Heinz Dieter Pohl

 

Nachruf auf einen (vorläufig?) gescheiterten Kompromiss

 

Zum Kärntner Ortstafelproblem aus sprachwissenschaftlicher Sicht

 

Im Druck erschienen in:

klagenfurter beiträge zur sprachwissenschaft

Bd. 31-32 (2005-2006) 139-161

 (zurück: http://members.chello.at/heinz.pohl/Namen-Konflikt.htm)

Die so genannte „Konsenskonferenz“ [1] ist derzeit als gescheitert zu betrachten. Unter dem Eindruck des neueren Entwicklung will ich nun dieses Problem unter sprachwissenschaftlichen (und namenkundlichen) Gesichtspunkten beleuchten. Das Kärntner Ortstafelproblem ist bekanntlich eine „unendliche Geschichte“, reich an allerhand Überraschungen. Zuletzt wurde wieder eine „Minderheitenfeststellung“ ins Spiel gebracht, denn die seit 2001 verwendeten Zahlen aus der Volkszählung sind für den Landeshauptmann nicht mehr relevant:

Weil dabei jene, die deutsch und slowenisch als Umgangssprache angegeben hätten, automatisch der slowenischen Volksgruppe zugezählt würden. Das widerspreche der europäischen Gesetzeslage. „Kunstslowenen nein, richtige Slowenen ja“, fasste Haider gestern seine neue Stoßrichtung zusammen. Dort, „wo richtige Slowenen siedeln, sollen sie alle Rechte haben, die ihnen aus dem Staatsvertrag zustehen“. [2]

Dies ist ein neuerlicher Anlauf Jörg Haiders, die Vorgaben des Artikels 7 (des Staatsvertrages) und des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zu unterlaufen, nach seinem Versuch, die bisherigen zweisprachigen Ortstafeln durch einsprachige (deutsche) mit kleinen (slowenischen) Zusatzschildern zu ersetzen. Die „Kleine Zeitung (Klagenfurt)“ berichtete bekanntlich:

Jörg Haiders „Kreativität“ in der Ortstafelfrage trieb gestern neue Blüten: Per Frist vom Verfassungsgericht müssen die Tafeln für Bleiburg und Ebersdorf jetzt zweisprachig sein. Das sind sie seit gestern 14 Uhr. Allerdings in bislang unvorstellbarer Form: Die bestehenden einsprachigen Ortstafeln bleiben, sie wurden nur durch ein kleines weißes „Zusatzschildchen“ (Haider) mit der slowenischen Bezeichnung ergänzt. Doch nicht genug: Haider kündigte für die nächsten Monate eine „große Ortstafelerneuerung“ an: Bestehende zweisprachige Ortstafeln würden abmontiert (sogar jene im Vorjahr mit Kanzler Schüssel in einem Festakt aufgestellten), durch einsprachige ersetzt und die wiederum durch Zusatzschildchen in Slowenisch ergänzt. Den Kostenfaktor wischte Haider vom Tisch. Für 28 der 77 bestehenden zweisprachigen Tafeln ist das Land zuständig, für die restlichen Ortsbezeichnungtafeln sind es die Gemeinden. [3]

Die nähere Beurteilung dieser Vorgangsweise ist Sache der Juristen, doch als Sprachwissenschaftler und Namenforscher ist festzuhalten, dass die in zwei (oder mehr) Sprachen bestehenden Formen für identische Objekte gleichwertig sind, genau so wie für Begriffe des allgemeinen Wortschatzes. Wenn deutsch Hof dem slowenischen dvor entspricht, gilt dies für den Ortsnamen ebenso, daher also auch für Hof / Dvor in der Gem. Feistritz ob Bleiburg / Bistrica pri Pliberku (oder derzeit amtlich nad Pliberkom). So, wie man in Wörterbüchern und Glossaren normalerweise in beiden Sprachen eine entsprechende Schriftgröße verwendet (Stichwort hervorgehoben, meist fett, Erklärungen meist „normal“, im fremdsprachlich-deutschen Teil gleich wie im deutsch-fremdsprachlichen), sollte dies auch für Ortstafeln und Aufschriften selbstverständlich sein. 

Dazu kamen Inserate im Wahlkampf wie „Kärnten wird einsprachig [4] und Aussagen des BZÖ-Kandidaten Veit Schalle wie:

Kritisch äußerte sich Schalle gegenüber den Slowenen. Sie würden, sagte er, „permanent schreien“. In einem Interview hatte er gemeint, „die Gäste“ sollten sich „nach Österreich orientieren, statt Ortstafeln zu erstreiten“.  [5]

– als ob eine autochthone Volksgruppe den Status von Gästen hätte! Beide Aussagen sprechen für sich, sie können hier nicht näher kommentiert werden. Betrachtet man die Anmeldungen zum zweisprachigen Unterricht, ergibt sich ein anderes Bild, die Tendenz sei seit Jahren steigend trotz gegenteiligen Trends allgemein sinkender Schülerzahlen und trotz all der heftigen Debatten über Kärnten, das angeblich „einsprachig werden soll“. Allein im Schuljahr 2005/2006 waren an 64 Volksschulen im Geltungsbereich des Minderheitenschulwesens (= Südkärnten) in Summe 1819 Schüler/innen (oder 36,25%) für den zweisprachigen Volksschul-Unterricht eingeschrieben. Reinen Slowenisch-Unterricht gab es zuletzt an 13 Hauptschulen für 339 Schüler. 541 Schüler besuchten das Slowenische Gymnasium, 141 die zweisprachige HAK. In den letzten Jahren hat sich deutlich gezeigt: Immer mehr Kinder aus nicht-slowenischen Familien werden zum zweisprachigen Unterricht angemeldet. [6]

Wie fast alle Versuche, im Kärntner gemischtsprachigen Gebiet zweisprachige Ortstafeln in ausreichendem und rechtskonformem Ausmaß aufzustellen, ist leider auch die „Konsenskonferenz“ gescheitert; das so genannte Karner-Papier [7] sah für Gemeinden mit einem Slowenen-Anteil von zehn Prozent und Ortschaften mit einem Anteil von 15 Prozent zweisprachige Ortstafeln vor, insgesamt 141 Tafeln, [8] was zwar relativ wenig ist, aber immerhin um fast 100 Prozent mehr als jene, die derzeit (noch?) stehen, und um rund 60 Prozent mehr als jene, die lt. Volksgruppengesetz 1976 schon längst (!!) stehen sollten. [9] In Verbindung mit einer Öffnungsklausel hätte man aber dennoch zufrieden sein können, doch von dieser ist zuletzt so gut wie nichts übrig geblieben.

