Die Divine Light Mission Bewegung von Guru Maharaji hatte
in den 70 er einen Ashram (ein spirituelles Meditations-
Kommunikationszentrum) in einer Villa in Hetzendorf.
Dies war ein beliebtes Ziel für ruhe- und geselligkeitssuchende
Jugendliche, welche sich dort zum gemeinsamen Singen, Om- Laut-
Singen, oder zum spirituellen oder lebensphilosophischen Kommunikationsaustausch
trafen.
Täglich trafen sich dort sowohl viele Jugendliche Arbeiter
und Angestellte aus den unterschiedlichsten Berufszweigen, Wie
auch Schüler und Schülerinnen der Mode- und anderen
- Schulen.
Man lauschte erfürchtig bis gutgelaunt, dem meist fröhlich
und witzig gehaltenen "Satsang" eines Gruppenmitgliedes,
welchen man vielleicht als einen philosophisch- spirituellen spontanen
Lehrvortrag bezeichnen konnte, an welchem sich die Schüler
und Gäste auch durch eigene Erfahrungen und Fragen beteiligen
konnten.
Die Grundstimmung der Treffen war gekennzeichnet durch Geborgenheit,
Fröhlichkeit und gegenseitigem Wohlwollen.
Kinder Gottes, Moses David (eigentlich
David Berg)
Die Kinder Gottes "Sekte", wie sie von manchen genannt
wurde ließ in den 70 er Jahren überwiegend ihre weiblichen
Mitglieder auschwärmen um neue Mitglieder anzuwerben.
Sie stürmten freudig auf einem zu, hielten die Hände
ganz innig, umarmten einem und sagten:
" Willst du nicht Jesus in dein Herz beten ?"
Bei soviel Emotionalität war man dann meist schon positiv
überzeugt"
Nach einem innigen "Jesus ins Herz beten" ließ
man sich meist gerne bereitwilligst zu einem gemeinsamen Abendmahl
in das Zentrum einladen.
Das Zentrum befand sich in der Praterstraße.
Freudig wurden "die Neuen" der Gruppe vorgestellt.
Nach fröhlichem Tanzen, Singen und einem Gebet würden
in einer gutgelaunten Runde die Köstlichkeiten verspeist.
Später nachdem man sich selbst etwas dargestellt hatte,
blieb man meist noch um beim Vorlesen der "MO- Briefe"
zuzuhören.
Dies waren philosophisch, spirituell und witzig geschriebene
Gedanken des Gruppengründers David Berg (Moses David) an
seine "Schäfchen"
Nach mehreren gastfreundlichen und gemütlichen Besuchen
dieser Art, wurde man darauf aufmerksam gemacht das es gut wäre,
wenn man auch Aufgaben für die Gruppe übernehmen würde.
Man stellte auch fest, daß nicht alle die in der Gruppe
"Maria" hießen, auch wirlich Maria hießen,
sondern dasß dies eben der biblische Name sei, den sie sich
gewünscht hatten, oder welcher für sie aus der Bibel
heraus "aufgeschlagen" wurde.
Manchmal würde vekündet, daß eine Maria sich
entschlossen hatte, ein anderes Gruppenmitglied zu "heiraten",
was durch eine kurze öffentliche Verkündigung in der
Gruppe, und eine herzliche Umarmung, auch schon getan war.
An Aufgaben welche man für die Gruppe zu erfüllen hatte
gab es da, Kochen, Wäschewaschen, Geschirrabwaschen, Hausarbeiten
jeder Art, Mithilfe bei Bettel- und Besorgungsfahrten oder das
gut bewachte und kontrollierte Betteln auf der Straße.
Der Oberhirte des Zentrums schrieb vor wieviel jedes Gruppenmitglied
täglich erbetteln mußte.
Spätestens nach zwei Wochen wurde man vom Oberhirten in
ein gesondertes Zimmer geführt, um die schicksalsschwere
frage gestellt zu bekommen , ob man nun, da man sich ja bereits
ein Bild über das Gruppenleben gemacht hätte, bereit
wäre ein vollwertiges Mitglied der Gruppe zu werden.
