EIN LAUSBIBER KOMMT SELTEN ALLEIN
oder:
Von einem, der auszog, Perry-Rhodan-Autor zu werden,
und Gucky-Autor wurde ...

   
Ich gebe es ja zu: Ich habe mir etwas dabei gedacht, als ich am William-Voltz-Kurzgeschichtenwettbewerb teilgenommen habe. Ich hatte da ein paar Hintergedanken, und insofern ist meine Geschichte »Ganercs Tränen«, die dann den 4. Platz belegt hat, durchaus auch ein taktischer Text gewesen - und der Eröffnungszug in einer längerfristigen »Ich will Rhodan-Autor werden«-Strategie. (Inzwischen kann ich das ja sagen, lieber Klaus Niemandweißes F, lieber E Völligunaussprechlich.) Es ist Zeit, hatte ich mir gedacht, Zeit, meinen Lieblings»schund« ernster zu nehmen. Nach zwei veröffentlichten Kinderbüchern, einem Gedichtband, zwei Bänden mit phantastischen Erzählungen (und einer Unzahl anderer Texte, die auf meiner Festplatte geduldig ihrer Veröffentlichung entgegendämmern) wollte ich mich endlich auch schreibenderweise in jenes üppige SF-Multiversum stürzen, dem ich seit über 20 Jahren meinen wöchentlichen Besuch als einer von Zehntausenden begeisterter Leser abstatte. Gedacht, getan (bzw. gestürzt). Ich schrieb eine kleine Geschichte über Ganerc, den mickrigsten und erbarmungswürdigsten der sieben (oder eigentlich acht) »Mächtigen«, schickte sie ein und wartete. Sollte ich unter die Preisträger kommen, so hatte ich mir gedacht, dann würde ich nach Wahrung einer gewissen Anstandsfrist in Rastatt anklopfen und sagen: »Nun, also, ähem, ich hätte da so ein paar Ideen ...«
   Nach zwei, drei Monaten kam dann tatsächlich die Mitteilung, daß meine bescheidene Hommage an den großen Willy Voltz (zum Beispiel bezog sich der Titel »Ganercs Tränen« auf WiVos letzten Roman »Einsteins Tränen«) den 4. Platz belegt hatte - aber denkste was mit Anklopfen! So schnell konnte ich mich gar nicht freuen, da hatte KNF schon bei mir angeklopft - und wie es aussah, hatte der auch ein paar Hintergedanken. (Die Jungs und Mädels in Rhodanstatt sind ziemlich auf Zack, das kann ich Euch sagen, liebe Terranerinnen und Terraner! Und erst der Oberjunge ...) Er hätte da, schrieb mir besagter Oberjunge, eine »unverbindliche Anfrage« an mich. Schließlich gebe es für solche Kurzgeschichten-Wettbewerbe ja auch den einen oder anderen weiterführenden Grund. (Aha! Okrill, ich hör' dich trapsen ...) Das PR-Team sei gerade dabei, sich Gedanken über GUCKY-Kinderbücher zu machen, und da ich schon Kinderbücher veröffentlicht und obendrein ganz offensichtlich gewisse Kenntnisse der Serie hätte, würde er gerne wissen, ob ich mir vorstellen könnte, »eventuell einmal ein GUCKY-Thema zu schreiben«. Na klar konnte ich mir das vorstellen! (Obwohl das mit den »gewissen Kenntnissen« fast schon eine Beleidigung war, lieber KNF. Ich träume sogar von PR und Konsorten.)
   Gucky also. Ausgerechnet Gucky ...
   In der aktuellen Gegenwart der PR-Serie, im Jahr 1291 NGZ (was, wie Ihr zweifellos wißt, dem Jahr 4878 einer gewissen anachronistischen Sekte entspricht), ist Gucky ungefähr 2950 Jahre alt. Einige Fans und sogar ein paar Macher der Serie (Namen werden hier nicht genannt) behaupten, das seien 2950 Jahre zuviel - und sie geben Gucky entsprechend feinfühlige Kosenamen wie »Weltraumratte« oder »Kotzbiber«. Andere Fans (zu denen ich, zugegeben, nicht immer gehört habe) schwören allerdings, daß die Serie ohne den selbsternannten »Retter des Universums« nicht halb so unterhaltsam wäre. Tatsache ist, daß sich Gucky gerade unter den Kindsköpfen der PR-Leserschaft (zu denen habe ich immer gehört ...) immenser Beliebtheit erfreut. Was liegt also näher, als neben diesen großen und halbgroßen Kindsköpfen auch noch die wirklich kleinen mit Gucky-Abenteuern zu erfreuen? Eigentlich ziemlich erstaunlich, daß unser aller Lieblingsverlag VPM erst jetzt darauf kommt, 37 (Real-)Jahre, nachdem der entfesselte Ilterich vom ehrenwerten Walter Ernsting erfunden und über Jahrzehnte liebevollst weiterentwickelt worden ist. Andererseits: Was lange währt, wird endlich gut - wenn man die richtigen Einfälle hat ...
