Die Tage der Poeten

von Roman Schleifer  
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So sehen also angehende Autoren aus, dachte ich, nachdem ich mich im Raum umgesehen hatte.

Siebzehn Menschen saßen hinter den U-förmig angeordneten Tischen, darunter einige bekannte Gesichter vom PR-Stammtisch (Andrea, Gerald, Bernd, Harald, Manfred, Michael Marcus, Michael R.) und einige Freunde aus dem Internet (Ute, Michael B., Peter, Marc-Ivo). Den Rest der Horde (Andreas, Jörg, Mirco, Werner, Wolfgang) hatte ich noch nie zuvor gesehen.  Nun, ich würde sie kennenlernen.

In einigen Gesichtern sah ich die für jeden Seminarbeginn typische Anspannung. Sie kannten niemanden und konnten die anderen daher auch nicht einschätzen. Aber dank meiner Trainererfahrung wußte ich, daß sich das bald legen würde.

Einer der Vortragenden räusperte sich. Ich schwenkte den Kopf und sah zu den drei Flaschen. Am Tisch der Vortragenden thronte je eine Bierflasche mit zu uns gedrehten Etiketten. Offenbar wurden alle drei von der selben Biermarke gesponsert.

Ich verdrängte die Frage, ob sie dieses finanzielle Zubrot notwendig hatten und lauschte den Worten von Andreas Findig, Schriftsteller und Mitorganisator des Seminars.

"Ich begrüße euch zum ersten österreichischen Science-Fiction-Schriftsteller-Seminar!" sagte er.

Seitlich von ihm saß Klaus N. Frick, der Chefredakteur der Perry Rhodan-Serie, daneben Leo Lukas, Kabarettist und Schriftsteller.

Nach dem Organisatorischem und der Vorstellungsrunde folgte KNFs Vortrag. Das Motto lautete: "Wie frustriere ich angehende Schriftsteller, raube ihnen die Träume und mache ihnen klar, daß Verlage nur ein Ziel haben: Geld verdienen!"

Da gegen 23:00 Uhr die ersten Teilnehmer Spuren von Müdigkeit zeigten, beendete Klaus den offiziellen Teil mit dem Hinweis, daß wir morgen einiges über unsere Geschichten hören würden. Trotz dieser Warnung suchte niemand das Weite, sondern wir gingen zum inoffiziellen Teil über. Die Uhr zeigte 03:59, ich endlich ins Bett fiel.

*

"Und nun zu dir, Roman!"

Die Art, wie er meinen Namen dehnte, ließ mich aufhorchen. Falls das eine Warnung sein sollte ... ich hatte sie verstanden. Sofort änderte ich meine Sitzhaltung. Ich drückte meinen Rücken in die Lehne, hörte mitten in der Zeile zu lesen auf und legte den Reader auf meinen Schoß. Nachdem ich leise Luft geholt hatte, atmete ich sie laut wieder aus. Gleichzeitig preßte ich die Backenzähne aneinander, zog die Augenlider ein wenig nach unten und hob betont langsam den Kopf. Dabei glitt mein Blick sukzessive auf ihn zu: über den Reader, über das Gras, über seine Beine und über seinen Oberkörper bis ich bei seinen Augen angelangt war. Das listige Funkeln in ihnen täuschte mich nicht. Ich wußte, was er wollte.

Nicht mit mir, mein Freund! Bei mir beißt du auf Granit!

Immer noch bekriegten sich unsere Blicke und prallten wie unsichtbare Geschosse aufeinander. Seit heute morgen knallte er uns im Schloßpark die Geschichten verbal um die Ohren. Ich war der Erste, der gelassen blieb und ihm standhielt.

Ich grinste ihn an. Schließlich wußte ich, was ich meinem Ruf schuldig war. Aus dem Augenwinkel sah ich die anderen, die ebenfalls in dem Sesselkreis im Schloßgarten saßen. Alle blickten gebannt auf Klaus und mich. Die Frage "Was würde passieren?" stand ihnen ins Gesicht geschrieben.

Das Pochen in meinen Schläfen erinnerte mich daran, wie ich mich fühlte. Ich mußte mich  konzentrieren, um meine Spannung zu verbergen. Meine Hände schwitzen. Der Kugelschreiber schien jeden Augenblick davonzuschwimmen und zu allem Überfluß brannte die Sonne stärker auf meinen Nacken als zuvor. Aber ich durfte mich nicht bewegen. Es wäre mir sofort als Schwäche ausgelegt worden. Ich klammerte mich an die Regel Nummer Eins für angehende Autoren: Kritik nimmt man äußerlich so auf, als wäre sie einem vollkommen gleichgültig!

