DER DEZEMBER 1959

5. Jahrgang, Heft 1

 

Über die Qualität der Dezember-Aufführungen kann man sich im allgemeinen nicht beklagen, die Aufführungen waren größtenteils gut besetzt und brachten auch einige interessante Debüts. Die chronische Dirigentenmisere wurde durch die Anwesenheit von Karajan, Cluytens und Wallberg z.T. bekämpft. Allerdings erlitt der Weihnachtsspielplan durch die Erkrankung von Sena Jurinac und die Absage von Josef Krips (wenn wir alles so sicher voraussehen könnten, wie die Tatsache, daß uns dieser geschätzte Dirigent wieder einmal wird „sitzen lassen"!) eine empfindliche Einbuße. Und die Programmzusammenstellung ist von einer geradezu aufreizenden Sturheit gewesen, speziell was den Fliegenden Holländer betrifft. Man kann in einem Monat nicht plötzlich fünf Holländer spielen! Da hört sich doch alles auf. Und von Strauss gibt es offenbar auch nur mehr den Rosenkavalier. Salome und Elektra sind total vom Spielplan verschwunden, desgleichen der Tannhäuser, von Tristan und den Ring-Bestandteilen ganz zu schweigen – von den drei vorgesehenen Rheingold-Aufführungen kam mit knapper Not eine zustande (und auch diese wackelte!). Der Eindruck von Cluytens’ elegantem und ohne den gewissen „tierischen Ernst" hingelegten Holländer (das Zelebrieren schadet diesem musikantischen Jugendwerk ohnedies nur!) wurde durch eine unnötige Loibner-Aufführung wieder verwässert, das Debüt der Elisabeth Schwarzkopf als Evchen durch Heinrich Hollreiser, der die ganze Aufführung um eine Klasse drückte, arg beeinträchtigt. Herr Generalmusikdirektor Rudolf Kempe ist in dieser Saison überhaupt noch nie in Wien gewesen, obwohl er uns schmerzlich fehlt. Herrn von Matacic, der sich doch mit Wagner und Strauss seinen Ruf erworben hat und der etliche Aufführungen hätte verbessern können, wurde mitgeteilt, daß er erst zu den Proben zu Fürst Igor zu erscheinen brauche und keinen Tag früher. (Man ist im Generalsekretariat offenbar stark daran interessiert, daß Herr Hollreiser seine Abende „abbiegt". Auch Herrn Wallberg sehen unsere vielgepriesenen Ober-Telefonisten nicht gerne – sie bezeichnen seinen redlich verdienten Applaus unverfroren als „bezahlte Claque". Und so gab es neben schöne Aufführungen berechtigten Ärger, um so mehr, als wir ja genügend Kräfte hätten! Nur die Planung, die hat sich in diesem Monat wieder einmal ausgezeichnet.

Ausgezeichnet hat sich auch das Team Schuh-Neher dadurch, daß es die Orpheus-Premiere total verhaute. Die Premiere ging nach (unzureichenden) Karajan’schen Ausbesserungsversuchen über die Szene, und der Chef muß sich derart geärgert haben, daß ihm bei der Premiere auch selbst die in Salzburg so ungeheuer fesselnde Spannung und Intensität fehlte. Wenn er doch den Anlaß zur Lehre nähme und Herrn Schuh wenigstens aus der Salzburger Giovanni-Besetzungsliste eliminierte! Dieser Giovanni wird wieder eine Pleite werden, wir ahnen bereits das Schlimmste! Karajan soll Don Giovanni doch selbst machen, oder sich Frau Wallmann holen, die das jedenfalls besser treffen würde als Schuh, da der doch für Mozart prädestinierte Günther Rennert mit einer neu Così fan tutte und den Reprisen von Figaro und Zauberflöte ausgelastet sein dürfte. Herr Schuh und sein Mozart sind unsere größte Sorge für den Salzburger Festspielsommer Denn: Als Schuh kam (er wurde während des Krieges nach Wien engagiert), vermochte er zu interessieren. Und sein ganz auf das Team Seefried-Dermota-Schöffler-Kunz zugeschnittener Nachkriegsstil erfüllte damals seinen Zweck. Jetzt hat er sich überlebt, ist manieriert, verkalkt, verknöchert geworden. Und sein Mitarbeiter Neher, der sich jahrelang von der Redoutensaal-Treppe faszinieren ließ, hat sich momentan offenbar in das neue Kölner „Grabmal des unbekannten Intendanten" verschaut. Die glatten, auf modernistische Art mit toten Farben beschmierten Wände seiner Inszenierungen sprechen dafür. Warum, um alles in der Welt, wird an der Wiener Oper jemand, der nichts taugt, nicht hinausgeschmissen? Auch der Chef hat merkwürdigerweise in Wien fast schon eines gelernt: Er kann nicht nein sagen! Schade, daß er nicht schon vor zehn Jahren Opernchef wurde, damals konnte er es nämlich noch.

 

RIGOLETTO am 1. Dezember

Diese Aufführung fand statt mit den beinahe schon zur Standardbesetzung gewordenen Künstlern Hilde Güden und Aldo Protti, beide in ausgezeichneter Verfassung. Außerdem diktierten sie auch noch dem Dirigenten Berislav Klobucar die Tempi, was aber durchaus positive Folgen zeitigte, denn die Oper wurde dadurch rasant und effektvoll geboten. Ausgezeichnet waren als Sparafucile und Monterone Walter Kreppel und Otto Wiener. Ermanno Lorenzi, unser zweiter Hausitaliener, erreichte nicht die Form wie an dem Abend seines Debüts und muß gegenüber seinen Kollegen als sehr schwach bezeichnet werden. Als Maddalena war wieder Georgine Milinkovic zu hören.

FIDELIO am 2. Dezember

In dieser Aufführung saßen wieder unsere Heimkehrer im Orchester und hoben das Niveau gegenüber den letzten Aufführungen beträchtlich. Davon profitierte auch Heinrich Hollreiser, dessen Schwächen nicht so offen wie sonst zu Tage traten. Trotzdem fiel auch hier wieder die Unausgeglichenheit seiner Tempi auf. Die Titelpartie wurde von Gré Brouwenstijn verkörpert, die sich wieder als großartige Künstlerin erwies. Sie spielte mit Intensität, Kultur und fraulicher Wärme eine Leonore, der man die Opferbereitschaft und Liebe glaubte. Die Stimme klang weich, tragfähig und äußerst ausdrucksvoll. Daß einzelne Spitzentöne vorsichtig angesetzt wurden, dürfte auf eine gewisse Nervosität zurückzuführen sein. Jedenfalls war sie an diesem Abend die ergreifendste Gestalt des Werkes. Neben ihr imponierte vor allem Hans Hotter als Pizarro mit seinem mächtigen Organ. Wie immer begeisterte der Künstler durch sein grandioses Spiel, mit welchem er ständig, auch in Szenen, in denen er nur „mitspielt", die Zuschauer in seinen Bann schlägt. Gottlob Fricks Stimme klang warm und füllig und voll dunklem Baßtimbre, das man heute in diesem Fache so vermißt. Auch mit seiner Darstellung gewann er die Sympathien des Hauses. Wolfgang Windgassen schien als Florestan nur auf die Schonung seiner Stimme bedacht zu sein. Es fiel wieder auf, daß er, wie es in letzter Zeit so oft der Fall zu sein pflegt, mit halber Stimmkapazität singt. (Er kann auch anders, wie er eine Woche später bewies!). Teresa Stich-Randall sang die Marzelline etwas zu stimmstark und daher scharf. Es gab viel Applaus für Gré Brouwenstijn, die erfolgreich ihre Tätigkeit an der Wiener Staatsoper in dieser Saison begann.

