DER FEBRUAR 1960
5. Jahrgang, Heft 3
Große Ereignisse waren in diesem Monat nur spärlich gesät, verschiedene Abarten von Durchschnittsaufführungen – von sehr gut bis ausreichend – bildeten neben der Fürst Igor-Premiere den Hauptanteil des Monatsspielplanes. Auffallend war wieder das völlig uninteressante Repertoire. Man konnte vor allem seine Studien über die Tragbarkeit durchschnittlicher Sängerleistungen erweitern. Da waren z.B. drei Versuche – Elsa Matheis als Senta und Chrysothemis und Karl Friedrich als Erik – durchaus erfolglos. Dieser Umstand bedarf einer näheren Beleuchtung:
Guter Durchschnitt, saubere Gesangsleistungen verläßlicher Sänger, die sich um die Gestaltung der dargestellten Rolle zumindest bemühen, werden von uns durchaus gebührend anerkannt. Typischer Fall für eine solche, positive Leistung im Monat Februar: Gerda Scheyrer mit einer blitzsauberen Pamina. Ein weiterer ähnlicher Fall: Gerda Lammers als Elektra. Man kann sogar sagen, daß sich Carla Martinis als Butterfly recht gut hielt, daß Hans Beirer als Tristan passabel war, daß Sebastian Feiersinger ein sehr verläßlicher Zwischenfach-Tenor ist. Aber die Karikatur eines Tenors als Erik auf die Bühne zu stellen, das geht über das erlaubte Maß von Durchschnitt an der Wiener Oper hinaus. (Hier haben sich eben – gottlob! – mittlerweile die Zeiten geändert). Halten wir uns vor Augen, daß Karl Friedrich von 1939 bis 1955 gut seine acht bis zehn Abende pro Monat an der Wiener Oper gesungen hat und daß es ja die Leute seines Kalibers waren, die, als sie noch die „Hausherren" darstellten, durch ihre desinteressierte Untermittelmäßigkeit die Stimmung und Atmosphäre im Haus auf den absoluten Nullpunkt gedrückt haben. Jetzt hat er sich bemüht – soweit ihm das möglich ist. Aber jetzt sind unsere Ansprüche schon so gestiegen, daß er uns (obwohl er musikalisch nichts verdarb) nur noch grotesk vorkommt. („Mein Leiden, Senta, rührt es dich nicht mehr?" Absolut nicht! Sänger wie Karl Friedrich, Hugo Meyer-Welfing, Edmond Hurshell usw. sollten von Haus aus gar nicht an die Wiener Staatsoper engagiert worden sein – ein schönes „Ensemble heimischer Künstler" hat sich da im Laufe der Jahre angesammelt! Wann wird endlich damit Schluß sein?
Elsa Matheis ist das Eindringen in oben erwähnt „Ensemble" gar nicht gelungen, obwohl sie früher stimmlich besser war. (Sie hatte die Höhe noch, die jetzt ab A mit tödlicher Sicherheit daneben geht.) Wir möchten uns ernstlich verbeten haben, daß Sänger, die weder stimmlich noch darstellerisch den Anforderungen einer Welt-Oper entsprechen, auch nur zum Einspringen engagiert werden. Zu solchen Notlösungen sollt es gar nicht kommen. Da ist immer wieder nur die völlig planlose und alles andere als aufbauende Arbeit des Besetzungsbüros schuld, daß es immer aufs Neue verabsäumt, die ohnedies engagierten Sänger und Sängerinnen auf das Studium von Rollen hinzuweisen, in denen sie sehr gut sein müßten. Wir haben schon hundertmal darauf hingewiesen, daß sich Gré Brouwenstijn einmal mit Strauss befassen müßte und wir weisen zum fünfzigsten Mal darauf hin, daß es nicht angeht, eine der in Wien populärsten Strauss-Opern wie Arabella absolut nicht erstklassig besetzen zu können, weil hierorts kein Mandryka vorhanden ist. Außerdem braucht nur einmal Lisa Della Casa auszufallen und schon ist die Oper total unbesetzbar. Frau Seefried und Frau Jurinac wären doch für die Titelrolle sehr gut geeignet. Gut: Frau Della Casa ist ein einmaliger Fall von Identifikation mit dieser Rolle - aber schließlich sind die Nilsson als Turandot oder Price als Aida, die Schwarzkopf als Fiordiligi und die Jurinac als Oktavian ebenfalls einmalig und doch singen auch andere Sängerinnen die oben erwähnt Partien und bringen eigene, zuweilen sehr interessante Varianten. Warum nicht auch im Falle der Arabella? Wenn es unsere Sängerinnen nicht machen wollen oder können, dann müßte man sich eben eine im Aufstieg befindliche Sängerin dafür holen, die bei solchem Bemühen nur gewinnen kann. (Wir meinen Ingrid Bjoner.) Das ewige Schelten gegen bei uns herrschenden Mangel an Phantasie und planender Voraussicht wird uns selbst schon manchmal langweilig.
ARIADNE AUF NAXOS am 1. Februar
Wenig Interesse vermochten die Geschehnisse auf der wüsten Insel Naxos diesmal dem Opernbesucher abzugewinnen. Mehr Format hatte das Vorspiel auf dem Theater, in dem Sena Jurinac als von Idealismus erfüllter Komponist und der liebenswürdige Alfred Poell als Musiklehrer tonangebend waren. Hilde Zadek (Ariadne) und Rudolf Schock (Bacchus) befanden sich stimmlich in mäßiger Verfassung. Hilde Zadeks Organ klang überbeansprucht und der Tenor war nur dann für das Publikum hörbar, wenn er vorne an der Rampe stand. Zwar kämpfte er, sichtlich mit dem ganzen Körper arbeitend, um seinen Tönen Glanz zu verleihen, doch die Anstrengung zeitigte wenig Erfolg. Mimi Coertse ‚schmiß’ in der großen Arie und verlor dann auch noch die Kontrolle über den Text. Als Harlekin versuchte sich Karl Weber in den Vordergrund zu singen. Es fällte dem Zuhörer schwer, der unbedeutenden Stimme mit dem tenoralen Einschlag zu „lauschen", noch schwerer sie zu beschreiben, sie zu definieren. Als musikalischster Solist im Buffoquartett erwies sich wieder einmal Peter Klein. Das Damentrio um die trauernde Ariadne wurde von Liselotte Maikl, die sich sehr plagte, Gerda Scheyrer und Hilde Rössel-Majdan gebildet, die einander nicht richtig ergänzten. Am Pult des nur sehr schwachen Beifall herausfordernden Abends stand Hans Swarowsky, der nach einem musikalisch uninteressanten Vorspiel eine auf Wissen fundierte Oper „hinlegte". Restlos vermochte der bisher von der Presse so forcierte Dirigent uns noch nicht zu begeistern. Sein zweifellos vorhandenes theoretisches Können zeitigte zwar solides Musizieren, aber zu wenig Inspiration, um seinen Aufführungen den Wert des Außergewöhnlichen zu geben. Der göttliche Funke, der vom Orchester auf die Bühne überspringen soll, wollte sich bisher nicht einstellen.
EIN MASKENBALL am 2. Februar
brachte gutes Niveau. Lovro von Matacic dirigierte gefühl- und verständnisvoll und war den Sängern ein wertvoller Helfer. Amelia war diesmal Gré Brouwenstijn die die Partie anscheinend längere Zeit nicht gesungen hat, denn sie wirkte nicht so sicher wie sonst, was sich im Zutiefsingen mancher Töne zeigte. Dieses Manko wurde allerdings durch die mit viel Liebe durchgeführte Darstellung wettgemacht. Außerdem weiß Gré Brouwenstijn allen ihren Operngestalten Leben zu geben und erweckt daher stets Interesse. Ein guter und sicherer Riccardo war Giuseppe Zampieri, der in dieser Partie stets erfolgreich ist. Aldo Protti (Renato) immer mit vollem Einsatz bei der Sache, auch wenn er, wie diesmal nicht bestens disponiert war. Hilde Rössel-Majdan bot eine ihrer Durchschnittsleistungen, die weder Begeisterung noch Ablehnung hervorrufen. Etwas schwächer als letztes mal, Liselotte Maikl als ‚perlender’ Oskar, während Ludwig Welter und Ljubomir Pantscheff den langjährigen Durchschnitt der Verschwörer bei weitem überragten.
