DER OKTOBER 1957

2. Jahrgang, Heft 11

 

Schon im Vormonat sahen wir uns veranlaßt, Betrachtungen über die Spielplangestaltung anzustellen. Das Konzept des Oktober-Repertoires mach daraus ein brennendes Problem. So standen in der ersten Monatshälfte drei deutschen Opern elf italienisch Opern und zwei CARMEN-Aufführungen gegenüber. Eine Entschuldigung müssen wir allerdings verbuchen: die Grippe, durch deren epidemisches Auftreten auch im Haus am Ring manches Handikap verursacht wurde. Wir wollen also hoffen, daß im Zuge der allgemeinen Gesundung auch der stark danieder liegende Spiel- und Besetzungsplan neue Kraft und frischen Auftrieb erfahren wird.

 

MADAMA BUTTERFLY am 1. Oktober

Wieder erschütterte Sena Jurinac mit tiefempfundenem Spiel und begeisterte durch den Glanz ihrer sich immer mehr entfaltenden Stimme. Giuseppe Zampieri und Rolando Panerai boten auch diesmal ihre bereits gewürdigten Leistungen. Noch lag der Zauber der musikalischen Einstudierung durch Dimitri Mitropoulos über der Aufführung und so konnte Berislav Klobucar, der als erster die Neuinszenierung übernahm und sich sichtlich bemühte, auch vom Dirigentenpult her einen schönen Abend gewährleisten.

FIDELIO am 2. Oktober

Das gute Niveau dieser Aufführung war in erster Linie das Verdienst Rudolf Moralts, der mit schnellen Tempi für eine recht lebhafte Wiedergabe sorgte, die Sänger mit vorbildlich gegebenen Einsätzen führte und auch Anton Dermotas Lapsus in der Arie auszugleichen wußte. Inge Borkh, Waldemar Kmentt, Wilma Lipp, Gottlob Frick und Alfred Poell waren die weiteren bewährten Interpreten, die ihre bekannt sicheren Leistungen boten. Neu hinzu kam an diesem Abend Gustav Neidlinger als Pizarro, der leider den guten Eindruck, den er mit seinem letzten Kurwenal hinterließ, wieder stark verwischte. Bedauerlicherweise verfiel er in seinen alten Fehler, durch starkes Forcieren und übertriebenes Spiel sich selbst um die Wirkung zu bringen. Weniger wäre mehr gewesen!

OTHELLO am 3. und 6. Oktober

Die Aufführungen brachten die Festwochenbesetzung der vergangenen Saison auf die Bühne. Lediglich die kleinen Partien waren mit Ausnahme des Cassio von Sängern unseres Ensembles übernommen worden. Am ersten dieser beiden Abende blieb Carlo Guichanduts Disposition anscheinend von den ungünstigen Witterungsverhältnissen beeinträchtigt, was eine gewisse Unsicherheit in der Intonation zur Folge hatte. Er konnte sich schließlich freisingen und in Monolog und Racheduett vollauf befriedigen. Bei Othellos Tod gewann wieder seine südländische Auffassung die Oberhand und Stöhnen und Schluchzen herrschten vor. Am 6. Oktober hingegen war der Sänger in ausgezeichneter Verfassung und viel gemäßigter in der Wahl seiner dramatischen Effekte.

Einen grandiosen Abend hatte Paul Schöffler in der ersten Aufführung, in der er die Leistung seines Jago gegenüber den beiden Abenden der vergangenen Saison noch überbot, während er in der drei Tage später folgenden Wiederholung aus gesundheitlichen Gründen nicht ganz Gleichwertiges bot. Fest steht jedoch, daß er in dieser Partie immer noch sämtlichen verfügbaren Konkurrenten weit überlegen ist.

Die Desdemona ist eine der wenigen Partien, die an unserem Haus mit zwei gleich hochwertigen Künstlerinnen des eigenen Ensembles besetzt worden kann. Leonie Rysanek und Sena Jurinac (die an beiden Abenden sang), die aus völlig verschiedenen Rollenfächern kommen, sind auch in der Anlage dieser Partie gänzlich verschieden. Ob man der einen oder der anderen Sängerin den Vorzug gibt, ist nicht eine Bewertung der Leistung, sondern eine Frage des persönlichen Geschmacks. (Einen solchen Idealzustand für möglichst viele Partien zu erreichen, sollte das Ziel der künstlerischen Leitung sein.)

Herbert von Karajan untermauerte die ausgezeichneten Aufführungen durch eine diesmal den Sängern dienende, aber immer noch etwas eigenwillige Stabführung, die am zweiten Abend noch deutlicher als am ersten das gesamte musikalische Konzept vom Pult aus diktiert.

AIDA am 4. Oktober

Maestro Antonino Votto kehrte wieder, um dieses Werk diesmal nicht als Ensemblegastspiel der Scala, sondern als eine Repertoireaufführung der Wiener Staatsoper zu leiten. Der Unterschied zwischen „einst im Mai“ und der Oktoberaufführung war denn auch enorm. Damals gewann man von Antonino Votto den Eindruck, daß er die Sänger begleite und – selbst bescheiden im Hintergrund bleibend – dem Werk und den Sängern diene. Diesmal fiel es viel stärker auf, welch bedeutende Persönlichkeit am Pult steht. Er formte die Phrasen, er baute die Arien und Ensembles auf, er verlieh dem Abend die Formen und Akzente, die uns Sänger und Inszenierung schuldig blieben.