   An Einfällen hat's mir eigentlich noch nie gemangelt - ihre Ausarbeitung steht allerdings auf einer ganz anderen Folie. KNF bekam also postwendend meine Kinderbücher, ein paar noch unveröffentlichte Manuskripte und einen langen Brief, in dem ich meine ersten Vurguzz-Ideen zum Thema Gucky skizzierte. Das waren so Sachen wie »Gucky und die Mohrrüben-Mafia«, »Gucky und die sieben Siganesen«, »Gucky und der schreckhafte Schreckwurm« usw. - es ging aber auch schon in die Richtung »Ein Mausbiber kommt selten allein«, da mir schnell klargeworden war, daß zumindest Guckys »Söhnchen« Jumpy und auch noch ein paar seiner Freunde eine wichtige Rolle spielen mußten (so ein bißchen in der Art der »Fünf Fragezeichen« oder von »Emil und die Detektive« ...).
   KNFs Antwort hatte ich beinahe in Nullzeit. Das alles sehe ziemlich gut aus, hieß es da, und daß er in ein paar Tagen nach Wien käme, wo wir uns treffen und darüber reden könnten. (Da lebe ich nämlich, liebe Terranerinnen und Terraner, und - um allen allfälligen Dösi-Witzen zuvorzukommen: Ich habe nicht die geringste Ahnung von Fußball - so wie unsere Nationalmannschaft auch.) Meine erste Begegnung der Frickschen Art fand dann in einem Café am Karlsplatz statt, einem wunderhübschen Ort für ein entspanntes Arbeitstreffen unweit der Secession und der Oper - sofern es die geheimnisvollen und kafkaesken Gesetzmäßigkeiten der Wiener Gastronomie dem Ober gerade gestatten, eine Bestellung entgegenzunehmen bzw. das Bestellte dann auch zu kredenzen. Ich hatte am Morgen eine völlig neue GUCKY-Buchidee, die ein bißchen weniger Vurguzzmäßig, aber immer noch ziemlich versponnen war, auf zwei Seiten kurz skizziert, drückte sie dem Redaktokraten in die Hand, studierte ängstlich sein irgendwie grimmiges Lausbubengesicht, während er das Rohkonzept las, und hatte plötzlich eine dicke Karotte im Hals, als er es energisch zur Seite legte und sagte: »Okay, das machen wir.«
   »Äh, ich könnte auch noch ein paar andere Ideen ausarbeiten ...«, gab ich vorsichtig zu bedenken.
   »Nein, nein. Das ist gut. Das machen wir.«
   Habe ich schon erwähnt, daß die Jungs und Mädels aus Rastatt eine schnelle Truppe sind? Also, um ganz genau zu sein: Sie sind eine furchtbar schnelle Truppe!
   Blieb nur noch die Frage nach dem Illustrator. Abgesehen von so läppischen Kleinigkeiten wie der Tatsache, daß das Buch erst geschrieben werden mußte - und natürlich jenen zuhöchst delikaten Punkten, die zu den bestgehüteten Geheimnissen von Verlagen und Autoren gehören: Wie hoch wird die Auflage? Wie niedrig wird das Honorar? Wer wird Sündenträger im Fall eines Mißerfolgs? (Ich sage nur soviel: Im unterirdischen Sündenrad von Rastattt irren Dutzende unglückseliger Autoren durch die Finsternis ewigen Vergessens.)
   Der Illustrator, richtig. Das Buch sollte 96 großformatige Hochglanzseiten haben, die durchgehend farbig illustriert sind. Für so eine Monsterarbeit braucht es schon ein ordentliches Kaliber von Illustrator, dem das Pinseln schnell von der Hand geht (sonst würde es endlos dauern) und der sich außerdem noch im PR-Multiversum auskennt. Glücklicherweise gibt es da einen begnadeten Bilderkünstler, den ich seit vielen Jahren stolz meinen Freund nennen darf. Sein Name ist Reinhard Habeck. Der Rüsselmops-Habeck, genau. Den schlug ich KNF auch vor. Wenn er kein Problem damit habe, daß gleich zwei Österreicher (der gebürtige Wiener Habeck und ich als »Wahlwiener«) diesen neuesten Ableger der Rhodan-Saga gestalten, hätte das auch arbeitstechnisch gewaltige Vorteile - von der unzweifelhaften Qualität der Habeckschen Illustrationen gar nicht erst zu reden.