TRISTAN UND ISOLDE am 3. Februar
wurde statt des ursprünglich angesetzten Siegfried gespielt. Das war nur zum Vorteil von Martha Mödl, die sich nicht besonders gut „bei Höhe" befand und sich daher mit der Isolde, trotz einiger sehr problematischen Spitzentöne, immer noch leichter tat als mit der Siegfried-Brünnhilde. Im übrigen beeindrucke wie stets die in Ausdruck und Darstellung vollkommen erfüllte Interpretation der Rolle und ihr intelligentes Singen, besonders im ersten Akt und im Liebestod.
Hans Beirer blieb daneben noch blässer, als er ohnedies schon ist – von Spiel fand man bei ihm keine Spur, (Dabei sang er doch erst knapp vorher in der Wieland Wagner-Inszenierung in Berlin). Immerhin entfaltete er im dritten Akt seine breite baritonale Heldenstimme zu ungewohnter Klangfülle und war hier auch wesentlich intensiver als sonst.
Das Stück hätte an diesem Abend eigentlich „König Marke" heißen müssen, so grandios und ungeheuer eindrucksvoll war Hans Hotters Gestaltung einer Partie, die sonst eigentlich am Rande bleibt. Ganz abgesehen davon, daß er großartig bei Stimme war und die Partie ihm weder in der Tiefe noch in der Höhe irgendwelche Schwierigkeiten macht, war der Orgelklag seines gewaltigen Organs mit einem so intensiven Ausdruck erfüllt und die Gesangslinie von so enormer Spannung und solchem Gefühl getragen, daß selbst der versierte Tristan-Geher den Marke-Monolog mit angehaltenem Atem erlebte. Man hat sich ja vorstellen können, daß Hotter etwas aus dem Marke machen werde, aber diese einmalige Mischung aus Gefühl, Güte, Menschlichkeit, Trauer und edlem Mitleiden rief bei allen Wissenden hemmungslose Begeisterung hervor.
Hilde Rössel-Majdan sang eine gute Brangäne. Sie scheint sich in der Partie bei öfterem Singen zu verbessern. Nichtsdestoweniger würden wir gerne einmal Grace Hoffman, Rita Gorr oder Ursula Böse hören! Otto Wiener war wieder als vortrefflicher, treuer und mitfühlender Kurwenal zu hören und beeindruckte wie stets durch sein durchdachtes Singen und durch seine jedem Fortissimo gewachsene strahlende Höhe.
Herbert von Karajan ist die dem Riesenwerk adäquate, groß angelegte, bei aller Wucht doch transparente musikalische Leitung zu danken.
BALLETTABEND am 4. Februar
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER am 5. Februar
Es gab an diesem Abend eine ausgezeichnete Aufführung . André Cluytens stand wieder am Pult und musizierte seinen blühenden, eleganten (so etwas gibt’s!) und romantischen Wagner, und die Sänger haben unter ihm, soweit sie dazu imstande sind, die Möglichkeit zum Schwelgen. Gré Brouwenstijn sang zum ersten Mal die Senta und gab optisch und darstellerisch eine Idealinterpretation der Rolle. Sie reduzierte die schwärmerische Seite der Partie auf ein im modernen Sinne durchaus vernünftiges Maß und kompensierte vorteilhaft mit verhaltener Innigkeit. Stimmlich hatte sie am Anfang einige Schwierigkeiten, doch überwand sie diese im Laufe des Abends und war auch in gesanglicher Hinsicht sehr erfolgreich. Hervorzuheben ist das Duett mit dem Holländer Otto Wiener, der ja den zweiten Akt besonders schön singt, aber auch in die dramatischen Ausbrüche des ersten und dritten Aktes immer mehr eindringt. Gottlob Frick hatte Vormittag Generalprobe (Fürst Igor) gesungen und die Stimme klang naturgemäß nicht ganz frisch. Er sang aber, davon abgesehen, ausgezeichnet. Sebastian Feiersinger gab wieder einen soliden und verläßlichen Erik. Schauspieler ist er ja gerade keiner, aber stimmlich erscheint er uns um eine Klasse besser als etwas sie Herren Karl Liebl und Co., die man so voreilig unserem „Ensemble" eingegliedert hat. Wenn schon, dann Sebastian Feiersinger! Murray Dickie ist noch immer in schlechter Form. Er hat eine ernsthafte Stimmkrise durchzumachen und sollte besser einige Zeit pausieren.
FÜRST IGOR am 6. Februar, Neuinszenierung
Die Männer waren doch das stärkere Geschlecht!
Borodins Oper nimmt in der Opernliteratur gewissermaßen eine Sonderstellung ein, wie die Entstehung der russischen Oper überhaupt. Denn sie ist nicht das Resultat einer organischen Entwicklung, sie wurde von den sogenannten großen „Fünf" bewußt als nationales Kunstwerk geschaffen. Von Glinka ausgehend hat somit eine Art „Teamwork" ihren Stil geprägt, Komponisten, die alle einen anderen Beruf als den des Musikers hatten. Diese Umstände führten beim Fürst Igor zu dem Ausnahme-Ergebnis, daß die Ouvertüre von Glasunow niedergeschrieben, der Tartarische Marsch von Rimsky-Korsakow instrumentiert wurde. Dies zum Verständnis der Sonderstellung der russischen Schule.
Fürst Igor ist ein unvollendetes Stück und diese Tatsache zeitigte ihre Auswirkungen. Durch das Fehlen des geschlossenen Ganzen wurde der Polowetzer-Akt zum Hauptstück, zum Glanzeffekt. Wir erinnern uns noch genau an die Zeit der Aufführungen im Theater an der Wien, wo das den Fürst Igor kennende Stammpublikum (um Irrtümern vorzubeugen sei vermerkt, daß wir von „kennen" nur nach mehrmaligem Hören der Oper sprechen!) erst vor diesem Akt kam und danach wieder ging.
Der neue Fürst Igor bietet uns musikalisch neu den zweiten Tartaren-Akt (nachdem durch sein Fehlen völliges Unverständnis der Handlung gegeben war), ein Zwischenspiel, das den dritten mit dem vierten Akt verbindet, die Ansprache des Igor und den Ausklang der Oper in strahlendem C-Dur-Akkord.
Diese Bearbeitung durch Lovro von Matacic vermittelt nunmehr ein geschlossenes Ganzes, sie ist gottlob nicht aufgepfropft und erzwungen, sondern organisch gewachsen und formt das Fragment zu einem Werk, dem so das dramaturgische Handicap genommen ist, dessen Aufbau nicht mehr nur der Wirkung des Polowetzer-Aktes zustrebt.
Der Regisseur Paul Hager bedient sich der Projektion (Bühnenbild und Kostüme von Wilhelm Reinking), und sie ist ihm nicht nur ein Mittel zu raschen Umbauten. Hager verwendet sie im übertragenen Sinn als Zeitraffer und hat dadurch an dem neuen Konzept verdienstvollen Anteil. Denn dieses Konzept zeichnet die Handlung der russisch-tartarischen Kämpfe als historisches Gleichnis, als Geschehen einer geschichtlichen Wiederkehr von Attila bis Dschings-Khan, ein Heldenlied abendländischen Geistes gegen die Stürme Asiens.
Nicht ganz widerspruchslos fügt sich die Choreographie von Dimitrije Parlic, für sich gesehen eine schöne Leistung, ein. Als Michael Fokin im Jahr 1909 die Polowetzer Tänze choreographierte, weil Diagilew für Paris ein folkloristisches und „typisch russisches" Ballett haben wollte, waren sie damals gewiß revolutionärer, als man sie heute empfindet. Überdies waren sie damals ein selbständiges Ballett und nahmen auf die Stellung in der Oper keine Rücksicht. Hier sollen sie die Wildheit des Polowetzer-Stammes ausdrücken und das Gegengewicht zu den eigentlich typisch russischen Chören im ersten und letzten Akt bilden. Fokins Choreographie, die Parlic verwendet, war zu sehr Tänzer, um das wilde asiatische Element, das Urhafte, bis zu den Knöcheln im Steppenboden Wurzelnde auszudrücken, das in der Musik vorhanden ist.
