Der Seelenmaler

 

 

Der zehnte Bruder war der Seelenmaler.

Der Seelenmaler malte Seelen. Weil aber Seelen eigentlich unsichtbar sind (außer, wenn man sie sieht), malte der Seelenmaler mit Farben, die eigentlich unsichtbar sind. Die Seelenbilder, die der Seelenmaler malte, waren wunderschön, weil er nur wunderschöne Seelen malte.

Und wunderschöne Seelen kann man nur malen (oder sehen), wenn man selbst eine wunderschöne Seele hat.

»Wenn ich andere Seelen malen würde«, sagte der Seelenmaler zu seinen Brüdern, »zum Beispiel giftgrüne oder neidgelbe oder kohlrabenschwarze, dann könntet ihr sie viel leichter sehen. Aber alles, was ihr sehen würdet, wäre Giftgrün oder Neidgelb oder Kohlrabenschwarz. Wollt ihr das?«

»Nein«, sagten seine Brüder, »das wollen wir nicht.«

 

Also malte der Seelenmaler weiter an seinen wunderschönen Bildern von wunderschönen Seelen. Und sehen konnte man sie nur, wenn man ihm in die Augen sah.

Da waren sie nämlich, die wunderschönen Seelenbilder – tief drinnen in seinen Augen. Und da sind sie immer – bei allen Menschen, die wunderschöne Seelen haben. Oder malen. Und sehen.

 

So war das mit dem zehnten Bruder.

 


 

Der Wolkenmechaniker