Zweisprachige Ortstafeln zeugen davon, dass es in Kärnten zwei Sprachgemeinschaften gibt, sie verleihen zusammen mit zweisprachigen Aufschriften, Schulunterricht usw. der Minderheit das Gefühl, hier in einer gemeinsamen Heimat zusammen mit der Mehrheitsbevölkerung zu leben, ohne deshalb „fremd in der Heimat zu sein“, ein Gefühl, das unweigerlich entsteht, wenn die Muttersprache in der Öffentlichkeit nicht sichtbar ist. Dies ist ein ganz wesentlicher, emotionaler Punkt, der in der alltäglichen Auseinandersetzung viel zu wenig beachtet wird. Hier geht es absolut nicht um territoriale Ansprüche, wie dies immer wieder herbeigeredet wird, sondern die Namen sind ein wichtiges Symbol der deutsch-slowenischen Symbiose in Kärnten, denn in gemischtsprachigen Gebieten hat jedes Objekt zwei Namen – je einen in beiden Sprachen. Der Artikel 7 (Absatz 3) des Staatsvertrages [10] schreibt zwar zwingend zweisprachige „Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur“ in den Gebieten Kärntens mit slowenischer und/oder gemischter Bevölkerung vor, doch leider steht im Staatsvertrag nichts Genaues darüber, wie viele und in welchem Ausmaß Ortstafeln aufzustellen sind, denn der entsprechende Artikel ist zu allgemein gefasst, [11] aber das Feilschen um 10 % oder 15 % ist eines Rechtsstaates dennoch unwürdig (zumal der VfGH schon vor langer Zeit Handlungsbedarf signalisiert hat). [12] 15 % für die Gemeinde ist – wenn man näher darüber nachdenkt – eine hohe Latte, weil sich ja die Zusammensetzung der Bevölkerung der  ländlichen Gemeinden durch den Rückgang des Bauerntums und durch „Häuslbauer“ sowie Zweitwohnsitzinhaber progressiv zu Lasten des slowenischen Elements verändert hat. Bei Feistritz im Rosental und Köttmannsdorf sieht man das ja ganz genau und Gemeinden wie Rosegg kommen im „Kompromiss“ (auch in der „Urfassung“ mit 158 Ortschaften) gar nicht vor, nur St. Jakob (13 Ortsteile) und Feistritz im Rosental (mit 4 Ortschaften), sowie Ludmannsdorf, das jetzt schon „versorgt“ ist. Die Gem. St. Kanzian sollte – wenn ich richtig gezählt habe – 14 zweisprachige Ortsteile haben. Meiner Meinung nach sollten auch Rosegg und Köttmannsdorf (und noch einige andere im Jaun- und Rosental, bisher nicht vorgesehene Gemeinden) einbezogen werden (auch das Gailtal sollte nicht ganz ausgespart bleiben). Es wäre sehr schön gewesen, einen Kompromiss zu erzielen, manche woll(t)en ihn offensichtlich nicht. Ich kann meine Enttäuschung nicht verhehlen.

Was mich persönlich betrifft: als Linguist und berufsmäßig mit Namenkunde befasster Bürger betrachte auch ich die 141 (auch 158 oder 173) Tafeln als relativ wenig. Doch ich sehe das Ortstafelproblem auch als Bildungsproblem, es wird in der Schule nicht vermittelt, welch reiches slowenisches Erbe im südlichen und südöstlichen Bundesgebiet in unseren Orts-, Berg- und Familiennamen sowie in den Mundarten enthalten ist und dass die Kärntner Slowenen und deren Vorfahren, die Karantanen, ein nicht ablösbarer Teil der österreichischen Geschichte sind. [13] Denn jede Region hat ihre landschaftlichen und kulturhistorischen Besonderheiten und somit auch ihre Sprachen und Mundarten bzw. Sprachgemeinschaften. [14] Während die Naturschönheiten im Allgemeinen nicht im Zentrum politischer Diskussion stehen – sofern  nicht wirtschaftliche Interessen wie Tourismus, Energiegewinnung oder Bau von Verkehrswegen dagegen stehen – ist dies bei Kultur und Geschichte ganz anders. [15]

In der historischen gewachsenen Kärntner Sprach- und Namenlandschaft spielen die Ortsnamen eine sehr große Rolle. Daher ist das Namengut zusammen mit der dieses wiedergebenden Sprachform als Hauptrepräsentant dessen zu bezeichnen, was man auch immaterielles Kulturerbe nennt. Jede Kulturlandschaft – nicht nur die Kärntner, sondern auch die österreichische, weiters die alpine – widerspiegelt in ihrem Namengut Geschichte und Gegenwart, diese in der Hinsicht, dass das Namengut in der (den) jeweiligen dominanten Sprache(n) festgehalten ist, jene in der Weise, dass im Namengut ältere sprachliche Zustände erhalten sind. Dies gilt in gleicher Weise für einsprachige und zwei- bzw. mehrsprachige Gesellschaften. [16] Dieses immaterielle Kulturerbe ist im alpinen Raum auf Schritt und Tritt feststellbar. Bergnamen wie Spitz-egel (Kärnten) [17] und Zimaross (Osttirol) [18] reichen in die romanische Zeit zurück, Oronyme wie Koschuta (Kärnten) [19] stellen eine Verbindung zur keltoromanischen Zeit her, schließlich reichen Gewässernamen wie Drau [20] und Lavant [21] in die vorkeltische Zeit zurück und sind Zeugen der Indogermanisierung des alpinen Raumes; für unsere ältesten Vorfahren war die Drau der ‘Flusslauf’ schlechthin und die Lavant ein ‘weißglänzender’ Fluss. Die Pflege dieses Namenguts sollte daher keine volkstumspolitische, sondern eine kulturpolitische sein, die – auf Kärnten in Österreich bezogen – das Ortsnamengut slowenischer Herkunft in Kärnten ganz allgemein ins öffentliche Bewusstsein bringt, um so dazu beitragen, Ortsnamen als prägenden Teil einer Kulturlandschaft zu begreifen und als immaterielles Kulturerbe wahrzunehmen. [22] Zu diesem Zweck könnte ich mir neben den zahlreichen Naturlehrpfaden, Kulturwanderwegen und Eisen- oder Barockstraßen auch ein vergleichbares allgemein bildendes namenkundliches Objekt vorstellen.