Unter einem gewissen moralischen Druck des Oberhirten wurde einem
ein Schriftstück vorgelegt, in welchem man sich damit einverstanden
zu erklären hatte, daß alles was man besitzt, wie auch
eventuelle Erbschaften, auf welche man später vielleicht
Anspruch hätte, in den Besitz der "Kinder Gottes Sekte"
übergingen.
Nachdem mir eine von den vielen "Marias" ganz herzlich
und emotionell erklärte, daß es auch in Ordnung sei,
wenn sie "für Jesus " mit einem reichen Geschäftsmann
ins Bett ginge, wenn er nur gnügend zahlen würde, hatte
ich dann endgültig genug von dieser Gruppe.
Die Mühlkommune
Da diese Gruppe viele Entwicklungs- und Veränderungsphasen
durchgemacht hat, kann eine Beschreibung dieser Gruppe, immer
nur eine temporäre, subjektive und die allgemeinen Beschreibungenen
ergänzende sein.
Eine von Otto Mühl, aus der Gründung einer Wohngemeinschaft
in der Praterstraße herausgegangenen, Kommune.
Hauptzielsetzungen:
Befreiung von psychischen und gesellschaftlichen Zwängen
mittels Aktionsanalyse
Aufhebung des Privateigentum (dieses wurde später wieder
eingeführt)
freie Sexualität
positive Aspekte:
Entwicklung und Förderung des vielfältigen kreativen
Potential des Einzelnen
(Selbstdarstellung, Rollenspiel, spontanes Theater, Malkurse,
Performence, Moderation, Gesang usw.)
Eigene Schule, themenspezifische in praktischen Beispielen umgesetzte
Schulprojekte und Lernstoffinhalte, (z.B. Nachspielen und Nachbauen
historischer Zeitepochen in Projekten des Geschichtsunterrichtes)
Integration und Verwertung der fachspezifischen und persönlichen
Qualifikationen des Einzelnen in der Gemeinschaft.
Eigene Wohnbaugenossenschaft
Vielfältige berufliche und wirtschaftliche Aktivitäten
(Wirtschafts- und Fachberatungen, Künstlerische Kurse, Persönlichkeitsbildende
Kurse, geschäftliche Aktivitäten usw.)
eigenen Abwasseraufbereitungsanlage (Von den Abwässern bis
zum Teich mit Trinkwasserqualität.
demokratische Bestimmung der Moderatorenpersönlichkeiten
für offenen Abende und Aktionsanalyserunden in gemeinsamen
Sitzungen und Besprechungen
offene Feedbackrunden
negative Aspekte:
Ausnutzung von Autoritätsverhältnissen
Systematische Verhinderung von Individuellen Entwicklung
Verpflichtende Bindung jeder Aktivität an die Gruppe
(keine private Eigenaktivität möglich: z.B. alleine
"draußen" ins Kino gehen oder sich mit privaten
Freunden von "Draußen" treffen)
Abgrenzung und Abschirmung von Gruppenmitgliedern, bis zu "Rückholaktionen"
von ausstiegswilligen Gruppenmitgliedern aus ihrem Familienkreis.
hoher manipulativer Gruppendruck, durch öffentliches "Schlecht-
und Lächerlichmachen" bei "Fehlverhalten"
Trennung der Kinder von den Eltern
Rechtlosigkeit und zwanghafter Drill der Kinder zu gruppenspezifischen
Qualifikationen und Verhaltensweisen.
Unterdrucksetzung von Zweierbeziehung und Liebespaaren
Zwang zur wechselnden Sexualpartnern innerhalb der hierarchischen
Gruppenfamilie.
Zerstörung individueller Persönlichkeitsstrukturen
und - Qualitäten unter dem Vorwand Psycho- oder Aktionsanalytischer
Ziele. (Meist diente dies nur dem Ausleben der eigenen Macht-
und Unterwerfungsgelüsten)
Eine Momentaufnahme:
Der offene Abend
Von irgendwo hattten wir erfahren, daß es da offene Abende
in einem "Kulturatelier Alsergrund " geben sollte.
Da wir schon immer kreativitäts- und gemeinschaftsinteressiert
waren, machten wir uns sofort auf den Weg.
Dort angekommen standen schon einige fröhliche junge Menschen
vor dem Gassenlokal, und wir bahnten uns einen Weg in das Innere
des Veranstaltungsraumes.
