Percht, Howangoass & Co: Sagen für Frauen und Mädchen!

KRÄUTERFRAUEN & HEXEN

Die Kräuterfrau von Wels

Die schöne Barbara hatte kein leichtes Leben. Zu jener Zeit, da die Angst vor Pest und dem Teufel die Menschen täglich bedrängte, war es gefährlich, allzuviel von Kräutern und heilsamen Kräften zu wissen. Allzuleicht konnte man für eine Hexe gehalten werden. Dazu kam, daß die Barbara kein gewöhnliches Kräuterweib war.

Auch wenn damals eine Frau über dreißig für alt angesehen wurde, konnte doch jeder sehen, daß die Barbara mit ihrem leuchtend roten Haar und den grünen Augen immer noch außergewöhnlich schön war. Nach dem Tod ihres Mannes, der sehr reich gewesen war, hätte so mancher sie liebend gern als seine Frau heimgeführt, und viele andere hätten sich glücklich gepriesen, nach dem alten, griesgrämigen Sonderling einen handfesten, jüngeren Mann zu bekommen. Von Barbara aber konnten sie alle nur hören: "Danke für die Ehre! Aber ich kann sie nicht annehmen."

Sie wohnte mit ihrer Dienerin in einem großen, einsam gelegenen Haus am Rande der Stadt Wels, das mit kostbaren Möbeln und mit Teppichen aus dem fernen Morgenland ausgestattet war. Aber wenn man ihr vorhielt, daß es für zwei Frauen so allein und ohne nachbarlichen Schutz gefährlich sein könnte, lachte sie nur.

"Ich weiß mir schon zu helfen", sagte sie. Und da die Leute nicht verstanden, wie ein Mensch so anders leben konnte als sie, wurde Barbara allmählich unheimlich. Aber sie brauchten sie. Wenn keiner mehr einen Rat wußte, dann hieß es: "Gehen wir halt zur Barbara." Und sie kurierte Menschen und Vieh von schwersten Krankheiten und verlangte nicht einmal eine Bezahlung dafür. Aber soviel Gutes sie auch den Menschen tat, geredet wurde dennoch dauernd über sie. Und nicht immer das Beste.

"Natürlich ist sie mit dem Teufel im Bunde"; hieß es da, aber auch: "Ihr Mann hat sie der Goldmacherkunst unterwiesen, daher kommt ihr Reichtum." - "Und in welch teure Stoffe sie sich kleidet", hieß es, und dazu noch: "Wer weiß, ob die noch von Menschenhand gemacht worden sind!" Die Barbara kümmerte sich nicht um das Gerede. Sie war freundlich zu jedem, der ihren Rat sucht, und half, ob es
nun Tag oder Nacht war.

Darum war sie auch nicht weiter überrascht, eines Nachts wild schlagende Hufe
eines Pferdes zu hören. Als sie die Haustür öffnete, sah sie einen prachtvollen Schimmel davor stehen, nach dessen Reiter blickte sie sich jedoch vergeblich um. Da kam das Pferd auch schon näher und bedeutete ihr unmissverständlich, daß es starke Schmerzen hätte. Barbaras geübtes Auge erkannte sogleich, daß das herrliche Tier vergiftet worden war. Empört und voll Mitleid nahm sie es am Zügel und führte es in ihren Stall. Es wurde ein harter Kampf um das Leben des Pferdes, Kessel um Kessel setzte die Dienerin auf das Herdfeuer, und Barbara steckte ein Büschel Kräuter nach dem anderen in das siedende Wasser. Unermüdlich flößte sie dem Schimmel ihre heilsamen Medizinen ein, und nach einer Woche war dieser soweit gesund, daß er wieder fort wollte und ihr dies auch zu erkennen gab. Frau Barbara öffnete das Tor und sah dem schönen Tier nach, wie es davonstob.

Kurze Zeit später kam eine böse Krankheit ins Land, ein Fieber, dem viele Menschen zum Opfer fielen. Erst kamen die Leute zur Barbara um Hilfe, als sie aber sehen mußten, daß auch sie trotz größter Mühe nichts gegen die Seuche ausrichten konnte, kam ein böses Gerücht auf: "Die Barbara ist schuld daran." Und bald waren sie alle, auch die, die von ihr gesund geworden waren einig: "Sie hat die Seuche ins Land gebracht." Worin die Schuld bestand, darin waren sie sich allerdings nicht einig. Sie sei von Grund auf böse, meinten einige, und habe ihnen das Unheil an den Hals gehext. Andere wieder waren überzeugt, daß die Krankheit nur die Strafe des Himmels dafür sei, daß sie dieses Zauberweib so lange in ihrer Mitte geduldet hatten. In einem Punkt waren sie wieder einig: "Sie muss es büßen"

Lange berieten sie hin und her, ob die Hexe nun ersäuft oder verbrannt oder mit Steinen erschlagen werden sollte. Zugleich aber hatten sie Angst vor ihr. Würden ihr nicht böse Geister zu Hilfe eilen, die noch mächtiger waren als sie? Würde nicht jeder, der die Hand gegen sie erhob, ein fürchterliches Ende finden?