DON GIOVANNI am 3. Dezember

Interessanten Kontrast – aber auch Zusammenklang – der Stimmen hatte das Damenteam dieser Aufführung zu bieten. Als Donna Anna hörte man wieder Joan Sutherland, die ihre schön timbrierte, tragfähige Stimme mit einem überdurchschnittlichen gesangstechnischen Können, klug einzusetzen wußte. Sowohl in den dramatischen Ausbrüchen als auch im kultivierten Piano und in der mühelos bewältigten Koloratur blieb kein Wunsch offen. Sie spielt die Partie sehr intensiv im großen klassischen Stil mit der dramatischen Gebärde der Primadonna. Wilma Lipp, die erstmals in Wien die Donna Elvira sang, wirkte durch ihre prachtvolle Erscheinung schon rein äußerlich und gestaltete die Rolle mit Vornehmheit und echter Persönlichkeit. Sie sang sehr lebendig und fein ziseliert und brillierte ebenfalls mit eleganter Koloratur. Ihre Mittellage ist auch dramatisch genug, die Höhe jedoch immer noch weich und schwebend und so wirkte sie – im Vergleich zu Elisabeth Schwarzkopf oder Sena Jurinac etwa – streckenweise etwas ungewohnt koloratursopranhaft. Hilde Güden gab der Zerlina ihre schöne Silberstimme und ist im übrigen sehr reizvoll, aber für ein Bauernmädchen vielleicht eine Spur zu verfeinert. Die Herren vermochten sich gleichfalls in ihren Stammrollen aufs Neue auszuzeichnen: Eberhard Wächter als Giovanni stimmlich und in Spiel und Gestaltung restlos überzeugend und mitreißend, Walter Berry köstlich naiv und spaßhaft und mit profunder und doch kultivierter Stimme, Walter Kreppel als Commendatore mit schöner, ausdrucksvoller Stimme, Anton Dermota in der nicht gerade dankbaren Ottavio-Partie bestens disponiert und routiniert auf der Bühne. Ljubomir Pantscheff durchaus den hohen Anforderungen des Abends genügend, als Masetto. Heinrich Hollreiser überließ die Initiative (Gott sei Dank!) der Bühne und dem Orchester, wo man ohnehin wußte, was man zu tun hat. Allerdings wäre es sehr schön, einmal einen gestalteten Giovanni zu hören! Aber welcher Spitzendirigent will diese entsetzliche Oscar-Fritz-Schuh-Inszenierung schon vor sich sehen! Die Bühne abräumen und vor dem Rundhorizont spielen, wäre fast noch gescheiter, denn der Salzburger Giovanni wird sich kaum zur Übernahme nach Wien eignen.

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER am 4. Dezember

Die Aufführung wurde von André Cluytens dirigiert: fürwahr ein Wagnerdirigent! Er weiß auch mit dem Frühwerk, das noch nicht hehr noch heilig ist, etwas anzufangen, ja man möchte fast sagen, daß er die der Spieloper und dem Volkston nahe stehenden Teile, sogar den Lortzinghaften Spinnchor, mit besonderer Liebe malt und mit lockerer Natürlichkeit abrollen läßt, trotzdem aber den packenden Hintergrund, wie die immer wieder durchbrechenden Holländerquinten, unbewußt stets durchschimmern läßt, um dann an den rechten Stellen mit Macht aufzutrumpfen. Den Holländer sang Otto Wiener, fast unnötig zu sagen, daß er ihn rückhaltlos aussang, ohne Milde mit sich selbst. Er ist auch zu einer durchgeformten Gestaltung vorgedrungen, die – dem Stimmcharakter sehr entsprechend – die leidenden Züge der Figur mehr betont als die dämonischen. Christl Goltz zog sich als Senta stimmlich recht gut aus der Affäre. Sogar bei den sonst heiklen Pianostellen. Sie hatte sich eine interessante, ihrer Persönlichkeit entsprechende Auffassung zurechtgelegt, die der Senta, zumal im dritten Akt, fast somnambule Züge verlieh – sehr vernünftig. Dem Holländer und der Senta ist mit Naturalismus nicht beizukommen. Eine gewisse konsequente Stilisierung hilft hier beträchtlich. Anders beim Daland. Gottlob Frick machte in dieser Aufführung aus der Gestalt, die Wieland Wagner so überlegen als unsympathischen, gierigen Raffke charakterisierte, einen biederen, humorvollen Seemann und überzeugte mit seiner Auffassung ebenso. Außerdem sang er prachtvoll, zumal in der Arie und im Duett des ersten Aktes. Das legte André Cluytens ihm und Otto Wiener aber auch direkt in die Stimmbänder, so hinreißend wurde da musiziert! Er erinnerte im Holländer geradezu frappant an Clemens Krauss, der das Jugendwerk ebenfalls ganz richtig von der musikalischen Seite anpackte, die Belastung der romantisch blühenden Melodie durch den Gedanken an spätere Musikdramatik klug vermied und der Oper gab, was ihr Recht ist. (Auch Clemens Krauss hat beileibe mit seinem Wagner nicht allen gefallen!). Es ist natürlich Auffassungssache, ob man einer solch ungewohnten Interpretation zustimmt oder nicht. Wir jedenfalls hören den Holländer lieber musiziert als „dargeboten".

DON GIOVANNI am 5. Dezember

Besprechung wie am 3. Dezember.

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER am 6. Dezember

Besprechung wie am 4. Dezember.

DIE ZAUBERFLÖTE am 7. Dezember

mit Heinrich Hollreiser am Pult wurde nicht besprochen. Es sangen die Damen Mimi Coertse, Gerda Scheyrer und Anneliese Rothenberger; und die Herren Gottlob Frick, Waldemar Kmentt, Walter Berry und Otto Wiener.

FIDELIO am 8. Dezember

wurde unversehens zu einem großen Abend, zum bisher größten Erlebnis der Saison. Die Besetzung,

es sangen die Damen Gré Brouwenstijn und Wilma Lipp, die Herren Wolfgang Windgassen, Hans Hotter, Gottlob Frick, Walter Berry und Waldemar Kmentt, war so homogen und geschlossen, daß es ungerecht wäre, eine Leistung besonders hervorzuheben – man fühlt sich veranlaßt festzustellen, daß hier ein Ensemble ohnegleichen am Werk war, das nicht nur im herkömmlichen Sinne aus Sängern bestand, die seit Jahren am gleichen Institut engagiert sind. Nein hier standen Künstler auf der Bühne, die nicht nur auszeichnet sangen, hier ereignete sich der auch bei guten Vorstellungen so seltene Fall, daß alle von der gleichen Kraft gepackt und vom gleichen Geist erfüllt waren, daß sie in ihre Rollen eindrangen bis zur völligen Erfüllung und daß der Gesang nicht nur Konzentration, Kraft und Wohlklang hatte, sondern die vollendet durchdachte Linie und den großen Aufbau der klassischen Musik. Orchester und auch Chor, besonders die Herren im Gefangenenchor, überboten sich an diesem Abend selbst.

Undenkbar wäre dieser wunderbare Fidelio jedoch ohne die aufbauende Gestaltungskraft, die faszinierende Konzentration, brennende Intensität und mitreißende Ausstrahlung des Dirigenten: Herbert von Karajan.