Der Raum war mit vielen Reihen von Sesseln erfüllt und ganz
vorne gab es so etwas wie eine kleine Bühne.
Als nach 15 Minuten die Moderatorin des Abends den Raum betrat,
verstummte die allgemeine fröhliche Unterhaltung und jeder
war gespannt was da nun kommen möge.
Manchmal gab es da so seltsame agressive oder irgendwie komische
Zwischenrufe, welche wir noch nicht so recht zu deuten wußten.
Was wir nicht wußten, war nähmlich, daß das
"Unsichtbare Theater" schon längst begonnen hatte.
Zwischen den Reihen der Gäste sitzende Mitglieder der Gruppe
spielten da ihre manchmal seltsam wirkenden Rollen oder Parodien
auf ihre eigenen Kindheitspersönlichkeit.
Diese reichte vom übertrieben entrüsteten und beleidigten
Moralisten ode Pfarrer bis zum aggressiven Rocker oder Assozialen.
Die starke Persönlichkeit der Moderatorin oder Leiterin
des Abends, welche die breite Pallette der gespielten Emotionalitäten
und Aktivierungsmöglichkeiten beherrschte, versetzte uns
bald in einem Zustand der Begeisterung.
Jeder wollte diese Witzigkeit, diese Stärke an Selbstbewußtsein
und Persönlichkeit erlangen.
Eh man sich´s versah, befand man sich, nach einer sehr
bestimmenden und scherzhaften Aufforderung der Moderatorin, auch
schon auf der Bühne.
Und nun ging es los. Der eine mußte ein spontan erfundenes
Lied über seine Perönlichkeit singen, der andere in
eine psychodramatische Rolle seiner Kindheit schlüpfen, oder
es wurden gleich mehrere Rollen für ein spontan zu spielendes
Theater vergeben.
Alles in allem aufregend und faszinierend. Persönlichkeiten
wurden zerlegt und Grenzen wurden durchbrochen.
Nach einem fröhlichen und ausgelassenem Abend ging man zufrieden
nach Hause.
(Manchmal in Begleitung von neuen Freundschaften)
Das Wohnexperiment:
Nach einigen besuchten offenen Abenden erfuhr man, daß
nun wieder bald das nächste Wohnexperiment gestartet würde.
Diejenigen unter den anwesenden Besuchern , welche das vorige
mitgemacht hatten johlten vor Begeisterung. Am nächsten Abend
sollte das aufgezeichnete Video des vorigen Wohnexperimentes vorgeführt
werden, damit man sich ein Bild darüber machen konnte, ob
das etwas für einem wäre.
Schon nach kurzem Betrachten des Videos wußten die meisten,
daß dies etwas wäre, was sie unbedingt mitmachen wollten.
Für einen kleinen Unkostenbeitrag von sechs- oder achthundert
Schilling war man dabei.
Allerdings sollte es da noch eine Art psychologische Vorbesprechung
geben, ob man dafür auch wirklich geeignet sei, und ob man
diese psychischen Belastungen auch aushalten würde, oder
ob man einfach zu der zusammengestellten Gruppe paßt.
Nachdem wir auch diese Hürde geschafft hatten, gab es eigentlich
keine Hindernisse mehr.
Wir wurden ausführlich nach Geschlechts- und anderen ansteckenden
Krankheiten befragt, und ein in einem weißen Ärztemantel
gekleidetes Gruppenmitglied, machte sich, während wir unbekleidet
auf einem Sessel standen, auf die Jagd nach Filzläusen.
Nun war auch diese Prozedur vorüber und am nächsten
Morgen begann das Wohnexperiment.
Durch Vorstellrunden und spontanes Theater kannten wir uns bald
sehr gut. Es herrschte ein gutes kameradschaftliches Klima.
Es war ein Gemeinschaftserlebnis rund um die Uhr, und ein kreativer
oder psycho-(aktions-) analytischer Kurs löste den nächsten
ab.
Beispiele aus dem Programm:
spontanes Theater
offener Theaterabend
Malen im Freien
emotionelles Malen
Singimprovisation
Tanzimprovisation
Rollenspiele
gemeinsames Essen mit geleitetem Dialog
als Höhepunkte dieser Woche wurden:
das Mitmachen bei einer "Aktion" (künstlerischer
Aktionismus)
und ein Besuch am Friedrichshof angekündigt.