Wenn man Namen wie Achomitz, slowenisch Zahomec [23] hört, denkt man sofort an einen der zahlreichen Ortsnamen slawischer Herkunft, die den ganzen Süden und Osten Österreichs prägen, doch bei Namen wie Žihpolje [24], der slowenischen Bezeichnung für Maria Rain südlich von Klagenfurt, wird man eher ratlos sein. Aber ein Blick in alte Urkunden lehrt uns, dass dieser Ort früher Sichpuchl (1200) bzw. Seichbichl (1552) hieß, was soviel wie feuchter Bühel, Bichl’ bedeutet, wie auch die Ortschaft Seigbichl bei Moosburg, slowenisch ebenfalls Žihpolje oder auch übersetzt Močile (= feuchter Ort’). Die slowenische Namensform ist also aus dem Deutschen entlehnt und später umgeformt worden.

Beide Namen, Achomitz und Žihpolje, legen Zeugnis von der sprachlichen Durchmischung Kärntens auf Ebene der Namengebung ab. Beide Sprachen, Deutsch und Slowenisch, sind konstitutiv in Namengebung und Dialektologie, im deutschen Sprachgut Kärntens findet sich viel Slowenisches, im slowenischen Sprachgut viel Deutsches. Die über Jahrhunderte währende Koexistenz beider Sprachen bzw. Kohabitation ihrer Sprecher im Lande ist an ihnen nicht spurlos vorübergegangen und beide Sprachen gehören zum historischen Erbe Kärntens bzw. zum „immateriellen Kulturerbe“ (wie auch der gegenseitige Lehnwortschatz beider Sprachen).

Die ersten Kärntner im engeren Sinn des Wortes benannten also Achomitz nach seiner Lage hinter dem Hügel’ (slowenisch Zahomec, s.o.) und Seichbichl ‘Maria Rain / Žihpolje’ nach einem feuchten Bühel’. Die Ortsnamen gewähren Einblick in die Siedlungsgeschichte, einmal waren bei der Namengebung Deutsche, ein anderes Mal Slowenen aktiv, die Namen gingen von Mund zu Mund, d.h. von einer Sprache zu anderen, und oft wurden Objekte unabhängig voneinander verschieden benannt wie z.B. deutsch Hart ‘Sumpfwald’ ~ slowenisch Breg ‘Ufer, Böschung’ oder übersetzt, z.B. deutsch Aich (‘Eiche’) = slowenisch Dob. Manchmal ist die slowenische Übersetzung früher überliefert als die heutige Form wie z.B. 993 Podinauuiz (das wäre slowenisch Podnja ves), heute Niederdorf (bei Hörzendorf). Auch die deutsche Sprachgeschichte widerspiegelt sich in slowenischen Namen, das heutige slowenische Pliberk konserviert urkundliches Pliburch für ‘Bleiburg’. Wir haben also in den deutschen wie in den slowenischen Namen altes Erbgut vor uns, sie sind Teil unserer Geschichte. Sie zu vergessen würde einen schweren Verlust bedeuten, beide Namensformen, die deutsche und die slowenische, sind eng miteinander verbunden und ihre Geschichte ist unteilbar. Dies klar und deutlich darzulegen sollte eine der zentralen Aufgaben der Namenforschung sein, ohne sich dabei in politische Interessen verwickeln zu lassen. Die Onomastik kann die Politik nur beraten, etwa in der Weise, dass sie die korrekten Schreibungen auf Grund der Überlieferungsgeschichte und/oder ortsüblichen Lautung für die Namen der Minderheit vorschlägt, nicht aber hinsichtlich politischer Entscheidungen wie die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln [25] oder den Geltungsbereich von Gesetzen, die den Gebrauch der Sprache(n) der Minderheit(en) [26] regeln.

In gemischtsprachigen Gebieten (inkl. der nächsten Umgebung) verhält es sich grundsätzlich so, dass es für jeden Namen zwei Formen gibt, die sich unerheblich voneinander (z.B. deutsch Globasnitz vs. slowenisch Globasnica) unterscheiden können bis hin zum Gebrauch zweier grundverschiedener Wörter, die auch semantisch nicht miteinander übereinstimmen (z.B. deutsch Feldkirchen vs. slowenisch Trg, letzteres bedeutet ‘Markt’). Sonst gibt es meist nur für allgemein bekannte Namen zwei Formen (z.B. deutsch Wien, Laibach vs. slowenisch Dunaj, Ljubljana), während die übrigen Namen in ihrer Originallautung (und -schreibung), allerdings phonetisch angepasst, übernommen werden.

Während bei den deutschen Ortsnamen im allgemeinen ein stillschweigender Kompromiss zwischen deren volkstümlicher (auf der lokalen Mundart beruhenden) und „hochdeutschen“ (schriftsprachlichen) Lautung vorliegt, was in der langen Tradition der Verwendung des Deutschen als Amtssprache begründet ist, gibt es im Slowenischen sehr oft voneinander erheblich abweichende hochsprachliche und volkstümliche Namensformen. Erst im Zuge der Begründung eines slowenischen Schrifttums sind viele Toponyme verschriftsprachlicht worden, wobei es oft Irrtümer gegeben hat, wie z.B. beim Ortsnamen Krnski grad ‘Karnburg’: die volkstümliche slowenische Form lautet Karempurg, [27] die ein älteres deutsches Chaerenpurch (1201) reflektiert, daher wäre ein slowenisches Koroški Grad (so bei Jarnik) zu erwarten, das wäre ‘Kärntenburg’ wie auch das der alten Bezeichnung Chaerenburg zugrundeliegende *Charantapurch, lateinisch civitas Charantana (9./10. Jhdt.).

