Die Schlangenjungfrau
zu Basel
Um das Jahr 1520 lebte zu Basel in der Schweiz
ein armer Mann namens Leonhard, sonst gemeinlich Lienimann genannt,
eines Schneiders Sohn.
Dieser war in das Schlaufgewölbe oder den
Gang, welcher zu Augst über Basel unter der Erde her sich
erstreckt, ein- und darin viel weiter, als jemals einem Menschen
möglich gewesen, fortgegangen und hineingekommen und hat
von wunderlichen Geschichten zu erzählt. Er sagte, er hätte
ein Wachslicht genommen, angezündet und sei mit diesem in
die Höhle eingegangen.
Er ging erst durch eine eiserne Pforte und danach
aus einem Gewölbe in das andere, endlich auch durch etliche
gar schöne und lustige grüne Gärten.
In der Mitte aber stand ein herrlich und wohlgebautes
Schloss, darin war eine gar schöne Frau mit menschlichem
Körper bis zum Nabel, die trug auf ihrem Haupt eine goldene
Krone; ab dem Nabel aber war sie eine Schlange.
Die Schlangenfrau nahm ihn bei der Hand und führte
ihn zu einem eisernen Kasten, auf welchem zwei schwarze bellende
Hunde lagen, sodass sich niemand dem Kasten nähern kann.
Die Schlangefrau aber beruhigte und streichelte die Hunde und
so konnten sie sie zu dem Kasten hin. Sie nahm einen Bund Schlüssel,
den sie am Hals trug, ab, und schloss den den Kasten auf. Darin
befanden sich viele silberne und andere Münzen. Die gütige
Schlangenfrau holte etliche der Münzen heraus und schenkte
sie dem Leonhard, auf dass er keine Not mehr leiden müsse.
Leonhard aber prahlte er vor allen Menschen mit
seinem neuen Reichtum, und zeigte überall seine silbernen
Münzen herum. Schließlich beraubten ihn übelgesinnte
Menschen - sie nahmen ihm seine letztes Geld weg.
Leonhard, der mit seinem Reichtum so leichtsinnig
umgegangen war und nun wieder arm wie vorher war, suchte wieder
den Eingang zu der Schlaufhöhle, um sich von der Schlangenjungfrau
abermals beschenken zu lassen.
Doch so sehr er auch suchte, er konnte den Eingang
nicht mehr finden.
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