RIGOLETTO am 9. Dezember

An diesem Abend gab es ein Wiedersehen mit Giuseppe Zampieri, den wir uns in den ersten drei Monaten der Saison oft anwesend gewünscht hätten. Zwar ist der Herzog nicht eine seiner Paraderollen (dazu fehlt es ihm an der Geschmeidigkeit der Darstellung und der Eleganz des Singens), aber er bot eine gekonnte Leistung. Seine Stimme ist voller und in der Höhe kräftiger geworden. Neben den sehr schön gesungenen Arien war er im Duett mit Gilda etwas schwächer, hier müßte er sein Piano verbessern. Seine Gilda war wieder Hilde Güden, die sich zwar in der ansonsten schön gesungen Arie „Caro nome" den effektvollen Schluß schenkte, dafür aber in der Stretta ein prachtvolles hohes Es sang. Aldo Prottis mächtiges, breites Organ klang belegt und unrein. Wir haben ihn schon oft besser als an diesem Abend, an dem manches eher vulgär klang, gehört. Walter Kreppel war ein stimmstarker Sparafucile und Otto Wiener wieder ein kraftvoll fluchender Monterone. Berislav Klobucar dirigierte umsichtig, Unstimmigkeiten zwischen Bühne und Orchester geschickt kaschierend.

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER am 10. Dezember

Es dirigierte wieder André Cluytens und Christl Goltz sang wiederum die Senta. An diesem Abend sang Arnold van Mill einen stimmkräftigen Daland. Sein Material wirkte aber wieder ziemlich wenig durchgebildet. Wolfgang Windgassen scheint nach vielem Tristan und Ring-Singen den leichten Zwischenfachpartien, wie dem Stolzing und dem Erik bereits etwas entwachsen zu sein, gab nicht viel Stimme und tat sich trotzdem, etwa bei der Traumerzählung schwer. Eine gute stimmliche und charakterisierende Leistung bot Elisabeth Höngen (Mary), aber auch Murray Dickie gefiel. Der Chor war brav, die Herren mitunter sogar prächtig, während in den Frauenstimmen leider wieder dieselben „Schepperinnen" den Gesamteindruck störten.

DIE HOCHZEIT DES FIGARO am 11. Dezember

Es war eine gute (jedoch nicht mehr als gute) Aufführung, die Herbert von Karajan dirigierte. Seine Figaro-Konzeption ist derart rasant, daß er, um sie tatsächlich zum Leuchten und Funkeln zu bringen, offenbar für jede Aufführung eine komplette Probenserie brauchen würde. Aber so geschieht es, daß ein Sänger, wenn er auch nur einen Moment unkonzentriert ist, gleich aus dem Tritt kommt.

Die Besetzung war gewohnt gut – besonders Herr und Diener: Eberhard Wächter und Walter Berry, die jetzt auch in dieser Oper schon zu einem Glücksfall geworden sind, bieten stimmlich und im Spiel geradezu Idealverkörperungen ihrer Rollen mit Eleganz und einem tüchtigen Schuß Humor. Walter Berry läßt in den überlegen-flotten Figaro manchmal auch ernstere, dramatische Akzente (wie es sich gehört) einfließen.

Hilde Güden ist eine ganz bezaubernde Susanne, mit persönlichem Charme und dezenter Zurückhaltung. Hier vereint sich die fast spielerisch mühelos dargebotene kultivierte stimmliche Leistung mit einer perfekten Rollendeckung.

Giulietta Simionatos Cherubino war merkwürdigerweise schauspielerisch interessanter als musikalisch – sie spielte einen richtigen „Buben von 17 Jahr", mit subtiler Komik und bewußtem Verzicht auf manche sonst oft breit ausgespielte Gags – besonders im zweiten Akt. Wunderbar sang sie „Voi che sapete", da strömte und blühte die herrliche Stimme. Sonst hielt sie sich allzu sehr zurück. Man kann aber Mozart auch mit viel Stimme singen, wenn man dieselbe technisch beherrscht. Und gerade die Stimme der Simionato muß sich entfalten können. Der Glyndebourner Unterspiel-Stil à la Berganza ist bei ihr gänzlich fehl am Platz. Das große Wiener Cherubino-Dreigestirn: Rohs-Jurinac-Ludwig hat ja schließlich auch immer Stimme gegeben, ohne deshalb stillos zu sein.

Teresa Stich-Randall sang – besonders im Piano – eine gute Figarogräfin, nur bei der großen Arie hatte sie ein paar steife Forte-Töne.

Elisabeth Höngen ist ein Idealfall von einer Marzelline, Peter Klein ein ebensolcher Basilio. Auch die Herren Alois Pernerstorfer und Ljubomir Pantscheff fügten sich gut in den Rahmen der Aufführung, während der outrierende Erich Majkut eigentlich schon durch Kurt Equiluz ersetzt werden könnte.

OTHELLO am 12. Dezember

André Cluytens dirigierte an diesem Abend. Sein Othello ist durch weite Teile der Oper Herbert von Karajans Interpretation derart ähnlich, daß man fast keinen Unterschied findet. Nur einzelne Stellen erhalten eine weniger starke Betonung des Dramatischen, eine weichere, schmiegsamere Formung der Phrase und eine hinreißend-spritzige Eleganz (besonders im Feuer-Chor!). Der Othello ist vermutlich die am besten sitzende Repertoire-Oper – außer Herbert von Karajan selbst hat sie nur einmal Rudolf Kempe pfleglich behandelt. Da konnte sich André Cluytens so ein Kabinettstück wie den funkelnden, wiegenden, blitzenden Feuerchor wohl erlauben. Schade, daß es der Oper nicht gelungen ist, Maitre André Cluytens für einen Strauss zu interessieren – egal für welchen. Was für eine Salome, Elektra, Frau ohne Schatten, ja Ariadne müßte dieser großartige Dirigent hinlegen! Nun, Rom wurde auch nicht an einem Tage erbaut, und gut Ding braucht Weile. Als Persönlichkeit auf der Bühne dominierte Gré Brouwenstijn, die mit unglaublich viel Stilgefühl italienische Rollen singt (wie wäre es einmal mit Manon). Sie gab eine sehr weibliche, innige, seelenvolle Desdemona voll Anmut und Hoheit. Auch stimmlich (überraschend ihr ausgezeichnetes Piano, das wir uns gar nicht so gut vorgestellt hätten) war sie, von Intonationsschwankungen im ersten Akt abgesehen, ganz vorzüglich. Carlos Guichandut, unser Stammothello, steigerte seine Leistung im Verlauf der Othello-Serie. Am ersten Abend distonierte er am häufigsten. Aldo Protti ist rein stimmlich als Jago prachtvoll. In Karajans modernem Unterspiel Othello ist er jedoch darstellerisch überfordert. Er müßte ihn anders spielen können – auf die brutal-humoristische Tour nämlich. Ja wenn wir einen Chefregisseur hätten, könnte dieser mit Aldo Protti eine ihm liegende Auffassung durcharbeiten… Giuseppe Zampieri brillierte unter den Comprimarii. Dagmar Hermann sang eine schreckliche Emilia. Vielleicht könnte man doch einmal die Güte haben, von der Volksoper die Damen Elisabeth Sobota und Sonja Draksler für das zweite Fach herüberzuholen, denn Hilde Rössel-Majdan ist in der Partie der Emilia auch nicht so berühmt, und Margareta Sjöstedt kann nicht alles auf einmal lernen. Manchmal bricht dann die zehnte Garnitur über uns herein. Ja, wenn wir niemanden hätten! Aber wir haben es ja, das ist das Ärgerliche.

