Der Leihträumer

 

 

Der siebte Bruder war der Leihträumer.

Der Leihträumer war im Königreich der Kaufleute sehr beliebt. Die Kaufleute – und besonders ihr König – hatten nämlich viel zuwenig Zeit. Das kam von ihren furchtbar wichtigen Geschäften, mit denen sie furchtbar viel Geld verdienten. Und weil sie so wenig Zeit hatten, machten die Kaufleute die Nacht zum Tag, wie man sagt. Und sie handelten und feilschten bis fast in den Morgen hinein.

 

Aber jetzt hatten sie natürlich auch in der Nacht viel zuwenig Zeit. Besonders hatten sie viel zuwenig Zeit zum Schlafen. Und erst recht hatten sie viel zuwenig Zeit zum Träumen.

Also holten die Kaufleute den Leihträumer in ihr Königreich, und sie bezahlten ihm furchtbar viel Geld dafür, daß er die Träume träumte, die sie nicht haben konnten, weil sie so furchtbar viel Zeit zum Geldverdienen brauchten. Und der Leihträumer legte sich lächelnd hin und schlief ein und träumte die Träume der Kaufleute.

Er träumte schöne Träume und rätselhafte Träume, bunte und schwarzweiße, spannende und lustige, und manchmal träumte er auch einen Alptraum. Und wenn der Leihträumer erwachte, erzählte er den Kaufleuten lange und ausgiebig von den Träumen, die er für sie geträumt hatte.

 

Nur: Woher die Kaufleute die Zeit nahmen, um dem Leihträumer so lange beim Erzählen zuzuhören, ist eines der großen Geheimnisse aus der seltsamen und furchtbar traumlosen Welt der Kaufleute.

 

So war das mit dem siebten Bruder.

 


 

Der Marionettenmann