Die Aktion:
Nachdem sich alle ihres Gewandes entledigt hatten, begaben wir
ins in den großen Raum. Dieser war ganz mit Plastikabdeckfolien
umkleidet, damit die Wände und Böden nicht beschmutzt
würden.
Im Hintergrund hörten wir Urwaldgesänge und exotische
Rhythmen.
Die Moderatorin kam mit ihren Aktionshelfern in den Raum und
erklärte uns mit sanfte Stimme was sich nun als nächstes
ereignen würde.
Die Aktionshelfer stellten die Kübeln mit körperwarmen
Öl,
mit einem Ton/Lehm - Wassergemisch
und mit den bunten staubförmigen Farben auf ihre Plätze.
Entsprechend den Anweisungen vollzogen wir die Aktion.
Langsam beschmierten wir, bei Urwaldgesängen unsere Körper
wechselseitig mit warmen Öl, und dem Lehm- und Wassergemisch.
Nach einigen Minuten sahen wir alle wie bemalte Eingeborene aus.
Nun mußten wir alle die Augen schließen.
Ein feiner Hauch der Moderatorin und ihrer Aktionshelfer "überzuckerte"
uns mit der Vielfalt der bunten Pigmentfarben.
Nun sahen wir aus wie bunte Paradies- oder Kanarienvögel.
Der Rhythmus der exotischen Musik wurde lauter und mitreissender.
Wir begannen ekstatisch zu tanzen.
Nun waren wir der Eingeborenenstamm, in welchem jeder Einzelne,
im Kreise seines Stammes, seinen , in Zeitlupe symbolisierten,
Paarungskampf oder -Tanz vollziehen mußte.
Nach einer halben Stunde fröhlichem Getanze näherte
sich die Aktion ihrem Ende.
Fröhlich und gutgelaunt machten wir uns auf den Weg zum
gemeinsamen Abwaschen der Farben.
Besuch am Friedrichshof
Nach längerer kommunikationsreicher Fahrt sind wir endlich
am Friedrichshof angelangt. Nach einem kurzen Besichtigungsgang,
bei welchem wir schon erste Eindrücke sammeln konnten, durften
wir auch gleich an der ersten aktionsanalytischen Runde teilnehmen.
Hier ging es wie immer um Selbstdarstellung und Selbstbehauptung,
und vor allem, nichts zu ernst zu nehmen, schon gar nicht die
eigene Rolle oder Persönlichkeit.
Der nächste Höhepunkt ist das gemeinsame Mittagessen
mit Otto. Hier zeigt sich schon etwas,die, neben seinen sicher
vorhandenen künstlerischen und kommunikativen Moderationsfähigkeiten,
Lust am erniedrigen und Lächerlich machen anderer.
(Einer Bekannten hatte er, bei einem Essen dieser Art, das komplette
Tischtuch mit allen Schüsseln und Speisen über dem Kopf
geschüttet, weil er sich in seiner Autoritätsrolle nicht
akzeptiert gefühlt hatte)- wir waren also vorgewarnt.
Das Essen verlief jedoch ruhig und es schmeckte sehr gut.
Am Nachmittag gab es ein geschichtliches Seminar über eine
andere temporär erfolgreiche künstlerisch und sozial
engagierte Kommune aus dem vorigen Jahrhundert.
Danach ging es zu dem regelmäßig statfindendem Aktmalkurs.
Das Modell konnte einem Leid tun, so halb erfroren in der Mitte
des Raumes. Ich war froh als es vorüber war.
Bei einem Ausführlichen Spaziergang durch die Kurs-, Wohn-
und Wirtschaftsräume des Friedrichshofes erfuhren wir vieles
Interessantes sowie auch Positives.
Besondes beeindruckend war die Abwasseraufbereitungsanlage mit
dem Teich mit Fischen und Trinkwasserqualität,
sowie das neue Wohnbauprojekt der erst kürzlich entstandenen
gruppeneigenen Wohnbaugenossenschaft.
Als ich dann, auf meinem neugierigen Spaziergang durch das Außengelände,
aus Unwissenheit in den als "Kinderland" bezeichneten
Bereich kam, mußte ich feststellen das die Begriffe "psychische
und künstlerische Freiheit" auch hier nur Parolen waren,
die mit ihrer gelebten Wirklichkeit kaum übereinstimmten.
