Die Kleinstadt:
Die Kleinstadt hat ein eigenes charakteristisches Erscheinungsbild
und eine spezifische Lebensqualität, welche weder das Dorf
noch die Großstadt besitzt. In ihr existiert nicht die Anonymität
der Großstadt aber auch nicht die Enge des kleinen Dorfes,
wo jeder jeden kennt und man mit jedem zweiten irgendwie verwandt
ist.
In ihr gibt es Fluchtpunkte für Zurückgezogenheit,
Bereiche der integrierten Vetrautheit, aber auch noch viele Bereiche
welche es noch neu zu entdecken gilt.
Meist ist sie in eine Landschaft eingebettet welche noch einen
großen Anteil an unberührter Natur besitzt. Auch in
ihrem kleinstädtischen Erscheinungsbild hat sie die Natur,
oft in Form von Park- und Grünanlagen integriert.
Keine Kleinstadt ist wie die andere. Alleine durch ihre geografische
Lage und durch ihr eingebettet sein in unterschiedlichste Naturlandschaften,
gelangt sie zu ihrem unterschiedlichem Erscheinungsbild.
Eine Kleinstadt die eingebettet ist in enge Tallagen oder sich
in Hügellandschaften oder Berghängen befindet entwickelt
andere Siedlung- und Ercheinungsformen als Kleinstädte, welche
die Weite von großen Beckenlandschaften zur Verfügung
haben.
Auch die geologische Beschaffenheit der geografischen Region
bedingt oft unterschiedliche Wirtschafts- und Lebensformen.
So findet man z.B. in großen eis- oder anderszeitlichen
Ablagerungsbecken, viele Gesteinsablagerungen, wie Kies, oder
Lehm- und Tonerdeablagerungen, welche, in der Folge dann regionale
Kies, Sand und Schottergewinnungsbetriebe oder tonerdeverarbeitende
Ziegelwerke entstehen ließ.
Kleinstädte welche in schöne Erholung- und Naturlandschaften
eingebettet sind, entwickeln sich oft zu ausgesprochenen Wander-
und Tourismuszentren.
Besonders in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg herrschte
ein ziemlicher Wander- und Naturverbundenheits-"boom",
bei welchem gemeinsame Familienaktivität und Geselligkeit
sehr gepflegt wurde.
z.B. auch mit Naturvereinen und deren billigen Übernachtungsmöglichkeiten
in Vereinshäusern und Hütten.
Kleinstädte haben sicher viele Funktionselemente und Erscheinungsbilder,
welche man auch noch in Großstädten findet, aber gerade
durch diese Mischung aus der noch gegebenen Überschaubarkeit
und dem ständig wachsenden Bereich, "des noch neu zu
Entdeckenden" bieten sie eine interessante und lebenswerte
Charakteristik.
Dadurch, dass das Umfeld, in welches Kleinstädte oft eingebettet
sind, siedlungs- und wirtschaftsmäßig noch nicht vollständig
erschlossen ist (war), bietet sich oft auch die Möglichkeit
für raschere Entfaltungsmöglichkeiten für neue
Wirtschafts-, Freizeit- oder Industriebereiche, denen dann meist
eine Ausbreitung der Besiedelung erfolgt.
(z.b. Shopping- und Businesszentren in den Randregionen von Kleinstädten)
Wie auch spätere Großstädte, können auch
Kleinstädte oft aus mehreren kleinen zusammengewachsenen
Siedlungen und Ortschaften heraus entstanden sein.
Dies prägt dann das charakteristische unterschiedliche Erscheinungsbild
der einzelnen "Vierteln" oder Bezirke.
Oft weisen die Namen dieser "Vierteln" auf ihren Ursprung
oder die Ursprungslandschaft hin.
Diese kleinstädtischen Vierteln werden dann oft mit unterschiedlichen
emotionellen Inhalten verbunden. da gibt es Vierteln die als "feiner"
und "vornehmer" gelten und anderer die man als besonders
"verrufen" betrachtet.
In den Schulen und unter der heranwachsenden Jugend, treffen
dann oft, diese "verschiedenen Welten" aufeinander.
Kleinstädte sind ein interessantes Beobachtungsfeld, um
die wirtschaftliche und soziale Wechselwirkung der städtischen
Strukturen und der kleinstädtischen Gesellschaftsschichten
zu studieren.
