Indien
Notizen
23.2.1957
Ab München
12.00 Uhr nach Zürich an 13.15, kleine Mahlzeit an Bord. Warten in Transithalle
des Flugplatzes Klothen. An Bord Techniker Weber (Wagner?) von Siemens,
Erlangen, kennen gelernt (auf Flug zur Messe nach Kairo). Meist Nebel,
Fenster beschlagen.
14.45 ab Zürich nach Genf, Schnee und Regen
14.40 ab Genf mit Air India International Super Constellation- Flug
über Rom - 19.38 Athen
24.2.1957
0.05 Beirut Restaurant Kaffe Sandwiches - im Warteraum 2 Verschleierte
mit goldenen Fingernägeln, Männer mit Turban, Lichtermeer
1.05 ab Beirut
2.05 über Damaskus
24./25.
2. 1957
Gnu auf Strasse, Stelzvögel, Mann mit Kupferkanne am Brunnen halbnackt
übergiesst sich, Taxi fährt langsam und hupt zart wegen Tauben, echte
Raben, Fledermäuse.
28 Riesenventilatoren im Riesenspeisesaal des Taj Mahal, weiß gekleidete
Kellner, weiße Tennisschuhe, weiße lange Servietten übern Arm, grüne
Stühle (Lederpolster), grüne Wände, blaue Fensterumrahmungen. Blick
auf gepflegten Garten, Palmen.
Sonnenaufgang vom Hotelfenster aus, langsam erwacht Leben, jemand füttert
Tauben, hagerer Bettler mit Spinnenbeinen geht über den Platz, einer
zieht Korb hinter sich her und sammelt Papier auf. Im Dunst Schiffe,
blinkende Lichter, dumpfes Horn zittert. "Kulis" tragen das Gepäck
Bombay
25.2.1957
Am Gateway of India spricht mich Inder an - Bert Simmons, hat in engl.
Armee gedient, kennt Deutschland. Wir fahren im Taxi am Strand entlang,
der berühmten Marine Drive mit prächtigen Bauten, erinnert an Copacabana
- teilweise Strand, an dem gebadet wird, aber auch Markt. Bettler, Jungen
halten rauchendes gelbes Etwas feil (Reis? Nüsse? Mais?). Fahren auf
die Höhe zum Kamala Nehru Park zu den Hanging Gardens, voll Leben, Saris
aus Baumwolle zeigen niedrigeren Stand an als solche aus Seide. Im Hanging
Garden genaue Nachbildung der Wasserquellen von Bombay, Musik aus Lautsprecher,
das Betreten des Rasens ist erlaubt.
Vögel fliegen durch die Fenster des Speisesaals ein und aus
Kuli, Gepäck gebracht, ist barfuss, sehr untertan, ängstlicher, aufmerksam
angestrengter Blick auf jedes Wort, seine Lippen und Zähne sind zinnober
blutrot von Etwas, das er kaut. Trinkgeld hebt jeder zum Dank an die
Stirn.
Vom Hanging Garden mit Mr. Simmons (Katholik, Rosenkranz aus Rom in
der Tasche) zum Dhobi Ghat, wo hunderte in Trögen Wäsche waschen, dann
zu einem Tempel mit Bassin, Schrein und Priestern. Von hier zu den Cajes
(Cages?) Käfigen der Grant Road, Kama Tipora Rd., Suklaji Street, Falkland
Rd., tausende von Prostituierten in kleinen Türchen 1. u 2. Stock, Seitengassen
für Homosexuelle, uralte Weiber, junge und hübsche Mädchen, Nasenringe
- Like Animals - aber in Bombay Alkoholverbot - lassen sich nicht fotografieren
-
Sahen die Mauer um die Türme des Schweigens, von Aasvögeln umkreist,
Parsis 3 Reihen im Kreis: Männer aussen, Frauen, Kinder innen, Wasser
spült die Reste in den Turm, von da ins Meer.
Hindu-Abart: Sikhs mit Turban, Bärte (dürfen nicht mit Messer oder Schere
Haar berühren)
10 Rs für Simmons
Vor Taj weisse Turban-Diener mit Wedeln auf Turban.
Kulis:
Khaki-braun mit Orange Turban
Rote Londoner Doppel-Bus
Taxis schwarz mit gelben Verdeck, rosa Amerikanerinnen, Kulis tragen
Gepäck auf dem Kopf
Lange, mit Federn umkleidete Stöcke als Staubwedel und Besen, von Diener
gehandhabt
Hotel Astoria (von Air India zugewiesen) schmutzig, Waschraum ohne Handtuch
und Glas - statt dessen rostige Konservenbüchse - ich ziehe ins Taj
um.