Aus dem durchwegs italienisch singenden Ensemble ragten im Gegensatz zur italienischen Sommer-Aida die Bässe am stärksten hervor. Besonders Gottlob Fricks Ramphis überzeugte neben der immer vorhandenen Pracht seines Materials durch noble Stimmführung und wohllautend strömendes Aussingen der breiten Votto-Phrasen (Tempelszene). Frederick Guthrie sang den Pharao – jeder Zoll ein König.

Hilde Zadek, die bereits vor zehn Jahren als italienisch singende Aida debütiert hatte, bot eine solide und gekonnte Leistung. Jean Madeira konnte ihre Amneris um eine Klasse verbessern. Ihre gesanglich und darstellerisch energische und mit wirksamer Theatralik ausgestattete Pharaonentochter gewann gegenüber früher dadurch, daß sie nunmehr auch alle Spitzentöne einwandfrei brachte, obwohl die Stimme in der Höhe leider an Timbre verliert.

Von Eugenio Fernandi hatte man den Eindruck, daß er mit dem puren Rohmaterial sang. Wie lange wohl wird seine Stimme diese Behandlung aushalten? Solcherart blieb seine Leistung auch an diesem Abend unterschiedlich. Neben herrlichen metallischen Tönen, besonders um e, f und g, hörte man gepreßte und enge Spitzentöne, die natürlich einige krasse Intonationsunsicherheiten zur Folge hatten. Am deutlichsten wurde dies im Nil-Akt, als es ihm gelang, sogar den sicheren und musikalischen Rolando Panerai aus dem Takt zu bringen. Rolando Panerai mußte als Amonasro einspringen und schien nach schönem Beginn mit dieser Partie schließlich etwas überfordert.

LA TRAVIATA am 5. Oktober

Nach den beiden enttäuschenden Violettas der Neuinszenierung übernahm nun Hilde Güden die Kameliendame und konnte bejubelten Erfolg erringen. Besonders im ersten Akt feierte ihre vollkommene Gesangstechnik Triumphe. Die Koloraturen blitzten in Sauberkeit und die gehauchten Piani im zweiten Akt waren das Musterbeispiel perfekter Stimmführung schlechthin. Nicht restlos gefallen konnte der dritte Akt, weil es der kostbaren Stimme an dem nötigen dramatischen Ausdruck für diese Szene fehlte. Wahrscheinlich noch durch Nervosität etwas gehemmt, wird Hilde Güden sicher bald auch in diesen Akt hineinwachsen. Giuseppe Zampieri stellte sich – ebenfalls zum ersten Mal – dem Wiener Opernpublikum als Alfred vor und bewies damit endgültig, daß er für unser Haus einen großen Gewinn bedeutet. Besonders in der Arie hinterließ der junge Italiener mit seiner in allen Lagen ausgeglichenen Stimme und seinem kultivierten Vortrag nachhaltigen Eindruck. Rolando Panerai sang einen seriösen Vater Germont. In kleineren Rollen waren Ljuba Welitsch und Alfred Jerger zu sehen. Antonino Votto war der ideale Verdi-Interpret des Abends.

OTHELLO am 6. Oktober

Die Aufführung unter Herbert von Karajan wurde mit der Aufführung am 3. Oktober besprochen

LA TRAVIATA am 7. Oktober

An diesem Abend stand wieder die subtile künstlerische Leistung Hilde Güdens im Mittelpunkt. Giuseppe Zampieri erfreute von neuem durch schöne Stimme und gelöstes Spiel. Diese Partie scheint ihm wirklich besonders gut zu liegen. Rolando Panerai verkörperte den Vater Germont abermals mit Noblesse. Antonino Votto am Pult verlieh den Aufführungen italienisches Brio und Format.

CARMEN am 8. und 10. Oktober.

Vor Beginn der Vorstellung am 8.10. wurden dem Publikum die Erkrankung von Frau Jurinac und Herrn Roux und die Übernahme dieser Partien durch Hilde Güden und Rolando Panerai mitgeteilt. Im Vorspiel schien es, als hätte man es versäumt auch ein paar kranke Philharmoniker durch gesunde zu ersetzen (Vielleicht war dies nicht mehr möglich!), doch Herbert von Karajan meisterte den musikalischen Schüttelfrost mit überlegener Ruhe. Das Niveau der Aufführung, ihr künstlerischer Wert und ihr Anreiz gingen vom Dirigentenpult aus. Vom Orchester her war diese Carmen wirklich französisch und hörenswert. Trotzdem - die Reprise am 10.10. bestärkte uns in diesem Gefühl - dürfte der Chef nicht mehr so viel Freude an der Aufführung haben wie damals, als er sie übernahm. Wir begreifen das nur allzu gut. An der Carmen überhört man sich leicht. Es wäre auch wünschenswerter, wenn im Repertoire des künstlerischen Leiters der Wiener Oper Tristan, Meistersinger, Fidelio, Figaro und Rosenkavalier - um nur die wichtigsten Werke zu nennen - die Traviata-Carmen-Periode ablösten!