Zufällig traf ich da einen ungefähr 12 jährigen
Jungen einer früheren Bekannten, welcher mich ansprach, und
mir von dem zwanghaften künstlerischen und verhaltenspsychologischen
Drill erzählte, welchem hier alle, inklusive der, von den
Eltern " aus erziehungstaktischen Gründen" getrennten
Kindern, ausgesetzt waren.
Nach fünf Minuten Gespräch stürmte eine erzürnte
Aktionsleiterin der oberten Hierachie auf mich zu und schrie mich
an: Das würde Folgen haben. Man dürfe nicht mit den
Kinden reden!
Gespannt, was denn das für Folgen sein würden, begab
ich mich wieder in die Kursräume zur restlichen Gruppe.
Dort erfuhren wir noch von der Schwierigkeit der Zuordnung der
Vaterschaft in manchen Fällen. Manchmal gab es da fünf
Kinder die zwar von der gleichen Mutter aber von unterschiedlichen
Vätern waren, und manche Väter haten mehrere Kinder
aber mit unterschiedlichen Müttern.
Manchmal wußte man es auch nicht so genau, dann übernahm
halt zur Wahrung der äußeren Rechtlichkeit einer der
möglichen Väter die Vaterschaft.
"Im Prinzip war es ja auch egal, weil die Kinder, ab einem
bestimmten Kleinkindalter, ja sowieso nicht von ihren Eltern,
sondern von den einzelnen Institutionen der Gruppe erzogen wurden.
Als Abschluß unseres Besuches am Friedrichshof, gab es
am Abend noch die große aktionsanalytische Selbstdarstellungsrunde
mit Otto.
Nach einigen lustigen und einigen weniger lustigen "analytischen"
Darbietungen (bei welcher einem weiblichen Gast die Brillen zu
Boden geschleudert wurden), verwandelte sich die Selbstdarstellungs-
und Provokationsrunde, in eine freie lockere Tanzrunde, mit welcher
der Abend sanft ausklingen sollte.
Mitten in diesem sanften Tanz versunken, bemerkte ich plötzlich
wie die erzürnte Oberhierarchiemoderatorin, Otto etwas ins
Ohr flüsterte und auf mich zeigte. (Ich ahnte Unheil.)
Plötzlich stürmte Otto, mit einer Mischung aus aggressivitätsandrohendem
Gesicht und Imponierverhalten, auf mich zu.
Die Sache wirkte so witzig, daß ich ihn nur freundschaftlich
wohlwollend anlächeln konnte.
Dadurch irritiert und stutzig geworden, blieb er dann abrupt
einen Meter vor mir stehen, und zischte im weggehen: "Freu
dich nicht zu Früh! So gut bist du gar nicht!
(Hatte ich auch nie vorgehabt)
Zum Glück traf ich danch eine nette alte Bekannte, sodaß
mich die Angelegenheit danach nicht länger berührte.
Auf der darauffolgenden längeren Heimreise nach Wien hatte
ich ja genügend Zeit, um über alles in dieser Woche
erlebte nachzudenken.
Irgendwie wir ich darüber froh, daß das Wohnexperiment
ab Morgen wieder zu Ende war.
Die Vereinigungskirche ( Mun- "Sekte")
Auch diesen Bericht kann man bloß als eine subjektive Momentaufnahme
der Gruppenaktivitäten in den 70 er Jahren betrachten. Bei
späteren Besuchen z.B. des Zentrums in London zeigte sich
dieses in ganz anderem Gesicht und wirkte nur mehr wie ein finanz-
und geschäftsorientiertes Unternehmen.
München Fußgängerzone
Eine Gruppe multinationaler junger Straßenmusiker singt
fröhliche beschwingte Lieder in mehreren Sprachen.
Als ich interessiert stehen bleibe spricht mich ein Vietnamese
an, ob mir denn diese Musik gefallen würde?
Ich bejahte dies, da ich selbst Musiker war, und die Lieder schöne
Melodien hatten.
"Wenn du willst laden wir dich in unser Zentrum ein. Dort
kannst du nach einer kleinen Jause noch viel mehr unserer Lieder
hören und auch an einem kleinen Vortrag kostenlos teilnehmen."
