Historische und namenkundliche Hintergründe zum Kärntner Ortstafelkonflikt

 

 

© H.D. Pohl 19.4.2011

 

Anfang Februar (2011) fanden in Klagenfurt die ersten Verhandlungen mit Staatssekretär Josef Ostermayer und Landeshauptmann Gerhard Dörfler zur Ortstafelfrage statt. Kurz davor ist eine informative und übersichtliche Broschüre „10 Jahre Ortstafelerkenntnis. Die zweisprachigen Aufschriften in Kärnten/Koroška – eine Information“ (siehe hier und http://www.ortstafel.info/)  erschienen, die auch im Buchhandel erhältlich ist und mehrere Lösungsansätze aufzeigt und die verschiedene Lösungsansätze vergleicht, ausgehend vom Ortstafelgesetz 1972 (mit 205 Ortschaften) bis zum Gusenbauer-Papier 2007 (mit 163 Ortschaften). Daneben gibt es auch Vorschläge, in denen von 102, 141 oder 158 Ortschaften die Rede ist. Insgesamt nennt diese Broschüre 273 Orte; diese Anzahl ist aber eine theoretische, die sich nur bei einer stringenten Auslegung des Ortstafelerkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ergeben könnte, die aber nicht als Verhandlungsgrundlage gedacht ist. Daher führte das Bekanntwerden dieser Broschüre zunächst zu Irritationen.   

Das gemeinsame Kärntner Namengut widerspiegelt die gemeinsame Geschichte beider Sprachgemeinschaften in einem Land, in dem es von Anbeginn deutsche und slowenische Namen bzw. Namen deutscher bzw. slawischer/slowenischer Herkunft gegeben hat (ähnlich war es ja auch in der ehemaligen Untersteiermark). Die ersten Kärntner im engeren Sinn des Wortes benannten beispielsweise (slowenisch) Gorje / (deutsch) Göriach nach seiner Lage ‘die auf dem Berg wohnen’ und Bistrica / Feistritz nach einem reißenden Bach. Slowenische Namensformen wie Pliberk (= Bleiburg) oder Bekštanj (= Finkenstein) sind aus dem Deutschen bezogen. Die Ortsnamen gewähren somit Einblick in die Siedlungsgeschichte, einmal waren bei der Namengebung Deutsche, ein anderes Mal Slowenen aktiv, die Namen gingen von Mund zu Mund, d.h. von einer Sprache zu anderen, und oft wurden Objekte unabhängig voneinander verschieden benannt wie z.B. deutsch Hart ‘Sumpfwald’ ~ slowenisch Breg ‘Ufer, Böschung’ oder übersetzt, z.B. deutsch Aich = slowenisch Dob (‘Eiche’). Auch in seit Jahrhunderten rein deutschsprachigen Gebieten finden wir solche Namenpaare: sowohl in der Gemeinde Großkirchheim als auch in der Gemeinde Bad Kleinkirchheim ist in den Ortsteilen Zirknitz bzw. Zirkitzen das slowenische Wort für ‘Kirche’ (cerkev) enthalten. Manchmal ist die slowenische Übersetzung früher überliefert als die heutige Form wie z.B. 993 Podinauuiz (das wäre heute Spodnja vas) für heutiges Niederdorf (Bezirk St. Veit a.d. Glan).

