Zum „Gendern“
Kurzfassung
von: Heinz-Dieter POHL, ´Gender`,
Grammatik und Rechtschreibung. In: Gender
Studies – Wissenschaft oder Ideologie? Hg.
v. Harald Schulze-Eisentraut und Alexander Ulfig. Baden-Baden, Deutscher
Wissenschaftsverlag (DWV) 2019, 177-199 (https://dwv-net.de/produkt/gender-studies-wissenschaft-oder-ideologie/) zurück
In der unseligen Genderdiskussion ist offensichtlich kein
Ende abzusehen. Das
Gendern in Form von Binnen-I, Schrägstrich, Gender Gap usw. findet in der
amtlichen deutschen Rechtschreibung keine Berücksichtigung, trotzdem wird
unverdrossen auf das „Gendern“ seitens vieler Universitäts- und AHS-Lehrer
bestanden, v.a. in Österreich (hier mit tatkräftiger Mitwirkung des
Ministeriums!). Es werden sogar Arbeiten schlechter beurteilt und mitunter auch
abgewiesen, wenn sie nicht gegendert sind, wie unlängst in den Medien zu lesen
und zu hören war. Die Verpflichtung zu etwas, was in der amtlichen
Rechtschreibung nicht vorgesehen ist und laut bestehenden (allgemeinen) Normen
auch nicht empfohlen wird, ist juristisch höchst bedenklich. Dass amtliche und
öffentliche Stellen dies mit Steuergeldern fördern und ihre Mitarbeiter dazu verpflichten,
stößt – wie Umfragen zeigen – bei über 85 % aller Österreicher und
Österreicherinnen auf Ablehnung, auch bei der Mehrheit der Studierenden, wie
ich dies selbst beobachten konnte.
Vielfach wird (sogenannten) „geschlechtsneutralen“ Bezeichnungen wie Lehrende, Studierende usw. der Vorzug gegeben. Mit diesen sind zwar beide Geschlechter gemeint, aber auch auf Plurale wie die Lehrer und die Studenten trifft dies zu, wenn man auch einschränkend behaupten kann, dass die Frauen nur „mitgemeint“ sind, denn man weiß ja, dass Lehrer und Studenten in der Regel nicht nur Männer, sondern auch Frauen sind, was genau so auch auf die „neutralen“ Bezeichnungen Lehrende, Studierende zutrifft. Das Wort „mitgemeint“ ist daher ein manipulativer Kunstgriff der „feministischen Linguistik“, denn Frauen sind inkludiert (mit eingeschlossen) wie auch das generische Maskulinum der Mensch beide Geschlechter einschließt – ebenso das generische Femininum die Geisel bzw. Person und das generische Neutrum das Kind. Bei keinem dieser Wörter kann man von einem „Nur-Mitgemeint-Sein“ sprechen; dies gilt auch für die generisch maskulinen Berufs- und Herkunftsbezeichnungen wie Lehrer und Wiener. Zum vielfach eingeforderten und verordneten „geschlechtsneutralen Formulieren“ ist festzustellen, dass „geschlechtsneutrale“ Bezeichnungen in der deutschen Grammatik gar nicht vorgesehen sind und daher in Widerspruch zur Realität stehen, da sie im Singular ohne Artikel gar nicht verwendet werden können und der Artikel immer vom jeweiligen Genus (= grammatikalisches Geschlecht) abhängig ist. Im Singular ist nur der/die/eine Lehrende/Studierende bzw. ein Lehrender/Studierender möglich, nur im Plural auch Lehrende bzw. Studierende (ohne Artikel). Da jedes Substantiv im Deutschen einem der drei Geschlechter zuzuordnen ist, kann es keine „geschlechtsneutralen“ geben. Ohne Artikel können im Singular nur Bezeichnungen für Stoffe, Nahrungsmittel und abstrakte Begriffe verwendet werden, sowie in der Standardsprache Personennamen, z.B. Lammwolle wärmt, Gemüse ist gesund, Geduld ist notwendig, Franz ist krank. Unkorrekt sind aber Lehrer unterrichtet Mathematik oder Bär plündert Bienenstöcke (außer in Überschriften oder Schlagzeilen) Daran ändern auch die neuerdings favorisierten Schreibungen wie SchülerIn und Lehrer/in usw. nichts. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht sind Wörter wie Lehrer und Student zunächst allgemeine Berufs- bzw. Funktionsbezeichnungen, die eine Einzelperson betreffen. Da jedes Substantiv im Deutschen einem der drei Geschlechter zuzuordnen ist, kann es keine „geschlechtsneutralen“ geben; dies gilt auch für jene Substantiva, die regional (z.B. der/das Joghurt, der Schranken / die Schranke, der Spitz / die Spitze, das Eck / die Ecke usw.) oder nach der Bedeutung (der/das Schild, der/die See) oder auch aus beiden Gründen (z.B. der/das Gehalt, die/das Erkenntnis) verschiedenen Geschlechts sein können.