"Satzbau, Füllwörter, falsches Adjektiv, falsches Bild ..."

Wie Wellen schlugen die Wörter über mir zusammen. Ich duckte mich - innerlich. Jedes Wort aus dem Mund von Klaus riß einen Stein aus meinem mentalen Verteidigungswall. Dabei hatte er gerade erst mit der Kritik an meiner Geschichte begonnen.

Hells week!

In meinen Gedanken robbten Navy Seals im Dreck. Nach monatelangem Training mußten die Rekruten in der Abschlußwoche zeigen, was sie gelernt hatten und wozu sie fähig waren. Ihre Ausbilder setzten sie einer wahren Flut an Schikanen aus. Und es gab nur eine Regel: Wer aufgab, hatte verloren!

Meine Situation ließ sich zwar nicht körperlich mit den Seals vergleichen, aber geistig ...

Du stehst das durch! brüllte ich mich in Gedanken an.

"Die Story ist nicht bis zum Ende durchdacht und ..."

Während ich eifrig mitschrieb und dankbar nickte, fluchte ich innerlich. War ich denn plötzlich zum Masochisten geworden? Warum zum Teufel nahm ich mir zwei Urlaubstage, fuhr über 250 Kilometer und mußte mir dann anhören, wie der Chefredakteur meine Träume auseinandernahm?

"Ich bin fertig", hörte ich Klaus aus weiter Ferne sagen. Ich wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war.

"Schon?" ätzte ich, während mir der berühmte Stein vom Herzen fiel.

Er hob kurz die linke Augenbraue und zeigte mir so seine Überraschung.

"Immer noch zu viele Fehler!"

Das saß. Ich antworte mit einem säuerlichen Lächeln und nickte notgedrungen. Klaus sah auf die Uhr.

"Leute, machen wir eine kurze Pause, bevor wir uns Michaels Story widmen."

Niemand hatte etwas dagegen. Endlich konnte ich mich bewegen, ohne überlegen zu müssen, welche körpersprachliche Bedeutung man hineininterpretieren könnte. Ich rutschte im Sessel nach vorne, schlug die Beine übereinander und drehte den Kugelschreiber zwischen meinen Fingern. Verstohlen sah ich auf meine Mitschrift. Die Seitenränder waren komplett vollgekritzelt.

Ich seufzte.

Irgendwann, irgendwann ... schwor ich mir und sprang auf.

Ein paar Schritte genügten und ich stand nicht mehr zwischen den Bäumen. Die Sonnenstrahlen trafen mich nun ungeschützt. Lautes Kichern drang von links an mein Ohr. Irgend jemand in der Gruppe von Andreas hatte gerade einen Witz gerissen. Automatisch lächelte ich. In der rechten Schloßparkecke saß Leo mit seinen Leuten im Sesselkreis. Er zeichnete mit seinen Händen gerade einen Ball in die Luft.

Ich dachte an morgen. Während Klaus, Leo und Andreas in Graz Autogramme schreiben würden, mußten wir aus dem Stegreif eine Geschichte zu Papier bringen.

"Weiter geht's!"

Klaus befahl und wir sprangen zurück in unsere Sesseln. Gespannt blickten wir ihn an. Diesmal würde ein anderer schwitzen. Wie ich ihn kannte, würde auch er es nicht zeigen.

*

Das schwarze Etwas stand da und verschwand wieder.

Hier. Weg. Hier. Weg.

Immer und immer wieder, ohne Pause.

Mein ganzes Denken drehte sich um diesen schwarzen, kaum fingerkuppengroßen Strich. Und um das Weiß um ihn herum.

Zweieinhalb Stunden - High Noon! lachte ich innerlich auf - blieben mir noch bis zum Ende der Frist. Zweieinhalb Stunden und ich starrte auf diesen dämlichen Cursor wie das Kaninchen auf die Schlange.

Ausgelutschtes Klischeebild würde KNF sagen! analysierte ich meine eigenen Gedanken und fluchte.

Ich lehnte mich im Sessel zurück, schloß die Augen und lauschte. Die Geräusche der steiermärkischen Natur drangen durch das offene Fenster. Ein Vogel trällerte ein Sommerlied begleitet von einem Blätterorchester, daß vom Wind angestachelt wurde. Kurz durchbrach das Knattern eines Traktors die Idylle.