Auf der Bühne war vom französischen Stilgefühl nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Der Chor sang nach wie vor deutsch, Herr Panerai den Escamillo italienisch und die übrigen Solisten, Jean Madeira und Nicola Filacuridi, boten Französisch mit wienerischem, griechischem und amerikanischem Akzent zur bunten Auswahl an. Im übrigen gaben sie ihr Bestes. Daß man auch von chronischer Einfallslosigkeit gut und sicher leben kann, brachte uns die Choreographie Frau Hankas in Erinnerung.

AIDA am 9. Oktober

Die Aufführung zeigte stark fallende Tendenz. Die musikalische Leitung Antonino Vottos war wohl - haushoch über dem bei uns gewohnten Durchschnitt stehend – ein Musterbeispiel dafür, daß ein Fortissimo des Orchesters niemals die Sänger decken muß.

Christa Ludwigs Amneris glänzte als absoluter Stern des Abends in der aus dem Burgtheater importierten ‚Finsternis Ägyptens’. Sie ist wirklich in diese Partie hineingewachsen. Ihr Mezzo, der an Volumen gewonnen hat, strömte kraftvoll mit sicheren Höhen durch das Haus. Sie wurde nach der Gerichtsszene mit stürmischem Applaus belohnt. Alles andere aber, was sich rund um die ägyptische Königstochter formierte, unterliegt starker Kritik. Eugenio Fernandi stand dem Helden Radames noch immer fremd gegenüber. Stimmlich wie darstellerisch vermochte er wohl teilweise eine schöne Leistung zu bieten, wirkte aber häufig unreif und unfertig. Josef Metternich (Amonasro) klang müde und ausdruckslos. Maud Cunitz, die im italienisch singenden Ensemble als deutsch singende Aida einsprang, konnte teilweise ihre stimmlichen Mängel durch technisches Können ausgleichen (Welch’ ein Radames könnte doch Eugenio Fernandi sein, besäße er die Stimmtechnik dieser Partnerin!). Der Chor schien stark geschwächt, vielleicht durch die derzeit wütende Grippe? Wie anders wäre das Flüstern, das besonders im Finale des zweiten Aktes peinlich auffiel, zu erklären?

CARMEN am 10. Oktober

Bei dieser Aufführung unter der Leitung von Herbert von Karajan stieß zu der Standardbesetzung Jean Madeira, Hilde Rössel-Majdan, Mimi Coertse, Frederick Guthrie, Alfred Poell, Renato Ercolani, Harald Pröglhöf und den Gästen Nicola Filacuridi und Rolando Panerai noch Janine Micheau als Micaela. Die französische Sängerin, erste lyrische Sopranistin der Grande Opera Paris ist dem Wiener Publikum als vollendete Melisande einer konzertanten Pelleas und Melisande-Aufführung unter Cluytens noch in bester Erinnerung. Wir fanden den Eindruck von damals bestätigt. Frau Janine Micheau ist eine kultivierte, geschmackvolle und intelligente Sängerin, mit einer typischen französischen, hellen flachen Stimme. Auch am zweiten Carmen-Abend herrschte babylonisches Sprachengewirr.

LA BOHEME am 11. Oktober

Diese Aufführung gemahnte an die trostlosen Abende der Boheme-Ära (es waren in der Hauptsache auch die Mitglieder des von Karl Böhm zusammengestellten sogenannten „Ensembles“ beschäftigt). Es bleibt nur zu hoffen, daß es sich in diesem Falle um einen einmaligen Rückfall gehandelt hat. Karl Terkal (Rudolf) ließ sich als indisponiert entschuldigen. Nicht entschuldigen ließ sich Teresa Stich-Randall (wohl wissend, daß Grippe keine Entschuldigung für ihre sattsam bekannten schlechten Leistungen abgeben kann). Mit ihren schrillen Höhen, die noch dazu häufig zu tief intoniert wurden, mutete sie streckenweise dem Publikum zu viel zu. Auch ihre Darstellung war mehr als blaß, und Mimis Tod ließ uns kaum eine Träne zer-, dafür mit Mühe ein Gähnen unterdrücken. Leider ist dies keine Übertreibung, denn das volle Haus verhielt sich gleichfalls mehr als reserviert. Endergebnis: vier Schlußvorhänge, zwei davon verdanken ihr Zustandekommen nur den hektischen Bemühungen der Verehrerinnenschar eines jungen Sängers, der an diesem Abend in einer kleineren Partie zur Mitwirkung verurteilt war. Harald Pröglhöf (Schaunard) und Endre Koréh waren Notlösungen. Wilma Lipp und Eberhard Wächter retteten, einsam auf weiter Bühne, das Ansehen unseres Hauses. Nicht zu vergessen diesmal Berislav Klobucar am Pult, der das Orchester sorgfältig dämpfte und die Sänger niemals deckte (sehr zum Schaden der Hauptdarstellerin).

