RIESINNEN, ELFEN &
KOBOLDINNEN
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Die Törin
An den Ufern der Bäche
und anderer Gewässer, zumal im Oberlande, zeigt sich gerne
eine gespenstische Frauengestalt, die Törin. Diese ist schlank,
weiß gekleidet, hat große, feuerrote Augen und nach
rückwärts gekehrte Füße. Tagsüber hält
sie sich gerne auf Heuböden auf, bei Einbruch der Dämmerung
aber steigt sie von denselben herab und begibt sich zum nächsten
Gewässer, wo sie die ganze Nacht hindurch emsig wäscht
und schwemmt, bis der Morgen anbricht. Schon oft hat man in abgelegenen
Gräben blendend weiß gewaschene Linnenstücke an
Dorngesträuchen aufgehängt gefunden, welche von der Törin
gewaschen worden waren.
Die Törin gilt als harmlose Gespenstin, die
nur dann zu fürchten ist, wenn ihr irgendein Leid angetan oder
ein böser Streich gespielt wird. Dann aber rächt sie sich
auf furchtbare Weise, beschädigt die Haustiere, beschmutzt
eben gewaschene und zum Trocknen aufgehängte Wäsche, ja
sie schleicht sich selbst zur Nachtzeit in die Schlafzimmer der
Menschen und drückt und würgt diese.
Einst fuhr ein Fuhrmann in einer mondhellen Nacht
auf der Straße dicht neben der Enns dahin. Er war lustig und
guter Dinge und sang zum Zeitvertreib ein fröhliches Lied.
Da kam es ihm auf einmal vor, als höre er am Ufer des Flusses
jemanden waschen und plätten.
"Holla", rief er, "wer da wäscht,
könnte auch gern mein Hemd waschen!"
Kaum hatte er dies ausgesprochen, als auch schon
die Törin im langen weißen Kleide und mit ihren feurigen
Augen vor ihm stand und ihm gebieterisch sein Hemd abforderte. Dem
Fuhrmann wurde ganz unheimlich zumute und am liebsten wäre
er sofort weiter gefahren, aber da er wusste, dass man mit Geisterinnen
besser keine dummen Späße treibt, zog er brav sein Hemd
aus und reichte es der Törin.
Bald darauf brachte sie ihm sein Hemd schön
gewaschen und getrocknet wieder zurück, forderte aber dafür
vom Fuhrmann als Lohn eine durchlöcherte Silbermünze,
die er glücklicherweise auch hatte. So geschah ihm kein Leid.
Weniger gut erging es einem anderen Burschen, der
in Streglegg eine junge Frau kannte, bei der er "fensterln"
wollte. Er ging über den Stergleggbach. Nahe der Brücke
sah er eine weißgekleidete Gestalt Wäsche schwemmen.
Er dachte, es wäre besagte junge Frau, schlich sich an sie
heran, und wollte sie in die Arme nehmen.
Doch die Gestalt war flinker und sprang über
den Graben. Der Bursche sprang ihr nach. Sie aber sprang rasch über
den Bach zurück. Diese Jagd wiederholte sich mehrmals. Da riss
sich der Bursch zusammen und es gelang ihm tatsächlich, sie
zu erwischen. Aber so schnell wie er sie anfasste, ließ er
sie wieder los und ein großes Grauen überfiel ihn. Denn
die Frau fühlte sich eiskalt an und hatte kein Gesicht.
Jetzt wusste er, daß er die Törin im
Arm gehalten hatte.
So schnell er konnte, flüchtete er und rannte nach Hause.
Die Lust zum "fensterln" war ihm für
immer vergangen!
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