Bereits im Frühjahr 2002 war von Einheimischen zu erfahren, daß die Gemeinde San Michele al Tagliamento beabsichtige, den im Bereich des Ortsfriedhofes befindlichen österreich-ungarischen Soldatenfriedhof zu renovieren. Eine Nachschau im Mai 2003 bestätigte die Erzählungen.
San Michele befindet sich direkt an der Staatsstraße ss14, welche Triest mit Venedig verbindet. Man fährt Richtung Venedig, überquert in Latisana den Fluß Tagliamento und findet nach etwa 700 m rechts ein neues Hinweisschild in italienischer und deutscher Sprache zum Friedhof.
Nach dem Durchschreiten des Tores ist bereits nach wenigen Metern geradeaus der neue Gedenkstein und der wirklich schön renovierte Soldatenfriedhof zu sehen. Der Gedenkstein trägt unter Anderem folgende Inschrift: "Auf diesem österreichischen Soldatenfriedhof fanden 483 Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg die letzte Ruhe. In den Jahren 2002/2003 wurde der Friedhof durch die Gemeinde San Michele al Tagliamento und dem Österreichischen Schwarzen Kreuz renoviert." Kränze österreichischer und italienischer Vereinigungen zeugen von der neuerlichen Segnung am 18.05.2003 im Rahmen des 12. österreichisch-italienischen Friedenstreffens.
Die Sterbedaten zwischen 1915 und 1918, sowie eine kaum mehr leserliche Gedenktafel an der Friedhofmauer, lassen auf die frühere Existenz eines Feld- oder Kriegsgefangenenlazarettes schließen. Die österreichisch-ungarischen und deutschen Truppen stießen erst Anfang November 1917 in diesen Bereich vor.
Was war hier geschehen ?Nach der Kriegserklärung des bis dahin mit der Doppelmonarchie verbündeten Italien (Dreibund) am 23.05.1915 entbrannten die Kämpfe im Bereich der Dolomiten, der Julischen Alpen und entlang des Isonzo bis zur Adriaküste.
Und hier am Isonzo beginnt unser Weg nach San Michele.Der erste Weltkrieg wurde auch an der Italienfront weitgehend als Stellungskrieg geführt und brachte sowohl im Hochgebirge als auch im Karst horrende Verluste auf beiden Seiten, bei vergleichsweise bescheidenem Geländegewinn. In den 10 Isonzoschlachten zwischen Juni 1915 und Mai 1917 konnten die italienischen Angriffe abgewehrt werden. Im Wechsel von Angriff und Gegenangriff fielen hunderttausende Soldaten.
Das österreichische Armeekommando plante nun eine Offensive und ersuchte um deutsche Unterstützung. Sieben deutsche Divisionen wurden entsandt.
Zwischenzeitlich griff die italienische Armee am 18.08.1917 im Bereich nördlich Görz (seit der 6. Schlacht, 08.08.1916 italienisch besetzt) an und eroberte Teile der Hochebene von Bainsizza, einen Bereich von nicht einmal 10 km Tiefe. Das italienische Angriffsziel der 11. Schlacht, der Durchbruch nach Triest und in das Laibacher Becken konnte trotz des Einsatzes von 48 ital. Divisionen gerade noch einmal verhindert werden.
Am 24.10.1917 begann die 12. Isonzoschlacht mit starker österreichischer Artillerievorbereitung. Die Infanterie stieß durch das schwierige Gelände zwischen Flitsch und Tolmein vor, erreichte Karfeit (Caporetto, Kobarid) und erzwang den Durchbruch. Am 03.11.1917 wird der Fluß Tagliamento, am 09.11.1917 die Piave erreicht. Österreichische Soldaten können die Türme Venedigs sehen.
Es scheint, als wäre diese Offensive ein Vorgeschmack auf die späteren "Blitzkriege" gewesen, wenn auch noch ohne die - für diese Kampfführung typische - massive Luftunterstützung. Eine Strecke von 130 km ist unter Berücksichtigung der damals unmotorisierten Verbände mehr als bemerkenswert. Auch waren die Verluste vergleichsweise gering.
Allerdings blieb hier die Offensive endgültig stehen. Italien hatte - unterstützt von englischen und französischen Divisionen - die Front stabilisiert. Die Piave trägt seither den Beinamen "der rote Fluß", gefärbt vom Blut tausender Gefallener.
Die Literatur scheint diese Vorgänge ein wenig zu vernachlässigen, die Kriegsschauplätze im Osten und in Frankreich dominieren. Ernest Hemingway beschrieb die Vorgänge in "In einem anderen Land", hat aber die Schlacht nicht selbst erlebt. Erst im Juni 1918 war er als freiwilliger Rotkreuzhelfer vor Ort.
In österreichischen Schulgeschichtsbüchern findet sich gerademal eine Zeile, "..haben stattgefunden".
Um den Bogen in die Zeit nach dem November 1918 zu spannen, greife ich eine österreichische Persönlichkeit heraus, die während der 12. Isonzoschlacht ihren Dienst als Generalstabschef der 10. Armee versah. Oberst d.G. Theodor Körner - ein ehemaliger Klosterneuburger Pionier - war den einfachen Frontsoldaten durch seine unangemeldeten Besuche in der vordersten Linie ein Begriff: Zitat "Um diese Zeit war an der Front ein Hauptmann eine Seltenheit, ein Major eine ungewöhnliche Erscheinung und ein Oberst ein gänzlich unbekanntes Wesen. Wenn irgendwo ganz vorne ein Oberst auftauchte, dann kann es nur "der Körner" sein." (*) General a.D.Dr.h.c. Theodor Körner (*24.04.1873, +04.01.1957) war von 1951 bis zu seinem Tode österreichischer Bundespräsident.
Ein junger Hauptmann vom deutschen "Württembergischen Gebirgsbataillon" sei erwähnt, der im Angriff auf die Kolowrathhöhen - trotz geringer eigener Stärke - überlegene Kräfte vortäuschte, den Gegner durch geschicktes taktieren zur Aufgabe brachte und weit in gegnerisches Terrain eindrang. Einzelne seiner Soldaten hatten mit ihrem Karabiner jeweils mehrere hundert Gefangene zu bewachen. Der Name dieses Hauptmannes war Erwin Rommel. Er erhielt für diese Leistungen den preußischen "Pour le merite" und ging später als Divisionsführer im Westen und als "Wüstenfuchs" und Generalfeldmarschall des DAK (**)in die Geschichte ein.
Der vierunddreißig Jahre alte Unteroffizier Benito Mussolini wurde 1917 in einer der Isonzoschlachten verwundet.
San Michele liegt, wie schon erwähnt, ziemlich in der Mitte zwischen Triest und Venedig, beide Städte sind jeweils eine Autostunde entfernt. Die Urlaubsorte Grado, Jesolo, Caorle und das alte Seebad Lignano sind gleichsam "um die Ecke". Im Bereich zwischen Isonzo und Piave findet man neben den bekannteren Gedenkstätten Redipuglia, Oslavia und Fogliano immer wieder Soldatengräber und Friedhöfe aus den beiden Weltkriegen, aber auch an Sachzeugen aus früheren Epochen hat die Region viel zu bieten. Vielleicht findet der eine oder andere Kamerad die Zeit, im Bereich seines Urlaubsortes Nachschau zu halten.
Der Tradition entsprechend wurde namens der UOG - Wien von Astrid und Gerald Kerschbaum ein schlichter Blumengruß niedergelegt und mit einer Schweigeminute der Gefallenen gedacht.
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