DER FEBRUAR 1958

3. Jahrgang, Heft 3

 

Die ahnungsvollen Merker im Publikum haben schon am Ende des vergangenen Monats die bange Frage gestellt, ob der den guten Durchschnitt weit überragende Standard des Jänner in den folgenden Wochen auch gehalten werden könne. Im Laufe unseres Opern-Daseins zu Pessimisten geworden, haben wir mit diesen Zweifeln leider Recht behalten. Es gab nur sehr wenige wirklich „große“ Vorstellungen, aber auch nur eine ganz schlechte (ein Waterloo für Carl Orff), die man als unter dem Niveau deutscher Provinzbühnen stehend bezeichnen könnte. In Wien ist der merkwürdige Fall eingetreten, daß die Oper zwei Ensembles hat: ein wirkliches und ein so genanntes.

Die Mitglieder des wirklichen Ensembles sind anerkannte, berühmte und überall gefeierte Künstler, die bei uns dreißig oder vierzig Abende singen, während sie an anderen Bühnen kurze Gastspiele geben, die dort als Sensation gefeiert werden. Und die Mitglieder des sogenannten Ensembles ? An unserer Staatsoper gibt es eine Reihe von Mitgliedern, die entweder international überhaupt nicht konkurrenzfähig sind oder ihren „kargen Sold“ durch Gastspiele in Barcelona, Bordeaux, Triest oder Syrien aufbessern. Wenn wir uns auf solche Ensemblemitglieder verlassen, kommt ungefähr ein Durchschnitt heraus, wie er für den Februar charakteristisch war.

 

MADAMA BUTTERFLY am 1. Februar

Diese Aufführung war eine Improvisation, wie sie im Opernbetrieb heute und täglich vorkommen kann, auch wenn die Planung noch etwas gekonnter wäre als die unserer Administration. Frau Jurinac wurde von plötzlicher Heiserkeit befallen, und es hieß nun, einen Ersatz für Cho-Cho-San zu finden. In diesem Fall war das besonders schwierig, denn die Butterfly von Sena Jurinac ist eine absolute Weltklassen-Spitzenleistung. Wir zweifeln daran, ob es überhaupt derzeit eine ähnlich gute Besetzung dieser Partie gibt. Wenn ja,  nur vom Stimmlichen her, niemals in der Gesamtkonzeption. Wir haben in unserem Star-Ensemble dafür noch Lisa Della Casa, leider derzeit „fern von hier“. Irmgard Seefried, die 1945 in dieser Rolle an der Volksoper einen sensationellen Erfolg hatte, dürfte sie seither kaum mehr gesungen und ziemlich vergessen  haben. So blieb es der couragierten Gerda Scheyrer vorbehalten, die undankbare Aufgabe zu übernehmen. In einem italienisch singenden Ensemble gab es also eine deutschsprachige Hauptdarstellerin, die noch dazu die Rolle zum ersten Mal sang. Mancher Dirigent hätte eine Absage damit entschuldigt, daß es sein Verantwortungsbewußtsein nicht zulasse, ohne Orchesterprobe eine Aufführung zu leiten .... usw. Herbert von Karajan war verantwortungsbewußt genug, Frau Scheyrer mit fast väterlicher Behutsamkeit über die Klippen der Puccini-Oper zu leiten und ihr zuliebe leise seufzend manchen hinreißenden Orchesterausbruch zu dämpfen und manche große Steigerung im Entstehen wieder abzubrechen. Ihrer Stimme fehlen die dramatischen Akzente völlig, sie war ein sehr kleiner, wienerischer Schmetterling, doch einer mit Geschmack, Musikalität und Einfühlungsvermögen. Daß sie die Rolle nicht so gestalten kann, wie es notwendig wäre, war vorauszusehen, was aber ihre tapfere Leistung nicht beeinträchtigen kann.

Giuseppe Zampieri sang seinen bisher besten Pinkerton, sein Stimmtimbre ist edel, seine Phrasierung ausgezeichnet und die Zeichnung der Figur bleibt immer geschmackvoll. Enzo Sordello zeigte Material von männlicher Klangfarbe und routinierte Eleganz auf der Bühne. Mehr kann man über einen Sharpless nicht sagen. Enzo Guagni bewies als Goro, daß Renato Ercolani unter den italienischen Buffos eine ebensolche Ausnahmeerscheinung ist, wie Murray Dickie bei uns. Hilde Rössel-Majdan sang eine vorbildlich dezente Suzuki.

Es liegt nahe, zwischen Karajan und Mitropoulos zu vergleichen. Der augenfälligste Unterschied besteht darin, daß Mitropoulos die Sänger als Instrumente betrachtet, die er unbarmherzig seinem Konzept unterordnet (wenn sie es aushalten, ist es gut!). Karajan hingegen vergißt nie, daß Menschen auf der Bühne stehen, was in mehr als einer Hinsicht vorteilhaft ist (wer es nicht glaubt, frage beteiligte Sänger). So kam es zu einer gefühlsbetonten, auf Effekte verzichtende Interpretation durch Herbert von Karajan und die Philharmoniker, die völlig zu Recht im Mittelpunkt des Interesses standen.

DIE ZAUBERFLÖTE am 2. Februar

gab einem Times-Korrespondenten den Anlaß, seine Besorgnis über das Niveau der Wiener Staatsopern-Abende auszusprechen. Wir danken herzlichst und sind überzeugt, bei angelsächsischen Zauberflöten wesentlich mehr Material zu negative Kritik zu finden. Den Wiener Philharmonikern scheint die neue Aufführung noch Spaß zu bereiten und die ausgezeichnete Einstudierung von Josef Krips kam auch Berislav Klobucar zugute, der zwar nicht das Feingefühl seines Vorgängers besitzt, aber eine zufriedenstellende Leistung bot. Die beiden Premierenbesetzungen hatte man vermischt und so stand die bedeutend sanfter spielende Irmgard Seefried mit Rudolf Schock und Walter Berry auf der Bühne, die wie Erika Köth und Gottlob Frick ihr Premierenniveau teils erreichten, teils sogar noch überboten. So kam zur Freude von Jung und Alt (die Jugend überwog) ein Mozartabend zustande, der sich dem Institute wahrlich würdig erwies.