DON CARLOS am 13. Dezember

In dieser Aufführung interessierte vor allem Eberhard Wächter, der den Posa erstmals in italienischer Sprache sang. Er stellte mit dieser Leistung seine bisher deutsch gesungenen Posas weit in den Schatten. Stimmlich in ausgezeichneter Verfassung, ist er darstellerisch unter den italienisch singenden Vertretern dieser Partie wahrscheinlich ziemlich konkurrenzlos. Giuseppe Zampieri als Carlos hatte anfangs Intonationsschwierigkeiten, sang sich aber bald ein und hatte solides Niveau. Paul Schöffler sang den Philipp, fesselnd charakterisiert und mit kultivierter Stimme. (Bei der großen Arie mußte er des öfteren auf ein diskret placiertes Hilfszetterl blicken, offenbar auf den italienischen Text). Hans Hotters Großinquisitor ist in Gesang, Maske und Spiel geradezu beklemmend. Man glaubt ihm ohne weiteres die Beherrschung – nicht nur der Bühne, sondern Spaniens. Von den Damen muß Giulietta Simionato zuerst genannt werden. Der viel bewunderten Künstlerin gelang auch als Eboli eine höchst persönliche intensive und lebendige Gestaltung. Die Elisabeth gehört nicht zu den besten Rollen von Christl Goltz, obwohl sie stimmlich gut war. Anneliese Rothenberger sang in Wien zum ersten Mal (endlich wurde auch diese Partie entsprechend besetzt) die Stimme vom Himmel und sehr schön. Weniger erfreulich Norman Foster als Karl V. Ein Sänger der Wiener Staatsoper müßte doch zumindest imstande sein, eine so kleine Partie notenrichtig zu lernen. Alberto Erede am Pult war ziemlich unterschiedlich, teilweise sehr packend und intensiv. Doch gab es manchmal auch Leerlauf und bloße Begleitmusik im Orchester.

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER am 14. Dezember

Wie anders wirkt dies Zeichen auf uns ein! Der eingeschobene Holländer nämlich, der statt des ausgefallenen Rheingoldes geboten wurde. Wilhelm Loibner stand am Pult und brauchte den ganzen ersten Akt dazu, die Beteiligten halbwegs zueinander zu bringen. Das Orchester hat schon lange nicht so schlecht und unaufmerksam gespielt wie in diesem ersten Akt. Im Verlauf des Abends wurde es dann allerdings etwas besser. Otto Wiener (andere Holländer-Sänger wollen offenbar nicht, wenn sie könnten und die, die wollten, können sicher nicht!) war an diesem Abend etwas müde – begreiflicherweise. Den Holländer sollte man doch nicht en suite kreieren. Christl Goltz sang eine tadellose Senta, stimmlich die beste in der ganzen Serie. Auch Gottlob Frick war prächtig in Form. Eugene Tobin sang den Erik mit viel Stimme und guter Höhe und Gerhard Stolze, der Intellektuelle unter den Tenören, trug den Steuermann auf perfekte Weise mit unzähligen Nuancen vor. Hilde Rössel-Majdan sang eine sehr gute Mary.

 

ORPHEUS UND EURYDIKE am 15. Dezember, Premiere, am 20. Dezember Reprise

Den Orpheus drückt der Schuh oder der (hoffentlich!) endgültige Untergang des „Stiles" Schuh-Neher!

In Salzburg war die Felsenreitschule an sich das dominierende optische Element, dessen Großartigkeit selbst durch dieses Team nicht zerstört werden konnte. Deshalb aber, weil sie dort nur wenig verdarben, gleich anzunehmen, daß es ihnen gelingen werde, auf einer Guckkastenbühne, wie die Wiener Staatsoper nun einmal eine hat, etwas Entsprechendes zu schaffen und aufzubauen, war voreilig - zumal an bösen Beispielen kein Mangel ist.

Beginnen wir mit der Ausstattung durch Herrn Caspar Neher: Nichts Neues unter der Beleuchterbrücke. Die Umrahmung der Bühne unterscheidet sich nicht wesentlich von Jephta in Stuttgart und Oedipus Rex in Wien, nur daß die drehbaren Wandteile diesmal viereckig sind und der Hintergrund rechteckig abgeschlossen ist.

Im Vergleich zum Julius Caesar fällt immerhin positiv auf, daß die Bühnenfläche am Anfang und am Schluß nicht unnötig verbaut wurde, und darüber muß man schon froh sein. Im Elysium hingegen wird ein Gestell hereingeschoben, das übrigens schon in neuem Zustand gehörig knarrt, und das beim Lichtwerden unwillkürlich die Assoziation einer völlig unelysischen Klosettbrille hervorruft, welch schlechter Eindruck später noch dadurch verstärkt wird, daß man fürchten muß, die leider kurzsichtige Wilma Lipp könnte hineinfallen, wenn sie den Rand entlang balanciert. Die Kostüme fallen nur im ersten Bild, solange es dunkel ist, nicht unangenehm auf. Welchen Stiles die eher peruanisch als griechisch anmutenden Chorkostüme im Hades sein sollen, bleibt ungeklärt. Die Furien sind farblos, grau und tot kostümiert; wir wissen zwar, daß die Griechen sich ihre Unterwelt grau und öde dachten, aber es wäre uns lieber gewesen, der Kostümbildner hätte diese Tendenz nicht bis zur letzten Konsequenz ausgeschöpft – zumal er sich sonst ja auch auf keinen bestimmten Stil festlegt. Am deutlichsten wird das bei den Kostümen des Schlußballettes und denen der Solisten, die nicht nur unschön, unnötig verschnörkselt und unpraktisch, sondern auch höchst unvorteilhaft sind und weder zum Typ der Rollen noch zu deren Darsteller passen, ja letztere sogar verunstalten. Der Gesamteindruck läßt sich am besten – wie oft noch bei Neher? – mit der Feststellung kennzeichnen, daß kein einziges lebendiges oder auch nur kräftiges Farbfleckchen auf der Bühne zu sehen ist.

Der Regisseur hat theoretisch die Oberleitung über das gesamte szenische Geschehen und seine Vorgeschichte; also hätte sich der Bühnenbildner an seine Angaben, bzw. Wünsche zu halten. Der Regisseur hätte dem Choreographen zu sagen, welche Bedingungen die Tanzszenen erfüllen müssen, welchen Sinn, welche Aussage sie zu beinhalten haben, er müßte es sein, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, denn zumindest er muß das Stück verstehen, und er muß wissen, wie er es inszenieren will. Daher braucht er ein möglichst klares Konzept, eventuell einen Leitgedanken, dem alles auszurichten ist. Für ein so altes Stück, wie Glucks Orpheus, das noch dazu in der Antike spielt, gibt es natürlich zahlreiche Möglichkeiten es anzupacken, drei verschiedene Gesichtspunkte bieten sich zunächst:

1./ eine möglichst getreue Gestaltung im Sinne der ursprünglichen griechischen Sage;

2./ eine möglichst genaue Annäherung an die Aufführungspraxis zu Glucks Zeiten;

3./ die „alten" Griechen mit den Augen des heutigen Menschen gesehen, also „modern" gebracht.

Sowohl die erste als auch die dritte Möglichkeit – sie könnten einander unter Umständen sehr ähnlich sein – würden den Verzicht auf das Happy-End, also auf die Schluß-Chaconne und das vorangehende Terzett bedeuten. Will man die beiden herrlichen Musikstücke nicht missen, so muß man aus der konventionellen zweiten Möglichkeit das Bestmögliche zu machen trachten. Zunächst sei festgestellt, daß es dem Geist der Gluckschen Musik und seinen Reformideen durchaus entspräche, auf barocke, verschnörkelte Elemente zu verzichten.

Daß die vorliegende Inszenierung Oskar Fritz Schuhs, obwohl die musikalischen Grundlagen keine andere Möglichkeit zulassen, sich nicht offen und ehrlich zu dieser konventionellen Kompromißlösung bekennt, sondern sich obendrein noch tiefsinnig gebärdend alles Mögliche kunterbunt durcheinander wirft, ist bedauerlich; das Fehlen eines klaren Konzepts wird nicht nur angesichts des stilistischen Wirrwarrs, sondern erst recht angesichts der höchst ungenügenden Koordinierung der Elemente Ausstattung, Beleuchtung, Führung von Tänzern einerseits von Choristen und Solisten andererseits mit grausamer Sicherheit deutlich, und dieses Versagen gegenüber den Erfordernissen der Praxis ist unverzeihlich.