   »Ja, ja«, meinte KNF nachdenklich. »Aber kann der denn auch Farbe?«
   Ha! Da kannte der Gute unseren rasenden Reinhard noch nicht! (Und übrigens: Grammatikalisch war in dieser Replik ja ein wenig der Muurt-Wurm drin, gelle? Andererseits könnte ich mir durchaus vorstellen, daß seinerzeit, während des Übergangs von der Stummfilm- zur Tonfilmära, ein Produzent namens, na sagen wir mal Rip van DaGraus über Charlie Chaplin gemeint hat: »Ja kann der denn auch Ton?«)
   Also waren flugs einige Farbkopien herbeigezaubert, die ich in einem meiner seltenen Anfälle von Hellsichtigkeit mitgenommen hatte, und siehe da, sie fanden Wohlgefallen vor den gestrengen Augen des Meisters der Redaktion. (K. N. Faktor I - obwohl ich versichern kann, daß »da Glausch« definitiv keine Frau ist. Alle Überlegungen, es könnte sich um die Maske eines Vario-Roboters, um einen Molekülverformer, dem die TBA - also die Taschenbuchausgaben - abhanden gekommen sind, oder aber gar um einen Ennox handeln, der mit Vorliebe in Afrika Pilze suchen geht, wollen wir großzügig der eingehenderen Untersuchung durch spätere Rhodanologen-Generationen überlassen.)
   Damit war die Sache im großen und ganzen fixiert, und Rip, sorry: Klaus und ich konnten zum geselligeren Teil des Treffens übergehen. Die damit einhergluckernden Stärkungen flüssiger Art hatte ich auch dringend nötig, denn so langsam dämmerte mir, daß ein schönes Stück Arbeit auf mich zukam. Schließlich ging es ja nicht nur darum, eine Geschichte über Gucky, seinen quirligen Filius, dessen rotzfreche Freunde und noch einen ganzen Haufen anderer Lausbiber zu schreiben (Motto: »Chaostage auf dem Mars« - sehr zum Mißvergnügen eines gewissen Admiral Gecko ...), nein, ich mußte so ganz nebenbei in einer kindgerechten Sprache eine Einführung in das PR-Multiversum geben. Und dann sollte das Ganze natürlich spannend sein. Besonders aber: Witzig. Turbulent. Ein iltimales Buch eben für kleine, größere und Sowieso-Kindsköpfe.
   Ob mir das gelungen ist, davon könnt Ihr Euch inzwischen selbst überzeugen. (Und wen's interessiert, für den plaudere ich in der aktuellen »Sol«, dem Magazin der Perry-Rhodan-Fanzentrale, ein wenig aus der Schreibschule.) Walter Ernsting, Guckys geistiger »Vater«, der als einer der ersten das Manuskript erhalten hat, hat mir in einem Brief versichert, es habe ihm riesigen Spaß gemacht. Ehrlich wahr! (Klar, daß der Brief inzwischen gerahmt über meinem Bett hängt.) Jedenfalls ist »Lausbiber-Alarm!«, das allererste Kinderbuch, das in der PR-Welt spielt, eines ganz sicher geworden: Wunderschön. Reinhard Habeck hat sich mit seinen an die hundert Farbillustrationen bis zur Krankenhausreife verausgabt - und das Ergebnis ist sensationell. Wenn ich mich nicht völlig irre, dann ist »Lausbiber-Alarm!« nicht nur etwas für Eure Sprößlinge und Lieblingsknirpse geworden, sondern auch ein Prachtstück für die Sammlung jedes echten »erwachsenen« PR-Fans. Und, wer weiß, vielleicht gibt es ja bald schon weitere Lausbiber-Tollereien in unser aller Lieblingsverlag VPM (»Verlagsunion Prächtige Meisterwerke«)? Bis dahin: Immer den Nagezahn schön sauber halten!
 


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Andreas Findig
Erstmals erschienen im »Perry Rhodan Report«, Perry Rhodan Nr. 1976