Die Russen stellen sich jede ansteckende Krankheit, und erst neuerlich die schreckenvolle Cholera, als ein Weib vor, das in der Stille der Nacht umherschleicht und seine Opfer oft mach sehr grillenhafter Laune aussucht. Man nennt dieses Gespenst „Lichoratka“, ein Name, mit dem man auch oft die ansteckenden, bösartigen Fieber bezeichnet.
Öffentliche Blätter drücken die Meinung aus, dass dieser Aberglaube wahrscheinlich außerhalb Russland sich noch nicht verbreitet habe. Indessen ist dieses nicht der Fall:
Denn auch schon in der Moldau und Bukowina, ja sogar in manchen Gegenden Galiziens herrschte zur Zeit der furchterregenden Cholera eine ähnliche abergläubische Meinung. In der Moldau wurde dieser Wahn von trügerischen Weibspersonen manchmal zu ihrem Vorteile benutzt, indem sie von dem gemeinen Manne durch die Vorspiegelung, sie seien die Lichoratka selbst, oder doch wenigstens mit ihr innig befreundet, Geschenke zu erpressen suchten. Manchmal freilich wurde der Betrug für die Betrüger selbst gefahrvoll und mancher verständige Bojar trieb den Teufel durch empfindliche Züchtigungen auf die Fußsohlen aus.
Überhaupt herrscht unter dem gemeinen Volke dieser Gegenden noch mancher verjährter Aberglaube, den auch die väterliche Weisheit der österreichischen Regierung in den Landstrichen, die ihrem Zepter gehorchen, nicht verdrängen konnte.
So ist es auch der Fall mit dem Hexenglauben. In einem abseits gelegenen Dorfe der Bukowina soll dieser Wahn, wie man erzählt, zu einem ergözlichen Vorfalle Anlass gegeben haben. Die im Anfange dieses Sommers vorkommende Dürre, der Mangel an Regen, worüber wir seit dem Beginne des Monats Juli freilich nicht mehr zu klagen haben - wem konnte dieser Zustand zugeschrieben werden, als einer Hexe? Die Bewohner obenerwähnten Dorfes waren auch hierüber ganz und gar nicht im Zweifel. Jedoch wie sollte die Hexe zu finden sein? Sicherlich unter den Weibern des Dorfes. Welche aber war es? Man beschloß zur untrüglichen Hexenprobe zu schreiten und alle Weiber in den Fluß zu werfen. Es kam zur Ausführung dieses wahnsinnigen Entschlusses. Eine junge Magd war nicht zu finde; Unstreitig war sie die Gefürchtete. Nach langem Suchen wurde sie aus ihrem versteck hervor gezogen; man schleppte sie zum Wasser, man beraubte sie ihrer Kleider und siehe da – die Hexe verwandelte sich in einen rüstigen Burschen. Dieser unerwartete Umstand zog die ganze Aufmerksamkeit von dem Hexenexamen ab. Die Mutter des Burschen hatte denselben aus Furcht vor der Recrutirung in Weiberkleider gesteckt und bis auf diese Zeit (wie man sagt, durch sieben volle Jahre) war der Betrug unentdeckt geblieben. Jetzt wurde aber die vermeintliche Hexe in den Werbbezirk abgestellt, für tauglich befunden und in einen Soldaten verwandelt.
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