SALIGE, WEISSE & WILDE FRAUEN

 

Die Waldfee

Vor langer Zeit lebte in einem kleinen Dorf des südlichen Burgenlandes ein
hübscher, munterer Bursche namens Hans, dem alle Mädchen gut waren, so dass ihn jede gern zum Ehemann genommen hätte. Der Jüngling war lieb und freundlich zu allen, aber das Heiraten wollte er sich noch überlegen. Schließlich verließ er das Dorf und hielt sich längere Zeit in der Fremde auf.

Aber eines Tages kam er mit einem unbekannten Mädchen wieder angeritten, das ein blaues Kleidchen trug und von bezaubernder Schönheit war. Bald darauf feierte er Hochzeit mit der holden Schönen.

Es lag ein geheimnisvolles Dunkel um sie; niemand wusste, woher sie stammte,
und wenn man Hans fragte, zuckte er lächelnd die Achseln. Man redete bald im
Dorf, daß die Frau eine Vila, eine gute Waldfee sei, die das Herz des jungen
Burschen erobert habe. Manche glaubten zu wissen, Hans habe der Geliebten
versprochen, ihre Herkunft geheimzuhalten, sie nie "Vila" zu rufen und sie auch
nie aufzufordern, zu tanzen oder zu singen, sonst sei es mit dem Glück beider
zu Ende.

Die Jahre vergingen dem jungen Ehepaar in ungetrübter Freude; zwei liebe
Töchter vermehrten ihr Glück. Es gab zwar Tage, an denen die junge Frau allein das Haus verließ und sich stundenlang im Wald aufhielt, aber Hans, der diese Gänge den Dorfbewohnern möglichst zu verheimlichen suchte, tat nie eine Frage und machte nie seiner Frau einen Vorwurf daraus. Freundlich ließ er sie gehen, und herzlich war sein Gruß, wenn sie zurückkam.

Einmal kehrte Hans von einem weiten Weg nach Haus, und als er seine schöne
Frau und seine beiden Kinder erwartungsvoll nach ihm ausschauen sah, begrüßte
er sie jubelnd und rief im Überschwang der Freude seiner lieblich lächelnden
Frau zu: "Oh, sing doch und tanz, liebe Vila, wie damals, als ich dich auf
der Waldwiese sah!"

Da trübten sich die lieblichen Gesichtszüge seiner Ehegattin, aber sie begann zierlich zu tanzen und mit leiser, wohlklingender Stimme ein Lied zu singen.
Mit einemmal erinnerte sich Hans seines Versprechens. Mit raschem Griff
suchte er die Gattin am Weitertanzen zu hindern; aber es war schon zu spät.

Schluchzend warf sich die Frau in seine Arme und stöhnte: "Hans, Hans, warum hast du das getan? Nun ist's aus mit unserem Glück!" Wie ein Nebelhauch entschwand sie aus seinen Armen. Der Mann und die Töchter blieben allein zurück.

Zwar war es Hans noch oft an nebeligen Abenden, als blicke die Waldfee durch
das Fenster zu ihren Lieben herein, aber wenn er dann ins Freie eilte, um
sie zu ergreifen, war es nur ein Nebelstreif, der ihm das geliebte Bild vorgetäuscht hatte.

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