4.30 London= 9.00 Bombay
Bei der Ankunft DDT im Flugzeug " Der Weihrauch des 20. Jahrhunderts"
USSR Mashinery Co. There is something behind it
25.2.1957
ab Bombay 11.00 Santa Cruz Airport
ca 35 Minuten Bus ab Hotel Hyderabad - Madras - Bangalore unten links
und rechts bis zum dunstigen Horizont eine steppenbraune Ebene, ab und
zu ein Wölkchen am Himmel. In der Ebene dunklere Felder, selten ein
schmaler Wasserlauf, an dessen Umkreis gelb grüne Vegetationsinseln
zu erkennen sind. Aus dem Ventilatorloch (Cold Air) kommt ein schwacher,
lauwarmer Luftstrom, im Netz des Vordersitzes steckt ein Fächer - vor
dem Start Bruthitze, Fächer wühlt nur die Wärme hin und her. Captain:
V:S. VADYA, Stewardess (Hostess) Miss v.L. Torcato. Neben mir, links,
sitzt Familie, er europ. gekleidet, hat schlafendes Kind auf dem Schoss,
sie im rosa Sari mit farbenprächtigem Muster. Serviert wurde Kaffe u
1 Sandwich.
Auf dem Flughafen Bombay werden alle Passagiere gewogen.
Gelegentlich unten ein See mattgrünes Wasser.
Gedanken:
Gerade noch Genf, Schnee, Europa, Zivilisation, Sauberkeit - dann ein
wenig Schlaf - dann Wärme, Palmen, Indien - tatsächlich - halbnackte
dunkelhäutige Menschen, Frauen tragen Lasten auf dem Kopf - - der Wechsel
ist so schnell, dass es schwer verdaulich ist und alles zuerst einmal
unwirklich bleibt; der Intellekt muss ständig daran erinnern, dass das
Indien ist. Und wie diese Reise vergeht - ein paar Stunden, in denen
man nichts sieht - unten ziehen die Märchenländer vorbei, Arabien, Irak,
die Stätte der Bibel, Ur, die Wüste, Karawansereien, Oasen, Kamelherden,
1001 Nacht, Beirut. Zwischenlandung Flughafenrestaurant, dann wieder
Nacht, Damaskus, Dharan - Lichter nur...
Der Gouverneur von Bombay, sagt Simmons, is an "nice chap". In den Slums
gibt es noch Leute, die ihren Babies die Hände abhacken um mit den Stümpfen
zu betteln.
Unten: 2 kleine Seen direkt nebeneinander, beide von assymetrischer,
moderner Form, einer blattgrün mit winziger dunkelgrüner Insel, der
andere lehmrot - ein zauberhaftes Bild
1.15h. Landung in Hyderabad. Essen im Flugplatz-Restaur. Hitze, schattige
Arkaden - Terrasse mit Jalousien, weißer Diener mit Fliegenwedel betreut
die Tische.
Gute Tomatencremesuppe, zähes Huhn, kaltes Wasser
14.00 ab Hyderabad
1-Rupie-Scheine als Block zum Abreissen gebündelt
15.55. An in Bangalore. Von Agenten der Trade Wings abgeholt (Are you
Mr. Heydecker?) Auto zum West End Hotel, in Tropengarten gelegen - gebadet
- Moskitonetze an den Betten. Offene Halle zum sitzen, Trinken. Viele
Raben krächzen. Knallrote und leuchtend grüne Vögel -
Bedenklich den Kopf wiegen bedeutet ja, alles in Ordnung
Manche Vögel kurze schrille Pfiffe, andere gurren dumpf, andere klingen
wie zwei dicke hohle Stäbe aus hartem Holz, die aneinandergeschlagen
werden.
Ein seltsamer Duft, ich denke von parfümierter Seife - es sind aber
die Blumen Namaste - Gruss
26.2.1957
Vormittags am Markt von Bangalore gefilmt. Ein Boy schliesst sich mir
an, hält eifrig die Leute zur Seite.
Gestern Abend waren indische Tänzerinnen im Hotel, anlässlich eines
japanisch-indischen Kulturmeetings. Zwei Ingenieure vom Stab Prof. Tank
kennen gelernt, Thönnis und Thies. Erzählen: Kastenzeichen sind keine,
sondern Ehrungen für eine bestimmte Gottheit, die den Tag regiert.
2-Anna-Münzen (4-eckig) von 1940 Bild Georg VI Emperor - jetzt an dieser
Stelle ein Zebu, das Tier mit Höcker, hinter den bequem das Joch gelegt
wird.
In Bombay, einfach Bom genannt, christliche Prozession am Abend, alle
in Saris.
Alte Buddhas etc. kennt man an abgeschliffenen Nasen, neue haben scharfen
Graf.
Man ruft "Boy!"
In den Gassen riecht es nach Curry
Neues Parlamentsgebäude in Bangalore für den Staat Mysore: victorianisch
angehauchter indischer Tempelstil, mit den Worten: Das Werk der Regierung
ist Gottes Werk - - die Idealisten!
Mittags Frau Prof. Tank aufgesucht, prächtiges Haus mit Säulen, Butler,
viel Dienerschaft - 100 Personen-Parties - "das macht nichts, dafür
hat man ja die Dienerschaft". Hören nachts im Salon und Säulengarten
Faust auf Langspielplatten.