Aus dem Orchester kommt jedoch gerade bei den Polowetzer Tänzen alles, was Borodin hier in seiner Musik festhalten wollte: Die elementare Gewalt Asiens, seine lebendige Kraft Wildheit und barbarische Stärke, mit der es alle Fesseln zu sprengen droht, die faszinierende Beklemmung, die von ihm ausgeht.
Lovro von Matacic gestaltete diese Aussage mit einer Wucht, die den Zuhörer, der Ohren hat zu hören, förmlich vom Sitz hochjagt und fortreißt. Ob beim Tartarenritt oder beim Saufchor, bei der Kirchenszene oder beim Sturmfinale, immer lebt die slawische Seele mit ihren Tiefen und Höhen mit, vor dem Hintergrund beklemmender Atmosphäre.
Ein besonderes Lob gebührt unserem Chor. So möchten wir ihn immer hören! Daß unsere Choristen diesmal widerspruchslos der Regie folgen und auch spielen konnten, sei als neuerliches Plus vermerkt. Ein besonderes Glanzstück ist der Mädchenchor in der Jaroslawna-Szene.
Eine authentisch russische Aufführung von der Wiener Staatsoper verlangen zu wollen, grenzt fast schon an Haarspalterei. Denn von unseren auf Deutsch und auf „Linie" trainierten Sängern russische, im Hals sitzende Stimmen verlangen zu wollen, hieße, die Stimmen einer unnötigen Zerreißprobe zu unterziehen. Daher klingt auch alles zu wenig urwüchsig, zu kultiviert, zu elegant.
Dies gilt zuerst für Eberhard Wächter. Er ist rein stimmlich ebenso wenig ein Igor, wie es früher Paul Schöffler war. Auch Eberhard Wächter, obwohl der sehr schön sang, eine gewisse Urwüchsigkeit. Die Stimme ist fast zu edel, zu kultiviert, zu nobel. Die Rolle erfüllt er allerdings mit Persönlichkeit, Ausdruck und darstellerischer Kraft.
Dies gilt auch für Hilde Zadek als Jaroslawna, doch kann sie nicht durch ebenso starke Persönlichkeit und stimmlichen Edelklang einen „Ersatz" schaffen. Die Partie verleitet auch zum Larmoyanten, für Frau Zadek eine Gefahr, wie dies auch die Spitzentöne sind, mit denen sie ihre liebe Not hat. Dafür sang sie musikalisch wohlfundiert mit viel Liebe zur Sache und bestand so ihre Aufgabe.
Der Galitzky von Hans Hotter bewies einmal mehr, wie sehr dieser Künstler imstande ist, selbst an einem schwächeren Abend, den er bei der Premiere hatte, zu faszinieren. Niemals wird bei ihm etwas zur Schablone, und seine Persönlichkeit fegt sozusagen alles andere von der Bühne.
Sehr gut eingesetzt ist Gottlob Frick, der mit seinem mächtigen Baß in der Partie des Khan Kontschak bestens zur Geltung kam. Er zeichnet diese Figur primitiv, breitspurig, der Barbar steht dabei im Vordergrund.
Ausgezeichnet die beiden Gudokspieler Karl Dönch (Skula) und Peter Klein (Eroschka). Vor allem Peter Klein konnte wieder einmal ein Kabinettstück feiner Ziselierung hinlegen.
Mit dem Wohlklang seine Belcanto sang Giuseppe Zampieri den Wladimir. Er kämpfte dabei etwas mit der deutschen Sprache, doch wissen wir bereits, daß sich das bei ihm von Aufführung zu Aufführung zu bessern pflegt. Er hätte sich wahrlich ein schöneres Kostüm verdient, doch wurde dies leider erst nach der Premiere geändert.
Für die Besetzung der Rolle der Kontschakowna ergab sich das Kuriosum, daß zwei Mezzosopranistinnen um die Partie einer Contra-Altistin stritten. Der Erfolg: eine transponiert gesungene Arie und das Gefühl, daß Ira Malaniuk sich selbst in diesem Part nicht wohl fühlte. Leider ist auch die Figur verzeichnet. Die katzenhafte Wildheit, die fremdartige Lieblichkeit des Tartarenmädchens kommen nicht zum Ausdruck, und die Gestik großer Operngebärden ist hier fehl am Platz. Margareta Sjöstedt als Polowetzer Mädchen sang schön und sauber. Auch die kleinen Partien hielten Niveau.
Die Kostüme sind (bis auf das des Wladimir im Tartarenbild) prächtig: die russischen, in der matten Leuchtkraft alter Ikonenmalerei gehaltenen russischen sind eindrucksvoller als die tartarischen, von denen der Laie meinen möchte, sie böten mehr Möglichkeiten zum Effekt. Ausgezeichnet jedoch die erdbraune Gewandung der Tartarenkrieger, die so sehr wirksam die Menschenwelle charakterisierten, die sich unaufhaltsam über die Steppen vorwärts schiebt.
DAS RHEINGOLD am 7. Februar
Es war wieder eine Aufführung mit konstant hohem Niveau, eine Ensembleleistung in höchst positivem Sinne, diesmal Hand in Hand mit einer herrlichen Leistung des Orchesters. Besonders den Bläsern gelang, an diesem Abend einfach alles: das Naturmotiv am Anfang ebenso wie das offenbar für die Kontrabaßtuba sehr schwierige Lindwurmmotiv, und natürlich die glänzende Motivballung der Schlußsteigerung. Die groß angelegte Konzeption Herbert von Karajans fand so eine wunderbare Erfüllung.
Auch auf der Bühne war alles in bester Verfassung. Ira Malaniuk und Hans Hotter, die tags zuvor beim Igor absolut nicht gut bei Stimme waren, sangen hervorragend die ihnen offenbar wesentlich besser liegenden Götterpartien. Auch Gottlob Frick, in diesen Tagen sehr beansprucht, orgelte den Fafner mit des Basses Grundgewalt und hatte in Walter Kreppel einen hervorragenden Bruder Fasolt. Kreppel ist in kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Sänger des Hauses geworden. Er ist immer da, wenn man ihn braucht, lernt alles, was verlangt wird und ist eigentlich immer gut. Seine Stimme, die ohne Bruch und ohne Loch vom tiefen bis zum hohen F reicht, ist eine der ausgeglichensten Stimmen, die wir kennen. Nur seine Intonation ist manchmal unsauber (übrigens beim Fasolt gerade nicht oder kaum!) aber das ist ja eine Fachkrankheit der Bässe und dürfte im Falle Kreppel auf Überlastung, z.T. auf die Vergrößerung und Verbreiterung der Stimme zurückzuführen sein. Das jedoch dürfte sich zweifellos wieder bessern.
Ein diesmal lyrischer, aber sehr ausdrucksvoller und intelligenter Loge: Richard Holm. Es ist interessant, wie viele gute Loges es jetzt plötzlich gibt, nachdem nach dem Abgang Pölzers in den ersten Nachkriegsjahren nur Svanholm in dieser Partie international hervortrat. Nun haben wir Gerhard Stolze, Wolfgang Windgassen, Richard Holm, Fritz Uhl. Die Wahl beginnt langsam direkt schwer zu fallen. Lotte Rysanek führte diesmal das ausgezeichnete Rheintöchterensemble (mit Sena Jurinac und Hilde Rössel-Majdan) auf so klangschöne und sichere Art, daß man sie beinahe mit der Lipp hätte verwechseln können. Das viele und regelmäßige Singen in der Volksoper (wahrscheinlich ist sie jetzt zum ersten Mal wirklich voll beschäftigt) scheint sich bei Lotte Rysanek positiv auszuwirken. Gré Brouwenstijn und die Herren Waldemar Kmentt, Eberhard Wächter, Peter Klein und Alois Pernerstorfer waren in ihren Stammpartien erfolgreich wie stets.
