Im Jahre 1775 ward dem Capitain Warrens im nördlichen Eismeer ein sonderbares Schiff sichtbar. Es war eben heller Sonnenschein und es wehte ein gelinder Wind aus Norden. Anfangs konnte der Captiain , wegen vorspringender Eisberge, außer den Masten nichts genau unterscheiden, doch fiel im gleich die sonderbare Weise, in welcher die Segel aufgesetzt waren, und der unordentliche Zustand seiner Raaen und Tagelagen auf. Es trieb noch einige Stadien vor dem Winde, geriet dann aber vor die niederen Eisberge und blieb hier unbeweglich liegen.
Des Capitains Warrens Neugierde war in so hohem Grade rege geworden, dass er schnell mit einigen seiner Leute in ein Boot sprang und sich hinrudern ließ. So wie er sich dem Schiffe näherte, sah er, dass dessen Rumpf sehr verwittert war, und das Verdeck, auf welchem sich keine lebende Seele blicken ließ, war hoch mit Schnee belegt. Er rief das Schiffsvolk zu mehreren Malen an, erhielt aber keine Antwort. Ehe er an Bord stieg, fiel im die Stückpforte ins Auge, und als er durch diese hinein schaute, sah er einen Mann hinübergelehnt in einem Stuhle sitzen, vor sich einen kleinen Tisch mit Schreibmaterialien; doch war es drinnen nicht helle genug, um etwas genau unterscheiden zu können. Capitain Warrens und seine Begleiter begaben sich nun auf das Verdeck, und nachdem sie die zugelegte Falluke geöffnet hatten, stiegen sie hinunter zur Kajüte. Zuerst gelangten sie in das Gemach, in welches Capitain Warrens durch die Stückpforte hineingesehen hatte. Er schauderte zusammen, als er hineintrat.
Der Bewohner derselben blieb in seiner vorigen Lage und schien von dem Fremden keine Notiz zu nehmen. Es ergab sich, dass er eine Leiche war, deren Wangen und Vorhaupt ein grüner, feuchter Schimmel überzog und die noch offenen Augäpfel verschleierte. Zwischen den Fingern der einen Hand hielt er eine Feder, und vor ihm lag eine Tagebuch, dessen letzter, nicht völlig ausgeschriebener Satz folgendermaßen lautete:
„Den 11 November 1762. Wir sind nun seit siebzehn Tagen eingeschlossen vom Eise. Gestern ist uns das Feuer erloschen, und unser Patron hat sich seitdem vergebens abgemüht, wieder welches anzuschlagen. Seine Frau ist diesen Morgen gestorben. Es ist keine Hilfe...“
Ohne ein Wort fallen zu lassen, eilten der Capitain Warrens und seine Matrosen schnell weiter. Als sie in die Hinterkajüte eintraten, war das erste, was ihre Aufmerksamkeit auf sich zog, die Leiche eines Frauenzimmers, die sich in einer ergreifenden, und tiefe Theilnahme verrathenden Haltung an das Bett lehnte. Ihre Züge hatten noch die volle Lebensfrische, und nur die krampfhafte Verkürzung der Gliedmaßen bewies, dass das Leben entflohen war. Am Boden saß die Leiche eines anscheinend jungen Mannes, in der einen Hand einen Stahl, in der anderen einen Stein haltend, als wollte er in eine Zunderbüchse, die vor ihm stand, Feuer schlagen.
In dem Vordertheile des Schiffes wurden mehrere tote Matrosen in ihren Schlafstätten gefunden, und der Körper eines zusammengekauerten Hundes lag am Ende des Treppenganges. Lebensmittel und Feuerung waren nirgends zu finden.; der Capitain Warrens ward aber auch durch die abergläubischen Vorurtheile seiner Matrosen verhindert, das Schiff so genau, als er es gerne gewollt hätte, zu untersuchen. Dieserhalb nahm er denn bloß das schon erwähnte Tagebuch mit sich, und kehrte nach seinem eigenen Schiffe zurück, womit er sofort, tiefergriffen von dem Schauerlichen Beispiel, das er eben von der Gefahr der Schifffahrt in den Polarmeeren und in den hohen nördlichen Breiten vor Augen gehabt, in südlicher Richtung unter Segel ging.
Nach seiner Heimkunft in England zog er Erkundigung von den Schiffen ein, die seit einiger Zeit verschwunden waren, ohne dass man etwas über sie erfahren hatte, und indem er die Resultate seiner Nachforschungen mit der Kunde verglich, welche ihm die geschriebenen Dokumente, in deren Besitz er war, an die Hand gaben, mittelte er den Namen und die Geschichte des eisgefangenen Schiffes und seines unglücklichen Führers aus.
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