Einige Stichworte als Beispiel für eigene Assoziationen:
Die Einteilung in Bezirke und Vierteln
Die Park- und Grünanlagen
Bäche, Flüsse, Teiche, Seen
Hügel, Wiesen Berge
Die zentrale Domkirche
Die kleinen Bezirkskirchen
Kindergärten, Volksschulen, Hauptschulen, Gymnasien
Musik- Berufs- und Fachschulen
Kasernen und militärische Anlagen
Nachkriegsruinen und Bunkerlandschaften
Krankenhäuser
Obdachlosenasyl
Pflege- Altenheime
Frei- und Hallenbäder
Föhren- und andere Wälder
Wiesen und Auen
Schottergruben, Ziegelteiche, Lehmgruben und -Teiche
geordnete und wilde Mülldeponien
Alteisenplätze
Industrieanlagen
Arbeiter- und Wohnbezirke
Geschäftsvierteln
Marktplätze
Fußgängerzonen
Rathaus, Hauptplatz, innerer Bezirk (City)
Gasthäuser, Hotels, Fremdenverkehrsbetriebe
Historische Bauwerke
Museen, Stadtmauern, Burgen, Türme, Ruinen
Büchereien, Partei- und Vereinszentren
usw.
Spielplätze der Nachkriegszeit
Die Spielplätze und Spiele der Nachkriegszeit waren, je nach
Region, sehr unterschiedlich.
Hier einige Assoziationen und Stichworte am Beispiel einer, vom
Krieg stärker gezeichneten Mittelgroßen Stadt.
Am Rande der Stadt lag der große Militärflughafen.
Da er kaum benutzt wurde, außer für fallweise militärische
Übungen, sowie für private Segelflieger und Fallschirmspringer,
wurde er von uns gerne als abwechslungsreicher Abenteuerspielplatz
benutzt.
Durch seine unendliche Größe, bis zu den Ausläufern
des Föhrenwaldes und den voralpinen Regionen, war er kaum
zu überwachen und kontrollieren, und es schien auch kaum
jemand ein Interesse daran zu haben.
Unter ihm gab es jede Menge kilometerlanger geheimer Gänge
und Bunkeranlagen, welche es für uns alle zu erforschen galt.
Einmal entdeckte eine andere Gruppe von Kindern, eine versteckte
unterirdische Bunkeranlage, welche von einer Diebesbande als Diebsgutlager
verwendet wurde.
Über diesen Fund freute sich die Polizei damals besonders.
Aber man konnte auch anderer seltsame Dinge finden. So landeteten
wir, bei einem unserer unterirdischen Erkundungsgänge, bei
einem riesigen erstarrten unterirdischen Lacksee.
Dieser Teil der Bunkeranlagen wurde anscheinend von Lack- und
Chemiefabriken der Nachkriegszeit zur illegalen Entsorgung von
Altlacken und Chemikalien verwendet.
Aber auch die vielen ausgehobenen Schottergruben wurden fallweise
zur Entsorgung von Sperrmüll, aber auch so manchem chemischen
Giftmüll verwendet.
Als wir einmal nichts ahnend, den Deckel einer großen Kartonagentonne
öffneten und darin eine weiße pulverförmige Chemikalie
fanden, war uns allen danach eine Woche lang Übel. (obwohl
wir den Deckel sofort wieder verschlossen und nichts davon berührten)
Ein anderes mal freuten wir uns über kistenweise gefundene
angebliche Süssigkeiten, bis wir feststellen mussten, dass
dies anscheinend nur die gipsenen Schaufensterdekoration eines
Zuckerbäckers war.
In den vielen Schottergruben, Bunkeranlagen und Teichgruben,
konnte mann aber auch viele interessante Dinge finden.
So konnten wir bald mit den vielen gefunden, Uraltröhrenradios,
Transformatoren, Lautsprechern oder Fahrradbestandteilen unser
kleines elektrotechnisches "Forschungslabor" ausstatten.
Da ließen wir das knatternde und surrende Geräusch
der Elektromotoren in den Lautsprechern ertönen, oder ließen
einfach den frei stehenden Rotor eines Elektromotors in einem
Magnetfeld rotieren.
Manchmal morsten wir auch mit den gefundenen alten Autoscheinwerfern
"geheime" Lichtsignale zum Mond, in der Hoffnung vielleicht
irgendwann auch einmal eine Antwort zu bekommen.
Wenn wir dann am Abend alleine zu Hause waren, setzten wir unsere
leuchtenden alten Röhrenradios in Betrieb, und machten uns
auf die Jagd, nach seltsamen kosmischen Frequenzen, oder codierten
Morsesignalen oder Funksprüchen.
