KÖNIGINNEN &
MÄCHTIGE FRAUEN
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Eine alte Frau straft
Vor alten Zeiten war die Ortschaft Kaindorf bei
Leibnitz ein großes, reiches Dorf, deren EinwohnerInnen sehr
wohlhabend waren. Doch einige von ihnen waren ziemlich geizig und
hartherzig.
Eines Abends, es war im Winter und überall
lag viel Schnee, wanderte eine alte, gebrechliche Frau von Haus
zu Haus und bat an den Türen der Reichen um ein Stückchen
Brot und um Nachtherberge. Allein überall wurde sie beschimpft
und wieder in die Kälte hinausgejagt.
Schließlich ging die Alte gegen den Berg
hin, wo jetzt das Schloss Seggau steht, und bat in einer kleinen
Keusche um ein Nachtlager. Es war nur die Frau zu Hause, und diese
hatte Mitleid mit der gebrechlichen Alten und sie mochte sie wohl
über Nacht hierbehalten. Aber sie traute sich nicht, weil sie
einen brutalen Mann hatte und Angst hatte, er würde sie schlagen,
wenn sie der armen Alten gestattete, in der Keusche zu übernachte.
Das sagte sie der Bettlerin. Diese musste nun weiterziehen.
Obwohl es inzwischen schon finstere Nacht geworden,
schleppte sich die Alte noch mit letzter Kraft den Berg hinauf,
auf dem eine vereinzelte Keusche stand; diese gehörte einer
armen Witwe und bei der fand die Alte freundliche Aufnahme und Verpflegung.
Da erzählte nun diese, wie es ihr unten im
Dorf so schlecht ergangen, wie die reichen Leute sie hartherzig
abgewiesen und immer wieder von der Schwelle ihrer Türen fortgejagt
hätten, in eisige Kälte und den Schnee hinaus. Dafür
aber würde diese Reichen und Gefühllosen in kurzer Zeit
die gerechte Strafe erreichen; der ganze Ort werde überschwemmt
werden und alle zugrunde gehen; und kein Haus werde verschont bleiben.
Dies sagte die Alte in einem so gewissen, drohenden Ton, dass es
der gutmütigen Wirtin zu grauen anfing.
Sie erzählte der Alten, dass sie eine Tochter
unten im Dorf habe, die sich aber sehr unglücklich fühle,
da ihr Mann sehr böse sei. Die Alte erzählte nun, dass
sie auch bei dieser gewesen und dass sie von ihr nur aus Furcht
vor dem bösen Mann abgewiesen wurde. Da bat denn nun die Witwe,
es möchte die Alte doch beten, daß ihrer Tochter nichts
geschähe. Die Alte versprach es und sagte mit großer
Bestimmtheit, es werde der Tochter nichts geschehen.
Am darauffolgenden Morgen bedankte sich die fremde
Alte auf das freundlichste bei der Witwe für die ihr so liebevoll
gewährte Unterkunft. Dann sagte sie zum Abschied noch, weil
die Leute am Berge so gut seien, so werde sie ein Andenken und Zeichen
hinterlassen, das ewig währen sollte. Darauf verließ
sie das Haus.
Die Witwe aber war durch diese sonderbare Rede
aufmerksam geworden und sie sah mit noch einigen Bewohnern des
Häuschens der Bettlerin nach, bis diese plötzlich vor
ihren Augen verschwand. Verwundert darüber, ging man ihren
Fußspuren nach, die im frischgefallenen Schnee deutlich
eingedrückt waren und die an einem bestimmten Platze plötzlich
aufhörten.
Nun wusste man, wer die seltsame Bettlerin gewesen,
nämlich niemand anderer als die heilige Maria selbst. Die Prophezeiung
ging richtig in Erfüllung. Heftige und lange anhaltende Regengüsse
machten die großen Schneemassen auf den Bergen schnell schmelzen,
die Laßnitz und die Sulm, zwischen denen die Ortschaft lag,
schwollen riesig an, traten aus und setzten das ganze Dorf unter
Wasser, so dass alle Häuser einstürzten und die einst
so blühende Ortschaft ganz vernichtet wurde.
Nur das Häuschen der Witwe und die Keusche
ihrer Tochter blieben verschont.
Später wurde auf jenem Berge und an derselben
Stelle, wo die Fußspuren im Schnee aufgehört hatten,
eine Kirche zu Ehren unserer lieben Frau erbaut und Frauenberg
genannt.
Die allmählich wieder entstandene Ortschaft
zwischen den beiden Flüssen aber erhielt den Namen Kaindorf,
weil durch die Überschwemmung sämtliche Häuser zerstört
wurden und "kein Dorf" mehr da war.
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