DON CARLOS am 3. Februar

Zwei Gäste von der Rheinoper Düsseldorf standen auf der Bühne der Wiener Staatsoper. Der hier bereits bekannte ausgezeichnete Bassist Walter Kreppel hinterließ als Philipp den wesentlich größeren Eindruck. Philip Curzon kann man nach dem Großinquisitor kaum beurteilen. Man müßte ihn schon in einer anderen Partie hören. Rudolf Schock und Eberhard Wächter überzeugten in Aussehen und Spiel. Eberhard Wächter war außerdem auch stimmlich vollkommen, während Gerda Scheyrer und Ira Malaniuk gut aussahen und ihre schönen Stimmen hören ließen. Gerda Scheyrer weiß mit der Elisabeth wenig anzufangen, während die vorzüglich spielende Ira Malaniuk in den höheren Lagen mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Berislav Klobucar stand am Pult.

DIE ZAUBERFLÖTE am 4. Februar

Dieses Werk ist eine dringend benötigte Repertoirestütze geworden. Es gibt für die Hauptrollen genügend Umbesetzungen, wobei zum Teil junge Sänger sehr beachtliche Leistungen bieten, wie Waldemar Kmentt, der ein ausgezeichneter Tamino ist, oder Frederick Guthrie, der für den Sarastro großes Stilgefühl und eine ideale Erscheinung mitbringt, dessen Stimmtimbre in letzter Zeit aber immer baritonaler wird und dem auch markige, satte, profunde Tiefe fehlt. Mimi Coertse wird sicherlich kein langes Koloratursopran-Dasein mehr beschieden sein. Sie ist bereits ein typischer hoher Sopran und die Koloratur ist nicht mehr geläufig. Liselotte Maikl ist eine nette Papagena ohne das Temperament ihrer Vorgängerin Annelies Rothenberger zu erreichen und die zweiten Besetzungen im Damentrio sind nicht nur chronologisch „Zweite“. Irmgard Seefried sang wieder als Pamina, Erika Köths Premierenfieber hat sich gelegt. Sie singt nun ihre Arien bravourös und sicher. Walter Berry ist als Papageno bereits ein Publikumsliebling erster Klasse. Man geht zufrieden aus den diversen Zauberflöten nach Hause. Die Vorstellung sitzt und hat Qualität. Hätten wir nur mehr solcher Repertoire-Aufführungen!

DIE WALKÜRE am 5. Februar

SIEGFRIED am 7. Februar

Es gab also einen „halben“ Ring; wir hoffen sehr auf eine Vervollständigung in absehbarer Zeit.

Das Wagner-Ensemble, das – wenn auch leider immer nur kurzfristig – unserer Oper zur Verfügung steht, ist eine Gruppe von Sänger-Darstellern, die ihre hohe, zeitgemäße Auffassung vom Musikdrama, ausgehend vom Mittelpunkt Bayreuth, über die ganze Welt getragen haben. Das hat für uns den Nachteil, daß wir es mit vielen anderen Opernhäusern teilen müssen, bietet dafür aber Gewähr für eine von jeder flauen Mittelmäßigkeit freie Leistung.

Da ist zunächst Birgit Nilsson, die im zweiten Akt Walküre vielleicht etwas zu kalt ist, aber im dritten Akt und erst recht im Siegfried eine herrliche, strahlende Stimme mit atemberaubender Sicherheit einsetzt und die zudem optisch als ideale Verkörperung der Brünnhilde gelten kann. Da ist Wolfgang Windgassen, der nach einem stimmlich nicht ganz überzeugenden Siegmund einen sehr guten Siegfried sang – absolut gesehen, nicht bloß relativ – vor allem und überraschender Weise auch im ersten Akt, nicht nur im zweiten, der ihm besonders  liegt. Aase Nordmo-Loevberg als Sieglinde gehört allerdings nicht zu unserer Modellbesetzung. Mit einer gewissen Farblosigkeit in Spiel und Stimme wegen, kam sie über ein gutes Mittelmaß kaum hinaus. Da war Ira Malaniuk, die eine stimmlich erfreulich ausgeglichene Leistung bot und Frickas Triumph über den resignierenden Göttervater treffend zu charakterisieren. Gottlob Frick, der als Hunding hörbar indisponiert war, setzte als Fafner seine Stimme richtig und gewichtig ein. Da war Peter Klein, dessen außerordentliche darstellerische und stimmliche Leistung als Mime – war er doch die Sensation der Neuinszenierung – streckenweise die Szene beherrscht. Ferner Gustav Neidlinger, dem der Alberich liegt, als sei er für ihn geschrieben, Hilde Rössel-Majdan, die der Erda, und Wilma Lipp, die dem Waldvogel völlig gerecht werden. Da war ein leider höchst unausgeglichenes Oktett von Walküren – ihre Unterstützung hinter der Szene mit eingeschlossen –, Frauenstimmen von blühender Vollkraft und intelligentem Einsatz bis zum völligen Verfall und unüberhörbarem Mißklang. Und da war Hans Hotter, der Wotan-Wanderer, wie er sich selbst erwuchs in hoher Künstlerschaft; der das Menschliche in diesem verzweifelten Gott offenbart, der die Bühne mit sanfter und harter Hand beherrscht wie keiner und der zudem in beiden Aufführungen in herrlicher stimmlicher Verfassung war.