Manchmal konnten unsere Funde auch gefährlich werden, z.
B. als wir mehrere alte Kolben- oder Stielhandgranaten auf dem
alten Flughafengelände fanden.
Zum Glück hatten wir Lehrer, die uns schon rechtzeitig vor
solchen Dingen gewarnt hatten, so daß wir nicht mit diesen
Objekten spielten.
Manchmal mündeteten die unterirdischen Gänge auch in
wachturmähnliche Türme, deren Spitze man von innen heraus,
auf metallenen Sprossen erklimmen konnte.
Die glasklaren, viele Meter tiefen Schotterteiche, wirkten neben
den hohen Schotterbergen wie kleine klare, grünlich schimmernde
Gebirgseen.
Ihr Wasser war so sauber und klar, daß man selbst in mehreren
Metern Tiefe, jeden einzelnen Kieselstein noch klar umrissen erkennen
konnte.
In manchen von ihnen gab es auch Fische und Wasserpflanzen.
Ein Lieblingsspielplatz an den Schotterteichen war unser "U-
Boot".
Eigentlich war es eine alte Schotterbagger- und Fördermaschine,
welche sich fast vollständig, mit ihrer, unter einer Glaskuppel
befindlichen Baggerführerkabine unter Wasser befand.
Da sich die geöffnete Tür zum Einstieg in die Führungskabine
unter Wasser befand, konnte man das Fahrzeug, (unser "U -
Boot"), nur nach einem kleinen Tauchgang besteigen.
Einmal wäre uns das fast zum Verhängnis geworden, als
jemand die Türe verschloß und wir sie danach fast nicht
mehr aufbekamen.
Manchmal liefen wir auch übermütig, über die von
den Bauern frisch gedüngten Jauchefelder, um danach in die
gelbbraunen Lehmteiche zu hüpfen, wo wir uns von Kopf bis
Fuß mit Lehm beschmierten.
Herumhüpfend und tanzend wirkten wir dann wie die Mitglieder
eines ausgelassenen Eingeborenenstammes.
Manchmal durften wir eine Nacht im Freien, in unseren Zelten
verbringen.
Wir spannten uns zu diesem Zweck, zwischen den Wäschestangen
hinter den Wohnhäusern, Wäscheleinen, an welchen wir
dann mit mehreren Leintüchern unserer Zelte errichteten.
Vor dem Einschlafen erzählten wir uns dann noch gerne gruselige
Geschichten.
Manchmal wurden zwischen den Kindern der verschiedenen Wohnvierteln
und Bezirke auch richtige "Bandenkriege" ausgerufen.
(sie haben aber nie wirklich stattgefunden weil sie immer wieder
abgesagt wurden, oder sich eine Bande davor "gedrückt"
hat)
In dieser "Kampfesstimmung" vor den "Bandenkriegen"
fingen wir dann an, Pfeile, Bögen und Schleudern zu schnitzen.
Für die Bögen und schleudern eigneten sich festere
Hölzer und Astgabeln. Die Pfeile stellten wir aus dem reichlich
vorhandenen Schilfrohr her.
Diese Art von Betätigung führte aber nie zu wirklichen
Feindseligkeiten, sondern wurde als gemeinsame sportliche Aktivität
betrachtet.
Da es damals anfänglich weder Fernseher noch Computer gab,
entwickelten wir sehr viele Eigenaktivitäten, wie z.B.
ausgedehnte Wander- und Fahrradausflüge in die umliegenden
Wälder und Hügellandschaften,
sportliche Wettkämpfe: wie Ring- und Boxkämpfe, Fußballspiele,
Rugby
Pfadfinderähnliche Spiele und Abenteuer
Sammelleidenschaften wie z. B. Tauschen von Comic-Heften und
-Büchern
Die Kameradschaftlichkeit war sehr ausgeprägt.
Geburtstage und andere "Feste" wurden oft gemeinsam
gefeiert.
Am Abend traf man sich vor den Häusern zum "Palaver"
oder kommunikativen Austausch.
Da nicht nur die Kinder miteinander befreundet waren, sondern
auch deren Eltern kam es auch öfters zu gemeinsamen Ausflügen,
mehrerer Familien wie z.B.:
zum gemeinsamen Schifahren, Wandern, Baden am See, oder Bergsteig-
und Klettertouren.
usw...........