Erst im Zuge der Begründung eines slowenischen Schrifttums sind viele slowenische Ortsnamen verschriftsprachlicht worden, wobei es oft auch Missgriffe gegeben hat, wie z.B. beim Ortsnamen Krnski grad ‘Karnburg’, dessen volkstümliche (mundartliche) slowenische Form Karempurg lautet; richtig wäre slowenisch Koroški Grad (so bei Urban Jarnik) wie auch die dem urkundlichen Chaerenburg zugrundeliegende althochdeutsche *Charantapurch ‘Kärntenburg’, lateinisch civitas Charantana (9./10. Jhdt.). Verfehlt ist auch Podsinja vas für ‘Hundsdorf’, richtig ist Psinja vas oder ves. Doch viele slowenische Namen sind schon vor dem nationalen Zeitalter belegbar, so finden wir bei Gutsmann 1789 Namen wie Svinc ‘Eberstein’ (Svinec), Bilak ‘Villach’ (Beljak) oder Blikouc ‘Völkermarkt’ (Velikovec) und bei mehr als 95 % aller slowenischen Namensformen hat es nie Probleme gegeben – und wenn, waren sie ähnlich denen, die es im Deutschen auch gibt. So gleicht das vas-ves-Problem (Schriftsprache-Mundart, das Wort bedeutet ‘Dorf’) dem von -bruck (wie Innsbruck) bzw. -brücke (wie Möllbrücke) im Deutschen. Mag es auch verständlich sein, Ortsnamen im historischen slowenischen Siedlungsgebiet mit einer hochsprachlichen Etikette versehen zu wollen, sind künstliche Slowenisierungen freilich abzulehnen (z.B. Sovodnje ‘Gmünd’ neben Gmint). Doch es gibt auch künstliche Germanisierungen von Namen slowenischer Herkunft, so ersetzte man beispielsweise den Bergnamen Gerloutz, Harlouz (slowenisch Grlovec) um 1910. durch die Bezeichnung Ferlacher Horn; oder der Koziak / Kozjak bekam einen zweiten Namen, Geißberg; auch Frauenkogel (statt Baba) bzw. Hochobir (statt älterem Oisterz, slowenisch Ojstrc) sind Neuschöpfungen. Oft koexistierten zwei Namen, sodass scheinbare Verdeutschungen und Slowenisierungen vorliegen wie Villacher Alpe neben Dobratsch (im Slowenischen Dobrač neben Beljaščica = ‘Alm von Beljak/Villach’) oder Deutscher Berg (übersetzt aus slowenisch Nemška gora, das auf einem missverstandenen Meniška gora ‘Mönchsberg’ beruht, da die Klöster Sittich/Stična und Viktring dort Besitzungen hatten) neben Vertatscha / Vrtača; eine scheinbare Slowenisierung ist z.B. Slovenji Šmihel ‘St. Michael ob der Gurk’, früher Windisch St. Michael (im Gegensatz zu Deutsch St. Michael, heute St. Michael am Zollfeld; in Ortsnamen mit deutsch Windisch steht im älteren Slowenischen immer Slovenji, bei späteren Benennungen Slovenski).

Trotz allem, im großen Stil (à la Tolomei in Südtirol) hat es in Kärnten (und Österreich) nie – weder bei den Deutschen noch bei den Slowenen – Umbenennungen gegeben. Sicher scheint es oft nicht nur der Klang eines Namens gewesen zu sein, der eine Umbenennung wünschenswert erscheinen ließ, vielleicht war es beim Keutschacher See (statt Plaschischensee) so, beim Turnersee (statt Sablatnigsee – so der alte Name, slowenisch Zablaško oder Zablatniško jezero) wohl nicht, hier haben sich die „Turner“ verewigt. Diese Namensänderung (am Sablatnigmoor ist sie vorbeigegangen) ergab sich dadurch, dass im Jahre 1932 die Wolfsberger Turner (ein Turnverein) die Liegenschaft um den damaligen Sablatnigsee erworben haben und diesen dann in „Turnersee“ umbenannten. Wohl kann sich unter einem Vellacher Hochtal der Tourist mehr vorstellen als unter der Bezeichnung Vellacher Kotschna (slowenisch Belska Kočna) – doch dies ist willkürlich, hier könnte die Namenforschung eingreifen, indem sie darauf hinweist, dass mit Kotschna / Kočna ein bestimmtes (rotbraunes) Gestein bezeichnet wird und diese letztlich aus dem Romanischen ins Slowenische gelangte Bezeichnung v.a. in den Karawanken und Steiner Alpen verbreitet ist. Solche Kunstnamen sind absolut kein Kulturgut (was m.E. auch für einen Großteil der Südtiroler amtlichen italienischen Bezeichnungen gilt).

