WASSERNIXEN &
FLUSSGÖTTINNEN
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Das Donauweibchen
Wenn friedlich
der Abend verdämmert und der silberne Mond blank am Himmel
steht und sein flimmerndes Licht über die Erde ergießt,
dann taucht zuweilen eine anmutige Gestalt aus den rastlos hinwogenden
Fluten der Donau empor. Ein Blumenkranz schmückte die goldig
glänzenden Locken, die sich um ihr liebreizendes Gesicht
ringeln, und auch um die weißen Hüften schlingt sich
ein zierliches Blumengewinde. Bald lässt sich die wunderliebliche
Erscheinung von den silbrig glänzenden Wogen tragen, bald
taucht sie unter, um sich anderwärts wieder zu zeigen.
Manchmal entsteigt die Nixe ihrer kühlen
Behausung und wandelt im Mondlicht über die taufrischen Wiesen
das Ufer entlang, ja, sie scheut sich auch nicht, dem Kreis der
Menschen zu nahen oder an einsamen Fischerhütten zu lauschen
und sich am friedlichen Dasein der armen Bewohner zu erfreuen.
Nicht selten hat es sich zugetragen, dass sie die fleißigen
Fischer vor Eisstoß und Hochwasser warnte oder grimmige
Stürme vorhersagte, die dem Schiffer auf dem breiten Strom
zum Verderben werden können.
So hilft sie dem einen, den anderen aber zieht
sie durch ihren verführerischen Anblick und mit lockendem
Gesang selbst in das Verderben; sie gießt ihm brennende
Sehnsucht ins Herz, daß er auf alles vergisst und ihr in
das kühle Nass folgt, das ihm zum Grab wird.
Vor vielen Jahrhunderten geschah es, als Wien
noch ein kleines Städtlein war und niedrige Fischerhütten
sich den Donaustrand entlangzogen; wo heute prunkende Paläste
stehen, da saß an einem frostklirrenden Winterabend ein
alter Fischer mit seinem Sohn in einer ärmlichen Stube am
lodernden Feuer.
Beide Männer waren eifrig an der Arbeit,
ihre Netze zu flicken, da Kälte und Frost jede Tätigkeit
im Freien unmöglich machten. Sie sprachen von den Gefahren
ihres Berufes, und der Alte wußte viel von Wassergeistern
und Nixen zu erzählen. "Am Grunde des Donaustromes",
sagte er, "liegt ein großer kristallener Palast, den
der Donaufürst mit seiner Frau und seinen Töchtern und
Söhnen bewohnt. Auf großen Tischen stehen umgestürzt
gläserne Töpfe, unter denen die Seelen der Ertrunkenen
gefangengehalten werden. Der Alte lustwandelt oft am Ufer des
Stromes, aber wehe dem Menschen, der es wagt, ihn anzusprechen.
Sogleich ergreift er das freche Menschenkind und zieht es in den
brausenden Strom hinab. Seine Töchter, die Nixen, sind gar
liebliche Wesen, die es besonders auf hübsche junge Burschen
abgesehen haben, die dann, von ihren Lockungen betört, ihr
Grab in den Wellen finden. Darum hüte dich, mein Sohn, vor
den Nixen, sonst bist du rettungslos verloren. Diese bezaubernden
Mädchen nehmen auch oft am nächtlichen Tanz der Jugend
teil und tanzen, bis der erste Hahnenschrei sie wieder in ihr
nasses Heim zurückruft."
So wusste der Alte dem Sohn gar manches zu erzählen,
was dieser zweifelnd mit anhörte; denn ihm war noch nie eine
Nixe begegnet Kaum aber hatte der alte Fischer seine Worte beendet,
da öffnete sich plötzlich die Tür der Hütte,
und auf der Schwelle stand in zauberhaftem Licht eine holde Frauengestalt
in schimmernd weißem Gewand, weiße Wasserlilien in
den golden funkelnden Locken.
"Erschreckt nicht!" sagte die erhabene
Erscheinung, den Blick ihrer feucht schimmernden blauen Augen
fest auf den jungen Fischer gerichtet, "ich bin eine Wassernixe
und habe nichts Böses gegen euch im Sinn. Ich komme, um euch
zu warnen. Bald wird Tauwetter eintreten, das Eis des Stromes
wird krachend bersten, und die ungebändigten Wogen werden
sich über die Auen und eure Hütten ergießen. Drum
seid auf eurer Hut, flieht rechtzeitig weit ins Land hinein, sonst
seid ihr verloren!"
Wie gebannt starten die beiden Männer nach
der Tür, die sich hinter der wunderschönen Erscheinung
wieder geschlossen hatte. Sie wussten nicht, ob sie wachten oder
träumten. Aber sie hatten doch beide die Nixe gesehen und
ihre Worte gehört! Es konnte keine Täuschung sein.
Sie glaubten der Warnung des lieblichen Mädchens,
erhoben sich rasch und eilten trotz Kälte und Schnee in die
Hütten der umwohnenden Fischer, um zu erzählen, was
ihnen die Erscheinung gesagt hatte. Und alle folgten dem Rat der
ihnen wohlgesinnten Nixe und verließen mit Hab und Gut binnen
weniger Stunden ihre einfachen Behausungen; denn sie kannten die
Gefahr, die ihnen drohte, wenn die nun durch den Frost gebändigten
Wassermassen plötzlich ihre Fesseln sprengten.
Wie recht sie getan hatten, zeigt sich bald.
Schon nach wenigen Tagen bedeckte ein quirlender, schäumender
See die Auen und Felder, und nur die Giebel der Fischerhütten
ragten aus der noch immer steigenden Flut. ber keiner der Hüttenbewohner
war ums Leben gekommen; denn alle waren ins Land hinein geflüchtet.
Die Wasser verliefen sich, der Strom kehrte in
sein Bett zurück, und alles war wieder wie früher.
Alles?
Nein, einer war da, der seine frühere Ruhe
und Gelassenheit nicht wieder finden konnte. Es war der junge
Fischer, dem die liebreizende Nixe mit dem Blick ihrer sanften
blauen Augen unstillbare Sehnsucht in das Herz gesenkt hatte.
Unentwegt stand ihr Bild vor seiner Seele, begleitete ihn auf
allen Wegen, folgte ihm in den Traum. Wenn er am Ufer des Stromes
weilte und in die rauschenden Wellen blickte, war ihm, als hörte
er lockende Rufe. Am liebsten stieg er in seinen Kahn, fuhr auf
dem Donaustrom umher und sah träumerisch dem Spiel der Wellen
zu, die ihm gar oft den Leib der geliebten Nixe vorgaukelten.
Doch nie ging sein Traum in Erfüllung, und so traurig und
beklommen er morgens seine Hütte verließ, so bedrückt
kehrte er am Abend in sein Heim zurück.
Aber eines Abends kam er nicht mehr. Ein leeres
Boot wiegte sich schaukelnd auf der breiten Wasserfläche,
und niemand sah den jungen Fischer je wieder.
Er war dem Donauweibchen gefolgt, in ihren kristallenen
Palast auf dem Grunde des ewigen Stromes.
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