DIE ZAUBERFLÖTE am 8. Februar
Trotz der Absage von André Cluytens und Wilma Lipps war diese Aufführung eine gute und durchaus würdige Repertoirevorstellung. Wilhelm Loibner hielt Bühne und Orchester zusammen. Es wurde mit Geschmack musiziert und mit Erika Köth, Waldemar Kmentt, Gottlob Frick, Otto Wiener, Erich Kunz und Anneliese Rothenberger stand ein verständnisvolles, kultiviertes, gutes und ausgeglichenes Mozartensemble auf der Bühne. Sogar die drei Damen Hilde Zadek, Margareta Sjöstedt, Ira Malaniuk waren diesmal sicher und timbremäßig schön aufeinander abgestimmt. Die Pamina sang einspringenderweise Gerda Scheyrer und hinterließ einen sehr guten Eindruck (wir haben es in der Einleitung bereits erwähnt). Sie sang sorgsam, stets auf die Führung ihrer schönen, lyrischen Stimme bedacht und mit Ausdruck und Gefühl. Die Partie stellt sie eben nicht, wie die Elvira, vor unlösbare Probleme. Wir wundern uns, warum man Gerda Scheyrer eigentlich noch nicht die Gräfin oder ähnliche Partien studieren ließ, für die wir so viele Sängerinnen haben und die doch dann plötzlich unbesetzbar sind. (Siehe Weihnachts-Figaro…).
WOZZECK am 9. Februar
Sogar der breiten Masse fällt es auf, wenn der Tenor in der Stretta im Troubadour das C ausläßt. Ungefähr ebenso niederschmetternd wirkte es auf den Wozzeck-Spezialisten, wenn er mit der Partitur in der Hand dasitzt und gespannt auf die beiden Orchester-Crescendi im dritten Akt – zwischen Mord und Café-Szene – wartet und Folgendes geschieht: Nach dem ersten Crescendo setzte der Pianist auf der Bühne (hinter geschlossenem Vorhang!) falsch ein, der Vorhang ging flink in die Höhe – anscheinend hatte auch der Inspizient einen Kurzschluß. Die Orchestermusiker hörten mit der zum Teil bereits begonnenen Steigerung kurz entschlossen wieder auf, und es gab einen so totalen Pallawatsch, wie wir ihn auf einer Opernbühne noch selten erlebt haben. Wie kann es sein, daß ein unaufmerksamer und nicht im Bilde befindlicher Klavierist hundert Mann künstlerisches und technisches Personal durcheinander bringt? Dieser Schmiß war ein ausgewachsener Skandal! Wir möchten schon ersuchen, daß sich die Herrschaften etwas mehr mit dem Wozzeck befassen. Den beutelt man eben nicht so aus dem Handgelenk wie beispielsweise die Entführung. Und außerdem könnte es am Ende doch jemand merken. Und das alles als „Ehrung" zu Alban Bergs Geburtstag! Auch ansonsten ging nicht alles glatt. Heinrich Hollreiser dirigierte. Auf der Bühne dominierten Christl Goltz und der großartige Walter Berry in gewohnter Weise. Ivo Zidek sang einen Tambourmajor, der ausnahmsweise sogar über Stimme verfügte, aber auch nicht gut war. Zu der Rolle braucht man offenbar keine Stimme? Karl Dönch bemühte sich diesmal, mehr zu singen, als - wie gewöhnlich – zu schreien, was dem Doktor absolut nicht schadete. Peter Klein war wieder der Hauptmann. Die übrigen Comprimarii waren völlig indiskutabel: Ihre Namen seien hiermit an den Pranger gestellt: Polly Batic, Erich Majkut, Marjan Rus, Karl Weber und William Wernigk.
FÜRST IGOR am 10. Februar
In der ersten Wiederholungsaufführung, die in Premierenbesetzung (siehe 6. Februar) stattfand, schien sich eine leise Resignation und Müdigkeit breit machen zu wollen, die jedoch durch die bekannte vitale Intensität des Dirigenten überbrückt wurde. Abermals sprach die Aufführung für sich selbst, führte das Urteil einiger Zeitungsstimmen ad absurdum und brachte Lovro von Matacic demonstrativen Publikumsbeifall ein.
DER ROSENKAVALIER am 11. Februar
Großes Interesse fand André Cluytens mit seinem ersten Wiener (dem Vernehmen nach soll es überhaupt sein erster gewesen sein) Rosenkavalier. Der erst Akt war noch etwas verhalten und auf eine ganz subtile Weise lyrisch. Die relativ langsamen Tempi kamen Hilde Konetznis schwerer Stimme sehr zugute. Dann wuchs Cluytens im Verlaufe des Abends immer mehr in das Werk hinein, handhabte die glänzende Strauss’sche Orchesterpalette mit souveräner Manier und stürzte sich mit mehr Schwung in die Walzer als mancher Hiesige. Auf der Bühne stand der ideale Rosenkavalier von Sena Jurinac, gleich hinreißend in seinen Freuden, Intrigen und Schwierigkeiten. Die gefühlvolle, innige, herzliche Marschallin von Hilde Konetzni, die süße Sophie von Anneliese Rothenberger, der urwüchsige, köstliche und originelle Faninal von Otto Wiener, der ausgezeichnete Sänger von Giuseppe Zampieri und, last but not least, Ludwig Welter als Ochs. Er hat seit seinem ersten Gastspiel in dieser Partie unleugbar sehr große Fortschritte gemacht. Darstellerisch bringt er eine sehr glückliche Mischung von einer gewissen rustikalen Derbheit und gespreizter Grandezza, hat sehr viel Humor und auffällig viel Geschmack im Spiel. Er wirkt nie überspielt, nie zu derb, immer wahrt er den Rahmen einer Salonkomödie. Stimmlich war er ebenfalls bestens, der Konversationston ist ihm durchaus geläufig, Tiefe und Mittellage gut und Ludwig Welter, der imstande ist, in manchen Partien auf dem Des auszurutschen, überraschte mit einem Forte-Fis im zweiten Akt, sang das „Heu" zwar im Kopf, aber klangschön und die Gesamtleistung war somit sehr eindrucksvoll.
FIDELIO am 12. Februar
Herbert von Karajan leitete eine ungemein spannungsgeladene Aufführung. Er hatte aber auch ein wahrhaft prachtvolles Ensemble zur Verfügung.
Gré Brouwenstijns Leonore, prachtvoll gesungen und von erschütterndem Ausdruck in Stimme und Spiel, muß zuerst genannt werden. Die Künstlerin gestaltet diese Rolle mit einer Intensität, die oftmals glauben macht, es gäbe einfach keine Steigerung mehr. Doch auf den Höhepunkt der großen Arie folgte die Kerkerszene, und die Spannung war noch immer da, wurde immer stärker, bis zum Schlußbild, wurde zum wirklichkeitsnahen ergreifenden Erlebnis.
Giuseppe Zampieri, derzeit stimmlich in Hochform, war als Florestan auch ausdrucksmäßig ein Erlebnis. Alle Achtung vor dem Italiener, der sich diese Rolle nicht nur stimmlich, sondern auch stilistisch und geistig erarbeite hat und weiß was er singt. Daß es in der großen Arie einige Sekunden gab, in denen dem Zuhörer fast das Herz stehenblieb, weil er den Text verlor und ausstieg, darf trotzdem nicht verschwiegen werden.
Hans Hotter gewinnt dem Pizarro immer neue Nuancen ab, nie erstarrt er im Bösewicht-Klischee, die Stimme übertönt noch die größten Orchesterfluten, und er beherrscht die Szene, so wie Pizarro sie eben beherrschen muß. Dem Minister gab Otto Wiener den Adel seiner Stimme und die Würde seiner Erscheinung. Gottlob Frick war ein schön singender und schauspielerisch guter Rocco, Irmgard Seefried und Murray Dickie das junge Paar.