Währen sie so hin und her berieten und zu keinem Entschluß kommen konnten, erkrankte auch die Dienerin und starb. In letzter Stunde richtete sie sich noch einmal auf und flüsterte mit brechender Stimme: "Barbara, du bist immer gut zu mir gewesen und keine andere hätte so viel Geduld gehabt. Und das wird
dir vergolten werden, glaub mir! Während meiner schweren Krankheit hat der Himmel mir einen Blick in die Zukunft gegönnt. Ich habe dich in großer Gefahr gesehen, aber ich weiß auch, daß du gerettet werden wirst. Hab also Vertrauen und Bau auf die Gnade des Himmels, wie ich es jetzt tue. Noch vor kurzem habe
ich um dich gezittert, denn ich weiß, wie böse die Menschen sind und wie sehr sie dir misstrauen. Jetzt aber bin ich ruhig, ganz ruhig......" Sie starb mit einem Lächeln auf den Lippen.

Als die Leute sahen, daß Barbara der Seuche, die ihre Dienerin hinweg gerafft hatte, wieder entgangen war, rotteten sie sich zusammen und zogen zu dem Haus draußen vor der Stadt. Sie hatten Reisig und Werg und noch allerlei Brennbares mitgebracht und setzten das Haus an allen vier Ecken in Brand. Als die Barbara die Türen durch das Feuer versperrt sah, lief sie zu einem Fenster und schrie gellend um Hilfe.
Bald aber mußte sie erkennen, daß die Leute selber die Brandstifter waren und verlegte sich aufs Bitten. "Habt doch Mitleid mit mir!" bettelte sie. "Ich habe doch auch Mitleid mit euch gehabt:"

Die Brandstifter aber lachten nur über die Hilflosigkeit der mächtigen Hexe, und die Gaffer, die vom Feuer angelockt worden waren, standen stumm da, teils betreten, teils schadenfroh.

"So helft mir doch!" flehte Barbara sie weiter an. "Dir hab´ ich dein Kind gerettet!" schrie sie einem zu, den sie erkannte. "Und dir die Frau. Was habe ich euch denn getan, daß ich verbrennen muß?"

Jetzt bekamen doch einige Gewissensbisse, aber angesichts der drohenden Männer, die das Feuer gelegt hatten, fehlte ihnen der Mut ihr zu helfen. Auch hatten die Flammen die Gestalt der schreienden Frau schon erreicht und leckten nach ihren Kleidern und ihrem Haar. Die Frau war wohl nicht mehr zu retten.

Da hörten sie donnernde Hufe und ein helles Pferdegewieher. Noch war es fern, dennoch übertönte es schon jetzt das Geknatter der Flammen. Und es kam rasch näher, und erstaunt und mit Schrecken sahen die Leute, wie, von einem herrlichen Schimmel angeführt, ein seltsamer, unheimlicher Zug herankam: Pferde,
Kühe, Ziegen, Schafe und Hunde, umkreist von Vögeln aller Art, drängten sich zwischen ihnen hindurch, ohne sie jedoch zu berühren, und strebten auf das Haus zu. Wie gelähmt standen die Leute und sahen mit schreckgeweiteten Augen, wie der Schimmel in das brennende Haus sprengt und Barbara auf seinen Rücken
aus den Flammen trug. Und die anderen Tiere drängten schützend um sie.

Wenig später hätte man glauben können, alles sei ein Traum gewesen, aber es war Wirklichkeit, und die schöne Barbara war verschwunden. Es ist noch viel über ihr Schicksal gemunkelt worden. Einige wollten in Erfahrung gebracht haben, daß der Schimmel die schöne Barbara zu einem schönen Schloss gebracht habe.
Andere wieder behaupteten, das geheimnisvolle Tier habe sie zu einer Felsspalte am Traunstein gebracht und sei mit ihr im Berg verschwunden. Die schönste Geschichte aber wird in Grünau im Almtal erzählt.

"Als noch wenige Menschen in unserer Gegend lebten, ist eines Tages eine fremde Frau erschienen. Sie war schön und gut und lebte als Einsiedlerin in den Wäldern. Selbst die Tiere des Waldes sind zu ihr gekommen, wenn sie krank oder verletzt waren."

Die Brandstifter sind alle der Reihe nach an dem Fieber erkrankt und jämmerlich zugrunde gegangen.

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