Schließlich aber war da Herbert von Karajan, der in der Walküre erstem Akt mit seiner Auffassung, in beiden ersten Akten mit einem mäßig disponierten Orchester zu kämpfen hatte (es zeigte sich, daß er, was die Zeichengebung anlangt, die seit der Einstudierung verflossene Zeit berücksichtigen sollte), der aber im dritten Akt Walküre und im ganzen Siegfried eine geballte Kraft ausströmte, die alle mitriß, und von dem man erwarten darf, daß er in Bälde einen ganzen „Ring“ von der gleichen Qualität aufbauen wird.

DIE ZAUBERFLÖTE am 6. Februar

An diesem Abend sang Wilma Lipp wieder eine sehr gute Pamina. Ansonsten glich die Aufführung der vom 4. Februar.

SIEGFRIED am 7. Februar

unter Herbert von Karajan wurde mit der Walküre am 5. Februar als „halber Ring“ besprochen.

CATULLI CARMINA und CARMINA BURANA am 8. Februar

Man gab an diesem Abend die verbliebenen zwei Drittel der Trionfi, kopflos und verstümmelt, ohne die abschließende Aphrodite auch vom Werk her der großen umspannenden Linie beraubt, die sie vom Bild her leider nie hatten, und die zur traurigen Gewißheit werden ließen, daß man den tristen Rest nicht wird halten können. Das Hauptgewicht in den drei Stücken liegt auf dem Chor – und der war ungenügend studiert. Er vermag sich nun im Catull, wo man offiziell, und in den Carmina burana, wo man zum Teil verschämt die Noten in der Hand hält, nur mehr mit Mühe vor dem völligen Untergang zu retten, und man geht kaum fehl in der Annahme, daß der dritte Teil nur des Chores wegen nicht mehr aufgeführt wird. Von einem dem Werk gerecht werdenden Ensemble von Sängern war nie die Rede. Vollkommen entspricht nur Wilma Lipp, gut sind Mimi Coertse und Murray Dickie, der Rest kämpft entweder erfolglos mit dem Dirigenten oder mit seiner Stimme. Der einzige Trost – wie lange wird man sich darauf wohl noch verlassen? – ist das Ballett und seine Unangreifbarkeit gegenüber aller Unzulänglichkeiten ringsum. Seine Einsatzfreudigkeit ist, gepaart mit Können, von der Primaballerina bis zu den Tänzern des corps de Ballet gleich erfreulich. Schauerlich war die Unsicherheit des Orchesters. Als besonders krasser Fall sei ein viermal en suite verhauter und heiserer Trompeteneinsatz erwähnt. Und auf wessen Konto geht das alles? Das meiste jedenfalls auf das Konto jenes Mannes, der das Werk einstudierte und der es auch diesmal zu leiten vorgab. Wir wollen ihm gerne zubilligen, daß man mit einem derart unvorbereiteten Ensemble und einem schlecht besetzten oder vielleicht auch stimmungsmäßig bedingt, unlustigen Orchester keine Wunder vollbringen kann. Aber schon das, was er bei der Neueinstudierung hervorbrachte, war unzulänglich genug. Es hat inzwischen nur den folgerichtigen Weg genommen. Man wundert sich nur, wo er den Mut – schärfere Worte liegen einem auf der Zunge – und die Verantwortungslosigkeit gegenüber einem bedeutenden Werk hernimmt, solche Schmach auch noch vor dem Publikum zu demonstrieren. Wenn sich das Publikum dies gefallen ließ, so hat das seine Ursache darin, daß die Leute, die das Werk kennen, es sich nicht mehr anhören. Sollten einige Unbelehrbare es nicht lassen können, so erkennen sie es nicht wieder. Es besteht keine Hoffnung mehr in diesem Hause für Carl Orffs Werk, es sei denn, man ließe es ehestens von einem anderen, berufeneren Manne als Heinrich Hollreiser von Grund auf neu einstudieren.

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN am 9. Februar

Erwiesen sich wie auch sonst immer als Kassenschlager. Da das Stück sowieso zieht, gab man sich mit der Besetzung sehr wenig Mühe. Edmond Hurshell tauchte wieder einmal (wie bei Herbert von Karajans Abwesenheit von Wien üblich) in einer tragenden Rolle an der Oper auf. Man vergönnt’s ihm ja – der arme Mensch kann sowieso kaum seine Abende absingen – aber ob sein Einsatz dem Ruf der Wiener Staatsoper sehr zuträglich ist, bleibt eine andere Frage. Auch an diesem Abend gerieten wir in Versuchung, nach der Diamantenarie, deren Schluß er mit einem unwahrscheinlich häßlichen, undefinierbaren Ton krönte, fluchtartig die heiligen Hallen zu verlassen. Allein die Pflicht bewahrte uns vor solcher Tat und ließ uns ausharren – bis zum „un-happy-end“! Das Stammpublikum meidet das Haus, wenn Edmond Hurshell in einer Hauptrolle auf dem Programm steht. Aber auch von den Sonntagsbesuchern konnte man in den Pausen wenig Schmeichelhaftes über ihn hören. Erika Köth als Olympia war ein Anlaß zur Freude. Die Partie ist ihr zu leicht und so legte sie sich Extrakoloraturen ein, die sie mit solcher Brillanz vortrug, daß das Publikum in Ekstase geriet. Stimmlich überfordert schien Waldemar Kmentt zu sein, denn seine Stimme klang nicht so rein, wie wir es von ihm gewöhnt sind. Nasja Berowska-Heger gelang es, den guten Eindruck, den sie vor einigen Wochen hinterließ zu verwischen. Sie war mit falschen Tönen sehr freigebig und ein piano schien nicht auf ihrer Skala zu stehen. Gewohnt gut sangen Ira Malaniuk, Peter Klein und Frederick Guthrie. Michael Gielen dirigierte sehr rasch. Wir wollen aber in Anbetracht der Umstände gar nicht sagen, daß dies ein Fehler sei.