Da mich die Sache interessierte entschloß ich mich mitzugehen.
Nach einem kurzen Fußmarsch waren wir, gemeinsam mit einigen
anderen neu Angeworbenen im Zentrum.
Im Zentrum
Eine Gruppe gut gelaunter junger Menschen empfing uns.
Nach einer kurzen Vorstellrunde, servierte man uns köstlich
belegte Brote mit Fruchtsäften oder Tee.
Bei anregenden Gesprächen verspeisten wir unsere Brote.
Als wir alle ausgiebig gegessen hatten und satt waren, war es
auch schon Zeit für den philosophischen Vortrag.
Hier ging es um Yin und Yang, um Gott und das menschliche Individuum
und um so manches, nur angedeutete Geheimnis, welches noch nicht
ausgesprochen werden durfte.
Wie es der Zufall so wollte, es war gerade kurz vor dem Wochenende,
ergab es sich, daß gerade "zufällig" ein
Bus noch heute Abend in das idyllische ländliche Trainingszentrum
der "Regelsmühle" fuhr.
Da "zum Glück" noch einige Plätze frei waren,
bot man uns an, kostenlos an einem Wochenendseminar teilzunehmen.
Freudig stimmten wir, alle die Zeit hatten, zu und eine Stunde
später saßen wir auch schon alle im Bus auf der längeren
nächtlichen Fahrt zu "Regelsmühle"
In der Regelsmühle
Als wir dort, einiges nach Mitternacht von ein paar verschlafenen
aber freundlichen "Brüdern und Schwestern" empfangen
wurden, wurden wir sofort in unsere sauberen und gepflegten Zimmer
gebracht.
Da wir alle von der Fahrt sehr müde waren, schliefen wir
auch sofort ein.
Am nächsten Morgen wurden wir freundlich geweckt. Im gemeinsamen
Speiseraum servierte man uns ein wunderbares Frühstück.
Wir unterhielten uns mit den multinationalen und fröhlichen
Gruppenmitgliedern und machten nach dem Frühstück einen
philosophierenden und diskutierenden Spaziergang durch die herrlichste
Natur.
Es wirkte auf uns wie ein Luxusurlaub bei dem alles inklusive
war.
Das tägliche Programm wechselte meist immer in ähnlicher
Weise:
Aufstehen
Beten
Singen
Frühstücken
Gespräche
Naturspaziergänge
Vorträge
Beten
Singen
Mittagessen
Gespräche
Naturspaziergänge
Vorträge
Beten
Singen
Abendessen
kabarettistisches Theater
Vorträge bis zur totalen Übermüdung
Einschlafen
kurze Zeit zum Schlafen
Wecken
Aufstehen
In diesen ersten drei Tagen des Wochenendes überwog das
Gefühl der Faszination
durch das Überangebot an Neuem und Angenehmen.
Gegen Ende des Wochenendes wurde uns angeboten, kostenlos an
der dreiwöchigen Ausbildung teilzunehmen.
Fast alle entschlossen sich hierzubleiben
Das dreiwochige Ausbildungsprogramm
Das abwechselnde Tagesprogramm wiederholte sich nun Tag für
Tag.
Die Wanderungen wurden weniger, die Vorträge wurden intensiver.
Der konstante Schlafentzug raubte so manchem jeden Nerv und jede
Kritik.
Persönlichkeiten veränderten sich.
Man übernahm Sektenjargon, Sektenmoral, und Sektenideologie.
In den Medien wurde diese Prozedur des Umerziehens einmal als
Gehirnwäsche bezeichnet.
Die Inhalte der Vorträge:
In der ersten Woche:
die Grundlagen der Bibel, und des "Sündenfalls"
In der zweiten Woche:
die Bibel in etwas umgedeuteter Form, aus der Sicht der Vereinigungskirche
In der dritten Woche:
die Ideologie der Vereinigungskirche, die göttlichen Prinzipien
Mun der neue "Messias" , Mun als vollender des Schöpfungsplanes
- der volkommenen Familie. usw.
gegen Ende der dritten Woche wurden uns weitere wunderbare Ziele
angedeutet, an welcher allerdings nur einige wenige "Auserwählte"
teilhaben könnten.
Das Europateam, ein multinationales Team welches in ganz Europa
zur Missionierung ausgesandt wurde.