Auf Grund des Artikels 7 (Absatz 3) des Staatsvertrages sind zweisprachige „Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur“ in den Gebieten Kärntens mit slowenischer und/oder gemischter Bevölkerung vorgesehen. Daher werden seit 1977 in acht Gemeinden auf Grund des „Volksgruppengesetzes“ zweisprachige Ortstafeln angebracht – haupt­sächlich auf Grund der Straßen­verkehrsordnung, d.h. es sind zweisprachige Ortstafeln vorgeschrieben, sonstige zweisprachige Aufschriften sind zwar auch üblich, aber nicht zwingend (daher nicht allzu häufig). Allerdings gibt der Staatsvertrag keine Prozentzahlen an, seine Vorgaben sind vage.  International sind Prozentzahlen von 5 % bis 30 % minderheitssprachiger Einwohner zu beobachten; daher sah der Verfassungsgerichtshof die 25 % des Volksgruppengesetzes von 1977 für die Minderheit als zu hoch an und hat einen deutlich niedrigeren Prozentsatz von 10 % vorgeschlagen.

In gemischtsprachigen Gebieten hat jedes geographische Objekt zwei Namen, wie sie in der jeweiligen Sprache eben üblich sind. Auch auf das Bundesland Kärnten (slowenisch Koroška) und seine Landeshauptstadt Klagenfurt (Celovec) trifft dies zu. Klagenfurt ist mit 93.949 Einwohnern (Stand: 1. Jänner 2010) die größte Stadt Kärntens und sechstgrößte Österreichs. Der Name der Stadt wird 1192/99 erstmals urkundlich als Markt erwähnt und sie war bis zur Schenkung der Stadt durch Maximilian I. an die Kärntner Landstände im Jahr 1518 relativ unbedeutend (Stadtrecht seit 1252). Diese Schenkung und die darauf folgende protestantische Reformationsbewegung des 16. Jahrhunderts bedeuteten für die Stadt einen Aufschwung; aus dieser Zeit stammt auch der Erstbeleg der slowenischen Namensform Celovec, die urkundlich 1615 als V Zelovzi (‘in Klagenfurt’, Lokativ) bezeugt ist. Sie wurde dann zur Hauptstadt Kärntens und aus dieser Zeit stammen zahlreiche noch heute bedeutende Bauwerke wie das Landhaus und der Dom.

Heute liegt Klagenfurt im deutschsprachigen Gebiet Kärntens, grenzt aber im Süden und Osten an Gemeinden mit einem noch heute bestehenden slowenischsprachigen Bevölke­rungsanteil. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts verlief die deutsch-slowenische Sprachgrenze im Raum Klagenfurt nördlich der Stadt: Moosburg – Nußberg – Galling – St. Donat – St. Sebastian – St. Gregorn, wobei die genannten Ortschaften noch im deutschsprachigen Gebiet lagen wie auch das eigentliche Klagenfurter Stadtgebiet). Kirchlich gesehen waren „Windische Grenzpfarren“ Moosburg (südlicher Teil), Tultschnig, Karnburg (südwestlicher Teil), Maria Saal (ohne den Wallfahrtsort selbst), Ottmanach, St. Filippen. Daher darf es nicht verwundern, dass bis auf drei Ortschaften im heutigen Klagenfurter Stadtgebiet alle auch einen slowenischen Namen haben. Solches klar und deutlich darzulegen ist eine der zentralen Aufgaben der Namenforschung, ohne sich dabei in politische Interessen verwickeln zu lassen. Die Onomastik kann die Politik nur beraten, etwa in der Weise, dass sie die korrekten Schreibungen auf Grund der Überlieferungsgeschichte und/oder ortsüblichen Lautung für die Namen der Minderheit vorschlägt, nicht aber hinsichtlich politischer Entscheidungen wie die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln, um deren Anzahl in Kärnten immer wieder bzw. noch immer gestritten wird, oder den Geltungsbereich von Gesetzen, die den Gebrauch der Sprache(n) der Minderheit(en) (z.B. Aufschriften, Schulwesen u.dgl.) regeln. In der Diskussion geht allerdings die Frage der Zweisprachigkeit der Haus-, Hof-, Flur- und Bergnamen vielfach unter; diese ist aber aus namenkundlicher Sicht die Grundlage der historisch gewachsenen Kärntner Namenlandschaft, zu deren Erhaltung die UNESCO dieses Namengut als „immaterielles Kulturerbe“ unter Schutz gestellt hat.

 

zurück