PALESTRINA am 12. Oktober

war die Oase in der trostlosen Dürre des Repertoires. Immer wieder ergreift uns die Schönheit der Finalszene des ersten Aktes, wo Hans Pfitzner als der letzte einer langen Reihe die blaue Blume der Romantik mit der Seele suchte – und fand. Die äußeren Voraussetzungen dieses Abends waren allerdings nicht so glücklich, wie es bei diesem Werk angebracht wäre. Wieder forderte die Grippe im Ensemble wie im Publikum ihre Opfer. Immerhin hatten wir dadurch Gelegenheit, Ferdinand Frantz nach langer Pause wieder in Wien zu hören, einen bedeutenden Künstler, einen Sänger von Format, dessen Ausscheiden aus dem Wiener Ensemble wir immer sehr bedauert haben. Er war trotz seines überraschenden Einspringens der führende Kopf des Konzils. Neben Julius Patzak, dem Einmaligen, der die Titelpartie mit der ganzen Größe seiner Künstlerpersönlichkeit ausfüllt, hörte man den verläßlichen Karl Kamann (Borromeo), die brave Anny Felbermayer und die farblose Margareta Sjöstedt (was machte doch ehedem Martha Rohs aus dem Silla!). Man sah noch Rosette Anday, Ludwig Weber und Alfred Jerger. Erfreulich sind immer wieder die klug gestalteten und gut gesungenen Episodenfiguren Murray Dickies und Walter Berrys. Das Orchester war trotz der ausgezeichneten Leitung Rudolf Moralts nicht immer ganz auf der Höhe.

DON CARLOS am 13. Oktober, Nachmittag

Der Versuch, auch die der Oper noch fremd gegenüber stehende Jugend zu gewinnen, ist anerkennenswert. Man benötigt dazu sicher keine Superbesetzungen, aber man muß dokumentieren, daß die klassische Musik nichts Untergehendes oder gar Totes ist. Die lust- und ambitionslose Carlos-Vorstellung konnte eher abschreckend als gewinnend wirken. Martha Mödl hatte als einzige genug künstlerisches Verantwortungsbewußtsein, ihr Bestes zu geben, als ob Kritiker und der Chef persönlich anwesend wären. Mit Recht konnte sie den Großteil des Beifalls für sich registrieren. Sämtliche übrigen Akteure (Endre Koréh, Gerda Scheyrer, Ivo Zidek, Eberhard Wächter und Edmond Hurshell) waren von einer aufreizenden Sonntagnachmittags-Beschaulichkeit. Übertroffen wurden sie in diesem traurigen Rekord noch vom Chor und dem unter Berislav Klobucars Leitung stehenden Orchester, in dem es mehr als einmal drunter und drüber ging.

LA TRAVIATA am 13. Oktober

In dieser Vorstellung sprang Colette Lorand für Hilde Güden ein. Sie wirkte farblos und hinterließ wenig Eindruck, was nicht allein auf die Nervosität der Debütantin zurückzuführen sein dürfte.

AIDA am 14. Oktober

Auch diese Aufführung zeigte stark fallende Tendenz. Diese Reprise vervollständigte dann den stark ramponierten Eindruck dieser Repertoirevorstellung. Wir haben immer wieder von den großen Jahren im Theater an der Wien geschrieben und die „guten alten Zeiten“ zu Vergleichszwecken herangezogen. Daß unsere Direktion ausgerecht die Fehler dieser Epoche neu aufleben läßt, erscheint tragikomisch. Damals versuchte man es nämlich bereits mit italienischen Aufführungen und führte deren Geltung und künstlerischen Wert dann selbst ad absurdum, indem man sie in zwei- und mehrsprachige Abende umwandelte. Notlösungen dieser Art im neuen Haus am Ring sind ein Unding. Wenn dann zu allem Überfluß noch eine Sängerin gastiert, deren Leistung selbst für Innsbruck als nicht befriedigend bezeichnet werden müßte, ist der Niveauverlust nicht mehr aufzuholen. Daß auf eine Nilarie, wie Maria Kinas sie lieferte, das Haus nur mit Schweigen reagierte, spricht für den Takt des Wiener Publikums, dokumentiert aber gleichzeitig seine Hellhörigkeit. Ein spielfreier Abend ist solchen Experimenten entschieden vorzuziehen.

Eugenio Fernandi zeigte ab dem Schluß des Nilaktes verstärkt Ansätze, ein Zeichen mehr dafür, wie lohnend es wäre, würde er – richtig geführt – mit Eifer an sich arbeiten.

Der zweite Gast des Abends war Nicolai Ghiaurov als Ramphis, ein junger Sänger im Besitze einer kleinen, aber metallischen und in allen Lagen sicheren Baßstimme. Vielleicht gelänge mit ihm der Versuch, die in diesem Fache in letzter Zeit entstandene Lücke zu schließen.

Das übrige Ensemble zeigte guten Durchschnitt und Antonino Votto rettete, war zu retten war. Allein daß es ihm gelang, den Abend ‚über den Berg zu bringen’, ist eine Meisterleistung.

DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL am 15. Oktober

wurde als Notlösung im letzten Augenblick eingeschoben und erwies sich erfreulicherweise als recht gute Aufführung, obwohl man das Haus an diesem Abend mit sehr gemischten Gefühlen betreten hatte. War doch die Entführung aus dem Serail im großen Haus in den letzten Jahren stets ein Zeichen des totalen Zusammenbruches des Repertoires und des Versagens unserer leitenden Herren im Generalsekretariat gewesen. Wie traurig, daß man Wolfgang Amadeus Mozart überhaupt als „Notnagel“ betrachten muß. Mozart sollte bei allem Mangel an Verständnis selbst dem Generalsekretariat ein wenig teurer sein!