DIE ZAUBERFLÖTE am 10. Februar

Besprechung wie am 4. Februar.

MADAMA BUTTERFLY am 11. Februar

So wichtig ist der Opernball nun auch wieder nicht, daß er den normalen Opernbetrieb beeinträchtigt, was er seit der Eröffnung des Neuen Hauses alljährlich mit Konsequenz tut. Speziell das Orchester war mit den Gedanken weitab, denn nur so kann man sich den Unterschied zwischen der letzten Aufführung dieses Werkes und dieser Vorstellung erklären. Berislav Klobucar war überdies nicht in der Form seines Lebens und seine Schüttelfröste mit geballter Faust à la Dimitri Mitropoulos hinterließen nicht den gewünschten Eindruck, zumal er manchmal Lautstärkengrade entwickelte, die bei einer Elektra wohl besser am Platz gewesen wären. Leonora Lafayette, hierorts (Aida) nicht mehr ganz unbekannt, konnte man das erste Liebeserleben der Butterfly schwer glauben. Giuseppe Zampieri als Pinkerton wurde von seiner Partnerin nicht nur in der Darstellung sondern auch in der Gesangsleistung stark gehemmt. Die Mittellage der Stimme von Leonora Lafayette genügte überdies nur bescheidenen Ansprüchen, das größte Plus war die Beherrschung der italienischen Sprache. Italienisch sang auch Hans Braun. Mit Ausnahme von Margareta Sjöstedt waren die Träger der kleinen Rollen schlechter als die schlechtesten italienischen Importe.

OPERNBALL 12. und 13. Februar

MADAMA BUTTERFLY am 14. Februar

Besprechung wie am 11. Februar.

FIDELIO am 15. Februar

In dieser Aufführung konnte man sich davon überzeugen, wie wenig man sich auf die ausländische Presse verlassen kann. Aase Nordmo-Loevberg haben wir  ja in der vergangenen Saison schon gehört und recht vielversprechend gefunden. Jetzt wurde sie im „Opera“ als Sensation gepriesen, mit Kirsten Flagstadt und Birgit Nilsson verglichen usw. „De gustibus non est disputandum“, aber hier scheint’s uns, daß wir Wiener von einer Leonore mehr verlangen, als das im „Opera“ üblich zu sein scheint. Die Künstlerin enttäuschte nicht so sehr stimmlich, wo wir nur die übergroße Vorsicht, ja Zaghaftigkeit in den höheren Registern erwähnen wollen. Allerdings konnten wir auch keine Weiterentwicklung feststellen. Man konnte aber beim besten Willen kein geistiges Konzept in ihrer Rollengestaltung erkennen. Sie stand meist mit hängenden Armen auf der Bühne herum, glich einem verkleideten Mädchen, das gar nicht weiß, warum sie das unternommen hat, was sie tut und war keines dramatischen Ausbruchs, der für die Leonore eben nötig ist, fähig. Anton Dermota verausgabte sich bei der Arie, sodaß er die Partie nicht durchhielt. Die dominierende Erscheinung auf der Bühne war, wie schon oft, Hans Hotters Pizarro. Irmgard Seefried, Kurt Böhme, Peter Klein und Alfred Poell boten zufriedenstellende Leistungen, was man vom Orchester und Rudolf Moralt nicht behaupten konnte. Sie versahen ihren Dienst in einer Repertoirevorstellung. Das könnte aber auch anders klingen!

 

DER REVISOR am 16. Februar, Premiere im Redoutensaal

Als Vorschuß auf den für die diesjährigen Festwochen versprochenen Zyklus moderner Opern gab es Werner Egks Revisor. Werner Egk hat als Libretto Nikolai Gogols Erfolgsstück genommen, das er selbst zu einem Operntext überarbeitete. Er läßt die ursprünglichen fünf Akte nur als Gerüst bestehen, reduziert die Personen der Handlung von 26 auf 13 und verzichtet auf alle nicht die Handlung vorwärts treibenden Einzelheiten. Dadurch gewinnen auch die Gestalten des Stückes an Schärfe der Charakterisierung, werden unkomplizierter. Die behagliche Breite des russischen Bühnenwerkes weicht einer amüsanten, wenn auch einfachen und nur noch komödienhaften Handlung. Werner Egks gekonnte und komplizierte Orchestrierung, die streckenweise den Rahmen einer Kammeroper fast sprengt (es können aber auch die akustischen Gegebenheiten des Redoutensaales daran Schuld tragen) fehlt es aber leider an wirklicher musikalischer Substanz. Der Orchesterpart ist manchmal flach und ohne Spritzigkeit gearbeitet. Andere Stellen gelangen wieder ausgezeichnet: besonders die als Ballett gedachte Traumszene, die das Unwirkliche einzigartig aus dem Orchester hervorzaubert, ferner die als Parodie einer französischen Arie witzig erdachten Liebeserklärungen Chlestakows, der Einfachheit halber mit derselben Melodie an Mutter und Tochter, das Ensemble mit Vorsänger: „Saubere Hände, saubere Nachtmützen, lateinische Inschriften über den Betten…“, in der typischen Manier russischer Musik oder Hilde Rössel-Majdans „Chanson fadesse“ („Kein Hund, keine Katze, kein Mensch, kein gar nichts…“), solange wiederholt, bis das Publikum unruhig wird. Der Komponist mochte das Mißgeschick erfahren haben, sein Werk im Redoutensaal aufgeführt zu sehen, hatte aber das Glück einen Regisseur wie Günther Rennert auch in Wien für seinen Revisor zu bekommen. Auch Günther Rennert hätte lieber das Theater an der Wien gehabt. Er ließ den Redoutensaal sehr geschickt mitspielen, und es gelangen ihm großartige Gruppierungen und deren schwungvolle Auflösung auch auf der Liliputbühne des Saales (wobei die Bühnentiefe aus akustischen Gründen in keiner Weise ausgenützt werden kann). Der Regisseur formte aus den Sängern ein Ensemble. Jeder einzelne stellte eine profilierte Type auf die Parketten, und die Pointen saßen sicher bis zur witzigen Verbeugungstour. Unterstützt wurde Günther Rennert, der Vielseitige, Humorvolle, Sarkastische, Musikalische durch Stefan Hlawas transparentes Bühnenbild und die Kostüme Erni Knieperts, die genial-geschmacklos, die parodistische Wirkung ins Prinzipielle überhöhten. Gerhard Stolze, den wir auch gerne als David, Mime oder Pedrillo hören wollten, verkörperte die Titelrolle mit einer schönen Stimme von erstaunlichem Volumen, mit vorzüglicher Technik, flotter Beweglichkeit und perfekter Beherrschung der Partie des Gelegenheitshochstaplers. Als betrogenes Haupt der Stadtgemeinde sei Oskar Czerwenka noch hervorgehoben, der seine Partie mit Bravour sang und spielte, sowie die köstliche Hilde Rössel-Majdan und die tiefen Töne von Ljubomir Pantscheff. Die übrigen Ensemblemitglieder (Emmy Loose, Endre Koréh, Laszlo Szemere, Hans Braun, Alfred Jerger, August Jaresch, William Wernigk) befanden sich in prächtigster Spiellaune (auf Belcanto kam’s diesmal ja nicht an). Einen groben Fauxpas stellte jedoch die Besetzung zweier Rollen im Fach „komische Alte“ mit zwei so verdienten Staatsopernmitgliedern wie Hilde Konetzni und Ljuba Welitsch dar. Rudolf Kempe erwies sich auch diesmal als erstklassiger Dirigent. Er war mit Werner Egks Musik ebenso vertraut wie mit der Wolfgang Amadeus Mozarts, Ludwig van Beethovens, Richard Wagners, Giacomo Puccinis und Richard Strauss’ im großen Haus.