Ich seufzte.

Vergebens wartete ich auf den Gedankenblitz. Auch die zündende Idee stellte sich nicht ein, die einer Glühbirne gleich das Dunkel in meinem Bewußtsein erleuchteten sollte. Es kam einfach nichts.

Ich öffnete die Augen und sah auf den Bildschirm.

Die Angst des Schreibers vor dem leeren Bildschirm, dachte ich in Anlehnung an ein Werk eines österreichischen Schriftstellers.

Mein Blick glitt über die Tischkante und fiel auf das grüne Buch auf der Kommode. "Sol Stein: Über das Schreiben Zweitausend Eins". Andreas Findig hatte es empfohlen, also mußte es gut sein.

Kurz entschlossen griff ich danach. Dem Gewicht nach zu schließen, war es eine schwere Lektüre. Ich schlug das Buch auf, blätterte zum Index und fuhr mit dem Finger über die Zeilen.

Story-Anfänge.

Dort mußte ich hin.

"Ha!"

Langsam drehte ich meinen Kopf.

Michael Marcus, mein PR-Stammtischkollege, mein Zimmergenosse und leidenschaftlicher Rapid-Fan hatte aufgeschrieen. Er lag im Bett, seinen Laptop auf der Schoß, die Beine angewinkelt.

Sein gehässiger Gesichtsausdruck verriet mir, daß er eine seiner berühmt berüchtigten Story-Ideen gehabt hatte. Den Blick stur auf den Bildschirm gerichtet, hämmerte er in die Tasten.

Klick, klick, klick, klick.

Mühsam unterdrückte ich den aufsteigenden Neid und konzentrierte mich auf das aufgeschlagene Kapitel des Buches. Ich überflog die Zeilen. Am Kapitellende war ich schlauer. Ich kannte nun einige Anfangsvarianten, nur ohne Idee nützte mir dieses Wissen nichts.

Denk nach, Alter, denk nach!

"Fertig!"

Am liebsten hätte ich mich auf ihn gestürzt. Doch ich unterdrückte den Impuls und blieb sitzen.

"Lies vor!"

Wie üblich schrieb Michael über ein außerirdisches Monster, das einem Menschen an und in die Eingeweide wollte. Und wie üblich schlug Michael am Ende mit einer Pointe zu, die mich minutenlang lachen ließ.

"Super, wenigstens bist du mit deiner Geschichte fertig", sagte ich, nachdem ich mich gefangen hatte. "Mir fehlt immer noch die Idee!"

"Was werden die Herren Autoren mit dir machen, wenn du als Einziger der Siebzehn keine Geschichte hast?"

"Danke, daß du mir Mut machst!"

"Hm", sagte Michael, "wie wär's mit einer Außerirdischen mit achtzehn Brüsten?"

Meine Stirn legte sich in Falten.

"Achtzehn? Warum gerade achtzehn?"

Michael zuckte die Achseln. "Ist doch sicher praktisch, oder?" Das Grinsen in seinem Gesicht sagte alles. Ich kommentiere es mit einer wegwerfenden Handbewegung.

"Was hältst du von brauchbaren Vorschlägen?"

"Nichts!"

Ein Knurren drang aus meinem Mund. Gerade als ich antworten wollte, entstand ein Bild in meinem Bewußtsein. Es zeigte einen Menschen - männlich, 1,80 m, blaue Augen, kurzgeschorenes Haar, muskulös - und eine Außerirdische - tonnenförmig, grau, Pseudopodien ausfahrend - in einer Bar.

Das war die Lösung!

Meine Hände flogen über die Tastatur, stoppten und rasten weiter. Nachdem ich eine Seite getippt hatte, standen meine Finger still. Ich las den Text durch und überprüfte, ob sich mein Bild der Geschichte auf dem Bildschirm wiederfand.

Prompt setzte ich den Cursor in die zweite Zeile. Buchstaben verschwanden, wurden durch andere ersetzt und fielen ebenfalls meiner Korrektur zum Opfer.

"Viel Zeit hast du nicht mehr! Ob das reicht ... ", hörte ich Michael.

Dieser elende Sarkast!

Automatisch schaute ich auf die Uhr. Mir blieben noch ein paar Minuten. Ich las den Text zum siebten Mal und änderte ein paar Wörter.

"Fehlt nur noch der Titel!"