Wilma Lipp sang die Konstanze mit heller, klarer Stimme, mit Ausdruck, Gefühl und technischer Meisterschaft. Emmy Loose war ein munteres, wenn auch etwas überspieltes Blondchen.

Anton Dermota sprang als Belmonte ein. Er ist in seinem Fach wohl einer der besten, wenn nicht überhaupt der beste Sänger der Welt. Keiner der Mozarttenöre die wir an seiner Stelle serviert bekamen, vereint so souveräne Fülle, Geschmeidigkeit und Glanz des Tones, gepaart mit einer blendenden Technik und empfindungsvoller Phrasierung. Wir haben offenbar solch eine Überfülle an Spitzensängern, daß wir es uns ruhig leisten können, Anton Dermota nicht zu beschäftigen! Murray Dickie ist als Pedrillo mit seinem fröhlichen Spiel und seiner gut geführten Buffostimme eine geradezu ideale Besetzung. Aus dem Rahmen der Aufführung fiel leider Endre Koréh. Er ist auch dieser Partie (Osmin) nicht mehr gewachsen. Dasselbe gilt von der musikalischen Leitung Michael Gielens – nur muß man sagen, daß seine Leistung der Wiener Staatsoper nicht würdig ist und wohl nie werden wird, wenn er sich einbildet, seine Dirigierübungen ausgerechnet an jenem Pult absolvieren zu können, an dem immerhin Karl Böhm, André Cluytens, Herbert von Karajan, Joseph Keilberth, Hans Knappertsbusch und Dimitri Mitropoulos wirken. Trotz guter Presse sollte Michael Gielen in seinem eigenen Interesse und unter Verzicht auf seine guten Beziehungen einen anderen und ehrlicheren Weg zur Dirigentenkarriere suchen. Es soll auch so etwas geben!

TURANDOT am 16. Oktober

Die zweite Monatshälfte begann mit dieser sehr mäßigen Aufführung. Durch die verstaubte Inszenierung quälten sich Chor und Orchester nur mit halbem Einsatz und der Dirigent Berislav Klobucar bemühte sich vergeblich, den verfahrenen Karren ins rechte Geleise zu bringen. Inge Borkh als Turandot konnte stimmlich und durch ihr intelligentes Spiel befriedigen, man konnte sich jedoch des Eindruckes nicht erwehren, sie sei nur als „Aufputz“ mißbraucht worden, um dieses Meisterwerk Giacomo Puccinis überhaupt noch genießbar zu machen, dessen Interpretation weit unter dem Niveau lag, das wir von einer Staatsopernaufführung verlangen dürfen. Karl Friedrich als Kalaf bot – für heutige Repertoireverhältnisse gesehen – stimmlich eine durchschnittliche Gesangsleistung, beeinträchtigte dafür das Niveau durch einen eklatanten Fauxpas. (Es ist wohl kaum Sitte, daß sich chinesische Prinzen in die Hand schneuzen, und dies ist nicht eine ‚Kleinigkeit’, sondern eine Mißachtung des Hauses. Wir sind nicht auf der Schmiere, Herr Friedrich!) Lotte Rysanek sang eine stimmlich völlig unzureichende Liu und das diesmal äußerst schwache Ministerterzett (Karl Weber, Peter Klein, Murray Dickie) bildete dann im negativen Sinn sozusagen den Tupfen auf dem „i“.

MADAMA BUTTERFLY am 17. Oktober

Sena Jurinac – das Ereignis des Monats – und Butterfly, die Aufführung, die das frohe Fest der sauren Wochen darstellt. Schon beim Auftrittslied steht das Publikum immer wieder im Banne dieser Künstlerin. In Giuseppe Zampieri und Rolando Panerai gruppieren sich geschmackvoll singende Partner um diese hervorragende Cho-Cho-San. Der Dirigent Berislav Klobucar sorgte abermals für spannungsreiche orchestrale Begleitung, die im vollen Einklang mit der Bühne stand.

BALLETTABEND am 18. Oktober

TOSCA am 19. Oktober

Es blieb nur sehr wenig vom Geist der italienischen Oper übrig. Inge Borkh ist nun einmal nicht die große Primadonna Giacomo Puccinis, was besonders im ersten Akt stark zu Tage trat. Eugenio Fernandi begeisterte durch seine schöne Naturstimme, aber bis zur Verbesserung seiner Technik bleibt er für uns nicht mehr als ein Versprechen für die Zukunft. Edmond Hurshells Scarpia stellt mit der Aufeinanderfolge von forcierten und dann wieder kaum hörbaren Tönen Zumutungen an das Publikum, seine Darstellung schwankt zwischen Starrheit und laienhafter Übertreibung (keine sehr glückliche Mischung!). Die beste schauspielerische Leistung gelang dem bereits seit 52 (!) Jahren an der Oper tätigen Viktor Madin mit der ausgezeichnet charakterisierten Figur des Mesners. Dirigent des Abends war Berislav Klobucar.