 

BALLETTABEND am 16. Februar in der Staatsoper

FIDELIO am 17. Februar

In dieser Vorstellung war nach längerer Zeit wieder Leonie Rysanek zu hören, die die Partie musikalisch hervorragend sicher gestaltete und schön sang, wenn man auch den Eindruck hatte, sie „mache“ schauspielerisch etwas zu viel. Hans Hotters Pizarro, eine vollendete Leistung, interessiert jedes Mal aufs Neue durch seine den Gegebenheiten des Augenblicks entspringenden, fesselnden Züge der Charakterisierung. Anton Dermota kann es leider nicht lassen, die Partie des Florestan mit Gewalt singen zu wollen. Warum? Kurt Böhme war nicht gut bei Stimme und Teresa Stich-Randall ist als Marzelline fehl am Platz. Murray Dickie und Josef Metternich (stimmlich diesmal verbessert) vervollständigten die Besetzung. Rudolf Moralt schien an der Aufführung ziemlich desinteressiert, er begann mit schleppenden Zeitmaßen, die er im zweiten Akt durch übermäßiges Forcieren auszugleichen suchte.

LA TRAVIATA am 18. Februar

In dieser Vorstellung gab es einige Neuheiten. In erster Linie sei der Dirigent des Abends, Glauco Curiel erwähnt, der hier eine beachtliche Talentprobe ablegte. Er zeigte Temperament, vernachlässigte aber keineswegs den sentimentalen Zug der Partitur und fand so die richtige Mischung für die Schilderung des Lebens der Violetta, das heutzutage nicht das mindeste Interesse mehr erwecken kann. Teresa Stich-Randall sang wie immer. Ihre in den unteren Lagen angenehm timbrierte Stimme weicht einer steifen und schrillen Höhe, was hier schon unzählige Male festgestellt wurde. Die Arie und die Duette mit Vater Germont und Alfred wurden dadurch unangenehm beeinflußt. Auch ihre keep-smiling-Auffassung der Partie, die nicht immer mit der Handlung im Einklang steht, ist bereits aus der Zeit des Theaters an der Wien her, bekannt. Teresa Stich-Randall ist eine ideale Sängerin für ein Ensemble, wie es Professor Max Graf gebildet sehen möchte: sie ist für die Met nicht gut genug, steht dauernd zur Verfügung und wirkt verläßlich und solide. Diese Negativa sind aber auch schon alle „guten“ Eigenschaften dieser Sängerin. Giuseppe Zampieri sang einen tadellosen Alfred, Eberhard Wächter war zum ersten Mal im großen Haus als Vater Germont zu hören. Er wurde mit der Partie spielend fertig und erfreute sehr durch sein würdevolles, aber immer vollkommen untheatralisch bleibendes Auftreten.