Der Gefangenenchor war stimmlich in Ordnung, nur müßte man endlich die Regie verbessern (die Solisten wissen ja sowieso was sie zu tun haben). Man kann nicht diese Masse der Gefangenen, Masse auf Grund des gleichen Schicksals und beseelt von einzigen Gedanken nach Freiheit in Einzelindividualitäten auflösen und einen davon extra noch im Scheinwerferkegel herausstellen. Das ist unmusikalisch.
Das Orchester spielte (nach anfänglichem Bläserschmiß) herrlich und krönte die Aufführung mit einer in solcher Intensität selten gehörten Dritte Leonoren-Ouvertüre.
DER ROSENKAVALIER am 13. Februar
André Cluytens wiederholte seinen Rosenkavalier und Hilde Konetzni ihre Marschallin, die uns so recht ein Stück der alten, großen Wiener Operntradition miterleben läßt. Erika Köth sang diesmal die Sophie mit manchmal fast zu schalkhaften Augen bei der Konversation mit dem Oktavian, den Sena Jurinac abermals mit Persönlichkeit, Charme, Elegance und Stimmschönheit verkörperte. Kurt Böhme befindet sich derzeit in guter stimmlicher Verfassung. Hätten wir keinen Blick auf die Bühne getan, könnten wir sagen, daß er ein sehr guter Ochs gewesen sei, so aber trübte er, durch das Gelächter im Zuschauerraum herausgefordert, seine Gesamtleistung durch Überzeichnung der Figur. Sein Gelächter, das er im zweiten Akt als Soloeinlage einschiebt, wirkt zwar sehr auf einen Teil des Publikums, gehört aber trotzdem nicht auf die Opernbühne. Seine „Spaßetteln" mögen für viele Gelegenheitsbesucher animierend sein, zu einem Wiener Ochs passen sie nicht. Möge der Künstler doch endlich die Wiener Mentalität verstehen lernen, die sehr sensibel den Unterschied von feinem, echt empfundenem Humor und aufdringlicher Possenreißerei registriert. Mit einem solchen Benehmen hätte der Ochs von Lerchenau keinen Zutritt bei der Marschallin erhalten, höchstens auf einer Stegreifbühne.
CAVALLERIA RUSTICANA und DER BAJAZZO am 14. Februar
Die beiden Einakter übernahm kurzfristig Wilhelm Loibner, der konventionell und rasch, aber mit Gefühl für die Sänger, Orchester und Bühne zusammenhielt (mit Ausnahme der Chorszenen, die seine Kräfte überstiegen). Der Feinschmecker kommt bei diesem Dirigenten nicht auf seine Rechnung, denn für orchestral-detailierte Zeichnung der Partitur bleibt ihm keine Zeit. Sein ganzes Augenmerk gilt eben der Bühne.
In der CAVALLERIA hörte man Kostas Paskalis zu ersten Mal als Alfio, der für diesen Part keineswegs die erforderliche Tiefe der Stimme besitzt. Mehr über ihn auszusagen verbietet die Fairneß, denn der Sänger rettete durch sein Einspringen immerhin die Vorstellung, auch wenn er in griechischer Sprache sang. Christl Goltz hatte keinen guten Abend. Zu viele der Töne gerieten um einen Bruchteil zu tief, der letzte Ton im Duett sogar um mehr. Giuseppe Zampieri gefiel durch sein Stimmtimbre, weniger durch sein rhythmisches Gefühl, das ihn bei der Sicilliana im Stich ließ. Rosette Andays Mutter Lucia haben schon unsere Vorfahren gehört. Damals war sie wahrscheinlich besser. Als akzeptable Lola entpuppte sich Ruthilde Boesch.
Im darauf folgenden BAJAZZO sang ein Gast, Leonard del Ferro, die Hauptrolle. Er bringt die für die Partie nötige Schwere der Stimme mit, die ihre Stärke in der baritonal gefärbten Mittellage und Tiefe beweist. Mit seinen Spitzentönen vermag er weniger aufzutrumpfen. Zwar gab es keinen Schmiß, in der Bedeutung des Wortes, aber die exponierten Töne kamen sehr forciert über die Rampe. Wobei allerdings zu bemerken ist, daß durch die Intelligenz des Sängers, der auch ein gutes schauspielerisches Konzept zeigte, dies weitgehendst kaschiert werden konnte. Im Vergleich zu Antonio Annaloro erwies er sich geradezu als Stimmprotz. Die gesanglich beste Leistung des Abends bot diesmal Mimi Coertse, die mit dem Vogellied den Vogel abschloß. Kostas Paskalis war ein Durschnittstonio, der seine besten Momente im zweiten Akt hatte. In diesem bekam seine Gestaltung plötzlich echtes Leben. Gänzlich farblos blieb Karl Weber als Silvio. Wäre er zum Schluß der Aufführung nicht vor den Vorhang gekommen, hätte man darauf vergessen, daß er mitgewirkt und gesungen hat. In darstellerischer Hinsicht war er in den Szenen mit Nedda von seltsamer Schüchternheit befangen, vom Liebhaber keine Spur. Mimi Coertse brachte dieser Partner um den wohlverdienten Applaus, denn sie selbst sang auch das Duett ausgezeichnet.
AIDA am 15. Februar
Der hervorstechende Eindruck dieser Vorstellung war leider die Langweiligkeit der Aufführung. André Cluytens bevorzugte Tempi, neben denen die Lovro von Matacics oder Antonino Vottos geradezu rasant wirken. Es zündete nicht, riß nicht mit, und die so theaterwirksame Aida hatte alle Wirkung verloren. Auch die Besetzung war nicht glücklich. Gré Brouwenstijn ist keine Aida, Christa Ludwig keine Amneris. Salvatore Puma erwies sich als recht guter Tenor mit angenehmer Stimme, guter Höhe, viel Luft und gar keinem Piano. Für den Radames war er eigentlich auch nicht dramatisch genug. Hans Hotter ist allerdings ein Amonasro, und es ist sehr interessant, wie dieser Künstler, im deutschen Fach absolutes Maß für alle seine Rollen, sich bemüht, in der italienischen Oper seine schwere Riesenstimme geschmeidiger zu machen und belcantesk zu führen. Ein Versuch, der naturgemäß nicht immer vollen Erfolg hat, aber für die künstlerische Gewissenhaftigkeit und das eminente Stilgefühl des Kammersängers Hans Hotter spricht. Walter Kreppel und Ludwig Welter waren die verläßlichen Bassisten. Christa Ludwigs Stimme ist für die Amneris zu hell und zu leicht (sie kaschiert in der Gerichtsszene einige Tiefen, die sie nicht hat, nach oben). Das Finale des zweiten Aktes mit der fast sopranigen Höhenlage gelang ihr allerdings sehr gut. Sie hatte nach der Gerichtsszene, in der sie sich ganz verausgabte und mit vollem Einsatz ihrer starken Persönlichkeit viel Wirkung erreichte, starken Applaus. Zum Glück singt sie die Partie ohnedies selten. Gré Brouwenstijn hatte darstellerisch, auch in Stil und Ausdruck, mehr zu bieten als rein stimmlich, wo sie sich manchmal fürchterlich anstrengen mußte. So war ihre Leistung diesmal nur als durchschnittlich zu bezeichnen. Allerdings: Wer ist heute schon eine vollkommene Aida? Die Leontyne Price und, wenn sie gewisse Piano-Überspitztheiten korrigiert – die Leonie Rysanek. Eine Aida-Besetzung aus dem Ärmel zu schütteln, ist eine schwierige Sache und bedürfte besserer Disposition. Der Glücksfall unserer legendären vorigjährigen Dimiter Usunow, Leontyne Price, Giulietta Simionato, Aldo Protti-Aida dürfte sich nicht so bald wiederholen.