KARP(oder so ähnlich) eine Gruppe welche missioniert und
an den Universitäten vor den Gefahren des "Kommunismus"
warnen sollte. (Kommunismus war ein religiös- ideologisches
Feindbild, wahrscheinlich aus Muns koreanischer politischer Konfliktvergangenheit
heraus)
Zu einigen dieser Projekte gab es unterstützende Propagandafilme
Gegen Ende der dritten Woche war es dann so weit.
Um drei Uhr in der Nacht schlichen sich einige Brüder und
Schwestern der Gruppe in die Zimmer der Neuangeworbenen, um sie
sanft zu wecken und ihnen ins Ohr zu flüstern, daß
sie zum Kreis der "Auserwählten" gehören würden,
welche man nun in die weite Welt schicken wollte.
In unserem Fall hieß dies "Europateam" und Frankreich
Hastig und leise, damit wir die Anderen nicht weckten, packten
wir unsere Sachen,
und stiegen in den bereits wartenden Fernreisebus.
Nach stundenlanger Fahrt kamen wir zur französischen Grenze,
wo uns kein Mensch kontrollierte.
Nach einigen weiteren Stunden Fahrt landeten wir in der märchenhaften
weißen Villa vor Paris.
Völlig übermüdet schliefen wir ein.
Den nächsten Tag verbrachten wir mit allgemeinen Vorträgen
über unsere Aufgaben, und erfuhren das es uns nicht gestattet
ist Radio oder beliebige Schallplatten zu hören, weil dies
"böse Gefühle" wecken konnte, oder unsere
Gedanken mit "Gedanken der Aussenwelt" verderben konnten.
Nach dem Betrachten eines Films mit der enthusiastischen Rede
Muns, und dem freiwilligen
"Harakiri Opfertods" eines Zuhörers (im Film) (bei
dem seltsamerweise viele Brüder und Schwestern jubelten)
kam es zum Auswahl- und Aufteilungsverfahren, wer in welcher
Gruppe, in welche Städte verschickt werden sollte.
In der Hektik der nachfolgenden Abreise mussten wir nun ganz
schnell alle unser Rucksäcke und Koffer abgeben.
Meinen habe ich danach nie mehr gesehen. Später sah und
erfuhr ich in einem anderen Zentrum in England, daß das
Eigentum der Mitglieder in großen Containern und Räumen
gelagert wurde und in das Eigentum der Gruppe überging.
Eine weitere beschwerliche Reise nach Nordfrankreich begann.
Nun war es mit Luxusurlaub und "all inclusive" endgültig
vorüber.
Auf einer Zwischenstation unserer Reise sahen wir noch, wie in
einem gruppeneigenen Bauernhof, ein Farbiger, für landwirtschaftliche
Stallarbeiten wie ein Sklave gehalten wurde,
und wie diesem, als er um ein paar Schuhe bettelte, um zu seiner
Familie fahren zu können,
gesagt wurde: "Im Kuhstall bräuchte man keine neuen
Schuhe" und "wir müssen für die Sache des
Vaters arbeiten".
Als wir in "Rennes" in Nordfrankreich ankamen, begann
der harte Teil des Sektenleben.
Dies hieß folgendes:
Man durfte nur mehr zu zweit auf die Straße gehen. Einer
bespitzelte und überwachte den anderen.
Entweder mußte man, mit den paar Sätzen Französisch,
welche man für diesen Zweck gelernt hatte, neue Mitglieder
anwerben
oder man mußte um Geld betteln.
Zu Essen gab es nur mehr ungezuckerten Hafer- oder Griesschleim,
weil angeblich kein Geld für Essen vorhanden war, und das
gute Essen für die Neuanzuwerbenden vorgesehen war.
Jede Art von Herzlichkeit unter den Gruppenmitgliedern wurde
untersagt.
Zur Begrüßung durfte man sich nicht mehr die Hand
geben.
Der tägliche Schlafmangel und die selbstbeschuldigenden
Morgengebete bis zum Zusammenbruch Einzelner, raubten die letzte
Kraft.
Das Sektenleben wurde von Tag zu Tag skurriler, so daß
ich mich nach einer Woche entschloß die Heimreise anzutreten.
(Den meisten Ausstiegswilligen war dies nicht so leicht möglich)
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