DER ROSENKAVALIER am 19. Februar

Dieses Werk gibt es jetzt am laufenden Band. Naturgemäß ist die Güte der Besetzungen stark unterschiedlich. Der größte Pluspunkt dieser Aufführung war Rudolf Kempe, dessen schon bekannte, charmant-spritzige Wiedergabe in erster Linie den guten Gesamteindruck des Abends sicherte. Die Bühne beherrschte Leonie Rysanek, deren Gestaltung der Marschallin seit ihrem Wiener Debüt in dieser Partie immer abgerundeter und vollendeter wird. Ira Malaniuk zeigte sich gegenüber ihrem ersten Auftreten als Oktavian in dieser Partie stark verbessert, obwohl ihre Stimme für diese Partie ein wenig zu schwer ist. Kurt Böhme zeigte sich als Meister der Outrage. Ein Sänger, in einer derzeit schlechten Verfassung wie er, sollte eher trachten, so wenig wie möglich aufzufallen. Karl Kamann und Anton Dermota konnten als Faninal und Sänger gefallen. Teresa Stich-Randall singt auf Platten eine ausgezeichnete Sophie, was nicht den geringsten Einfluß auf ihre Darstellung auf der Bühne hat, wo sie statt Naivität Affektiertheit zeigt. Auch stimmlich hält sie den Vergleich mit ihrer eigenen Aufnahme keineswegs aus. Wahrscheinlich deshalb, weil ein Sänger (der es nicht besser weiß) bei der Aufnahme Phrase für Phrase extra eingetrichtert bekommt, und das eben Erlernte außerdem gleich zu Wachs gebracht wird, sodaß keine Gefahr besteht, es in den nächsten zehn Minuten wieder vergessen zu haben. Und mit der Empfehlung „auf der Platte hervorragend“ wird man dann an allen verfügbaren Opernbühnen herumgereicht. „Grau teurer Freund ist alle Theorie“, und Teresa Stich-Randall keine Sophie für die Wiener Staatsoper. Für London und Monte Carlo mag sie allenfalls eine Sensation ersten Ranges sein.

TOSCA am 20. Februar

An diesem Abend hatten die Verfechter der These „Deutsche Sprache in der italienischen Oper“ ihren großen Tag. Wir würden sehr gerne erfahren, ob sie mit dem Gebotenen zufrieden waren, denn wir mußten feststellen, daß die deutschen Sänger versuchten, die Unarten der italienischen Opernauffassungen zu kopieren. Wir haben schon lange nicht so viele Schluchzer und gespielte Theatralik an einem Abend erlebt, ein Imitationsversuch, der von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Besonders bei Hilde Zadek in der Titelpartie, die zu den reservierten Typen gehört und bei der theatralische Ausbrüche mit groß angelegten Seufzern, die sie beim Gebet von sich gab, besonders deplaciert wirken. Rudolf Schock brachte mit seinem Aussehen und Spiel die Herzen der anwesenden Mädchenscharen in Aufruhr. Eine Anhängerschaft von derartiger Lästigkeit hat der intelligente und sympathische Sänger eigentlich gar nicht verdient, das ist der Lohn der Filmerei! („Schön ist die Welt“ mit Rudi in Lederhosen!). Liebhaber des Belcanto konnten überdies nicht überhören, daß seine Stimme auch für den Cavaradossi zu klein ist und er aus diesem Grunde zum Forcieren gezwungen ist, was seiner Gesangslinie nicht gut tut, abgesehen davon, daß es ihm auch auf diese Art nicht gelingt, das Material zu verstärken. Kaum dürfte „das ganze Rom“ vor dem Scarpia in der Person von Josef Metternich gezittert haben. Er war schon in guten Tagen kein guter Scarpia. Noch weniger ist er es heute, da die Stimme nur noch hohl und spröde klingt. Echt italienisches Temperament zeigte einzig und allein Rudolf Kempe am Pult, der aus dem veristischen Musikdrama die Leidenschaften herausholte, die man bei den Sängern vermißte.

TANNHÄUSER am 21. Februar

Auch in dieser Vorstellung imponierte Rudolf Kempe. Die anfangs uninteressierten Herren im Orchester hatte er binnen 20 Minuten so weit, daß sie mitgingen und konzentriert spielten. Rudolf Kempe gibt nie auf, mag er auch gegen das Vakuum anzukämpfen haben, das stets sichtbar wird, wenn Karl Liebl in der Titelrolle auf dem Papier prangt. Das Singen gelingt ihm schlecht, das Gestalten überhaupt nicht. Paradox ist es, daß er mit der Höhenlage des Tannhäuser im ersten Akt zu kämpfen hat, als hätte er eine schwere Heldenstimme. Sein falsettiertes „Mein Heil ruht in Maria“ ist bereits legendär, ebenso wie seine Schmisse bei „…Königin, Göttin laß mich zieh’n“ und erst die „Nachtigall, die mir der Lenz verkündet“. Unter diesen Umständen können bald Rudolf Schock oder Peter Klein die Titelpartie der Oper Tannhäuser kreieren – die beide besser falsettieren. Aase Nordmo-Loevbergs kühle Stimme eignet sich gut für die Elisabeth, Ira Malaniuk kann als Venus noch immer nicht überzeugen, Eberhard Wächter sang einen edlen, gefühlvollen Wolfram. Kurt Böhme bestätigte seine derzeitige Stimmkrise.