DON CARLOS am 20. Oktober

Was hätte man wohl an diesem Sonntag in der Oper gespielt, hätte Kammersängerin Hilde Konetzni, die von der Direktion verzweifelt in nicht sehr höflichen mehrmaligen Rundfunkaufrufen aufgefordert wurde, sich zu melden, sich nicht bereit erklärt, die Elisabeth, die sie ein ganzes Jahr nicht mehr gesungen hatte, eine halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung zu übernehmen? Gründe, nicht einzuspringen hätte sie genug gehabt, denn wie haben die Herren, die nun – um das Zustandekommen des Abends bangend – so emsig nach ihr suchten, dieses Ehrenmitglied der Oper behandelt? Als Notnagel, als dritte Garnitur oder überhaupt nicht vorhanden! Aber Hilde Konetzni hatte das alles in dem Augenblick vergessen, als sie sah, daß sie gebraucht wurde und sie tat mit Selbstverständlichkeit das, was seit eh und je ihr Leitsatz war: immer und selbst unter den widrigsten Umständen für die Wiener Oper einfach da zu sein. Im Generalsekretariat zählt dies wohl nicht viel und man sollte sich in diesem hohen Generalsekretariat seinerseits nicht wundern, daß man beim Stammpublikum nicht zählt. Wir freuten uns, die große und doch so innigen Ausdruckes fähige Stimme Hilde Konetznis nach langer Zeit wieder einmal hören zu dürfen, da wir noch immer auf stimmliche und künstlerische Qualitäten mehr Wert legen als auf das gute Aussehen einiger männlicher Solisten, über deren Leistung man besser den Mantel des Schweigens breitet. Lichtblicke des Abends waren einzig und allein Paul Schöfflers Philipp mit imponierender Gestaltungskraft, bei stimmlicher Zurückhaltung, sowie Christa Ludwigs (Eboli) hohe Musikalität.

FIDELIO am 21. Oktober

Endlich hörten wir wieder eine Aufführung, mit der man zufrieden sein konnte. Unter der souveränen Leitung von Josef Krips stand ein gutes Ensemble zur Verfügung. Giuseppe Zampieri dokumentierte, daß seine Stimmittel auch für den Florestan ausreichen. Seine Arie brachte alle nötigen Steigerungen und auch noch im Finale entwickelte er beachtliche Durchschlagskraft. Auch seine Aussprache hat sich wesentlich verbessert. Inge Borkh bot als Leonore eine schöne Leistung, konnte aber nicht so gefallen wie als Elektra oder Turandot. Sie sollte auch, ebenso wie der in der Partie des Rocco recht gute Josef Greindl, in den Dialogen das Outrieren sein lassen. Paul Schöffler hatte heuer in Salzburg das Urteil widerlegt, daß der Pizarro zu seinen schwächeren Partien zähle. In Wien hat er diesen Beweis noch nicht wiederholt. Sena Jurinac war eine etwas zu dramatische Marzelline, da sie aber eine ausgezeichnete Gesangsleistung bot, kann die Art der Belebung der ansonsten ohnedies ziemlich blutleeren Partie ruhig akzeptiert werden. Bei Walter Berry (Don Fernando) und Waldemar Kmentt (Jacquino) waren die restlichen Partien in guten Händen.

MADAMA BUTTERFLY am 22. Oktober

War diesmal nicht ganz so glanzvoll, wie die vorhergehenden Reprisen, und wurde in letzter Minute statt eines angekündigten Ballettabends gespielt. Berislav Klobucar ließ an diesem Abend dem Orchester zuviel Forte-Freiheiten, doch auch die gewaltigen Orchesterwogen konnten Sena Jurinac nichts anhaben. Giuseppe Zampieri und Rolando Panerai, durch das viele Einspringen in den letzten Wochen überbeansprucht (fast täglich konnte man ihre Namen auf den Programmzetteln lesen) schienen ermüdet und der deutsch singende August Jaresch als Goro, konnte den erkrankten Renato Ercolani nur unzureichend ersetzen.

FIDELIO am 23. Oktober

Josef Krips sorgte für einen schönen Abend. Vom Orchester her war alles exakt und auf der Bühne wurden gute Durchschnittsleistungen geboten. Giuseppe Zampieri war prächtig disponiert und konnte als Florestan überzeugen.

DON CARLOS am 24. Oktober

Schon lange nicht haben wir – besonders bei einer italienischen Oper – ein so schlecht besuchtes und sichtlich gelangweiltes Haus gesehen. Die beste Leistung der Aufführung bot diesmal Hilde Konetzni, und es ist nur zu hoffen, daß dieses zweimalige Einspringen ihr endlich mit Partien vergolten wird, die ihr heute wesentlich besser liegen und ihr längst wiederholt versprochen wurden (Marschallin, Tannhäuser-Elisabeth). Auch bei Walküre würde man besser nicht nach München schicken um Maud Cunitz zum Einspringen zu holen, sondern sich ebenso eifrig wie bei den Don Carlos-Abenden an Hilde Konetzni erinnern, zumal die Sieglinde zu ihren besten Partien gehört. Paul Schöffler hatte einen ungewohnt schwachen Abend (er sang zum vierten Male in dieser Woche und hatte noch die Premiere vor sich) und Christa Ludwig war als Eboli auch schon in besserer stimmlicher Verfassung zu hören. Theo Baylé, Ivo Zidek und Berislav Klobucar konnten nichts dazu beitragen, das traurige Niveau dieser Aufführung zu heben!

