AUF DEN GUCKY GEKOMMEN
Einige Anmerkungen zum Schreiben
für Kinder und Kindsköpfe
im allgemeinen - und für kindische
Rhodanauten im besonderen.
Eigentlich
müßte der Titel dieser Werkstattnotizen ja »Auf den Jumpy gekommen« lauten.
Und noch eigentlicher »Auf den Stoppelplopp gekommen«. Stoppelplopp - das ist
sozusagen der Künstlername von Guckys »Söhnchen« im gerade eben bei der
»Verlagsunion Prächtige Meisterwerke« erschienenen Kinderbuch »Lausbiber-Alarm!«,
das schreiben zu dürfen ich das vergnügliche Privileg hatte. Daß der
Mausbiberbengel, der Altlesern als »Jumpy« bekannt ist, plötzlich einen
anderen Namen trägt, ist keineswegs ein Akt übermütiger Willkür. Sowas würde
ich mir schon aus Respekt vor dem Schöpfer der bepelzten und
mohrrübenknabbernden Rasselbande vom Planeten Tramp, seiner
Science-Fiction-Ehrwürden Walter Ernsting, nie erlauben.
Andererseits: »Lausbiber-Alarm!«, das allererste
Kinderbuch, das im PR-Multiversum angesiedelt ist, spielt zu einer ganz
bestimmten Zeit: im Jahr 2420 ATZ (»Alte Terranische Zeitrechnung«).
Ihr erinnert Euch sicher (und, wenn nicht: Silberbände
lesen, oder aber ab ins Antiquariat, in Vaters Hobbykeller, auf den eigenen
Dachboden - zurück in die Zukunft eben ...): Zwischen 2406 und 2435 herrscht
relativer Frieden in der Milchstraße. Das ist zwischen den Bänden 299 und 300
- nach den MdI und vor OLD MAN und den Zweitkonditionierten. Gucky hat 2402
Iltu geheiratet, und kurz danach wurde ihr »Söhnchen« geboren.
Daß sich meine Vorgespräche mit dem Meister der Redaktion
sehr schnell auf gerade diesen Zeitraum konzentrierten, hat seine Gründe. Er
ist in der Serie übersprungen worden - ideale Voraussetzungen also zum wilden
Drauflosfabulieren. Außerdem: Das PR-Multiversum war dazumals noch nicht ganz
so komplex und vielschichtig wie »heutzutage«. (Das Zwiebelschalen- oder aber
gar das Möbius-Modell wollten wir Kindern, und seien sie noch so gewitzt, nun
doch nicht zumuten.) Am allerwichtigsten aber: Es gibt eine blühende
Mausbiberkolonie auf dem Mars, und abgesehen von Iltu und »Söhnchen« und
vielleicht auch noch von Gecko, dem größenwahnsinnigen Giftilt mit
militärischen Allüren, war nicht allzuviel über ihre nagezahnbleckenden
Bewohner bekannt. (Nun ja, um der Wahrheit die Ehre zu geben: Es gab da
natürlich auch ein paar köstlich kuriose Taschenbuchfiguren von Walter
Ernsting, die man sich in den beiden »Perry Rhodan Classics«-Hardcovern »Die
besten Gucky-Geschichten« I & II wieder zu Gemüte führen kann - und
unbedingt sollte: Axo, der bierbrauende Trachtenilt zum Beispiel. Ulfo, der
unverzagt vorsichhindilettierende Dichterfürst des klassischen Mausbibertums.
Biggy, Wullewull, Ooch - und so weiter.)
Jedenfalls hatte ich bei der Entwicklung meines
»Karottenviertels« am Rand der Marshauptstadt Pounder-City ziemlich freie
Hand - und überraschenderweise auch bei der Namensgebung für Guckys und Iltus
Junior. Was nämlich sogar Kaa' Ennef, der gnadenlose Wörtervampir vom
Planeten Rastlos (der manchmal auch »DaGraus« genannt wird), nicht gewußt
hatte (sehr zu meiner Beruhigung als Neo-Autor übrigens), und worauf ich
selbst erst im Zuge meiner Recherchen gestoßen bin, ist der Umstand, daß
Jumpy seinen Namen erst 2435 während eines gemeinsamen Einsatzes von Ras
Tschubai verpaßt bekommt (Band 310, »Das Geschenk der Zeitreisenden«). Bis
dahin - also bis zirka zu seinem 30. Lebensjahr (das hängt von der
sträflicherweise völlig undokumentierten Schwangerschaftsdauer einer Iltin ab
...) - wird er immer so genannt, wie es dem »Retter des Universums« (alias
»Sonderoffizier Guck«, alias »Überall-Zugleich-Töter«) und seiner Holden
gerade einfällt - meistens aber einfach »Söhnchen«. Nun hat »Söhnchen« im
Jahr 1966 AEZ (»Angeblich Echter Zeitrechnung«) vielleicht noch funktioniert,
im Jahr 1999 würde sich ein Kind - oder Kindskopf - mit einem solcherart
titulierten Helden nie und nimmer identifizieren wollen. Also mußte ein
»Künstlername« her. Daß der dann »Stoppelplopp« lautete, ist das Destillat
aus einer nackenfellsträubenden Liste aller möglichen - besonders aber
unmöglichen - Blödel-Ideen (wie z.B. »Wuselbold«, »Struwelstilz«, »DJ
Blinkblink«, »Grandmasta Plopp« ...), und hat etwas damit zu tun, das Guckys
Filius erstens Stoppelhaare hat, und daß es zweitens immer »Plopp« macht,
wenn er teleportiert. Die Namen seiner beiden Freunde, des Mausbiberjungen
»Huschpfusch« und des Mausbiber-Girlies »Itzibiene«, ergaben sich nach soviel
angewandter Unernsthaftigkeit beinahe von selbst.
