Der Fettfleck

von Kompagnieführer W.O. um 1917

 

 

Im Schützengraben wird sehr viel geschrieben. Nicht nur Feldpostbriefe und Karten, sondern sehr viele Meldungen.

Der Feldwebel schreibt und ich, der arme Kompagnieführer, schreibe. Das Bataillon und das Regiment und die Brigarde und die Division, alle schreiben. Der Unterschied ist nur der, sie schreiben Befehle und wir Meldungen.Wenn das so weitergeht, fürchte ich, dass uns das Papier früher ausgeht als der Gummi.

Auf einer Meldung von mir, ich glaube, es war die Meldung über Plattfüße, findet sich ein Fettfleck ein. Was ist dabei im Schützengraben? Der Peterle, der Kompagnieschreiber, hat mir den Fettfleck drauf gemacht. Ich gestehe, ich hab den Fleck gesehen, er war mir aber ganz egal. Die Meldung ging mitsamt dem Fettfleck an das Bataillon und von da ans Regiment und von da an die Brigarde und von da an die Division.

Die Division nahm aber Anstoß am Fettfleck und schickte die Meldung an die Brigarde zurück zur Aufklärung, wo der Fettfleck herkommt. Und nun geht die Meldung von der Brigarde ans Regiment und von da übers Bataillon wieder an mich, „zur Meldung, wo der Fettfleck herkommt.“

Ich habe die Meldung in der Hand und wundere mich. Der Fettfleck ist nämlich nicht mehr da. Fort ist er.Das Peterle aber steht dabei und grinst.Ich sehe in fragend an.Er grinst weiter. Da sag ich kein Wort und schreibe auf die Meldung:

„Die Kompagnie kann auf der Meldung keinen Fettfleck entdecken.“ Und nun klettert die Meldung die Stufenleiter bis zur Division wieder hinauf, diesmal ohne Fettfleck. Mehrere Tage vergehen. Da erscheint sie wieder mit einem Anhängepapier versehen und da stand zu lesen:

„Da der Fettfleck diesseits sicher festgestellt worden ist, ist zu melden, wo selbiger geblieben, bzw. wer ihn entfernt hat.“

Und die nachgeordneten Behörden hatten alle den Fettfleck erkannt und stellten die Frage nach unten. Ich aber hatte das unselige Papier in der Hand und das Peterle stand dabei und grinste.

Ich sehe ihn fragend an.

Er grinst weiter.

Da schrieb ich kurz entschlossen auf die Meldung:

„Da der Fettfleck am 4. Januar vom Bataillon erkannt, am 8 Januar aber bei der Kompagnie nicht eingegangen ist, muß er auf dem Weg vom Bataillon zur Kompanie verloren gegangen, bzw. entfernt worden sein.“

Das wirkte!

Der Schriftwechsel hörte auf. Mein Feldwebel aber sagte:

„Das machen uns unsere Gegner nicht nach, das ist deutsche Gründlichkeit.“

Der Fettfleck war natürlich vom Peterle frechdachsiger Weise ohne Befehl entfernt wordwen.

 

 

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