Die Moorjungfrauen
Auf dem Rücken der hohen Rhön, da,
wo jetzt das rote und das schwarze Moor ihre weiten und grundlosen
Sumpfstrecken breiten, standen vor alten Zeiten zwei Dörfer;
das auf dem roten Moor hieß Poppenrode und das auf dem schwarzen
Moor hieß einfach nur Moor. Mittlerweile gibt es keines
der Dörfer mehr, nur eine altersmorsche Moorlinde, die man
als die Dorflinde des einen Dorfes betrachtet.
Das rote Moor gilt in der Gegend als Wetterprophetin:
Wenn in der Früh ein kleiner Dunst darüberschwebt, so
gibt es keinen schönen Tag; ist der Dunst stärker, so
wird schlechtes Wetter, raucht gar das Moor, so kommen Regen,
Schloßen und Gewitter; tobt es aber und werfen die schlammigen
Moorwässer Wellen, dann sind Stürme, Orkane und sogar
Erdbeben zu fürchten.
Früher - häufiger als jetzt - zeigten
sich auf beiden Mooren die Moorjungfrauen des Nachts in Gestalt
glänzender Lichterscheinungen; sie schweben und flattern
über die Stätte ihres ehemaligen Wohnplatzes.
Oft kamen auch ihrer zwei oder drei nach Wüstensachsen
und mischten sich unter die Tänzerinnen, dabei sangen sie
auch wunderschöne Lieder. Sie blieben aber nie über
die zwölfte Stunde hinaus, sondern wenn die Zeit ihres Bleibens
herum war, so kam jedesmal eine weiße Taube geflogen, der
sie folgten.
Singend, tanzend und lachend wandelten sie zum
nächsten Berg hinein und entschwanden so den Augen der Nachblickenden
oder neugierig Nachfolgenden.
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