Nachts ziehen am Hotel Watchmen auf, mit einem Stock bewaffnet, schlafen
am Treppenfuß auf einem Sack.
Jeder Taxifahrer hat einen Boy als Beifahrer; er muss die Türen öffnen,
die Motorhaube aufmachen, wenn der Anlasser versagt, und den Gast unauffällig
beschatten, wenn das Taxi warten muss.
Im offen gelassenen Koffer raschelte ein Kakerlak und floh nach einigen
Bemühungen; seither Koffer geschlossen.
Frauen tragen Granitsteine zum Straßenbau auf dem Kopf - 1 Rupie täglich.
Riesige Schmetterlinge, gelb mit Tupfen.
Kodachrome 8 kostet 19.2 Rps
Frau Tank: "Wir haben jeden Tag Parties - - es ist schrecklich; alles
was nach Asien kommt, kommt nach Bangalore".
Tropenhelme: meist nur von Vorarbeitern etc getragen, als Zeichen der
Autorität - Europäer sieht man so gut wie niemals damit.
28.2.1957
Mysore
Gestern mit der Gesellschaft von Bangalore nach Mysore gefahren. In
Bangalore Prof. Tank und Frau aufgesucht, spielen Platten argentinischer
Lieder, die Frau Tank übersetzt - sehr gelangweilt. Haben Bar-Ecke argentinisch
eingerichtet.
Mysore. Gestern abends in die Stadt gefahren, religiöser Feiertag. In
den Tempeln gewesen. Innen alles jahrmarktartig mit Glühlampen beleuchtet,
die teils blau oder gelb gefärbt sind. Lautes Klarinettenspiel. Lange
Reihen von Bettlern hocken vor dem Tempelparks, am Weg steht einer und
hält seinen Armstumpf den Vorbeigehenden hin. Einer wollte mich hypnotisieren
mit roten Fingern aus der Dunkelheit.
Krishnarajasagar-Damm, Park und beleuchtete Wasserspiele (50 Rupies
1 Stde) Krokodile, Störche, Affen, russische Reisegesellschaft. Elefant
des Maharaja, die anderen sind im Dschungel und werden bei Bedarf geholt.
Bei den Tempeln bekommt man Blüten - gegen Baksheesh.
Dammgarten, Elefantenköpfe speien Wasser, Lotosblüten, über allem die
langgezogene Lichtkette auf der Krone des Damms. Am Abend fährt Ochsengespann
als Silhouette darüber, Kaskaden aus 100 Treppchen.
Vor dem Tempel Schuhe ausziehen
Roter Mund: Bethel
Oberaufseher bei den Betonarbeiten Gandhiartig, trägt Brille, kommandiert
laut herum. Die "Kulies" sind lautlos, uralte Gesichter, viele jung
und bildschön, wunderbarer Gang, Sari, ernste Gesichter, tragen Schalen
mit Beton auf dem Kopf, niemals Hast - von Ferne sieht es aus wie Wandler
im Paradies - aber 1,4 Rs pro Tag - " Wir wollen keine Maschinen, sonst
wären die arbeitslos". Frauen zerschlagen mit Hämmern die Steine zu
kleinen Bröckchen, in Sieben werden sie in einem Wasserloch abgespült.
Bulle auf dem Berg mit Bambusgerüst umgeben: Honig und Milch werden
an Feiertag über ihm gegossen.
Nachts Familie auf der Landstrasse neben dem Ochsenkarren Nachtlager
aufgeschlagen. Rohe, grüne, Kokosnüsse mit Sichel aufgeschlagen, nur
zum Trinken.
Frösche quaken
Alkoholverbot in Bombay und Madras
Russen mit endlos weiten Hosen, hemdsärmelig, schreiben ununterbrochen
in dicke Hefte, einer erklärt sehr lange. Inder lassen sich zu keiner
Kritik hinreißen. Ramakrishna: "I hate communism".
Ganescha = Gott mit Elephantenkopf
3.3.1957
Nachm. 16.00 Uhr Ankunft in Colombo. Mount Lavinia Hotel liegt außerhalb
der Stadt am Strand, gebogene Palmen, Felsen in der Brandung, wunderbar
farbige Saris.
Auf der Terrasse sitzen u.a. 2 Paare, eines der Mädchen hat Schmuck
auf der Stirn (am goldenem Kettchen), der ab und zu bei einer Bewegung
des Kopfes aufblitzt. Scharfes Grillenzirpen. Wetterleuchten lässt die
Silhouette der Palmen sichtbar werden. Alle Boys etc. sind freundlich
und lachen einen an. Wie plump sehen die Weißen in ihren Kleidern aus!
Wie ideenlos Dior! Ein Zug fährt vorbei, die Abteile sind offen, an
den Seiten der Wagen hängen und hocken Fahrgäste mit wehenden Dhotis.
Ein Mangobaum ist mit grünen Lichtern geschmückt. Frauen tragen das
schwarze Haar in langen Zöpfen oder als Knoten.
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