Die Schrezeln in Reichenbach
Beim Kunersbauern in Reichenbach bei Mehlmeisel
hielten sich die Schrezeln sehr gerne auf. Sie besorgten Haus
und Hof, Stall und Vieh, Küche und Keller und waren unermüdlich.
Die Kunersfrau sah ihnen oft zu, natürlich versteckt, und
hatte ihre reinste Freude an ihnen.
Was man ihnen an Lebensmitteln hinlegte, verschmähten
sie. Sie wollten keinen Lohn, halten sich Weizenkörner und
Pferdezucker aus den Futterkisten und stillten damit ihren Hunger.
In einer bitterkalten Wintemacht musste nun die Bäuerin beobachten,
wie die Schretzeln ihre Hände heben, die Arme schlenkerten
und auf- und abhüpften, um sich zu wärmen.
"Die Kittel sind aber auch gar zu dünn,
und von den Höschen hängen gar die Fetzen herunter",
dachte die Kunersfrau. Rasch machte sie sich an die Arbeit, nähte
fleißig, und bald lagen auf Tisch und Bänken Kittelchen
und Höschen und das war sogar dem sonst so sparsamen Kunersbauem
recht - schließlich verdankten sie den Schrezeln sehr viel!
Die Schrezeln betrachteten nachts die Sachen
mit Staunen, probierten ihre neuen Kleidungsstücke, stolzierten
und tanzten in der Stube herum und vergaßen ganz auf die
Arbeit.
Nur ihre Älteste saß betrübt
auf der Ofenbank und sagte vor sich hin: "Das ist unser Lohn.
Nun müssen wir davon!"
Sie glaubten nämlich, sie hätten ihre
Arbeit schlecht gemacht und die Kunersleute wollten sie nicht
mehr im Hause haben.
Darum herrschte bald große Trauer unter
den Schrezeln und sie machten sich zum Fortgehen bereit. Die Älteste
sprang in einem Satz auf das Fensterbrett, stemmte das Fenster
auf und schnellte ins Freie. Ihr folgten ihre Gefährtinnen,
eine nach der anderen.
Da war auch die Bäuerin tief enttäuscht
und traurig; denn die kleinen Hilfsgeisterinnen ließen sich
nimmer sehen.
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