Konflikte um Namensformen sind meistens ideologische Auseinandersetzungen, die von beiden Seiten mit großer Verve geführt werden, obwohl – namenkundlich und linguistisch gesehen – „Kärntner amtliche“  oder „slowenische schriftsprachliche“ Namensformen gleich gut „slowenisch“ sind, die einen eben mundartlich (wie deutsch Bruck oder Brunn, Born sowie Bronn), die anderen schriftsprachlich (wie deutsch Brücke in Möllbrücke oder Brunnen in Siebenbrunnen, Tirol). In jedem Fall sollte ein Kompromiss zwischen schriftlicher Tradition, mundartlicher Aussprache und standardsprachlicher Orthographie gefunden werden. „Überstandardisierungen“ nach dem Muster Brücke an der Mur sind auf jeden Fall zu vermeiden.

Seinerzeit, 1972 (schon vor dem „Ortstafelsturm“) gab es u.a. Streitigkeiten um die Namensformen der Ortschaften Št. Vid (v Podjuni) / St. Veit (im Jauntal) und Vočilo / Hart (Arnoldstein). Das Kärntner Landesarchiv hat zunächst die Schreibungen Št. Fid v Podjuni bzw. Vočilo vorgeschlagen, [28] die grundsätzliche Probleme aufwerfen. Št. Fid ist zwar die beste Wiedergabe eines mundartlichen [šumfət], ist aber hinsichtlich der Schreibung isoliert wie z.B. auch deutsch mundartlich Fostion für St. Sebastian (bei Hochosterwitz). Daher ist es angebracht, nach den zahlreichen Št. Vid geschriebenen Ortsnamen auch den im Jauntal so zu schreiben, wie auch der bei den Einheimischen Fostión genannte Ort besser als St. Sebastian wiederzugeben ist.

Anders verhält es sich bei Hart, Kärntner Landesarchiv Vočilo, Zdovc Ločilo. Etymologisch beruht der Name auf slow. *močilo ‘feuchter Ort, Sumpfwald’ (was auch deutsch Hart bedeutet [29]). Die slowenische Schreibung Ločilo (genauer Łočilo  [w-]) ist willkürlich und kann sich auf keine Vorbilder im alten Österreich berufen, die Ortsverzeichnisse von 1900 und 1910 schreiben Vacil. [30] Daher hat sich das Kärntner Landesarchiv in der Wahl der Schreibung nach der mundartlichen Aussprache orientiert und mit Recht Vočilo vorgeschlagen. Eine Schreibung Ločilo evoziert darüber hinaus eine Lesung [lo-].

Eine gewisse Berühmtheit erlangte Tutzach / Tuce neben amtlich Tulce (Gem. Ebenthal); letztere Form wird durch urkundlich 1317 Tultz gestützt. Der Ort selbst hieß früher (1900, 1910) slowenisch Tuče (vgl. 1788 Tutschacher Gemeinberg), was seiner Herkunft aus dem Personennamen *Tъlčanъ entspricht. [31]

In letzter Zeit sind v.a. die beiden Namen Ebersdorf / Drbeša ves (gegenüber Drveša vas) und Windisch Bleiberg / Slovenji Plajberg (gegenüber -berk) in slowenischsprachigen Printmedien diskutiert worden. [32] Bei Drbeša ves spielt der alte Streit um die „richtige“ Schreibung für ‘Dorf’ mit; Zdovc hat als Haupteintrag Drveša vas, vermerkt aber ausdrücklich tudi  [auch] Drbeša vas“, was der Etymologie (vom Personennamen Dobreh(a)) eher entgegen kommt. [33] Was Slovenji Plajberg betrifft: es hat mit der Stadt Bleiburg / Pliberk nichts zu tun, außer dass es etymologisch gleichen Ursprungs ist, aber die Einwohner von Pliberk heißen Pliberčani, die von Slovenji Plajberg (umgangssprachlich und mundartlich) Plajberžani; im Slowenischen wechselt bekanntlich k mit č bzw. g mit ž – die historisch zu begründende und sprachwissenschaftlich korrekte Form ist daher schriftlich Slovenji Plajberg bzw. Pliberk, phonetisch mag Slovenji Plajberk sicher „richtig“ sein. [34] Auch Zdovc, der Plajberk bevorzugt, gibt als Einwohnernamen zwar Plajberčani an, räumt aber als lokale Nebenform Plajberžani ein. [35] Übrigens werden auch viele deutsche Ortsnamen nicht hochsprachlich „korrekt“ geschrieben (wie z.B. Brunn/-brunn/-born und Bruck) oder ausgesprochen (wie die Bundeshauptstadt Wien, die eigentlich Wi-ën heißen müsste, auf Grund von mundartlich Wean usw., man vergleiche Dienten, mundartlich Deanten in Salzburg). Oder man denke an das Osttiroler Virgental mit seinem Firschnitzbach – beide gehen trotz verschiedener Schreibung des Anlautes auf alpenslawisch bzw. karantanisch *bergъ ‘Abhang’ zurück.

Es gab also wiederholt Auffassungsunterschiede zwischen dem Kärntner Landesarchiv, das eher namenkundlich begründete Lösungsvorschläge bzw. die altösterreichische Tradition zu vertreten hat (z.B. ves für ‘Dorf’), und slowenischen Vorstellungen, die auf schriftsprachliche Einheitlichkeit (daher vas) bedacht sind. Ob man nun deutsch Dorf / -dorf mit slowenisch (standardsprachlich) vas oder (mundartlich) ves wiedergibt – beide sind gleich gut „echt“ slowenisch – ist eine rein sprachpolitische Entscheidung, keine namenkundliche, ähnlich Windisch Bleiberg / Slovenji Plajberg. Oft war in diesem Zusammenhang von willkürlicher Veränderung oder gar „Fälschung“ von Namen die Rede, doch Namen „fälschen“ kann man nicht, man kann nur welche „erfinden“ (wie dies Tolomei [s.u.] in Südtirol getan hat) oder geographische Objekte willkürlich umbenennen, was in Kärnten nur relativ selten der Fall war, Beispiele sind deutsch Turnersee (statt Sablatnigsee) oder slowenisch Ovčjak (statt Ajblhof ‘Eibelhof’). [36] Eine „Fälschung“ im wahren Sinn des Wortes wären erfundene Dokumente, in denen, z.B. in einem Katasterverzeichnis aus dem 18. oder 19. Jhdt., ein Otschjak oder ein Turnersee aufschienen. Die meisten Probleme sind also Auffassungsunterschiede über die „richtige“ Schreibung von Namen, wie eben ves oder vas neben unbestrittenem Vesca ‘kleines Dorf, Dörfl’, schriftsprachlich vasica; slowenisch Spodnja / Zgornja (Zvrhnja) Vesca steht für deutsch Unter- / Oberdörfl und bedeutet eigentlich ‘unteres / oberes kleines Dorf’. Wenn man also in beiden Sprachen mundartlich Vesca bzw. Dörfl schreibt, könnte man auch mit schriftsprachlich vas und -dorf eine Parallelität herbeiführen, womit zumindest ein Problem vom Tisch wäre!