DON GIOVANNI am 22. Februar

Glauco Curiel leitete diese Vorstellung energisch, temperamentvoll und zum größten Teil exakt. Man müßte ihm aber doch nahe legen, beim Dirigieren einen Taktstock zu benützen, denn das Danebengehen einiger Einsätze im Orchester ist zweifellos auf das Unbewaffnetsein von Glauco Curiels Dirigentenhand zurückzuführen. Der Konzertdirigent in strahlendem Scheinwerferlicht kann sich stabloses Dirigieren noch eher erlauben, aber im halbdunklen Orchesterraum ist der Taktstock sicherlich besser erkennbar. Überdies ist unser Orchester das „Staberl“ gewöhnt und wird sich, wie wir es kennen, kaum all zu schnell umstellen. Der dramatischen Auffassung des Dirigenten entsprach Birgit Nilssons Donna Anna vollkommen, die ihre erste Arie und das Finale des ersten Aktes mit imponierendem Stimmvolumen sang, aber auch die heiklen lyrischen Passagen der Partie durch weise Zurückhaltung und souveräne Technik hervorragend meisterte. Gerda Scheyrer zählt zu den eifrigsten Opernbesucherinnen des Ensembles und davon profitierte ihre Elvira gegenüber ihrem Debüt in dieser Partie nicht unwesentlich. Sie hat von Elisabeth Schwarzkopf sowohl im musikalischen Aufbau als auch im Darstellerischen viel gelernt und so bewegte sie sich viel freier auf der Bühne. Wir finden solche Selbsthilfe sehr vernünftig, da man von großen Vorbildern bestimmt mehr lernen kann als von Korrepetitoren oder zweitklassigen Spielleitern. Gerda Scheyrers Elvira ist ihre derzeit beachtlichste Leistung an der Oper. Wilma Lipp gesellte die Zerlina (zum ersten Mal in Wien) ihren erfolgreichen Mozartpartien zu. Von bezauberndem Stimmklang und anmutig geformter Gesangslinie im Stimmlichen ist sie darstellerisch eine geglückte Mischung von verspielter Naivität und volkstümlicher „Reschheit“. Eberhard Wächter wird als Don Giovanni immer besser, seine Gestaltung immer persönlicher. Das Gleiche gilt auch für Walter Berrys Leporello und die Beifallsstürme nach der Champagner- und Registerarie bewiesen die Wertschätzung, derer sich beide Sänger beim Publikum erfreuen. Rudolf Schock hat den zahlenmäßig stärksten und lautesten Anhänger-Club, der nach der ersten (übrigens ausgezeichnet gesungenen) Ottavio-Arie vier Hervorrufe erzwang (die Kollegen brachten es bestenfalls auf drei). Die zweite Arie legte er einfach großartig hin (Anmerkung für Gourmets: die ganze lange Koloratur und Übergang sang er mit einem Atemzug, was sonst nur auf Benjamino Gigli- oder Peter Anders-Platten zu hören ist) und siehe da, er durfte sich nur dreimal verbeugen, was beweist, wie wenig Ahnung der Fan-Club von musikalischen Feinheiten hat. Erfreulich war diesmal wie immer, die durchdachte Formung der Rolle, die eigentlich dafür gar nichts hergibt. Ludwig Weber sprang erfolgreich ein und der vorgesehene Harald Pröglhöf sagte ebenfalls ab. Man erkannte staunend, daß unsere Oper nur zwei Masetti hat, von denen der zweite (Ljubomir Pantscheff) im Redoutensaal sang, so mußte man mit einem Gast, Helmut Ibler aus Graz, die Aufführung retten. Leider sang er in einer italienisch-sprachigen Aufführung deutsch und noch dazu auch eine andere, als die in Wien verwendete Fassung. Im übrigen zeigte sich der große, junge, mit ebensolcher Stimme ausgestattete Mann von der noblen Umgebung wenig beeindruckt und schmetterte frisch darauf los. Der Eindruck, den er hinterließ, war positiv.

TANNHÄUSER am 23. Februar

Diese Aufführung stand wieder unter der bewährten Leitung von Rudolf Kempe, und es war höchst erfreulich festzustellen, wie er einmal mehr einer mittelmäßig besetzten Vorstellung, die ohne ihn dieses Mittelmaß kaum überschritten hätte, Kraft und Leben gab. Höchst erfreulich war die nie erhoffte gute Verfassung der Hornisten hinter der Bühne (im ersten Akt) und die dementsprechend makellose Ausführung der heiklen Jagd. Weit weniger erfreulich waren einige Unregelmäßigkeiten vor der Bühne, seltsamerweise im Schlagzeug. Die Kastagnetten stotterten, und beim Einzug der Gäste fiel ein Triangelschlag unter den Tisch, den jeder, der den Tannhäuser nur einmal gehört hat, kennt. Der dafür zuständige Musiker muß geschlafen haben, anders ist die Sache nicht zu erklären. Von einem Kollegen auf den versäumten Einsatz aufmerksam gemacht, verlor er auch noch die Nerven und schlug einige Zeit ziemlich „frei“. Was die Ereignisse auf der Bühne betrifft, so mag man uns verzeihen, wenn wir uns auf die Besprechung der akustischen Vorgänge beschränken, denn der Anblick, der sich bietet, ist dermaßen unerträglich, daß man sich in einen Winkel verkriecht, um nicht in Gefahr zu kommen, leichtsinnig einen Blick auf die schrecklichen goldenen Wände zu werfen, oder gar auf die dazwischen befindlichen deprimierenden Farbzusammenstellungen. Aase Nordmo-Loevberg sang eine kultivierte und nur etwas kühle Elisabeth, rein stimmlich besser als nach allem bisher Gebotenen zu erwarten war. Elisabeth Höngen bestach wieder durch ihre äußerst konzentrierte Leistung in dramatischen Ausbrüchen. Daß Karl Liebl jede Eignung für den Tannhäuser – wie für alle ähnlichen Partien – vermissen läßt, wurde schon oft „besungen“. Diesmal kamen die Kickser, über die er sich sonst hinwegschwindelt, schon im ersten Akt, und der Gebrauch des Falsetts überschritt den langjährigen Durchschnitt. Hans Braun bot eine ‚brave’ Leistung als Wolfram. Nach einem schwächeren ersten Akt war er außer Anton Dermota der einzig ehrenvolle Überlebende im Sängerkrieg, und im dritten Akt zeigte er nur an den dramatischen Stellen einige Schwächen. Kurt Böhme war recht gut bei Stimme und machte vor allem an den Forte-Stellen Eindruck. In den Ensembles schonte er sich. Der Chor wirkte leider nicht allzu sicher, beängstigender Weise an Stellen, die man auch, ohne auf den Dirigenten zu sehen, meistern müßte.

DER ROSENKAVALIER am 24. Februar

In dieser Aufführung wurde Rudolf Kempe durch Heinrich Hollreiser ersetzt, der nach einem uninteressanten ersten Akt im Laufe des Abends dermaßen ins „Schleudern“ geriet, daß man den Eindruck hatte, er könne erst an den Aktschlüssen wieder bremsen. Von der vorausgegangenen Arbeit Rudolf Kempes war nach so kurzer Zeit gar nichts mehr zu merken. Herta Töpper sang mit klarer und heller Mezzostimme und konnte sowohl im Kostüm Oktavians als auch in den Kleidern Mariandls durch effektvolles und kultiviertes Spiel besten Eindruck hinterlassen. Hilde Zadek und Anneliese Rothenberger litten stark unter dem Fehlen jeglicher Unterstützung vom Dirigentenpult her.