Die Führung der Solisten ist immerhin im allgemeinen angängig, wenn auch mitunter (Auftritt des Eros!) für die Sängerinnen sehr ungünstig und nicht nur statisch, sondern auch statuarisch. Man hat - zum wievielten Male eigentlich bei Schuh? - den Eindruck, daß aus der Not mangelnder Einfälle eine Tugend gemacht werden sollte! Die Aufstellung des Chores, vor allem aber sein den musikalischen Ablauf gefährdendes Auf- und Abtreten im Hades, und sein nicht unbedingt motiviertes Verharren hinter der Bühne im Elysium - die Verstärkertechnik hat - Gott sei Dank - das erste Mal wirklich klaglos funktioniert, ist noch weit weniger zwingend.

Der Einsatz des Ballettes aber ist ein Trauerfall für sich. Zunächst einmal fällt es aus dem Ganzen heraus; das wäre nicht das Ärgste, weil das Ganze ohnedies uneinheitlich ist. Vor allem aber kann man sich des Verdachtes nicht erwehren, daß der Regisseur, weil er nichts mit dem Ballett anzufangen weiß, bzw. seine Ausdrucksformen nicht beherrscht, dem Choreographen keine oder nur höchst unzulängliche Richtlinien für seine Arbeit gegeben hat, so daß es zu einer solchen Zusammenarbeit und einem daraus resultierenden Zusammenklang, wie es dem Choreographen Dimitrije Parlic mit dem Regisseur Günther Rennert in diesem Herbst zweimal gelang, von vornherein gar nicht kommen konnte. Und diesem Choreographen kann man nun keineswegs allein Vorwürfe machen, weil die Sache schief ging, zumal er anderwärts ja bereits bewiesen hat, daß er sein Handwerk versteht; der Vorwurf hat vor allem den Regisseur zu treffen, weil seiner Versäumnisse wegen ein Wunder hätte geschehen müssen, um die Sache nicht schief gehen zu lassen.

Die Trauerpantomime, die keine besondere Schwierigkeiten birgt, ist immerhin der Situation sehr entsprechend und stimmungsvoll gelungen. Die Furientänze leiden an zu arger Zersplitterung in Einzelaktionen, besonders am Beginn; kraftvolles Zusammenballen der Massen entspräche dem durchaus homophonen und kraftvollen Charakter der Musik zweifellos besser. Etliche Akzente, die durch Armbewegungen gesetzt werden, tragen der düsteren Beleuchtung nicht Rechnung und gehen verloren und das Wälzen am Boden wäre wohl besser unterblieben. Der Schluß der Furienszene (nach dem Abgang des Chores) ist dann kräftig und richtig packend, und man fragt sich, warum nicht gleich so? Im Elysium beschränken sich die Aktionen des, Ballettes unbegreiflicherweise auf Herumstehen, -gehen und -sitzen; man weiß nicht recht, soll man leider, oder Gott sei Dank sagen! Die Musik des „Reigens der seligen Geister" schreit natürlich nach einem entsprechenden Reigen und nicht nach der bereits erwähnten doppelten Klosettbrille, und man kann sich zunächst kaum vorstellen, daß es eine fürchterlichere Lösung gibt, als diesen jämmerlichen, die Bühne verstellenden Aufbau. Am Schluß ist man dann nicht mehr so sicher, denn was das Schlußballett an Mißgriffen bringt, überbietet alles. Es ist ein krasser Rückfall in die veraltete Balletteinlage, besonders erschwerend durch die Stellung am Ende. Daß es eine Huldigung, eine Apotheose vor dem Tempel des Gottes Eros sein soll, an dessen Lobpreisungen die Liebenden selbst nach Tunlichkeit teilhaben sollten, weil sie ja die Hauptbeteiligten sind, kann kein Mensch wahrnehmen. Es sind nämlich die Grundlage schon einmal verkehrt: weil nämlich Eros, die Liebenden und die Goldwand, die man mit einiger Nachsicht eventuell als Tempel des Gottes auffassen könnte, hinten sind, und die Tänzer, primär frontal zum Publikum gerichtet, ihnen meist die Kehrseiten zuwenden. Über eine entsprechende Lösung, also entweder den Tempel im Publikum zu denken oder eine, zugegebenermaßen nicht ganz einfache, weil ungewöhnliche Umorientierung des Tanzes hätten sich die Herren eben die Köpfe zerbrechen müssen. Zu den grundsätzlichen, das Schlußballett unmotiviert und willkürlich erscheinen lassenden Fehlern kommen nun noch,

außer der bereits erwähnten stillosen und unschönen Kostümierung, andere, das Wesen des Tanzes betreffende. Die Darbietungen der Schluß-Chaconne entsprechen keineswegs dem Tanzstil zu Glucks Zeiten, außer vielleicht in dem einen, rein äußerlichen Merkmal, daß nicht auf Spitze getanzt wird, denn daß solches erst seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts getan wird, diese Kenntnis setzte man vom Publikum offenbar doch voraus. Da aber die ganze Vorstellung lang auch sonst unbekümmert Stilkreuzungen und Anachronismen munter dahergetrudelt kamen, wäre es auf den Spitzentanz auch nicht mehr angekommen, zumal einige der gebrachten Figuren auf Halbspitze eine Marterei sind, auch für die Zuschauer. Was die Ausführung betrifft, haben wir das Staatsopernballett auch schon exakter gesehen, die Chaconne war ziemlich jämmerlich (vielleicht auch lustlos?).

Kurz gesagt: Das, was uns das angeblich so bewährte in Wien allerdings schon lange berüchtigte Team Schuh-Neher diesmal bescherte, noch dazu zu Weihnachten, ist eine schöne Bescherung! Hier ist kein Ausgleich mehr durchzuführen, das ist ein solider, runder Bankrott, und die Konkursmasse, die uns wieder einmal lange Zeit die Bühne verschandeln wird, taugt nur zum Verheizen. Man kann nur hoffen, daß die Ereignisse rund um diese Premiere – Herr O. F. Schuh war schon bei der Generalprobe nicht mehr vorhanden – endlich auch unserem verehrten Chef die Augen endgültig geöffnet haben. Daß er mit der Inszenierung nicht gerade glücklich war, war unschwer zu bemerken.

Die musikalische Seite war allerdings besser als die Bühne. Herbert von Karajan hatte solide gearbeitet, er holte aus dem philharmonischen Orchester heraus, was an subtilen Feinheiten in Glucks Musik drinnen ist; daß sein Ärger über den szenischen Jammer vor allem bei der Premiere sein Wirken beeinträchtigte, darf nicht Wunder nehmen. So fehlte der Musik das Hinreißende, das die Salzburger Aufführung so unvergeßlich machte – der Wiener Orpheus war bei der Premiere stilvoll, aber nicht mehr. Außerdem war das stark besetzte Orchester für die auf „kultiviert" angelegte Einstudierung der Sänger zu laut und wischte manchmal Chor und Solisten völlig von der Bühne. Die zweite Vorstellung hatte mehr Ruhe.