Namen sind erhaltenswertes Kulturgut, mit dem unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung und schriftlichen Tradition sorgsam umgegangen werden sollte, wie dies das Kärntner Landesarchiv tut – hier sind die Arbeiten von Alfred Ogris [37] und Pavel Zdovc [38] ausdrücklich zu würdigen, wenn auch beide Autoren bei einigen Namen verschiedener Meinung sind. Zdovc’ Vorschläge liegen auch dem Namenverzeichnis Kattnig-Kulnik-Zerzer 2004/2005 (mit Karte) zu Grunde. Beide Autoren blieben auch in der Diskussion sachlich, z.B. Zdovc: „Einen sichtbaren Platz nimmt die Neigung zur Regionalisierung allgemeiner Elemente zusammengesetzter Namen ein“, womit auf das vas/ves-Problem angespielt wird, weiters: „Mehr als der überwiegende Teil des Verzeichnisses des KLA (= Kärntner Landesarchiv, H.D.P.) ist natürlich vollkommen in Ordnung, es enthält auch einige Beispiele, die besser entsprechen als Schreibungen anderer neuerer Ortsnamenverzeichnisse … [39] – letztere fanden alle in Zdovc 1993 und Kattnig-Kullnig-Zerzer 2004/2005 entsprechende Berücksichtigung.

Dem Kulturgut Ortsname wird es sicher gut tun, dass sich in letzter Zeit beide Seiten, die zuständigen Kärntner Landesstellen und die Vertreter der slowenischen Volksgruppe, auf einheitliche Schreibformen einigen, so z.B. für Drveša vas (bei Bleiburg / Pliberk). [40] Viel Zeit für solche Diskussionen stand ja nicht mehr zur Verfügung, um 1900 gab es in Kärnten ca. 75 000 Slowenen, laut Volkszählung 2001 nur mehr ca. 13 000 (das sind um ca. 83 % weniger als 1900!). Daher ist es frivol von einer „Slowenisierung Südkärntens“ zu sprechen, sie hat nie stattgefunden, wenn sie auch in Aussendungen des „Kärntner Abwehrkämpferbundes“ [41] und in vielen Leserbriefen immer wieder aufs Neue beschworen wird. Oft heißt es sinngemäß: „sollten die von der Konsenskonferenz vorgeschlagenen (ursprünglich) 158 Ortschaften in 18 Gemeinden mit Ortstafeln versehen werden, würde Südkärnten zum slowenischen Territorium“. Doch die Verwirklichung der Vorgaben der „Konsenskonferenz“ hätte kein slowenisches Territorium geschaffen, sondern bloß die historisch gewachsene Namenlandschaft des südlichen Unterkärnten unterstrichen, wo zwei Sprachgemeinschaften in einer gemeinsamen Heimat / skupna domovina leben. Somit kann die Namenforschung zum Erhalt des Kulturgutes Ortsname sehr viel beitragen, bei politischen Entscheidungen über amtliche Namensformen sind die Möglichkeiten der Wissenschaft aber begrenzt. Siehe dazu das Ortsverzeichnis im Anhang (zur Namenliste). Es ist also legitim, Ortsnamen im historischen slowenischen Siedlungsgebiet hochsprachlich festzulegen, wobei jedoch zu weit gehende sprachliche Eingriffe zu vermeiden sind. Vor allem sind künstliche Slowenisierungen wie z.B. Ovčjak (s.o.) ebenso abzulehnen wie auch künstliche Germanisierungen von Namen slowenischer Herkunft, so ersetzte man beispielsweise den Bergnamen Gerloutz, Harlouz (slowenisch Grlovec) in den ersten Dezennien des 20. Jhdts. durch die Bezeichnung Ferlacher Horn. [42]

Die Vorgeschichte des VfGH-Urteils und der Umgang mit ihm ist bekannt; er passt ins österreichische Kuriositätenkabinett. [43] Doch war das „Volksgruppengesetz 1976“ nicht auch kurios? Wieso konnte ein mit der Verfassung nicht vereinbares Gesetz (in der von Prozentsätzen keine Rede ist) überhaupt – sage und schreibe – über 25 Jahre in Kraft sein, ohne dass dies nicht schon früher staats- und verfassungsrechtlich versierten Entscheidungsträgern aufgefallen wäre? Warum stehen nicht einmal die rund 90 nach dem (in dieser Hinsicht) restriktiven Volksgruppengesetz vorgesehenen Ortstafeln zur Gänze? Egal, wie man persönlich dem Problem gegenübersteht, das Urteil des VfGHs hat gezeigt, dass Handlungsbedarf besteht und eine rechtskonforme Lösung herbeigeführt werden muss. Diese sollte auch eine kulturpolitische sein, die das Ortsnamengut slowenischer bzw. alpenslawischer  Herkunft in Österreich als Kulturgut ganz allgemein ins öffentliche Bewusstsein bringt. Die Ortstafelregelungen erfolgten bislang auf Grund der Straßenverkehrsordnung. Doch es gibt mehr Toponyme als nur Ortsnamen, nämlich außer diesen (Namen von Gemeinden und Gemeindeteilen) gibt es Gewässer-, Flur-, und Bergnamen. Während die Gewässernamen durch die kartographische Tradition mehr oder weniger fixiert sind, herrscht hinsichtlich der Flur- und Bergnamen keine befriedigende Namenfestlegung (z.B. sind für die Gerlitzen auch die Varianten Görlitzen und Gerlitze üblich). Für die Namen der Gemeinden ist die Landesregierung zuständig, für die Namen von Gemeindeteilen die Gemeinde selbst und für die übrigen Namen das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen; nach deren Angaben erscheinen dann die Namen in den Ortsverzeichnissen der Statistik Austria. [44]