Sowas ist wichtiger, als man vielleicht denkt.
So, wie es wichtig ist, den Kindern und Kindsköpfen am
Transmittertor zur Jahrtausendwende (erst nächsten, nicht kommenden
Silvester, liebe Terranerinnen und Terraner!) eine halbwegs zeitgemäße Bande
von Bengelbibern zu präsentieren. Da werden Itzibiene ein Nasenpiercing und
ein Armbandcomputer verpaßt, Huschpfusch spielt mit einem »Geckogotschi« (das
dauernd mit virtuellen Spargelspitzen gefüttert werden muß), und die Sprache
der drei kleinen Lausbiber zeichnet sich durch eine gewisse Flapsigkeit aus.
Wer jetzt argwöhnt, der GRÖMAZ selbst (der »Größte
Mausbiber Aller Zeiten«) habe im ersten GUCKY-Kinderbuch in Wahrheit nicht
allzuviel zu melden, hat völlig recht. Er hat seinen bemitleidenswerten Part
als »Oller Gruftiebiber« und Iltus streichelweiches »Schnuckel-Schnäuzelchen«
(allerdings bei weitem nicht so bemitleidenswert wie die Rolle, die ich einem
gewissen »Admiral« zugedacht habe), die eigentlichen Helden sind aber jene
drei respektlosen Kindsbiber geworden, mit denen sich junge Leserinnen und
Leser - hoffentlich! - auch wirklich identifizieren können: »Die
Phantastischen Drei« - Stoppelplopp, Itzibiene und Huschpfusch.
Angehenden Rhodanauten attraktive Hauptfiguren anzubieten,
ist eine Sache (z.B. einen schrottreifen Hausroboter namens Regibold, der mit
dem gestelzten Gehabe eines englischen Butlers - oder eines Wiener
Oberkellners - durch Guckys Ferienhaus im »Karottenviertel« poltert ...),
etwas heikler sind da schon einige prinzipielle Probleme des Schreibens für
Kinder, die dazu führen, daß man sich als Autor im schönsten
Drauflosfabulieren immer wieder »einbremsen« muß:
Was verstehen Kinder welcher Altersgruppe, und was nicht?
Was kann ich als bekannt voraussetzen, was muß ich - und wie detailliert? -
erklären? (Was ist ein Planet? Was ist ein Sonnensystem? Kriegt man auf der
Milchstraße auch »Coca Cola« und »Red Bully«?)
Besonders auch: Was verstehen bundesdeutsche Kinder (und
Kindsköpfe)?
Verstehen sie den Ausdruck »na prack!«? Wissen sie, was ein »Gizi« ist? Noch
dazu ein »mordsmächtiger Mausbiber-Gizi«? Und dann erst das leidige Karotten/Mohrrüben-Problem!
Früher hatte ich ja angenommen, das seien einfach zwei landschaftlich
unterschiedliche Bezeichnungen für dieselbe wohlschmeckende Wunderwurzel
(»Karotte« im süddeutschen und österreichischen Raum, »Mohrrübe« bei den
Nordlichtern). Weit gefehlt! Die Sache ist mitnichten so einfach. (Damit Ihr
einen Eindruck davon bekommt, wie kompliziert sie tatsächlich ist, habe ich
es mir nicht verkneifen können, einen kleinen Kasten zum »Karotten-Problem« zusammenzustellen ...) Selbst
das Studium der heiligen Urschriften hilft da nicht weiter, denn in den
Heften und Taschenbüchern wird Gucky knackiges Kraftgemüse - gerade in
neuerer Zeit - manchmal so, manchmal so und manchmal überhaupt ganz anders
genannt. (»Gelbe Rübe« zum Beispiel. Und daß es bislang noch kein »Rübli«
gegeben hat, ist wahrscheinlich auch nur dem beklagenswerten Umstand
helvetischer Absenz innerhalb der Autorenriege zuzuschreiben. Wo doch die
Schweiz einen Frisch, einen Dürrenmatt, einen Emil hervorgebracht hat! Aber
ich schweife ab. (Das tu ich übrigens gerne - für alle, denen das noch nicht
aufgefallen sein sollte ...))
