SCHLANGEN & DRACHINNEN

Die weiße Schlange vom Töllerberg

Am Töllerberg lebte einst eine Bäurin, die mehrere kleine Töchter und Söhne hatte. Wenn sie auf's Feld ging, setzte sie ihnen eine Schüssel Milch vor, damit sie unterdessen nicht Hunger litten. Kehrte sie dann abends heim, so war die Schüssel jedesmal geleert. Die Kinder gediehen vortrefflich, was der Bäurin große Freude bereitete.

Als sie nun eines Abends die Kleinen wegen ihres guten Verhaltens lobte, erwiderten diese: "Wir essen die Milch nicht selbst, sondern ein schöner weißer Vogel kommt uns täglich besuchen und nascht die Milch."

Da hielt die Bäurin ihre weiße Hauskatze für den weißen Vogel, konnte sich aber das gute Gedeihen der Kinder nicht erklären und beschloss daher, der Sache auf den Grund zu gehen.

Am nächsten Tag setzte sie den Kindern die gewohnte Schüssel Milch vor und versteckt sich in der Stube, um heimlich zu beobachten, was damit geschah. Es dauerte gar nicht lange, da kam eine weiße Schlange daher gekrochen, mit einer schönen glitzernden Krone auf dem Haupt. Sie naschte von der Milch und ließ sich von den Kindern auf den Schoß nehmen und streicheln. Nachdem sie sich sattgetrunken hatte, warf sie ihr Krönlein vom Haupte und verschwand in dem Loch, aus dem sie hervorgekommen war.

In diesem Augenblick sprang die Bäurin aus ihrem Versteck hervor, nahm den Kindern die Krone weg und verbarg sie in einer Truhe, in der noch ein Restchen Flachs aufbewahrt lag.

Als der Winter heranrückte und die Arbeit auf dem Feld ruhte, holte die Bäurin ihr Spinnrad vom Dachboden und begann den Flachs zu spinnen. Jeden Tag langte sie ein Bund aus der Kiste und spann es zu feinem Garn, das sie an den Markttagen den Weberinnen in der Stadt verkaufte.

Doch die Menge des Flachses nahm nicht ab, sondern wuchs von Tag zu Tag!

Sie dachte hin und her, wie es damit wohl zugehen könnte und erinnerte sich schließlich des Krönleins, welches sie im Sommer dort verborgen hatte.

Um sich nun zu überzeugen, ob dies wirklich eine so wunderbare Eigenschaft besitze, legte sie es in den Getreidekasten, wo nur mehr wenig Korn lag. Auch dieser füllte sich in kurzer Zeit.

Der Bäurin, der das Wunder eine große Freude bereitete, gab nun der Schlange täglich ein Schüsselchen Milch zu trinken und verschwieg ihr Geheimnis.

Sie war nun von aller Sorge enthoben und alle lebten glücklich bis zu ihrem Ende.

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