 

(zur Namenliste)

 

 

Literatur

 

Vorbemerkung: Angaben zu den namenkundlich-linguistischen Details v.a. in meinen Arbeiten Pohl 2000, 2005a-b u. 2006a-b sowie im Internet unter der URL:

http://members.chello.at/heinz.pohl/Namen-Konflikt.htm

KARNER 2006: St.K., Die Bemühungen zur Lösung des Kärntner Minderheitenproblems 2005. In: Die Ortstafelfrage aus Expertensicht. Eine kritische Beleuchtung (Redaktion P. Karpf u. T. Kassl). Kärnten Dokumentation, Sonderband 01, Klagenfurt 2006, S. 81-110.

KATTNIG-KULNIK-ZERZER 2004/2005: F.K. - M.K. - J.Z., Zweisprachiges Kärnten / Dvojezična Koroška. Zweisprachiges Ortsnamenverzeichnis von Südkärnten / Seznam dvojezičnih krajevnih imen južne Koroške. Klagenfurt / Celovec.

KRANZMAYER 1958: E. K., Ortsnamenbuch von Kärnten, Band II, Klagenfurt 1958.

OGRIS 1976: A.O., Zur Geschichte der Kärntner Ortsnamenforschung. In: Österreich in Geschichte und Literatur 20, S. 81-92.

OGRIS 1986: A.O., Der amtliche Gebrauch zweisprachiger Ortsnamen in Kärnten aus historischer und gegenwärtiger Sicht. In: Carinthia I 176, S. 361-370.

OGRIS 1991: A.O., Zweisprachige Namen in Kärnten im Wandel. In: Österreichische Namenforschung 19/1991, S. 39-49.

POHL 2000: H.D.P., Kärnten – deutsche und slowenische Namen / Koroška – nemška in slovenska imena. Wien-Klagenfurt (= Studia Carinthiaca XIX und Österreichische Namenforschung 28/2000, Heft 2-3). 

POHL 2002: H.D.P., Die ethnisch-sprachlichen Voraussetzungen der Volksabstimmung. Die Kärntner Volksabstimmung 1920 und die Geschichtsforschung, Leistungen, Defizite, Perspektiven, hg. von H. Valentin – S. Haiden – B. Maier. Klagenfurt, S. 181-188.

POHL 2005a: H.D.P., Slowenisches Erbe in Kärnten und Österreich: ein Überblick. In: Kärntner Jahrbuch für Politik 2005, S. 127-160.

POHL 2005b: H.D.P., Die Slavia submersa in Österreich: ein Überblick und Versuch einer Neubewertung. In: Linguistica XLV – Ioanni Orešnik septuagenario in honorem oblata I, Ljubljana, S. 129-150.

POHL 2005c: H.D.P., Toponyme in gemischtsprachigen Gebieten als verbindendes Element und gemeinsames Kulturgut. In: Namenforschung morgen: Ideen, Perspektiven, Visionen, ed. A. u. S. Brendler. Hamburg, S. 153-160.

POHL 2006a: H.D.P., Das Kärntner Ortstafelproblem aus sprachwissenschaftlicher Sicht. In: Die Ortstafelfrage aus Expertensicht. Eine kritische Beleuchtung (Redaktion P. Karpf u. T. Kassl). Kärnten Dokumentation, Sonderband 01, Klagenfurt 2006, S. 133-148.

POHL 2006b: H.D.P., Namenkundliche Bemerkungen zum Kärntner Ortstafelkonflikt. In: Kärntner Jahrbuch für Politik 2005, S. 57-69.

ZDOVC 1974: P.Z., Einige Aspekte zu Ortsnamenfragen in Kärnten. In: Carinthia I 164, S. 289-303.

ZDOVC 1993: P.Z., Slovenska krajevna imena na avstrijskem Koroškem / Die slowenischen Ortsnamen in Kärnten. Wien-Klagenfurt.

 

BGBl   = Bundesgesetzblatt         VfGH = Verfassungsgerichtshof


 

[1]     Näheres zur „Konsenskonferenz“ s. Karner 2006: 81ff., insbes. 97-102. Aus ihr ging eine „Gemeinsame Erklärung“ hervor, die von den Vertretern des Zentralverbandes der Slowenischen Organisationen, der Gemeinschaft der Kärntner Sloweninnen und Slowenen und des Kärntner Heimatdienstes unterzeichnet wurde (s. Karner a.a.O. 109f.). – Ein Rückblick: Das Ortstafelerkenntnis des VfGH erging am 13. Dezember 2001: am Beispiel von St. Kanzian in Unterkärnten müsste es zweisprachige Ortstafeln in Gemeinden mit einem Minderheitenanteil von mindestens zehn Prozent (und nicht wie bisher 25 Prozent) geben. Anlass dazu war der Kärntner Slowenenvertreter und Anwalt Rudi Vouk. Auf eine Strafe wegen Zuschnellfahrens durch die Ortschaft St. Kanzian reagierte er mit einer Beschwerde, weil die Ortstafeln dort nicht zweisprachig sind. – In bislang sechs Konsenskonferenzen, zu denen Kanzler Wolfgang Schüssel (Volksgruppengesetze sind Bundeskompetenz) seit April 2002 Vertreter der Parteien, Slowenen- und Heimatverbände einlädt, gab es zunächst keine Lösung, doch im Mai 2005 kam es zum Durchbruch, historisch einmalig haben sich Volksgruppe und Kärntner Heimatdienst auf eine Paketlösung mit insgesamt 158 Ortstafeln geeinigt, aber im letzten Augenblick ist der Kompromiss dennoch gescheitert. SPÖ und ÖVP waren zwar dafür, nur Jörg Haider war dagegen, denn er wolle nichts gegen die Bevölkerung machen (so „Kleine Zeitung“ vom 13.1.2006, S. 3 bzw. 6. Mai 2005, S. 4). Zuletzt wurde wieder eine „Minderheitenfeststellung“ ins Spiel gebracht.