"Der Alien mit den achtzehn Brüsten!"

"Abgelehnt."

Michael murmelte etwas von "PR-Fan  am Irrweg". Dann knallte er die Zimmertür zu.

"Irrweg", wiederholte ich. "Irrweg ... Weg! Die Wege der Freundschaft!"

Ich hatte meinen Titel gefunden. Schnell speicherte ich die Datei, fuhr den Laptop herunter und rannte los.

Der Schlägel der Kirchturmuhr prallte gegen die Glockenwand, als ich mich als Zweiter - hinter Michael - beim Mittagsbuffet anstellte.

Geschafft, dachte ich erleichtert.

*

Mit einem Satz sprang ich über die Stufen. Der Aufprall auf dem Betonboden wurde zwar von meinen Schuhen abgefangen, dennoch spürte ich einen Stoß in den Kniekehlen.

Egal.

Mein Verlangen trieb mich zu ihr. Und wenn ich ihr gegenüberstand ... ich würde es einfach riskieren und hoffen, daß sie mein Vorhaben unterstützte.

Ich rannte bis mich nur mehr der Durchgang vom Schloßhof trennte. Dort mußte sie sein. Rasch bog ich um die Ecke und sah sie sofort. Sie kniete vor dem Springbrunnen. Über ihrem Kopf schwebte ein Wasserstrahl, drehte sich am höchsten Punkt und fiel zurück ins Becken. Während ich sie ansah, konzentrierte ich mich auf das Plätschern. Nach vier Tagen hatte ich mich so sehr daran gewöhnt, daß ich es schon gar nicht mehr hörte.

Schade eigentlich! dachte ich und lächelte, als sie ihre dunkelblonde Haarsträhne nach hinten schob.

Ihre rechte Hand strich über das Wasser, glitt hinein und tauchte wieder auf. Einen halben Meter über dem Beckenrand verharrte sie. Die Handfläche drehte sich und das Wasser prallte auf die Wasseroberfläche. Eine kleine Delle entstand, die sich jedoch nach Sekunden füllte.

Ich blieb stehen. Um von hinten an sie heranzukommen, mußte ich den Weg verlassen und in den Hof treten. Langsam senkte ich meinen Fuß über den Gehsteig. Es knirschte, als er aufsetzte. Mein zweiter Fuß folgte, dann stand ich im Kies.

Ich bewegte mich und erstarrte mitten in der Bewegung. Die Trittgeräusche waren eindeutig zu laut. Noch während ich überlegte, wie ich sie vermeiden konnte, fauchte ein Windstoß durch den Hof. Schnell nutzte ich ihn, um meine nächsten Schritte zu vertuschen. Erneut stand ich still. Am Baum links von mir raschelten die Blätter, als würden sie jeden Moment von den Ästen fallen. Erneut pfiff eine Böe an mir vorbei, griff in ihre Haare und wirbelte sie hoch. Sie kauerte immer noch vor dem Springbrunnen - nur mehr vier Schritte von mir entfernt.

Ich gab mir einen Ruck. Das schaffte ich auch noch ungehört. Ich setzte den rechten Fuß nach vorne und hielt den Atem an, da sie sich gerade erhob.

Hatte sie mich gehört?

Ich schickte ein Stoßgebet in Richtung Himmel. Es nützte, denn sie drehte sich nicht um, sondern sah weiter in den Springbrunnen.

Erleichtert atmete ich aus. Meine Blicke glitten über ihre Jean hinauf zu ihrem Gesäß und danach weiter bis zu den Schultern. Ihr Kopf machte eine Kreiselbewegung und so sah ich kurz ihren Nacken.

Ich trat so nahe an sie heran, daß uns nur mehr wenige Zentimeter trennten. Ich roch den Duft ihrer Haare und schloß die Augen. Es war schön sie zu riechen. Mein Oberkörper neigte sich ganz leicht nach vorne und meine Nasenspitze berührte ihre Haare. Ich seufzte innerlich und öffnete die Augen.

Jetzt!

Meine Hände legten sich an ihre Hüften. Sie schnurrte und streckte sich. Ich schob meinen Kopf nach vorne und legte ihn an ihr linkes Ohr.

"Mein Kätzchen", flüsterte ich.

Wie erwartet antwortete sie nicht. Das war auch gar nicht notwendig. Wir verstanden uns auch so.