TURANDOT am 25. Februar

Als Birgit Nilsson mit schwarzem Haar und hoheitsvoller Erscheinung die Bühne betrat, wurde eine einfache Repertoirevorstellung zum Ereignis. Sie ist als Turandot einfach phänomenal. Mit ihrer leuchtenden, hochdramatischen Stimme brachte sie alles um sich her zum Verblassen, was allerdings auch bei einer weniger großen Leistung der Fall gewesen wäre. Emmy Looses Stimme beginnt zu verblühen, was man in den höheren Lagen bemerkt und der Anfänger Joao Gibin war abermals schwach. Nichts gegen junge Sänger, aber einen solchen als Repertoire-Kalaf einzusetzen, ist geradezu verantwortungslos. Wohl soll die Oper junge Sänger beschäftigen, die aber fertig (im Sinne von ausgebildet!) sein müssen, denn sonst werden sie fertig (im anderen Sinn). Frederick Guthrie sang den Timur hervorragend. Hans Braun als Mandarin war endlich einmal richtig eingesetzt und die drei Minister (Murray Dickie, Peter Klein und Eberhard Wächter) boten ein Meisterstück an Exaktheit und Disziplin. Hugo Meyer-Welfings Sohn des Himmels war dürftig wie immer. Glauco Curiel dirigierte mit Temperament, sorgte für Spannung und vergaß dabei auch die lyrischen Akzente der Partitur nicht.

TANNHÄUSER am 26. Februar

Gottlob Frick war der stimmgewaltige Landgraf, Josef Metternich der erschreckend ausdruckslose Wolfram und Elisabeth Höngen schien leider ziemlich übermüdet zu sein. „Was muß ich hören, welch ein Sang!“, wie treffend charakterisiert der erschreckte Ausruf der Venus Karl Liebls Leistung! Eine kleine Geschichte am Rande: Beim Besuch der vorjährigen Festspiele erzählte uns Wolfgang Sawallisch in Bayreuth, er habe die Absicht, nachdem er in Berlin Opernchef geworden sei, die Achse Mailand-Wien nach Berlin zu verlängern. Nach dem Abbruch der Verhandlungen in Berlin sind wir nicht mehr darüber informiert, ob er dieses Bauvorhaben auch auf seinen neuen Wirkungsort übertragen will. Einen Vorteil hätte diese Achse: Auf ihr könnte man Karl Liebl dorthin senden, wohin er gehört: Nach Wiesbaden (oder vielleicht noch ein Stück weiter: dorthin wo der Pfeffer wächst!).

FIDELIO am 27. Februar

Zwei Tage nach ihrer phantastischen Turandot verwandelte sich Birgit Nilsson in eine liebende, tatkräftige und zielbewußte Leonore. Ihr metallisches und doch modulationsfähiges Organ war besonders in den dramatischen Ausbrüchen von überzeugender Kraft und ihre Spitzentöne leuchteten. Um sie gruppierten sich Künstler von Format, die dem Abend durch gesangliche Leistungen und schauspielerisches Format hohes Niveau gaben. (Wolfgang Windgassen, Wilma Lipp, Paul Schöffler, Kurt Böhme und Murray Dickie). Josef Metternich fiel abermals aus dem Rahmen. Heinrich Hollreiser sorgte für eine angenehme Überraschung. Er schien plötzlich von Ehrgeiz befallen zu sein und bemühte sich sehr. So war seine Leistung, man höre und staune, durchaus anständig. Wohl fehlt ihm die nötige innere Ruhe für ein klassisches Werk, doch das ist ein anderes Kapitel. Dafür kann er nichts.

DON GIOVANNI am 28. Februar

Der letzte Tag des Monats brachte uns eine Vorstellung die im Orchestralen von Heinrich Hollreiser recht gut und ohne nennenswerte Unfälle geleitet wurde. Hervorragend die Zerlina von Wilma Lipp. Sehr sicher sang Gerda Scheyrer als Elvira. Hilde Zadek als Donna Anna war der Partie weniger denn je gewachsen. Der Don Giovanni Eberhard Wächters kann sich hören und sehen lassen. Es ist wohltuend einen jungen Sänger zu sehen, der imstande ist, gewandt über die (zahlreich vorhandenen) Stiegen zu springen, ohne daß ihm der Atem dabei wegbleibt. Erich Kunz war in guter stimmlicher Verfassung und ansonsten sangen Rudolf Schock, Gottlob Frick und Harald Pröglhöf. So war die letzte Aufführung des Monats akustisch durchaus erfreulich.

 

Abschließend zum Februar in der Oper möchten wir sagen, daß es Ereignisse wie DIE HOCHZEIT DES FIGARO oder COSÌ FAN TUTTE nicht immer geben kann, ist klar. Daß man den großartigen SIEGFRIED nicht jede Woche spielen kann, ist ebenso einleuchtend. Daß viele Aufführungen an den ererbten unmöglichen Inszenierungen leiden, leuchtet ein. Daß zwischen unseren mehrfach erwähnten „zwei Ensembles“ ein Klassenunterschied besteht, wissen wir ohnedies. Wir verlangen nur eines: daß alle Mitglieder des Hauses immer voll und ganz ihre Pflicht erfüllen und nicht nur den Dienst ableisten. Aus Liebe zur Wiener Oper könnten sie das sogar freiwillig tun, nicht nur, wenn sie die „Faust im Nacken“ spüren!

 

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