Ein Erlebnis bedeutet Giulietta Simionato als Orpheus. Diese Kraft in einer so wundervoll ausgeglichenen, herrlich geführten Stimme, mit einer Tiefe von einer Urgewalt, um die sie so mancher Tenor beneiden könnte, vereint mit einer bis ins kleinste ausgefeilten Nuancierung des Ausdrucks bis zum hauchzarten Pianissimo! Doppelt unverzeihlich ist die Ungeschicklichkeit, mit der der Kostüm-Fritze gerade sie um die gewohnte sieghafte Erscheinung betrog. Anneliese Rothenbergers Eros ging es diesbezüglich nicht viel besser, göttlich hatte man sie gerade nicht ausstaffiert. Stimmlich war sie recht gut, obwohl ihr diese Steh- und Sing-Partie nicht so gut liegt als richtige menschliche Erlebens-Rollen. Dafür, daß sie oft viel zu weit hinten stand, konnte sie

Allerdings nichts. Auch Wilma Lipp, die als einzige durch die Kostümierung in ihrer hoheitsvollen Erscheinung nicht wesentlich beeinträchtigt war, sang ebenfalls mit Brillanz und einer unwahrscheinlich ausgefeilten edlen Gesangslinie.

Was die Striche betrifft: dem Liebhaber tut natürlich leid um jedes Stückchen. Man könnte ohne weiteres argumentierten, daß Orpheus nicht für das breite Publikum bestimmt ist. Trotzdem ist zu fürchten, daß bei weniger Strichen Teile des Auditoriums unaufmerksam und unruhig würden. Und so ist zu hoffen, daß wenigstens diese „Kurzform" nicht allzu schnell wieder vom Spielplan verschwinden wird, wenn auch das Szenarium ein schweres Handicap darstellt.

Was die Sprache betrifft: In deutscher Sprache gibt es keine autorisierte Fassungen Glucks, wie in italienisch oder französisch. Und wie bei Mozart erfordert die völlig anders geartete Sprachmelodie und die gerade nicht erfreulichen Übersetzungen die Originalsprache. Außerdem gibt es im deutschen Sprachraum derzeit keinen Orpheus, der es nur einigermaßen mit der Simionato aufnehmen könnte. Darüber hinaus ist die Handlung wohl einigermaßen bekannt, wenn es auch kaum im Sinne Glucks liegt, wenn ein Großteil der Zuhörer das Wort, dessen gehorsame Dienerin seine Musik sein will, nicht versteht. Glucks Publikum konnte eben italienisch.

So war der Abend eine schwere Enttäuschung – umso schwerer für uns, weil wir alles das vorausgesehen haben! Es ist traurig, wenn man jemanden wissentlich ins Unglück schreiten lassen muß. Denn unsere Warnungen (die Warnungen von Nichtfachleuten!) werden häufig als Präpotenz empfunden. Und was sagen jetzt die Fachleute?

 

DIE GESPRÄCHE DER KARMELITERINNEN am 16. Dezember

erschienen nach längerer Pause wieder am Spielplan. Es spricht für die Güte der Inszenierung, daß sie fast so reibungslos wie bei der Premiere abrollte. Das Zusammenspiel der Künstler war bruchlos. Emmy Loose hatte als Blanche große Momente der Darstellung, konnte aber auch in stimmlicher Hinsicht überzeugen. Zwar sind an ihrer Stimme die Jahre nicht spurlos vorübergegangen, die Spitzentöne klingen zuweilen hart, wenn sie aber nicht liebliche Soubrettchen singt, ist davon weniger zu bemerken. Großartig und von rührendem und kindlichem Ausdruck war Anneliese Rothenberger, deren Silberklang der Stimme von schwebender Leichtigkeit war. Elisabeth Höngen imponierte in der schon so oft gewürdigten, faszinierenden Studie der Priorin, in der Todesszene einen selten zu erreichenden Gipfel der Singschauspielkunst betretend. Christl Goltz war gut wie immer und die Sängerinnen der kleineren Rollen hielten das Niveau. Heinrich Hollreiser dirigierte sachkundig und interessant.

OTHELLO am 17. Dezember

In dieser Aufführung war die Desdemona mit Joan Sutherland sehr interessant besetzt. Man muß auch bei ihr nicht auf den vierten Akt warten, um urteilen zu können. Von Anfang an fesselt die schöne Stimme, die jeder Gefühlsregung so unmittelbaren Ausdruck zu verleihen vermag, daß sie fast auf das Spielen verzichten könnte, was sie aber nicht tut, im Gegenteil. Sie erweist sich bei jeder Begegnung als starke Persönlichkeit. (Übrigens sah sie als Desdemona auch recht gut aus, es kommt bei ihr viel auf Frisur und Kostüm an.) Carlos Guichandut hätte an diesem Abend seine Gage verloren, wenn er für jedes falsche Intonieren einen Schilling Pönale zahlen müßte. Aldo Protti war wieder der Jago. Hilde Rössel-Majdan war eine etwas tremolierende Emilia. Am Pult stand Heinz Wallberg, ein Mann mit Persönlichkeit und ohne Schablone, sehr rasant, sehr dramatisch, manchmal rücksichtslos den Sängern seinen Willen aufzwingend, mit Erfolg bemüht, alle Effekte und Affekte der Musik auszukosten. Allerdings wirkt er im Othello etwas zu „deutsch" – aber beim Othello, den man doch auch als Musikdrama auffassen kann, macht das wenig.

DAS RHEINGOLD am 18. Dezember

Man verzeihe uns, wenn wir die Besprechung der Aufführung, die erst nach einigem Bangen zustande kam, mit einer persönlichen Polemik beginnen. Auf der Seite der Galerie war nämlich ein Bühnen-Lautsprecher in Betrieb, und man hörte während der ganzen Rheintöchterszene das Zählen des die Schwimmerei leitenden Technikers. Eine Beschwerde beim Billeteur, der ersucht wurde, hinter der Bühne anzurufen und diesen Übelstand abzustellen, nützte natürlich nichts.

Übrigens waren wir nicht die einzigen, die nicht in Stimmung waren. Die Damen Gré Brouwenstijn und Ira Malaniuk haben wir schon weit besser gehört. Hans Hotter, der wunderbare Wotan, und besonders der hochintelligente grandios gestaltende Gerhard Stolze als Loge dominierten auf der Bühne.

Die Nibelungenfamilie mit Alois Pernerstorfer und Peter Klein war diesmal stimmlich nicht besonders gut disponiert. Die Riesen Gottlob Frick und Arnold van Mill erzielten weit mehr Wirkung.

Gut die Rheintöchter Lotte Rysanek, Margareta Sjöstedt und Hilde Rössel-Majdan. Hilde Rössel-Majdan sang an diesem Abend außerdem noch die Erda.

Gewohnt sicher die Herren Eberhard Wächter (Donner) und Waldemar Kmentt (Froh).

Herbert von Karajan hatte das Werk groß angelegt, wurde jedoch bei der Schlußsteigerung vom Blech im Stich gelassen.

Die Aufführung war im Gesamten durchaus gut. Leider haben wir aber davon in der letzter Zeit eine Glanzaufführung erlebt, deren Erinnerung wir mit uns herumtragen. Da gefallen uns halt die „guten" Vorstellungen nicht mehr ganz so gut. Wir werden eben immer anspruchsvoller, besonders bei den Chef-Opern.

OTHELLO am 19. Dezember

In dieser Aufführung hatte Carlos Guichandut den besten Abend seit seinem Debüt, und so wird er wohl weiter der ewige Wiener Othello bleiben. Was ist eigentlich mit Dimiter Usunow? Auch Jon Vickers müßte sich über die Partie wagen. Ansonsten war die Besetzung die gleiche, wie am 17. Dezember.