[2]     so in der „Kleinen Zeitung“ vom 9.1.2006, S. 20.

[3]     Kleine Zeitung 26.8.2006, S. 16.

[4]     so in der „Kleinen Zeitung“ vom 3.9.2006, S. 21.

[5]     so in der „Kleinen Zeitung“ vom 10.9.2006, S. 12.

[6]     so in der „Kleinen Zeitung“ vom 12.9.2006, S. 16. Zum Vergleich: 1991 waren 1242 Kinder von 5639, 1999 1619 von 6133 Kindern zum zweisprachigen Unterricht angemeldet.

[7]     es handelte sich um einen „historischen Kompromiss“ (so auch Karner 2006: 97).

[8]     ursprünglich waren es 158 Ortschaften, dann 142, im Koalitionspakt der neuen Bundesregierung ist von 141 die Rede (so „Kleine Zeitung“ 11.1.2007, S. 20), zuletzt wurde vom „Rat der Kärntner Slowenen“ die Zahl 173 genannt (so „Kleine Zeitung“ 13.1.2007, S. 22).

[9]     dazu s. BGBl. 1976/118 (nachzulesen u.a. bei Zdovc 1993, 332ff.).

[10]  Der „Staatsvertrag“ ist im BGBl. 1955/39 publiziert, nachzulesen u.a. bei Zdovc 1993, 296ff. Die Vorgaben zu verwirklichen scheiterte im Jahre 1972 am so genannten „Ortstafelsturm“; im Jahre 1977 wurden in beschränktem Umfang in acht Gemeinden auf Grund des „Volksgruppengesetzes“ aus dem Jahre 1976 (BGBl. 1976/118, nachzulesen u.a. bei Zdovc 1993, 332ff.) zweisprachige Ortstafeln angebracht; diese „Ortstafelregelung“ im Volksgruppengesetz wurde am 13.12.2001 durch  den VfGH aufgehoben (VfGH-Erkenntnis vom 13.12.2001, Geschäftszahl G 213/01, im Internet aufrufbar unter der URL http://www.ris.bka.gv.at/vfgh/).

[11]   Vgl. den Staatsvertragstext (BGBl. 1955/39, Artikel 7, nachzulesen u.a. bei Zdovc 1993, 296ff.).

[12]   VfGH-Erkenntnis vom 13.12.2001, Geschäftszahl G 213/01, im Internet unter der URL

           http://www.ris.bka.gv.at/vfgh/ aufrufbar.

[13]   dazu s. meinen Beitrag Pohl 2005a.

[14]   In Kärnten gibt es seit seiner Begründung als Herzogtum im Jahre 976 zwei Sprachen, damals Althochdeutsch und Karantanisch, der alpenslawische Dialekt des Altslowenischen, wie er uns auch in den „Freisinger Denkmälern“ entgegentritt, dem ältesten slawischen Sprachdenkmal in lateinischer Schrift überhaupt (dazu und zur Bezeichnung „karantanisch“ vgl. genauer Pohl 2005a u. 2005b). Spätere Sprachdenkmäler stehen der heutigen Sprache näher als etwa mittelhochdeutsche Texte dem modernen Standarddeutsch, wie z.B. die „Klagenfurter Handschrift“ (der Text liegt u.a. jetzt auch in Pohl 2005a, 145-148 vor,  mit Kommentar und Übersetzung). Früher nannte man im deutschen Sprachgebrauch die slowenische Sprache „windisch“, diese Bezeichnung – sie ist heute obsolet geworden (dazu vgl. Pohl 2000, 7ff. u. 2002) – ist sowohl in den Beschreibungen der Herzogseinsetzung beim Fürstenstein in Karnburg bezeugt als auch im Namen „Windisches Herzogtum“ des 16. Jhdts., im Zeitalter der Reformation, dem nicht nur die deutsche Sprache einen Martin Luther zu verdanken hat, sondern auch die slowenische Sprache einen Primož Trubar – beide waren Wegbereiter einer „reformierten“ Sprache – beide Sprachen wurden zu europäischen Kultursprachen. Der slowenische Bezug zur Herzogseinsetzung ist heute noch im Ortsnamen Blasendorf, slowenisch Blažnja ves (oder vas), dem Wohnsitz des „Herzogbauern“, der bei der Zeremonie eine bedeutende Rolle spielte, erkennbar, enthält doch dieser Name das alte slowenisches Wort blag für ‘Richter, Verwalter oder Edling’ – Hinweis auf die Verschränkung beider Sprachen in Kärnten seit Anbeginn und Erklärung dafür, welch starke emotionale Bindung der Fürstenstein für das Slowenentum hat – bis hin zu seiner (umstrittenen) Verwendung auf der neuen slowenischen 2-Euro-Cent-Münze.

[15]   Zu stark betrachtet die Gesellschaft die heutigen Verhältnisse auf Grund historischer Zusammenhänge. Was für die Republik Österreich Eckdaten wie 1918 und 1938 oder die Formel des „Gedenk- oder Gedankenjahrs 1945-1955-1995“ sind, ist für unser Bundesland der 10. Oktober des Jahres 1920, als ob dieses Datum die letzte Rettung vor dem Untergang, eine Wiedergeburt oder ein Neubeginn gewesen wäre. Was war es wirklich: ein Plebiszit, eine Volksabstimmung über die Einheit in gemeinsamem Zusammenleben zweier Volksgruppen bzw. Sprachgemeinschaften oder über die Trennung nach nationalen Gesichtspunkten. Ein großer Teil – rund 40 % derer, die bei der Volkszählung 1910 Slowenisch als Umgangssprache angegeben hatten – sprach sich für eine gemeinsame Heimat, eine skupna domovina, mit den Deutschkärntnern aus. So gesehen war der 10. Oktober 1920 sicher ein bemerkenswertes Datum – an den historischen Fakten und am täglichen Zusammenleben der beiden Sprachgemeinschaften hat er wenig geändert. Die „gemeinsame Heimat“, skupna domovina wurde vor- und nachher  von der schweigenden Mehrheit gelebt, nicht aber von vielen politischen Führungskräften beider Volksgruppen. Im Völkerfrühling des 19. Jhdts. waren die politischen Führer darauf bedacht, „ihre“ Völker nach Sprachgrenzen zusammenzuführen, was als Folge des Ersten Weltkriegs z.T. auch gelungen ist, aber zwei- und mehrsprachige Länder wurden so zu Problemzonen und der nationale Gedanke verlor seine Unschuld, denn für eine gemeinsame Heimat, eine skupna domovina war im nationalen Zeitalter kein Platz.

