberschicht als Unterhaltung zu dienen. 

Die Motivation für den Protagonisten, an diesem Spiel teilzunehmen, war also für mich völlig verständlich und nachvollziehbar - und sieh mal einer an, auf einmal gelingt es mir auch, mitzufiebern. Die ganze Zeit über habe ich zu Ben gehalten, mit ihm mitgefiebert und gehofft dass er es schafft, seinen Verfolgern zu entkommen - ich habe richtig mitgelitten, und eben daher war der Roman für mich auch unheimlich spannend. Auch was den Schreibstil betrifft hat King in der Zwischenzeit etwas dazugelernt, und so stellt sich in "Menschenjagd" endlich die wohlbekannte typische, beängstigende King-Atmosphäre ein, welche schließlich (neben seines ganz persönlichen, einzigartigen Stils und seiner originellen Ideen) einer der Haupteckpunkte seines Erfolges und seiner Popularität werden sollte. Exemplarisch sei hier die Szene im Appartement genannt, wo sich Ben's Paranoia richtiggehend auf mich übertragen hat. Sind die Verfolger wirklich schon in der Nähe? Oder ist er etwa noch vollkommen in Sicherheit? Wer kommt da gerade die Treppe herauf? Wird eventuell gleich die Türe aufgehen und einer der Jäger vor ihm stehen? Die entsprechenden Seiten waren wirklich unheimlich spannend und packend, und ich konnte Ben's Verzweiflung und Anspannung nicht nur nachvollziehen - sondern ich habe sie gemeinsam mit ihm gefühlt. Großartig!

Ein weiterer Aspekt, der die Spannung ordentlich einheizt, ist der Countdown, der die Kapitelüberschrift darstellt und von 100 bis 0 herunterzählt. Man ist praktisch schon ab der 1. Seite gespannt, was denn nun im Endeffekt passieren wird, wenn der Countdown fertig ist. Wird man Ben erwischen und erschießen? Gelingt es ihm, zu entkommen? Sind danach etwa die 30 Tage vorbei und er hat es tatsächlich geschafft? Eben diese Spannung zwang mich dazu, das Buch nicht mehr wegzulegen und es so schnell wie möglich durchzulesen - ich wollte einfach unbedingt wissen, wie es weitergeht, und in weiterer Folge dann endet. Und eben jenes Ende war dann im Gegensatz zu "Todesmarsch" ebenfalls sehr gelungen. Ich will ja hier nicht spoilern, aber ich fand das Ende wirklich perfekt und sehr gelungen.

Fazit: Für mich ist "Menschenjagd" ohne jeden Zweifel eines der besten Bücher, die ich bisher von Stephen King gelesen habe. Sehr atmosphärisch, mit teils nervenzerreißender Spannung, einem sympathischen (aber nicht zu aalglatten) Helden, verpackt in einer herrlichen düsteren Zukunftsvision voller Gesellschaftskritik. Und so kann ich jedem Fan düsterer Utopien diese Vorlage zu Schwarzenegger's Actionerfolg nur dringend empfehlen...

Wertung:    (8/10)

 

Verfasser: cornholio

 

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