DON CARLOS am 16. Februar
In dieser Aufführung stellte sich Raphael Arié als Philipp vor und selbst ständige Besucher dieser Oper mußten zugeben, daß er die diversen spanischen Könige der letzten Jahre (Cesare Siepi in Salzburg ausgenommen) in den Schatten stellte. Raphael Ariés Stimme ist technisch hervorragend geschult, sonst hätte er seinen Schnupfen nicht so souverän übersingen können. Sie fließt ruhig und klangschön und ist äußerst modulationsfähig. Darstellerisch gestaltete der Künstler aus Musik und Wort heraus und vermeidet alles Überflüssige an Gestik. Es ist alles da, was da sein muß, aber Gott sei Dank um keine Bewegung mehr. Der Dirigent Berislav Klobucar mußte sich erst an die auch im Klang äußerst differenzierte Rollengestaltung dieses Philipp gewöhnen, die bei hauseigenen Vertretern dieser Partie unbekannt ist. Raphael Arié hatte aber auch ihm ebenbürtige Partner. Hans Hotters Großinquisitor hatte endlich die Partnerschaft, die ihn weit über seine sonstige (schon überragende) Leistung hinausführte. Dazu Eberhard Wächters Posa, der zu immer intensiverer Rollendurchdringung kommt und stimmlich eine fast italienisch anmutende Modulationsfähigkeit zeigte. Giuseppe Zampieris Carlos war stimmlich (wie in letzter Zeit immer) ausgezeichnet und auch darstellerisch sehr gut. Die beiden Frauenparts waren ebenfalls ausgezeichnet besetzt. Sena Jurinac, nicht nur makellos im Gesang und bildschön, sondern auch darstellerisch ein Erlebnis. Wie sie diese Elisabeth, die inmitten der Steife und Kälte des spanischen Hofes hinsiecht, dem Zuhörer nahe bringt, ist ergreifend. Statt der absagenden Grace Hoffman übernahm kurzfristig Christa Ludwig die Partie der Prinzessin Eboli. Sie sang zwar deutsch, dafür aber nicht minder schön als ihr Partner. Selbst Karl V., der in der Besetzung sonst immer so stiefmütterlich behandelt wird, hatte in Ludwig Welter endlich wieder einen würdevollen, richtig singenden Interpreten. Anneliese Rothenbergers Stimme klang glockenrein, die Hugo Meyer-Welfings pensionierungsreif. Der Chor schien durch Grippe stark dezimiert, tat aber sein Bestes und der Dirigent hatte das Orchester fest in der Hand, hätte zwar manchmal etwas differenzierter sein können, bot aber im Großen und Ganzen eine überdurchschnittliche Leistung. Mit Abstand dominierend blieb allerdings die Bühne.
DER ROSENKAVALIER am 17. Februar
Anstelle von Arabella setzte man an diesem Abend wieder Rosenkavalier an. (Ob man ihn jetzt nach dem Holländer auch en-suite herunterradeln wird, bis kein Mensch mehr geht?). Man macht sich’s einfach, von Planung keine Spur. Doch wäre es ungerecht zu behaupten, daß der Abend nicht Schönes zu bieten hatte. Sena Jurinac als Interpretin der Titelpartie war groß in Fahrt. Hilde Konetzni, eine gefühlvolle Marschallin, die diesmal mehr durch Ausdruck als durch stimmliche Frische imponierte. (Kein Wunder es war die dritte Marschallin innerhalb von sechs Tagen). Anneliese Rothenberger und Otto Wiener ergänzten die Pluspunkte des Abends. Dagegen fielen Kurt Böhme – der noch mehr als in der vorangegangenen Aufführung die Mariandl-Szene überspielte, und Ivo Zidek als gepreßt und forciert singender Sänger ab. Judith Hellwig brachte – einmal mehr – mit ihren spitzen, scharfen Tönen Unruhe ins Haus. Heinrich Hollreiser kämpfte sich mit unterschiedlichem Erfolg durch die Oper. Im ersten Akt wirkte er so nervös und zerfahren, daß man schon das Schlimmste befürchtete, verblüffte daraufhin jedoch mit einem schwungvollen und animierten zweiten Akt, während er im dritten Akt erst wieder im Finale vorhanden war. Seine Gesamtleistung wirkte trotzdem besser als sonst.
FIDELIO am 18. Februar
Diese Aufführung war höchst durchschnittlich. Man sollte das Werk aber ebenso nicht in durchschnittlicher Interpretation bieten, die wie Neunte. Unser Repertoire ist weiß Gott bereits groß genug. Immerhin zeigte der Abend eifriges Bemühen aller Mitwirkenden und niveaumäßig im zweiten Akt – besonders zur Leonoren-Ouvertüre und zum Finale hin – ansteigende Tendenz. Trotz solider Gesangleistung der Damen Hilde Zadek und Teresa Stich-Randall trug deren offenbar unüberwindliche Larmoyanz die Hauptschuld an dem uninteressanten ersten Akt. Man dürfte sie – wenn schon in Fidelio, dann doch keinesfalls miteinander ansetzen. Die überragende Erscheinung auf der Bühne war wieder Hans Hotters großartiger, schärfstens profilierter Pizarro. Auch Anton Dermota war gut bei Stimme. Walter Kreppel und Otto Wiener sangen den Rocco und Minister vorzüglich und Gerhard Stolze glich sein Übernuancieren im ersten Akt aus, indem er im Finale sehr viel Stimme gab, sodaß man von ihm mehr hörte, als von jedem anderen Jacquino. Heinrich Hollreiser war der Dirigent des Abends.
MADAMA BUTTERFLY am 19. Februar
Berislav Klobucar dirigierte sicher und beherzt, ständig darum bemüht, die Einheit von Bühne und Orchester so eng wie möglich zu gestalten. Sena Jurinac sang einen guten ersten Akt, in welchem nur die Höhe zuweilen belegt schien, wußte dafür aber durch seelenvolles Piano, durch strömende Mittellage ganz die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Giuseppe Zampieri sang kultiviert, einmal ein bißchen zu früh einsetzend, den Pinkerton und Eberhard Wächter gefiel durch ausgezeichnete Phrasierung und soignierte Darstellung. Als Kate Pinkerton tauchte mit Gundula Janowitz ein neues Gesicht auf. Der schöne Repertoire-Abend steigerte sich nach der Pause zum Ereignis, zum Erlebnis für jeden noch so verwöhnten Opernliebhaber. Dank Sena Jurinac. Die Künstlerin hatte sich frei gesungen und überbot sich stimmlich selbst. Plötzlich vergaß man die Kulissen, vergaß, daß man sich im Theater befand. Sena Jurinac war die Erfüllung der Partie und ihr erregendes Stimmtimbre identifizierte sich mit der Aussage eines Frauenschicksals schlechthin. Wie das oft bei Berislav Klobucar der Fall ist, wuchs er von der Sängerleistung inspiriert, über sich selbst hinaus. Es gab an seiner Leistung nichts auszusetzen. Aber auch Giuseppe Zampieri steuerte ein selten so schön gesungenes Addio bei. Das Publikum fühlte den außergewöhnlichen Abend instinktiv und bereitete am Ende der Vorstellung Sena Jurinac stürmische Ovationen, die weit über das bei einer Repertoireaufführung übliche Ausmaß hinausgingen.
