Der Statuenstreichler

 

 

Der neunte Bruder war der Statuenstreichler, der Statuen zum Leben erweckte.

Der Statuenstreichler erweckte die Statuen zum Leben, indem er sie lange und liebevoll streichelte. Und indem er lange mit ihnen redete. Und weil die Statuen in den Parks und auf den Plätzen der Stadt sehr alt waren – steinalt, wie man sagt –, dauerte es auch sehr lange, bis sich etwas in ihnen regte.

Es dauerte den ganzen Tag. Und es dauerte den ganzen Abend. Und es dauerte die halbe Nacht.

Und die ganze Zeit über redete der Statuenstreichler den Statuen gut zu und streichelte sie und kraulte sie hinter ihren steinernen Ohren. Bis kurz vor Mitternacht die kristallenen Herzen der Statuen zu funkeln begannen und Licht und Leben durch ihre Adern aus Marmor und Granit schickten.

 

Und wenn dann die Bewohner der Stadt sehr schwere und langsame Schritte auf den Straßen hörten – knirschende Schritte und ein Murmeln wie von Stein und Geröll und von Kieseln –, dann flüsterten sie:

»Hört doch, die Statuen gehen um!«

 

Und mitten unter ihnen ging der Statuenstreichler und begleitete sie auf ihrem Spaziergang durch die nächtliche Stadt, bis es Morgen wurde und die Statuen auf ihre Sockel zurückkehrten und mit einem steinernen Seufzer erstarrten.

 

So war das mit dem neunten Bruder.

 


 

Der Seelenmaler