Warum ich mich dann schlußendlich doch für die Bezeichnung
»Karotten« (durchmengt mit einigen verstreuten »Mohrrüben«) entschieden habe,
ist das Ergebnis mühseligster Grundlagenforschung (»Ene, mene, muh ...«)
unter der Prämisse absolut unbefangener Subjektivität. Mit solchen Problemen
muß sich ein verschüchterter Neo-Autor herumschlagen, wenn er sich plötzlich
auf einem Feld wiederfindet, das vor ihm schon ganz andere Autoren (zumal von
der ertrusischen Statur eines Walter Ernsting) beackert haben. Ich hoffe
sehr, Ihr wißt meine Leiden ein wenig zu würdigen. (Soll heißen: Gehet hin
und kauft »Lausbiber-Alarm!« Jetzt! Sofort! Na, ja: Spätestens morgen.
Versprochen?) Blödel-Botanik
beiseite: Die wirklich an die Wurzel gehenden Schwierigkeiten beim
Schreiben von »Lausbiber-Alarm!« lagen natürlich ganz woanders. (»Jetzt
sagt er das!« - Entnervter Stoßseufzer des Bollinators beim erstmaligen
Lesen dieses Quassel-Manuskripts. Anm.
des Autors.) Neben
all dem Schabernack, den meine drei Lausbiber, der mißratene Hausroboter
Regibold, ein wildgewordener, marsianischer Kaktusspecht und schließlich
sogar eine ganze Armee ferngesteuerter Plüschbiber anzetteln, ging es
natürlich auch darum, einen möglichst appetitanregenden Einblick in das
weltweit komplexeste Multiversum der SF-Literatur zu geben. Die
Mausbiberkolonie, das Volk der Ilts und alle ihre besonderen Fähigkeiten
mußten geschildert werden. Begriffe wie »Solares Imperium«, »Space-Jet«,
»Mutantenkorps« usw. mußten den jungen (und kindsköpfigen - bzw. »karottenköpfigen«)
Terranerinnen und Terranern so vergnüglich wie möglich nahegebracht werden.
Nehmen wir das Beispiel der iltschen Para-Fähigkeiten.
Natürlich hätte ich hergehen und einfach in einem Satz feststellen können:
»Telepathen können Gedanken lesen.« Fand ich aber unbefriedigend. Also habe
ich nach Möglichkeiten gesucht (und sie nach einigem Herumgemurxe auch
gefunden), Telepathie, Telekinese und Teleportation so in die Geschichte
einzubauen, daß sie für den Fortgang der Handlung zwingend notwendig - und
obendrein zu hochwillkommenen erzählerischen Gimmicks werden.
Höllisch aufpassen mußte ich auch, mich nicht in
technischen Termini zu verhaspeln - obwohl PR als SF-Serie naturgemäß einiges
mit »Science« zu tun hat. Da wurde aus einem Antigrav dann eben ein Gerät,
»das etwas gegen die Schwerkraft hat.« Ein Anti-Esper-Schirm wurde zur
»Telepathen-Tarnkappe«. Und ein Zellaktivator mutierte zu einem an einer
Kette hängenden »goldenen Kinderüberraschungsei«, das die Fähigkeit hat,
dafür zu sorgen, »daß der Körper einfach darauf vergißt, älter zu werden.«
Solche Sachen machen Spaß - aber sie müssen eingehender
bedacht werden, als sich das der kleine Findig ursprünglich vorgestellt
hatte.
Wie auch immer: Ich habe es hingekriegt, und auf das
fertige »Lausbiber«-Buch bin ich inzwischen ziemlich stolz. Nachdem ich mit
Reinhard Habeck, der als Illustrator ein absoluter Glücksgriff war, auch noch
das Scribble für die 96 prallbunten Hochglanzseiten entwickelt hatte, konnte
ich mich also iltgemütlich zurücklehnen und ein wenig schadenfroh dabei
zusehen, wie der Ärmste damit fertig wurde, meine Spinnereien in - fabelhaft
phantasievolle! - Bilder umzusetzen. Na, ja: So manche blues'sche Springnuß
gab es auch dann noch zu knacken - von Reinhards enormem Arbeitsaufwand
einmal völlig abgesehen. (Du hat keine Ahnung, wie leicht sich das schreibt,
mein steinalter Freund ...) Ich denke da besonders an einige hektische
Telefonate zwischen mir, Reinhard Habeck, der hochedlen Bré Tsinga (KNF
krebste gerade irgendwo in Indonesien herum) und einem grenzenlos geduldigen
und wohlwollenden Walter Ernsting, in denen es um die gravierende Frage des
korrekten Aussehens von Mausbiberschweifen ging. Reinhard Habeck hat daraus
inzwischen sogar eine eigene - und gänzlich züchtige -
»Mausbiber-Schweifologie« entwickelt. Aber das soll er Euch irgendwann und
irgendwo selbst erzählen. PAX TERRA! Per aspera ad überallhin! Möge Guckys Glückskarotte auf
allen Euren Wegen sprießen ...
Zurück zu den Lausbibereien
Copyright © Andreas
Findig
Erstmals erschienen in SOL Nr. 15
(Inhaltsangabe von SOL 15)
Bezug: Perry Rhodan Fanzentrale e. V.
Klaus Bollhöfener, Postfach 2352, 76413 Rastatt
|