ORPHEUS UND EURYDIKE am 20. Dezember

unter Herbert von Karajan wurde mit der Aufführung vom 15. Dezember besprochen

WOZZECK am 21. Dezember

Wenn einer sagt, die Moderne sei die Domäne von Heinrich Hollreiser, so kann man ihm am Falle Wozzeck das Gegenteil beweisen. Den Wozzeck kennen wir nämlich schon in- und auswendig und können uns ein Urteil erlauben (was wir etwa bei Schönberg oder Poulenc mangels Vergleichsmöglichkeiten nicht können). Auch bei Berg gibt es unvernünftige Tempi und statt der nötigen Intensität große Kraft (sprich Lärm-) Entfaltung. Nur fällt das natürlich weniger auf. Wir müssen der Wahrheit die Ehre geben, obwohl wir Heinrich Hollreiser lieber eine Zeit lang gut kritisieren würden – damit sich doch irgendeine Bühne unser erbarmt und ihn engagiert, denn so ist er nicht anzubringen, da er sich neben eines (seit seinem Engagementantritt) um Klassen gesunkenen Niveaus auch einer zu großen Portion Selbstgefühls erfreut. Die Besetzung war die übliche. Der erschütternde Wozzeck von Walter Berry und die intensive, wilde Marie von Christl Goltz dominierten. Karl Dönch bemühte sich nicht einmal, auch nur die Tonhöhe annähernd zu treffen. Er schreit manchmal irgendetwas, was in keinem Büchl steht und denkt sich, bei Wozzeck merkt es ohnedies niemand (seine Kollegen sind da gewissenhafter). Peter Klein bietet eine seiner großartigen Studien, und die Herren Laszlo Szemere und Marjan Rus sind wenigstens gute Typen, wenn sie auch langsam stimmlich indiskutabel werden. Murray Dickie, der den Andreas früher mühelos sang, tut sich sehr schwer mit ihm. Er ist schlecht in Form, seit er sich einbildet, ein lyrischer Tenor zu sein. Polly Batic und William Wernigk erweisen sich selbst in winzigen Partien als traurige Stimmruinen. Harald Pröglhöf wirkt in dieser Umgebung direkt wie ein Belcanto-Sänger.

DON CARLOS am 22. Dezember

In dieser Aufführung wurde Hans Swarowsky, dem geschätzten Pädagogen, eine Chance als ausübender Dirigent gegeben. Dabei erwies sich für den Zuhörer, daß ein Theoretiker nicht immer als Praktiker von gleicher Qualität sein muß. Zwar hat Hans Swarowskys Verdi-Interpretation ein Gesamtkonzept, man hörte allerdings auch eine Unterteilung in einzelne Abschnitte, was der Aufführung akademischen Charakter gab. Die Leidenschaft von Verdis Melodik wollte nicht zum Leben kommen. Es fehlte der unmittelbar mitreißende Schwung. Von den Sängern gebührt vor allem Eberhard Wächter höchstes Lob. (Posas Tod war prachtvoll gesungen!). Giulietta Simionato enttäuschte ein wenig. Sie schien nicht voll bei Stimme gewesen zu sein, was man deutlich beim Registerwechsel hörte. Allerdings singt ihr niemand den zweiten Teil der Arie „O Don fatale" nach. Sena Jurinac war durch eine Indisposition gehemmt. Ihre Stimme klang zuweilen sehr scharf. Giuseppe Zampieri sang sehr schön, schien aber in den Ensembleszenen musikalisch nicht ganz sicher zu sein. Arnold van Mill sprang für Paul Schöffler als Philipp kurzfristig ein. Leider blieb er in der Darstellung farblos und war im Ausdruck sehr ungleichmäßig. Trotz seiner schönen Stimme, die er aber technisch nicht zu behandeln weiß, hatte er zahlreiche schwache Momente, in denen er beinahe unhörbar blieb. Unserer Meinung nach müßte Arnold van Mill mit seinem Material viel mehr leisten können. Edmond Hurshell gab einen lautstarken Großinquisitor, der im Verlaufe des Abends alle möglichen Formen der Heiserkeit demonstrierte. Norman Foster und Hugo Meyer-Welfing waren beängstigend schlecht. Im gesamten gesehen, war es ein Abend, der nicht hielt, was die ‚Papierform’ – es war eine Besetzung der großen Namen – versprochen hatte.

DIE VERKAUFTE BRAUT am 23. Dezember

Trotz vorweihnachtlicher und vorsylvesterlicher Stimmung (was sich beides zumeist an der Wiener Oper bremsend auf das Niveau auswirkt) bewährte sich die spritzige Regie Günther Rennerts, die noch ebenso frisch ist wie bei der Premiere und unter der temperamentvoll und doch seriös gesungen und gespielt wurde. Jaroslav Krombholc am Pult musizierte ambitioniert, konnte jedoch nicht verhindern, daß Orchester und Chor zeitweise ziemlich auseinander waren. (Herr Hofrat Salmhofer pflegt allerdings zu sagen: „Wenn Chor und Orchester nicht mehr als vier Takte auseinander sind, macht das gar nichts". Das hat aber wohl nur für die Volksoper Geltung!) Die Solisten waren in heiterer Gesangslaune. Irmgard Seefried unterlief zwar an diesem Abend im ersten Duett ein kleiner Schönheitsfehler, Waldemar Kmentt ließ sich sofort anstecken, aber die nachfolgenden Leistungen waren tadellos. Peter Klein (der auch zu Sylvester für Murray Dickie einsprang) ist, ein ausgezeichneter Wenzel, die Elternpaare (mit Ausnahme des leicht ins „Schwimmen" geratenen Franz Bierbach als Tobias Mischa) fügte sich gut ein. Besonders für eine Künstlerin vom Format der Elisabeth Höngen ist die Rolle einer etwas beschränkten Bäuerin nicht zu klein, um eine glänzende Studie daraus zu machen. Ludwig Welter übernahm nun den Kezal, doch ist er Oskar Czerwenka stimmlich kaum überlegen. Darstellerisch packt er die Rolle ganz anders an. Er wirkt weniger schrullig, aber doch intelligent gestaltend. Gut wie immer als Springer Erich Kunz (mit kleinen Eigenbau-Aktualitäten).

BALLETTNACHMITTAG am 25. Dezember

DIE HOCHZEIT DES FIGARO am 25. Dezember

Wie sehr ein Dirigent eine ansonsten prachtvoll sitzende Aufführung aus dem Gleichgewicht bringen kann, bewies Heinrich Hollreiser am ersten Weihnachtsfeiertag. Was es da an Unstimmigkeiten und Verstößen gegen Mozart gab, könnte ein Buch füllen und uns eine Ehrenbeleidigungsklage einbringen. Durch die Absage von Sena Jurinac als Gräfin sprang Hilde Zadek ein, die noch dazu (außer den Arien) deutsch sang und den Abend mehr als unerquicklich machte. Da aber auch die Klassesänger Irmgard Seefried, Eberhard Wächter, Walter Berry und Giulietta Simionato durch die Unsicherheit des Dirigenten und die sprachliche Zweigleisigkeit angesteckt wurden, konnte keiner von ihnen eine Höchstleistung erreichen. Ein Mozartabend, der der Wiener Oper kein gutes Zeugnis ausstellt und den wir sobald wie möglich, aus unserem Gedächtnis streichen wollen! Übrigens: Die sprachliche Zweigleisigkeit glaubten wir (abgesehen von den beiden bedauerlichen Fällen Carmen und Manon Lescaut) bereits überwunden. Nun stellt sich heraus, daß Ensemblemitglieder ihre Standardpartien noch immer nicht in der Originalsprache gelernt haben, obwohl der Figaro jetzt schon glücklich zwei Jahre im großen Haus in dieser läuft! Was sind denn das eigentlich für Ensemblemitglieder, die so desinteressiert sind? Und was ist das für ein Generalsekretariat, das die Sänger nicht zu ihren Pflichten kommandiert, wenn sie von alleine nichts tun?

