Gesellschaft der Lyrikfreunde
(Repräsentanz Wien)

 

 

Gedichte von Thomas Rackwitz

Ambras

Die schwarzen Schwäne
verjagten die Wolken mit ihrem Geschrei.
Wir schnauften, als hätte die Luft uns
in eine stählerne Rüstung gezwängt.

Aurora stieg langsam hinab,
stieg Stufe
um Stufe
den Mündern entgegen,
die auf den Gemälden im spanischen Saal
das Atmen verlernten,
zu lang lag der Staub
dort schließlich auf ihnen.

Ein jeder, der herkam,
umschlich diese Fürsten
mit sicherem Abstand
(ihr Ruf blieb über
Jahrhunderte allgegenwärtig).

Wir schauten uns ernst,
ja, manchmal fast demütig um;
denn sogar die Schwäne
diesseits der Mauern schienen
noch immer die alten zu sein.

Superstarsonett

Dies ist die Welt der Superstars, die Welt,
die das Gewöhnliche nicht mehr verwindet.
Heut singen alle. Jeder ist ein Held.
Und wer noch nicht dazugehört, empfindet

sich längst wie zum Messias auserkoren,
(denn schließlich sind sie alle „hochbegabt“)
und für Alltägliches wird doch nur der geboren,
der nicht genug will und im Schatten trabt,

der nicht wie eine Marionette schwankt,
im rücksichtslosen Spiel der Marktgiganten,
dem mancher von den jungen Musikanten
den Aufstieg wie den Untergang verdankt.

Und wenn schon ... mir ist’s dennoch einerlei:
ihr Superstars geht mir am A... vorbei!

„Manche freilich...“, Parodie

Manche freilich ackern nicht mal drunten,
wo die fetten Engel Schokolade fressen,
andre knien betend vor dem Galgen,
kennen Vogelscheiße und den Pflug des Bauern.

Manche liegen mit immer matten Gliedern
bei den Wurzeln des verlausten Staates,
andern sind die Titten gerichtet
bei dem Chirurgen, dem Freund des Freundes,
und da glucksen sie, bis sie hängen,
schweren Beutels und leichten Hirnes.

Doch die Missgunst flackert in den Augen
all der anderen Verschleuderer,
denn die Bürger sind an den Luxus
wie an ihre Trägheit gebunden.

Ganz alltägliches (wahre Nichtigkeiten)
kann ich nicht abtun von meinem Denken,
noch weghalten von der verharrenden Dichtung,
die nur ein Krieg zu retten vermag.

Viele Gemetzel sah ich in meinem Leben,
durcheinander spielt sie das Fernsehen,
und ich frag mich dabei, woran ich wohl sterbe:
langem Leiden oder Langeweile?


Die Legende vom Literaturwissenschaftler

Er wahrlich liebte die Dichtung
und sog sie tief in sich hinein,
doch ehe er kam zu sterben,
da hörte sie auf, so zu sein:

der Zauber war plötzlich erloschen,
es fraßen ihn Definition
und werkimmanente Betrachtung
und nüchterne klare Diktion.

Er hat es ertragen wohl siebzig Jahr
und träumte inzwischen hermetisch,
er interpretierte den Wasserverlauf
und meinte, er sei nicht ästhetisch.

Er analysierte und evaluierte
die Knittel selbst zwischen Gebirgen,
da kamen die Dichter zurück aus dem Grab
und wollten ihn plötzlich erwürgen.

Was blieb ihm am Ende der Lebenszeit,
nach Forschung, Kritik und Recherche?
Die Einsicht: er gibt nun den Becher ab
an ebenso knickrige Ärsche.

Der unmoderne Dichter sagt:

Der Reim ist mir die liebste Barbarei.
Ich abstrahiere und verkompliziere,
dass sich der Vers nicht mehr verliere,
und denk mir dabei
allerlei.

Die normkonforme Polizei
sagt mir so nebenbei, ich sei
nicht besser als ein Papagei,
denn: „unsre Zeit hat sich befreit
vom Reim (dem Kleid der Albernheit).
Er ist stattdessen längst vergessen.
Es wär vermessen, auszupressen
noch seinen letzten Saft
der Leidenschaft.“

Egal,
ihr könnt mich x.
Sei es doch, wie es sei.
Der Reim bleibt mir die liebste Barbarei.

© Thomas Rackwitz

zurück zur Vita