ARABELLA am 20. Februar
Leider ohne Arabella! „O Theodor, welche Wendung!" Unsere Arabella-Aufführungen waren durch die für diese Partie geradezu prädestinierte Lisa Della Casa und die prächtige musikalische Leitung Joseph Keilberths (trotz des Fehlens eines „richtigen" Mandrykas) immer ein außergewöhnliches Erlebnis. Nun fielen zum ersten male seit der vorjährigen Premiere beide aus. Lisa Della Casa war an Grippe erkrankt und Joseph Keilberth der Münchner Opernchef, will anscheinend seinem Haus voll und ganz zur Verfügung stehen. Er dirigiert dort oft dreimal wöchentlich und hat daher für Wien nicht mehr Zeit. Wir sehen ein, daß er so handelt, sehen aber nicht ein, daß man nach seiner großartigen Leistung Heinrich Hollreiser das Werk übertrug. Es rächt sich jetzt eben, daß man Rudolf Kempe, der im Theater an der Wien so großartige Arabella-Aufführungen leitete, leichtfertig gehen ließ und man andererseits nicht versucht, Lovro von Matacic oder Heinz Wallberg für dieses Werk zu interessieren und zu gewinnen. Heinrich Hollreiser also übernahm dieses Juwel und war zu sehr mit der Partitur beschäftigt um sich auch noch um die Bühne zu kümmern. Das Orchester blieb diesmal hinter seiner sonstigen Arabella-Leistung zurück (Bläser!). Darüber hinaus fehlte dem musikalischen Teil die Brillanz der Wiedergabe und es ging viel Liebgewonnenes verloren und die gesamte Aufführung sank dadurch ab. Hilde Zadek sang zum ersten Mal in Wien (an der Rheinoper war sie bereits zu hören) die Titelpartie. Es ist zu begrüßen, daß ein weiteres Ensemblemitglied diese Partie beherrscht und somit die Aufführung ermöglicht hat, doch darf nicht verschwiegen werden, daß gerade diese Partie der Künstlerin weit weniger als ihre anderen Strausspartien (Ariadne, Chrysothemis und Marschallin) liegt. Während sie gesanglich der Partie kaum etwas schuldig blieb, konnte sie darstellerisch überhaupt nicht überzeugen. Es fehlt jene Unbefangenheit, jenes Sich-Selbstvergessen und Wiederfinden, die Unbekümmertheit der jungen Komtesse, die gleichzeitig mit mehreren Verehrern flirtend, jenem Mann entgegenträumt, der für sie das große Erlebnis, die große Liebe sein wird (..der wird einmal dastehn, da vor mir und wird mich anschaun und ich ihn… und selig werd’ ich sein und gehorsam wie ein Kind.). Carlos Alexander, den wir von der Premiere her immer als Gast haben, sang auch diesmal, da kein hauseigener Mandryka zur Verfügung steht (Vor Edmond Hurshell bewahre man uns ein zweites Mal!). Er hat in dieser Aufführung seinen bisher besten Mandryka gesungen. Den ersten Akt machte er sich ganz zu eigen, bekam aber im zweiten einen leichten Schwächeanfall und konnte an den guten Beginn des Abends nicht mehr anschließen. Darstellerisch wirkte er nicht unbeholfen wie ein Bär, eher hölzern, derb und grob. Großartig Anneliese Rothenberger als Zdenka. Sie steigert ihre Leistung noch immer von Aufführung zu Aufführung und stellt hier ein Maß für alle künftigen Rollennachfolgerinnen auf. Das Elternpaar war bei Ira Malaniuk und Kurt Böhme in den besten Händen. Die schöne Gräfin, die im Ballakt einen Tanz hinlegte, daß dem Zuschauer der Atem weg blieb und der vom Spielteufel besessene Graf, den die Geldscheine in den Händen jucken, verschmolzen mit ihren Darstellern in eins. Ivo Zidek (Matteo) und Karl Terkal (Elemer) steuerten in überzeugender Weise allen tenoralen Glanz der Aufführung bei. Mimi Coertse warf die Koloraturen der Fiakermilli wie Perlen in den Ballsaal und Elisabeth Höngen bot als Kartenaufschlägerin erneut ein Kabinettstück feinster Rollengestaltung. Da unsere Arabella mit der Sängerin der Titelpartie und wie sich erwiesen hat, mit dem Dirigenten steht und fällt, fand die Aufführung trotz der ausgezeichneten Ensemble-Leistung wenig Interesse. Von den Stammstehplatzlern war kaum jemand zu finden und von den sonst üblichen Jubelstürmen blieben nur sieben Schlußvorhänge übrig.
MADAMA BUTTERFLY am 21. Februar
Diese Aufführung leitete Alberto Erede gleich zweimal (Nachmittag eine geschlossene Aufführung). Wir gehören keineswegs zu denen, die meinen, ein Opernrepertoire dürfte nur aus Lulu, der Glücklichen Hand und Moses und Aaron bestehen. Wir haben auch gar nichts gegen das öftere Ansetzen der Butterfly im Spielplan, aber zuerst monatelang überhaupt keine Aufführung und dann dreimal in drei Tagen, das ist wohl ein bißchen viel! Die Abendvorstellung fand statt Angelina statt und hatte in Alberto Erede die größte Stützte. Er dirigierte mit Schwung, Gefühl und erreichte viel klangliche Delikatesse. Carla Martinis versuchte im ersten Akt – sie schien begreiflicherweise sehr nervös und sang beim Auftritt nicht hinauf – die für unsere Begriffe überholte, liebliche Trippel-Geisha-Auffassung wieder hervorzuholen. Sie scheute sogar nicht davor zurück, die dunkle Stimme auf „kindlich" aufzuhellen, was wir sehr deplaciert fanden. Einige schauderhaft zu tief gebrüllte Spitzentöne waren der Lohn dafür. Als sie wieder zu normaler Tongebung zurückkehrte und schlichte Empfindung in ihren Gesang legte, ging es im zweiten und dritten Akt wesentlich besser. Giuseppe Zampieri hatte als Pinkerton keinen besonders guten Abend, und dem stimmlich soliden Claude Heater fehlte es für den amerikanischen Konsul an der gewissen Noblesse, die unser Eberhard Wächter und unser ehemaliger Rolando Panerai so mühelos und quasi wie von selbst mitbrachten. Es ist uns überhaupt leid um Rolando Panerai, unserem einstigen Hausbariton. Als wir Aldo Protti und Ettore Bastianini noch nicht hatten, war er gut genug dafür, dreimal in der Woche zu singen. Auch jetzt würden wir ihn als Figaro, Leporello, Guglielmo, Sharpless und Ford gern wieder einmal hören. Dagmar Hermann und Erich Majkut waren verläßliche Nebenrollenträger. Daß sie nicht eben die schönsten Stimmen haben, dürfte nicht unbekannt sein.
FÜRST IGOR am 22. Februar
Diese Reprise bewies noch deutlicher als die Premiere bis zum Finale ständig vorwärts getriebene Steigerung. Während der erste Akt an diesem Abend noch nicht viel Stimmung zu verbreiten vermochte, gewann der Abend nach der ersten Pause zunehmend an Atmosphäre, die auch nach dem Polowetzer-Akt nicht zerflatterte, sondern sich bis zum Finale zu verdichten vermochte, und so neuerlich die gewünschte Wirkung und das geglückte Konzept auswies. Die Partie des Khan wurde von Walter Kreppel übernommen, die des einen Gudokspielers von Gerhard Stolze. Beide Solisten bewiesen, daß sie nicht als zweite Besetzung zu bewerten sind. Sie standen den Premierensängern keineswegs nach. Eberhard Wächter bemühte sich mit Erfolg in seinem Organ noch mehr Metall hörbar zu machen. Es gelang vorzüglich und wirkte ebenso. Ob dies allerdings auf die Dauer der Stimme zuträglich sein wird, das ist noch sehr die Frage und eigentlich hat Eberhard Wächter es nicht nötig, in dieser Beziehung etwas zu riskieren. Sein Igor ist für ihn ein Erfolg, so oder so. Und wenn wir davon sprachen, daß seiner Stimme zugunsten des Edlen das Urwüchsige fehle, so meinten wir deshalb nicht, daß er daran etwas ändern sollte! Auf jeden Fall dominierte Eberhard Wächter an diesem Abend eindeutig, während Hans Hotter nicht sonderlich gut disponiert zu sein schien. Langsam beginnen wir zu überlegen, ob nicht vielleicht auch er zugunsten der russischen Rauhkehligkeit des Singens Zugeständnisse macht, die ihm nicht sehr bekommen. Das verlangt doch um Himmelswillen kein Mensch in unseren Breiten von unseren Sängern. Verlangen müssen wir allerdings eine andere Leistung von Ira Malaniuk, oder überhaupt eine andere Kontschakowna, falls sich eben die Mängel der Fehlbesetzung doch nicht wesentlich korrigieren und halbwegs ausgleichen lassen. Es ist kein Wunder, daß die Mittellage belegt klingt und die Höhe tremoliert, wenn eine Sängerin die Tiefe in Zarah-Leander-Technik zu produzieren versucht. Die übrigen Ensemblemitglieder wiederholten die in der Premierenbesprechung erwähnten guten Leistungen.
