KÖNIGINNEN & MÄCHTIGE FRAUEN

 

Kaiserin Kunigunde

Kunigunde hatte auch als verheiratete Frau keine Lust, mit ihrem Mann zu schlafen, denn er war gewalttätig, grob und böse. Das verdross ihren Mann, und er stellte ihr ständig nach, belästigte und bedrohte sie. Aber sie konnte sich immer gegen ihn wehren.

Doch setzten böse Zungen das Gerücht in Umlauf, dass sich die Kaiserin zwar ihrem Mann gegenüber verweigerte, jedoch ein unerlaubtes Verhältnis mit einem Ritter habe.

Aber die edle Fürstin ereiferte sich nicht darüber, wen kümmert's schon, was die Leute tratschen. Eines Tages ging sie mit ihrer Kammerzofe vom Domberg hinab gegen den Fluss spazieren.

Es war ein schöner Sommertag, und der blaue Himmel spiegelte sich gar herrlich im Strom, der wie ein Silberstreifen weithin durch grüne Auen dahinzog. Die Fürstin erfreute sich des schönen Anblicks und beide Frauen blieben ein Weilchen auf der Brücke stehen, die den Namen "An der Kreden" führt, um das liebliche Bild noch länger zu betrachten.

Nun waren ganz nahe der Brücke im angrenzenden Wald Holzfäller beschäftigt, die machten gerade Essenspause. Als diese die Fürstin stehen sahen, deuteten sie mit den Fingern auf sie, und einer rief laut zu den anderen:
"Seht ihr die Ehebrecherin?"

Kaum war dieses Wort erklungen, als Kunigunde, die es vernommen hatte, erblasste. Weiß vor Zorn wurde sie!

Sie winkte ihrer Zofe und beide Frauen kehrten um. Als sie zurück in die Burg gekommen war, ließ sie den Schaffner rufen und befahl diesem, einen Korb mit Brot und etlichen Krügen Wein den Holzfällern in der nahen Au mit den Worten zu überbringen: "Von der Ehebrecherin."

Wie erstaunten aber die Holzfäller, als der Schaffner seine Gaben aus dem Korb hervorlangte und ihnen den Gruß der Kaiserin überbrachte.

Beschämt und dankend nahmen sie Brot und Wein, und auch diejenige, die das Lästerwort gesprochen hatte, war nicht faul, ein Krüglein anzusetzen; aber – o Wunder! – während die anderen den besten Wein verkosteten, ergoss sich das reinste Wasser in ihre Kehle.

Noch mehr: Als sie nach dem Brot langte, um ein Stück davon abzuschneiden, hatte sie Stein in den Händen.

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