Sie drehte sich um und strahlte mich mit ihren grünen Augen regelrecht an. Ich schenkte ihr ein Lächeln und streichelte sie an den Hüften. Nun lächelte sie ebenfalls. Kurz zwinkerte ich mit den Augen.

"Du weißt, weshalb ich hier bin?"

Sie nickte. Während ich meine rechte Hand um ihre Schultern legte, stellte sie sich seitlich. Meine linke Hand glitt über ihren Oberschenkel und blieb in ihren Kniekehlen liegen. Ich bückte mich. Sie stützte sich mit ihrer linken Hand an meiner Schulter ab.

Mit einem schnellen Ruck kam ich nach oben. Perfekt lag Ute in meinen Armen.

"Das gibt ein Bild!"

Michael Marcus hatte die Kamera gezückt, um dieses Ereignis für die Nachwelt festzuhalten. Schließlich benötigte ich einen Beweis, daß ich Andreas Findigs Prophezeiung wahr gemacht hatte. Er hatte im Galaktischen Forum gepostet, daß ich Ute auf Händen tragen würde.

Nachdem Michael Marcus die Kamera sinken ließ, stellte ich Ute zurück in den Kies.

"Danke!", sagte ich und tätschelte ihr zärtlich auf den Rücken.

"Wenn das unsere Forumkollegen sehen ...", sagte sie. (Hier können sie's sehen, Anm. AF)

Ich lachte auf.

"Das wird Wellen schlagen ..."

"Wir müssen los!", erinnerte uns Michael Marcus.

In einer Minute begann der letzte Kurs des Seminars. Wir eilten die Stufen in den ersten Stock hoch und blieben vor dem Seminarraum stehen. Ute verabschiedete sich nach rechts, da sie sich für KNFs Vortrag über Clustering interessierte. Auf Michael Marcus und mich warteten zwei Stunden mit Andreas und Leo, die uns über Szenen- und Plotentwicklung erzählen würden.

*

Ich fixierte das gelbe, würfelähnliche Gebilde im Glasbehälter. Nachdem sich meine Finger enger um das schaufelartige Werkzeug in meiner Hand geschlossen hatten, stieß ich zu. Mühelos teilte ich den Würfel. Jetzt mußte ich das Ding nur noch herausholen.

Ich setzte das breite Ende meines Werkzeugs an eine der unteren Kanten und drehte mein Handgelenk nach oben. Prompt schoß der Würfel nach links und zog eine schleimige Spur über das Glas.

Ich knurrte.

"Lange widersetzt du dich mir nicht", murmelte ich.

Erneut legte ich mein Instrument an die Kante.

Drei. Zwei. Eins. Los!

Mit einem kurzen Stoß hebelte ich den Würfel auf meinen Löffel. Schnell hob ich meinen Arm, legte das Vanilleeis auf meine Zunge und brachte es mit ein paar Mundbewegungen  zum Schmelzen. Auch das letzte Eisstück im Glas beförderte ich zu seinen Kollegen in meinen Magen.

Danach sah ich auf die Uhr. Der große Zeiger stand fünf Striche vor Zwölf, während der Kleine an der Eins fest hing.

Ich sprang auf.

"Leute, es ist aus und vorbei!"

Ich streckte meinen Tischkameraden, Andreas G. und Michael R. die rechte Hand hin.

Andreas ergriff sie prompt.

"Schönen Heimweg!"

"Wünsche ich dir auch!" sagte ich. "Die CD-Liste emaile ich dir!"

Nachdem ich mich auch von Michael R. verabschiedet hatte, wechselte ich den Tisch.

"War schön euch endlich von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen", sagte ich zu meinen Freuden aus dem Internet.

Wieder schüttelte ich Hände.

"Bis zum nächsten Jahr!"

Ich pflichtete Michael B. mit einem Kopfnicken bei. Den Termin für das Seminar 2003 hatte ich mir geistig bereits vorgemerkt. Ich war überzeugt, daß Andreas Findig und Bernd auch nächstes Jahr wieder so ein lehrreiches Seminar zusammenstellen würden.

"Also bis dann!" sagte ich und drehte mich um.

Etwas mehr als 200 Kilometer Autobahn warteten auf mich. Aber es würde eine interessante Autofahrt werden, da ich Andreas Findig, Leo Lukas und Michael Marcus nach Wien kutschierte. Damit war die "Sentenza" unter sich ...

Doch das ist eine andere Geschichte.


 

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Copyright © Mai 2002 by Roman Schleifer

 


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