Können sie sich noch erinnern wie lebende Erde aussieht ?
Wie sie riecht und wie sie sich anfühlt?
Wenn sie schon älter sind können sie sich vielleicht erinnern
wie lebende Erde noch vor Jahrzehnten ausgesehen hat. Wenn sie jünger
sind, haben sie vielleicht noch nie lebende Erde gesehen.
Lebende Erde riecht im Frühling anders als im Sommer oder
im Herbst.
Besonders gut riecht sie nach einem Regen oder Gewitter.
Im Frühling hat sie tausenderlei Gerüche auf einmal. Sie
beinhaltet die ganze Welt.
Lebende Erde ist locker und weich, und hat die vielfältigeste
Strukturen in sich: kleine Ästchen, vermoderndes Laub, Fasern
aus altem Holz, Moose und Pilzfäden, und manchmal auch Samen
und Früchte vom letzen Sommer.
Unzählige Mikroorganismen und Kleinstlebewesen wohnen in ihr
und machen sie lebendig. Große und kleine Würmer, Käfer
und Asseln, Verschiedenste Arten von Tausendfüßern, und
so manch seltsames Getier, bei welchem man meint es noch nie zuvor
gesehen zu haben.
Tote Erde riecht nie. Sie stinkt höchsten manchmal wenn sie
zu sehr vergiftet wurde. Sie ist nicht locker und weich, sondern
wirkt speckig und hart, wenn sie zu lange ausgelaugt und von schweren
Maschinen zusammengepresst wurde.
Und wenn durch Tonnen von künstlichen Düngemitteln und
Pestiziden bereits alle Mikroorganismen und Kleinstlebewesen zu
Grunde gegangen sind, erinnert sie, wenn sie nach Regengüssen
wieder getrocknet ist, eher an totes Gestein als an Erde.
Wäre es nicht ein interessantes Experiment, aus toter Erde
wieder eine lebendige Erde zu machen?
Dies ist gar nicht wo schwierig und man könnte es zumindestens
in einem kleinen Teil seines Gartens versuchen.
Als vor einigen Jahrzehnten unsere alte große Tiefkuhltruhe
kaputt wurde, überlegten wir lange Zeit, wie wir dieses große
Ding entsorgen könnten (Damals gab es noch keinerlei Entsorgungsrichtlinien).
Da uns keine einfache Möglichkeit einfiel, entschlossen wir
uns diese große Kiste noch für ein Jahr als Blumentruhe
zu benutzen.
Natürlich hatten wir nicht so viel Erde zu Hause, um diese
Truhe zu füllen.
Zufällig entdeckten wir, bei einem unserer regelmäßigen
Wald- und Wiesenspaziergänge, einen Platz, wo anscheinend irgendjemand
seinen Gartenmüll, in Form des Astschnitts, des Laubes, wie
auch eines riesigen Berges Sägespäne "entsorgt"
hatte.
Wir begutachteten diese Stoffe und hatten plötzlich die Idee,
dass das ja die ideale Füllung für unsere improvisierte
Blumenkiste sein könnte.
Wir dachten zwar, dies hätte keinerlei Nutzen für unsere
Pflanzen, aber es würde uns wenigstens eine Menge Blumenerde
ersparen, welche wir ja ansonsten hätten kaufen müssen.
Gesagt- Getan. Zwei Stunden später war unsere große
Blumentruhe, überwiegend mit Sägespänen, dazwischen
mit ein bisschen Laub und einigen kleinen Ästchen gefüllt.
Als oberste zehn Zentimeter dicke Schicht verwendeten wir die Erde,
welche wir ja sowieso noch zu Hause hatten.
Einen ganzen Spätsommer lang ernteten wir Tag für Tag,
immer wieder frische eigenen Tomaten aus unserer großen Blumentruhe.
Als uns dann im beginnenden Winter der erste Schnee überraschte,
entschlossen wir uns, die große Truhe erst im kommenden Frühling
zu entsorgen.
Kaum war die kalte Jahreszeit vorüber, tauchten in unsere
Blumentruhe auch schon die ersten Frühlingsblumen auf, deren
Samen anscheinend vom Wind dahergeweht wurden.
So erfreuten wir uns auch noch bis zum Sommer an den vielen bunten
Blumen und Pflanzen.
Als wir uns an einem heißen, trockenen Sommertag dann endlich
entschlossen unsere Truhe zu entleeren um sie zu entsorgen, entdeckten
wir eine für uns interessante Überraschung.
Eigentlich hatten wir erwartet unter der zehn Zentimeter dicken
Erdschichte, eine mit Erde verschmutzte, speckige feuchte Sägespänemasse
herausschaufeln zu müssen.
Was wir statt dessen fanden war, eine total lockere, qualitative
Humuserde, welche von ungefähr sechs- bis achthundert großen,
wohlgenährten Regenwürmern, sowie vielen anderen Kleinstlebewesen
durchdrungen war.
Unsere Blumentruhe wanderte (nach fachmännischer technischer
Entsorgung) in den Garten von Bekannten am Lande, wo sie noch einige
Jahre als Blumenkiste fungierte.