DON GIOVANNI am 25. Oktober

Der zweite Mozartabend dieser Saison in der Staatsoper brachte statt des erwarteten Debüts Eberhard Wächters in der Titelrolle, Alfred Poell als spanischen Frauenbetörer, den er knapp durch Erscheinung und Spiel, stimmlich jedoch nicht überzeugend gestalten konnte. Die gesangliche Leistung blieb streckenweise beeinträchtigt, gut gerieten die Rezitative, das Champagnerlied und die Höllenfahrt. Mit der Gastsängerin aus Graz, Elsa Matheis, hörten wir nach längerer Zeit wieder eine Donna Anna, der dank ihrer angenehm timbrierten Stimme und sicheren Höhe auch die Koloraturen der zweiten Arie recht zufriedenstellend gelangen. Sena Jurinac sang und spielte – wie immer – eine ausgezeichnete Donna Elvira. Emmy Loose war eine anmutige Zerlina. Julius Patzak behauptete sich in der ihm längst nicht mehr liegenden Partie des Don Ottavio wider Erwarten sehr gut und bewies, daß man mit Stimmtechnik, Seele und Kultur mehr erreichen kann als mit bloßem „Stimmkanonen-Einsatz“. Erich Kunz erheiterte als Leporello, gesanglich hatte er leider nicht viel zu geben. Frederick Guthrie (Komtur) – gibt es eigentlich keinen unter unseren Regisseuren, der dem jungen Sänger einmal die Kunst bühnenechten Sterbens beibringen könnte? – und Harald Pröglhöf (Masetto) vervollständigten die Besetzung. Rudolf Moralt gab der Vorstellung stilvolles Gefüge und ordnete das Orchester bedingungslos den Sängern unter.

 

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN am 26. und 27. Oktober, Doppelpremiere

Der Repertoire-Erfolg des Theaters an der Wien, unentbehrlicher Grundpfeiler unseres Opernspielplans, Zugstück, Oper für die „breite Masse“ - es scheint also gerechtfertigt, daß uns auch im neuen Haus wieder etwas von Hoffmann erzählt wird.

Langsam beginnt man, den Staatsoperninszenierungen des Burgtheaterdirektors Adolf Rott mit Befürchtungen entgegenzusehen. Diesmal dokumentiert seine Inszenierung, daß er letzten Endes der Opernbühne fremd gegenübersteht, weil ihm das musikalische Empfindung fehlt. Seine Regie ist der romantischen Skurrilität E.T.A. Hoffmanns außerdem diametral entgegengesetzt. Ein mit Grottenbahnzauber gestalteten Antonia-Akt, ein manierierten Olympia-Akt, ein kitschigen Giulietta-Akt, sie umgeben Vor- und Nachspiel mit einem Rahmen, der durch das Auftreten von Hoffmanns Muse ungebührlich verlängert wird. (Dieser grüngelockten Gestalt werden Verse in den Mund gelegt, die im Stil von Prologen für bunte Abende bei Gesangs- und Sparvereinen gehalten werden, nicht zu vergessen die mit dem Holzhammer eingebläute Moral von der Geschichte. Auf der typischen Rott’schen Drehbühne, die mit häßlichen Wendeltreppen, Aufzügen, Versenkungen und sonstigen Maschinerien gespickt war, wurden die Sänger herum-, hinauf- und hinuntergejagt. Daß der Chor auf der in Bewegung befindlichen Drehbühne mit dem Rücken zum Dirigenten hinaufmarschierte, konnte man hören, ohne es sehen zu müssen. Sogar der Markusplatz drehte sich fröhlich um Giuliettas Gondel. Besondere Geschmacklosigkeiten waren der aus dem Klavier auftauchende Dr. Mirakel und der mit einem roten Bahrtuch rotierende Leichnam am Markusplatz. Kam Herrn Rott nie der Gedanke, daß so viele „Einfälle“ einen „Reinfall“ ergeben müssen und einer Oper nur schaden? Auf der Bühne (Robert Kautsky) wieder einmal das berühmte Dunkel, allerdings ist man ohnedies froh, wenig sehen zu müssen.

Leidtragender des Abends war zweifellos der Dirigent Antonino Votto, dem man die Arbeit wahrlich sauer machte. Es gibt Dirigenten, die sich langsame Tempi  leisten  können, Votto gehört zu ihnen. Wie viel mehr klugen Aufbau, blühenden Klang und breit strömende Melodie hört man hier als bei Kapellmeistern, die Steigern mit Hetzen und Dramatik mit Lautstärke verwechseln.

Die Sänger des ersten Abends schienen größtenteils nicht in bester Verfassung gewesen zu sein. Anton Dermota in der Titelpartie steigerte nach etwas unsicherem Beginn seine Leistung bis zu erlesenem Wohlklang des Stimmlichen im Giulietta-Akt. Paul Schöffler gestaltete die Bösewichtpartien mit der ihm eigenen souveräne Meisterschaft zu eindringlichen Charakterstudien. Ira Malaniuk war eine sehr dramatische und temperamentvolle Kurtisane. Therese Stich-Randall mit ihren steifen, schrillen Spitzentönen eine farblos-monotone, völlig uninteressante Antonia. Mimi Coertse war an beiden Abenden eine mollige Puppe mit geläufiger, aber niemals brillanter Koloratur und einem allzu deutlichen Hang zum Flachsingen. Christa Ludwig sang und spielte ihren Niklaus mit Schwung und burschikosem Charme. Elisabeth Höngen, Peter Klein, Erich Kunz, Ludwig Weber und Alfred Jerger vervollständigten die Besetzung der kleineren Partien.