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER am 23. Februar
Ganz anders als André Cluytens legt Lovro von Matacic den Holländer an. In dieser Aufführung zeigte er seine schwerblütige, dramatischere Wanger-Auffassung. Auffallend war, daß auch Lovro von Matacic sehr schnelle Tempi nahm. Den Holländer macht man auch nach Tunlichkeit nicht langsam, da bleibt nämlich nur der Matrosenchor übrig, das konnten wir nicht nur bei Karl Böhm sondern selbst bei Hans Knappertsbusch feststellen, wenn er keinen guten Tag hatte. Leider standen Lovro von Matacic ein Substitutengespicktes ziemlich schwaches Orchester, und teilweise noch schwächere Solisten zur Verfügung, doch ließ er es sich nicht verdrießen, dennoch das hierbei größtmögliche Maß an Wirkung herauszuholen erkämpfte trotz dieser Mangelerscheinungen (geradezu ideal unterstützt von Hans Hotter) dem Abend Niveau. Wir sehen mit Interesse und Erwartung seinem Festwochen-Holländer in der Besetzung Leonie Rysanek, George London entgegen. Hans Hotter war der dämonische Holländer schlechthin. Sein Monolog baute sich in dramatischer Steigerung auf. Das Duett mit Daland (Walter Kreppel) war von beiden ausgezeichnet gesungen. Im Duett mit Senta kämpfte Hans Hotter mit der Luft, um im dritten Akt dann wieder ungemein wirksam zu werden. Neben dem schon erwähnten vorzüglichen Walter Kreppel konnte nur noch Hilde Rössel-Majdan als Mary gefallen. Gerhard Stolze ist als Steuermann trotz aller Bemühungen wirklich nicht gut. Elsa Matheis sang eine Senta ohne Persönlichkeit, mit steifer, häßlicher Höhe und Karl Friedrich war als Erik trotz einer annehmbaren Gesangsleistung, die von seinem schmalzigen Operetten-Timbre beeinträchtigt wurde, auf der Bühne unbeschreiblich. Es bedürfte der Feder eines Karl Kraus, dieses Ereignis zu schildern, ohne ausfällig zu werden. Wir versuchen es erst gar nicht und hoffen, daß das versuchte come-back seine Ursache darin hatte, daß alle anderen Eriks mit Grippe darniederlagen und der Chef wieder einmal weit vom Schuß war!
KEINE VORSTELLUNG am 24. Februar
Vorbereitungen für den Opernball
OPERNBALL am 25. Februar
ELEKTRA am 26. Februar
Dieser Aufführung kam zugute, daß der Dirigent Heinrich Hollreiser, unterstützt durch ein diesmal williges Orchester, sich auf die Musik konzentrieren und so recht guten Erfolg im Rahmen einer ansprechenden Durchschnittsaufführung erzielen konnte. Gerda Lammers ist eine sehr gute Sängerin mit überlegen geführter, großer Stimme. Bühnenblut hat sie leider keinen Funken und so bleibt sie starr und statisch, wenngleich sie das – dies sei eigens erwähnt – auch recht geschickt macht und in eine gewisse Beziehung zur Rolle setzt. Wieso die Sängerin nicht an größeren deutschen Bühnen beschäftigt ist, bleibt uns – wie auch schon nach ihrer Kundry – völlig unbegreiflich. Weitere Positiva sind klare Aussprache, Musikalität und kluge Phrasierung. Uninteressant und farblos war Elsa Matheis als Chrysothemis. Darstellerisch schien sie nicht vorhanden zu sein und auch stimmlich fällt sie bis zum A gar nicht und drüber hinaus nur unangenehm auf. Anders liegt der Fall bei Regina Resnik, die als Klytämnestra auch nicht befriedigen konnte. Sie hatte die Partie auf ein überzüchtetes Piano angelegt, das streckenweise völlig unhörbar blieb. Stimme zeigte sie nur in ein paar Phrasen – warum? Sie hatte die Partie immerhin in London und immerhin unter Rudolf Kempe gesungen! Wenn man auch annimmt, daß Rudolf Kempe vielleicht mehr zurückgenommen hat als Heinrich Hollreiser – derart dämpfen kann nicht einmal Rudolf Kempe, daß man das gehört hätte. Es bleibt die Möglichkeit, daß die Elektra anderswo nicht in der kompletten Orchesterbesetzung gespielt wird. Aber daraus hätte Regina Resnik eben Rückschlüsse auf ihre Wiener Gestaltung ziehen müssen. Im ganzen gesehen, bleibt der enttäuschende Versager dieser intelligenten Künstlerin in dieser Partie rätselhaft. Otto Wiener sang einen sehr guten Orest. Von der übrigen Besetzung sei nur noch Sena Jurinac erwähnt, die mit wahrer Chrysothemis-Stimme… die 5. Magd sang.
BALLETTABEND am 27. Februar
DIE ZAUBERFLÖTE am 28. Februar
Wie gut hätte es die Wiener Staatsoper im allgemeinen und im besonderen deren Generalsekretariat, wenn wir bei allen auf dem Spielplan stehenden Stücken die vielfältigen Besetzungs- und damit Variationsmöglichkeiten wie in der Zauberflöte hätten. So befand sich auch in dieser Aufführung ein ausgezeichnetes Ensemble auf der Bühne. Im Mittelpunkt des Interesses stand die heimgekehrte Lisa Della Casa, die der Pamina ihre bezaubernde Erscheinung, die schöne Stimme und die Kultur des Singens und Spielens gab. Anton Dermota sang den Tamino mit heldischen Tönen. Kurt Böhme war der würdige Sarastro. Erika Köth ließ sich entschuldigen und ihre Indisposition war auch hörbar. In bester Spiel- und Gesangslaune befand sich hingegen das charmante gefiederte paar Anneliese Rothenberger und Erich Kunz, die das Sonntagspublikum im Handumdrehen für sich gewannen. Die Damen (Gerda Scheyrer, Elisabeth Höngen, Georgine Milinkovic) konnten besser gefallen als die Sängerknaben, die sich in der derzeitigen Erkältungsperiode durchaus nicht auf der Höhe befanden. Der Dirigent Berislav Klobucar waltete verläßlich seines Amtes.
ANGELINA am 29. Februar
Günther Rennerts prachtvolle Aschenbrödel-Inszenierung ging nach längerer, durch die Abwesenheit Christa Ludwigs und dann durch Erkrankungen hervorgerufener Pause wieder über die Bühne der Oper und brachte gleich mit der Ouvertüre die richtige Stimmung ins beifallfreudige Haus. Peter Ronnefeld, der couragierte junge Kapellmeister, der ansonsten am Cembalo die Aufführung begleitete, ersetzte diesmal wieder Alberto Erede. Er tat seine Sache sehr gut und verspricht viel für die Zukunft. Wie gut hat es sich hier (gezwungenermaßen) ergeben, daß er, der als Korrepetitor die Proben mitmachte (und nicht ein anderer Hauskapellmeister – so wie bei der Verkauften Braut) nachdirigierte und damit der Aufführung auch weiterhin ihr hohes Niveau sicherte. Sehr erfreulich, daß ihm das Orchester so aufmerksam folgte und die Grundlage zum Gelingen des Abends gab. Das Ehepaar Christa Ludwig und Walter Berry beherrschte die Bühne. Beide sind in den Partien der Angelina und des Dandini großartig und werden wirksam von den anderen Mitwirkenden unterstützt. (Waldemar Kmentt müht sich mit der Tenorpartie ein bißchen, weil seine Stimme etwas zu schwer ist, Karl Dönch, der wieder darstellerisch stark aufträgt, Ludwig Welter, der immer besser gefällt, und die beiden bösen Schwestern Emmy Loose und Dagmar Hermann). Äußerst schwach diesmal der Chor!