[16]   dies gilt weltweit!

[17]   zu lateinisch aculeus ‘Stachel’ im Sinne von ‘spitzer Berggipfel’.

[18]   aus romanisch cima rossa ‘Rotspitz’.

[19]   Teil der Karawanken, slowenische Schreibung Košuta, eigentlich ‘Hirschkuh’ (von den Kelten wurde der von ihnen übernommene Name der Karawanken später mit keltisch karvos ‘Hirsch’ volksetymologisch in Zusammenhang gebracht, was offensichtlich nachwirkte).

[20]   indogermanisch *drowos ‘Flusslauf’ (lateinisch Dravus, deutsch Drau, alt Traa, Trage, slowenisch Drava).

[21]  indogermanisch *albhant- ‘weißer Fluss’ (> altslowenisch *labant- > deutsch Lavant, mundartlich Låfənt , slowenisch Labotnica, mundartlich Łábota).

[22]   dazu vgl. Pohl 2005c.

[23]   aus za ‘hinter’ + hołmec ‘kleiner Hügel, Bühel’, also etwa mit ‘Hinterbichl’ zu übersetzen.

[24]   d.i. žihpol (aus deutsch Sichpuchl) + -je, ursprünglich eigentlich eine Einwohnerbezeichnung.

[25]   um deren Anzahl in Kärnten immer wieder bzw. noch immer gestritten wird.

[26]   z.B. Aufschriften, Schulwesen u.dgl.

[27]   vgl. Kranzmayer 1958, 116.

[28]   vgl. Zdovc 1974, 294f.

[29]   vgl. Kranzmayer 1958, 99.

[30]   vgl. Kranzmayer a.a.O. mundartlich Voči(d)lo, als Nebenform Hrast (d. i. ‘Eiche’).

[31]   dazu vgl. Pohl 2002, 49 u. 111 mit Lit.

[32]   u.a. in der Wochenschrift Novice (Klagenfurt / Celovec) štev. 2 vom 20.1.2006.

[33]   Zdovc 1993, 43f.

[34]   vgl. zu diesem Problem Pohl 2002, 111ff.

[35]   Zdovc 1993, 87.

[36]   dazu vgl. Pohl 2002, 113 u. 115 mit Lit.

[37]   seine wichtigsten einschlägigen Arbeiten sind bei Pohl 2002, 143f. aufgelistet, s. auch hier in der Bibliographie.

[38]   zitiert Pohl 2002, 148.

[39]   Zdovc 1974, 295.

[40]   dem Vernehmen nach hat man sich in der „Konsenskonferenz“ darauf geeinigt, die schriftsprachlichen slowenischen Namensformen zu verwenden, wie sie bei Zdovc 1993 und Kattnig-Kulnik-Zerzer 2004/2005 aufscheinen (freundliche Mitteilung von Dr. Marjan Sturm). In der Neubearbeitung meines Namenbuches (Pohl 2000) werde ich als Haupteintrag ebenfalls die schriftsprachlichen slowenischen Namensformen bevorzugen.

[41]   in der Aussendung vom 15. März 2006, S. 2. – Der „Kärntner Heimatdienst“ ist inzwischen von dieser Sichtweise deutlich abgerückt, schließlich war er in die „Konsenskonferenz“ eingebunden und hat das „Karner-Papier“ mitgetragen (s.o. Anm. 1).

[42]   einen Kärntner „Tolomei“ hat es jedoch nie gegeben, trotz aller Konflikte gab es in Kärnten (und Österreich) nie Umbenennungen im großen Stil – wie in Südtirol (italienisch in Alto Adige  ‘Oberetsch’ umbenannt, dem die bis 1972 amtliche deutsche Bezeichnung Tiroler Etschland nachempfunden war) – weder bei den Deutschen noch bei den Slowenen. Wohl scheint es oft nicht nur der Klang eines Namens gewesen zu sein, der eine Umbenennung wünschenswert erscheinen ließ, vielleicht war es beim Keutschacher See (statt Plaschischensee) so, beim Turnersee (statt Sablatnigsee – so der alte Name, slowenisch Zablaško oder Zablatniško jezero) wohl nicht, hier haben sich die (deutschen) „Turner“ verewigt. Zwar kann sich der Tourist unter einem Vellacher Hochtal mehr vorstellen als unter der Bezeichnung Vellacher Kotschna (slowenisch Belska Kočna) – doch diese ist willkürlich, hier könnte die Namenforschung eingreifen, indem sie darauf hinweist, dass mit Kotschna / Kočna ein bestimmtes (rotbraunes) Gestein bezeichnet wird und diese letztlich aus dem Romanischen ins Slowenische gelangte Bezeichnung v.a. in den Karawanken und Steiner Alpen verbreitet ist. Solche Kunstnamen sind absolut kein Kulturgut (was m.E. auch für einen Großteil der Südtiroler amtlichen italienischen Bezeichnungen gilt).

[43]   hier ist nicht der Platz für polemische Auseinandersetzungen, s. dazu meine Gastkommentare in der „Wiener Zeitung“ vom 31.1.2006 u. „Kleine Zeitung (Klagenfurt)“ vom 21.2.2006.

[44]   die zuletzt erschienene Ausgabe: Ortsverzeichnis Kärnten 2001. Wien, Statistik Austria 2004 (mit CD ROM). Darin sind auch alle Ortsnamen in slowenischer Sprache enthalten, soweit dies nach dem Volksgruppengesetz 1976 vorgesehen ist.

 

 (zurück: http://members.chello.at/heinz.pohl/Namen-Konflikt.htm )