Von der zweiten Aufführung  – sie war der musikalisch wesentlich besser gelungene Abend – nahm man den größten Eindruck von Walter Berrys wohlklingender und starker Stimme mit. Da er auch darstellerisch Vortreffliches leistete, konnte er in diesen Partien einen ehrlichen und starken Erfolg erringen. Mit Wilma Lipps innig und schön gesungener Antonia und dem klangvollen Mezzo von Hilde Rössel-Majdan vereinigte er sich in einem Terzett, das wir in unserer umfangreichen Hoffmann-Sammlung noch selten so gut gesungen und so dramatisch gesteigert gehört haben. Gerda Scheyrer fiel trotz ihres rauschenden Kostüms als Giulietta kaum auf. Dagmar Hermann war ein sehr unvollkommener Ersatz für Christa Ludwig. Das Ärgste daran bildete der mit gurgelndem Zäpfchen-R heruntergeratschte Prolog. Was Ivo Zidek für die Staatsoper überhaupt tragbar macht, ist sein Fleiß und sein offenbar konzentriertes Arbeiten. Trotzdem fragen wir uns: wie kam er zu dieser Premiere, die doch Waldemar Kmentt zugedacht war? Frederick Guthrie, der einen stimmlich sehr schön gesungenen darstellerisch aber vollkommen unbeholfenen Crespel gab und Laszlo Szemere als schlauer Spalanzani waren neu im Ensemble, das wohl jetzt von Aufführung zu Aufführung wechseln und abfallen wird. Wie wird die „Inszenierung“ das wohl aushalten?

 

MADAMA BUTTERFLY am 28. Oktober

Wurde mit geringen Ausnahmen wieder in der Premierenbesetzung gespielt. Man kann keine dieser Reprisen erwähnen, ohne den Namen Sena Jurinac zu nennen. Das Wort faszinierend ist arm für die Art, wie sie ihre Cho-Cho-San, über alle billigen Mätzchen und Effekthaschereien erhaben, auf die Bühne stellt. Von allem Technischen und allen Äußerlichkeiten gelöst, ersteht und vergeht vor uns ein Mensch: Madama Butterfly. Gesanglich und darstellerisch sehr gute Leistungen von Giuseppe Zampieri, Rolando Panerai, Hilde Rössel-Majdan sowie eine sichere Orchester- und Sängerführung durch Berislav Klobucar ergaben einen ungetrübten Gesamteindruck.

CARMEN am 29. Oktober

Diese Aufführung wurde in deutscher Sprache gesungen und anstelle von Catulli Carmina und Carmina Burana erst am Vortag angesetzt. Sie lebte in erste Linie von den Leistungen des Ehepaares Walter BerryChrista Ludwig; die anderen Hauptpersonen (Hans Hopf kämpfte mit der Höhe und Gerda Scheyrer liegt die Micaela offensichtlich nicht) fielen dagegen wesentlich ab. Heinrich Hollreiser, zum ersten Mal in der neuen Saison am Pult, konnte zufriedenstellenden Kontakt zwischen Bühne und Orchester aufrecht erhalten.

TRISTAN UND ISOLDE am 30. Oktober

war der einzige Wagner-Abend des Monats (immerhin ein Rekord). Anstelle des erkrankten Karl Liebl sang Rudolf Lustig den Tristan. Der erste Akt gelang ihm relativ gut, im zweiten Akt (Liebesnacht) schenkte er sich einiges, dem Publikum einen grausamen Schmiß (Kondition wie gehabt) und im dritten Akt verlor er völlig die Gewalt über seine Stimme und sang streckenweise „Näherungskurven“. Rudolf Lustig darf sich das ruhig leisten, jeder schließlich, wie er kann, ob aber unsere Oper sich das leisten darf, ist eine andere Frage. Aber der Chef ist in Japan und im Generalsekretariat schaltet und waltet man in altgewohnter Weise und im Bewußtsein, daß das „Pfeifen“ amtlich abgeschafft worden ist und daher nichts passieren könne! Martha Mödl war stimmlich in guter Verfassung und überzeugte wie immer durch ihre Gestaltungskraft. Von gewohnter Qualität waren die Brangäne Georgine Milinkovic’, der Kurwenal Karl Kamanns und der Marke Oskar Czerwenkas. Rudolf Moralt dirigierte sicher und schwungvoll und das Orchester hatte seinen guten Tag. Das alles wären Vorbedingungen für eine ordentliche Aufführung gewesen, wenn man einen Tenor hätte auftreiben können, der in der Lage ist, diese Partie zu bewältigen. Etwas wird wohl geschehen müssen, denn Wolfgang Windgassen wird kaum imstande sein, wie man auf gut wienerisch sagt „alles zusammenzureißen“.

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN am 31. Oktober

Hier war die Partie der Olympia mit Wilma Lipp besetzt, die nach ihrer prachtvollen Antonia auch mit ihren sauberen Koloraturen als Olympia glänzte.

 

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