DER ROSENKAVALIER am 26. Dezember

Diese Aufführung gab es mit nicht weniger als drei Absagen. Die Annina und der Faninal wurden mit Margareta Sjöstedt und Alfred Poell durchaus gut umbesetzt. Trauriger war die Sache schon mit dem Oktavian, für den man aus Düsseldorf Erika Wien geholt hatte. Die Sängerin ist uns aus ihrer Volksopernzeit her bekannt, als sie noch die dritte Orange in der Neuinszenierung der Prokofieff-Oper unter Igor Markewitsch (das waren halt noch Zeiten!) sang. Damals hatte sie eine durchschnittliche Anfängerinnen-Stimme, die zwar im Laufe der Zeit größer, aber durchaus nicht schöner geworden ist. Besonders mit der Höhe hapert es bedenklich (‚ich will den Tag nicht sehen! – ein glatter Schmiß!). In die Inszenierung fand sie sich recht gut hinein. Sie dürfte ihr ja aus ihrer Studienzeit bekannt sein. Hilde Zadek sang eine recht gute Marschallin. Sie hatte alles. Nur beim Monolog (ausgerechnet beim ‚schlechten Kerl’) fiel ihr der Text nicht ein und sie sagte irgend etwas anderes. Eine Methode, die wir von Raoul Aslan her kennen). Hilde Güden verabschiedete sich mit einer herrlich gesungenen Sophie von Wien. Sie war der Stern des Abends. Gut und ohne billige Übertreibungen sang Otto Edelmann den Ochs. Anton Dermota plagte sich erfolgreich mit der Sängerarie und Laszlo Szemere war Margareta Sjöstedts Intriganten-Kollege. Am Pult stand Heinz Wallberg, der sich wieder als großer Gewinn für das Haus erwies. (Wir haben es ja gleich gesagt). Straff und rhythmisch prägnant (für Wiener Begriffe vielleicht ein bißchen kühl) erklangen die Walzer, aber in den lyrischen Szenen zeigte er viel Einführungsvermögen und klugen Aufbau. Sein Rosenkavalier war für das erste Mal in Wien durchaus zufrieden stellend, ist aber noch verbesserungsfähig. Jedenfalls ist er auch bei Strauss zu Hause. Warum hat man ihm eigentlich nicht die zwischen Weihnachten und Neujahr projektierte Schweigsame Frau übergeben, die dank Dr. Karl Böhm in den atlantischen Ozean fiel, nachdem sich die Sänger, unter anderen sogar der viel beschäftige Hermann Prey, für diesen Termin freigemacht hatten?

BALLETTNACHMITTAG am 27. Dezember

BALLETTABEND am 27. DEZEMBER

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER am 28. Dezember

Dank einer guten Besetzung gab es einen erfreulichen Abend. Otto Wiener brachte seinen menschlich tief ergreifenden Holländer mit einer beachtlichen Steigerung im dritten Akt. Die Senta war wieder Christl Goltz, gut gesungen und intelligent gestaltet. Kurt Böhme überraschte diesmal mit guter Disposition, blieb aber im Konventionellen stecken. Sebastian Feiersinger, der für Hans Hopf als Erik einspringen mußte, hinterließ keinen positiven Eindruck. Er hatte stimmliche Schwierigkeiten und bot optisch nicht viel. Karl Terkal sang einen guten Steuermann. Hilde Rössel-Majdan war als Mary richtig eingesetzt. Heinz Wallberg ließ seinem Temperament in Tempo und Lautstärke diesmal allzu freien Lauf.

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG am 29. Dezember

Nun ist das mit solcher Spannung erwartete Evchen von Elisabeth Schwarzkopf doch Wirklichkeit geworden – und zwar im Rahmen einer leider von Heinrich Hollreiser geleiteten Vorstellung, der ein völlig indiskutables Vorspiel, einen schlechten ersten, einen auf seine Verhältnisse passablen zweiten und einen annehmbaren dritten Akt dirigierte. (Heinz Wallberg saß in der Loge!). Die Vollendung des Stimmlichen und Technischen ist bei Elisabeth Schwarzkopf eigentlich etwas ganz selbstverständliches – immer aufs Neue überraschend ist jedoch die unwahrscheinliche Konzentration, mit der diese Frau auf der Bühne steht (es hat offenbar doch etwas für sich, wenn sich eine große Sängerin vom eigentlichen Repertoirebetriebe fernhält und seltener, dafür umso überzeugender, auf der Opernbühne erscheint!). Elisabeth Schwarzkopf ist in der Bewegung, im Mienenspiel, in ihrem Mitspielen auch in den Szenen, wo sie nur am Rande erscheint und nicht zuletzt in der wundervollen Formung der Phrase völlig auch in diese Partie eingedrungen. Und auf der Opernbühne erscheint sie immer lebendig – und eben vollendet – im Gegensatz zu ihren Platten, wo sie eher als perfekt zu bezeichnen ist. Paul Schöfflers Sachs wird vom Wiener Publikum derart verehrt und geliebt, daß man fast sagen könnte, er sei in dieser Partie sein eigenes Denkmal. Souverän beherrscht der „große alte Mann" unserer Oper die Bühne und alle seine Mittel, die er mit unwahrscheinlichem Raffinement einsetzt. Der stürmische Jubel, der dem Künstler entgegenschlug, beinhaltete den Dank für ungezählte herrliche Opernabende und profilierte Gestalten, die uns Kammersänger Paul Schöffler im Laufe eines reichen Künstlerlebens geschenkt hat. Sebastian Feiersinger sang einen recht guten Stolzing, jedenfalls weit über dem Durchschnitt des Stolzing von Karl Liebl und Konsorten liegend, dessen Partie aber nicht zehn Takte länger hätte dauern dürfen, denn sonst wäre er auf der Festwiese in allen Ehren gestorben. Hans Hotter dominierte als Pogner, sooft er die Bühne betrat. Wenn er sich in seiner ganzen Größe erhebt, sieht man sonst niemanden mehr auf der Bühne. Peter Klein, der geschätzte Charaktertenor ist mit Spieltenorrollen wie den David (oder Pedrillo) immer überfordert gewesen – zumal heute, da seine Stimme nicht mehr ganz frisch ist. Von Karl Dönch (Beckmesser), dem gut disponierten Alfred Poell (Kothner) und den Meistersingern ist nichts Neues zu berichten, höchstens daß die Stimmruine Hans Schweiger durch einen Sänger ohne jede Stimme (Karl Weber) ersetzt wurde.

FIDELIO am 30. Dezember

Hier sorgte Josef Krips für eine gediegene, ausgeglichene Aufführung. Unter seiner überlegenen und gekonnten Leitung gab ein ausgezeichnetes Ensemble sein Bestes. Christl Goltz bewies erneut ihre künstlerische Persönlichkeit, auch sie machte die Leonore in jeder Phase glaubhaft. Ihr ebenbürtig Anton Dermota, der als Florestan in der Kerkerarie seine Qualitäten bestens einzusetzen wußte. Das Liebesduett war neben der Dritten Leonoren-Ouvertüre der Höhepunkt des Abends. Otto Wiener als Pizarro zeigte eine interessante Darstellung der Brutalität und Kälte und sang hervorragend. Otto Edelmann gab einen biederen, in jeder Hinsicht blassen Rocco, Irmgard Seefried hatte als Marzelline einen guten Abend, obwohl sie über die Rolle längst hinaus ist. Ein sympathischer Jacquino war Murray Dickie, ein Minister mit Persönlichkeit Walter Berry. Josef Krips wurde an der Spitze der Mitwirkenden stürmisch gefeiert.

DIE VERKAUFTE BRAUT am 31. Dezember

An diesem Abend wurde die bis dato für derartige Anlässe völlig ungebräuchliche Oper gegeben. Weitere Besprechung wie am 23. Dezember.

 

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