Außerdem haben Partizipia wie Lehrende, Studierende nicht genau die gleiche Bedeutung wie Lehrer/Lehrerin und Student/Studentin. Erst in zweiter Linie bezeichnen sie männliche Einzelpersonen, zu denen dann eine weibliche Form Lehrerin/Studentin gebildet wird. In der ersten, allgemeinen Bedeutung bezeichnen Plurale wie Lehrer und Studenten beide Geschlechter und somit alle Vertreter einer solchen Funktion, da ja der Plural im Deutschen das grammatikalische Geschlecht nicht unterscheidet. Daher darf, nein, muss man sich mit Recht die Frage stellen: ist dieser übertriebene Gebrauch „gegenderter“ Formen wie LehrerIn oder Wiener/in mit Binnen-I oder Schrägstrich (usw.) wirklich notwendig? Doch das Binnen-I (usw.) wird noch immer (eigentlich immer mehr!) von gewissen Kreisen in Österreich vehement eingefordert.
Man
sollte die Dinge real so sehen: Der Begriff des Genus ist vom Sexus (dem
biologischen Geschlecht) deutlich zu unterscheiden, denn das Genus
klassifiziert Substantive in grammatikalischer Hinsicht (z.B. der Mensch, die Sonne, das Kind), der
Sexus dagegen Lebewesen biologisch
(der Vater, die Mutter bzw. der Stier, die Kuh). Ein gewisser Zusammenhang zwischen diesen beiden
Klassifikationen besteht nur bei Substantiven, die Menschen und Tiere
bezeichnen, dies ist aber keineswegs allgemein wie der Vogel, die Meise, das Rind zeigen, und liegt überhaupt nicht bei
Pflanzen und pflanzlichen bzw. tierischen Produkten vor, wie dies der Kümmel,
die Petersilie, das
Kraut sowie der Speck, die Butter, das Schmalz zeigen. In einem noch größeren Ausmaß gilt dies für
Sachbezeichnungen (Gegenstände, Einrichtungen, Gesellschaft usw.), z.B. der Hammer, die Schule, das Dorf.
Vielfach bestimmt die Wortbildung das grammatische Geschlecht, so sind alle
Substantiva auf -ling Maskulina (z.B.
Lehrling), auf -schaft (z.B. Freundschaft)
Feminina und -chen (z.B. Bäumchen) Neutra; das grammatische
Geschlecht „schlägt“ hier das natürliche, so bezeichnet Lehrling auch weibliche Auszubildende sowie Kundschaft auch männliche Kunden und ein Männchen bzw. Weibchen
ist zwar der Überbegriff für männliche bzw. weibliche Tiere, aber dennoch
grammatikalisch Neutrum.
Viele
Sprachen kommen übrigens ohne Genus aus wie z.B. das Englische, das den
Unterschied nur beim Pronomen (he/she/it)
kennt. – Bei den verordneten „Gender-Leitfäden“ wird man unwillkürlich an
George Orwells „Neusprech“ in seinem hervorragenden Buch „1984“ erinnert, daher
möchte ich diese Art von Gendern „Neuschreib“ bezeichnen. Außerdem sind solche
„gegenderte“ Texte nur mühsam lesbar (und kaum vorlesbar!).
Abschließend zur Bezeichnung Landeshauptmännin statt Landeshauptfrau:
Mit dem Rückzug des
niederösterreichischen Landeshauptmanns (entspricht in Deutschland dem
Ministerpräsidenten eines Bundeslandes) ist im Zusammenhang mit seiner
Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner oft das
unsägliche Wort Landeshauptfrau zu hören. Nach
den Regeln der deutschen Grammatik kann man zu jedem zusammengesetzten Wort mit
-mann die Form -männin bilden (z.B.
zu Landsmann und Landsmännin, eine Landsfrau
gibt es nicht).
Warum also nicht Landeshauptmännin? Man sagt ja
auch Landsmännin und früher Kaufmännin statt Kauffrau, Letzteres ein
Begriff, der auch andere Vorstellungen erwecken könnte! Auch bei der Feuerwehr
hört man oft von Feuerwehrmännern und -frauen
statt korrektem Feuerwehrleute (das
Wort Leute wird übrigens heute immer
mehr vermieden). Warum also im Falle von Landeshauptmann das leistungsfähige Wortbildungselement -in vermieden wird, ist nicht nachvollziehbar; zumal sonst Texte mit -in (mit großem I oder mit
Schrägstrich bzw. „Gender-Gap“ verziert) überladen sind, vielfach mit
orthographisch und grammatikalisch problematischen Bildungen wie KöchInnen, MitgliederInnen und auch Gesandtin
(es gibt nur den oder die Gesandte, vielleicht
gibt’s demnächst auch die Abgeordnetin . . . ). – Ich erinnere mich gut zurück, als
anlässlich einer Tagung in Graz „der Landeshauptmann der Steiermark,
Frau Waltraud Klasnic“ zu einem Empfang eingeladen hat –
und dabei sollte es bleiben!