30 Jahre Grenzen des Wachstums

 

"It's the end of the world as we know it" -
REM


"Don't you know
They're talkin' about a revolution
It sounds like a whisper" -
Tracy Chapman


 

Die Informationsgesellschaften scheinen an einem Wendepunkt zu stehen. Unkontrolliertes Wachstum des globalen Systems hat die Menschheit in eine existenzbedrohende Krise geführt. 1972 hieß es "The Limits of Growth" (dt: "Die Grenzen des Wachstums", DVA Stuttgart 1972). Anders als bei allen früheren Applikationen der Systemanalyse gelang es dem MIT-Team, die Problematik der Begrenztheit wichtiger Rohstoffe sowie die Umweltverschmutzung mit den dynamischen Kräften der Wirtschaftsentwicklung, des technischen Wandels und des Bevölkerungswachstums zu korrelieren. Das dynamisch-komplexe World3-Modell wurde zum Erstaunen der Scientific Community nicht beschränkt auf ein Teilsystem, sondern für den ganzen Planeten entwickelt. Einige der für die Systemanalyse verwendeten Ausgangsdaten über die Begrenztheit von Rohstoffen stellten sich als falsch heraus, was zu einigen fehlerhaften Szenarien führte. Sie entwarfen ein zu düsteres Zukunftsbild. Moderne Technologien unterstützten die Exploration neuer Lagerstätten. Die vorliegenden globalen Daten, die Computerläufe und die Erfahrungen des Meadows-Teams (der letzten 30 Jahre), lassen aber darauf schließen, daß die Annahme, die Menschheit befindet sich auf dem Weg zum globalen Kollaps, die aus den summarischen Schlussfolgerungen der alten „Grenzen des Wachstums (1972)“ folgt, noch immer gültig ist - der Zustand der Umwelt ist seit damals größtenteils schlechter geworden.

"There are no surprises in the recent study… The global society is still on the track we projected back in 1972… There are no signs of significant change..." (Meadows in: Fabrizio, 2000, S. 2)

(Seit 1970 hat die Menschheit mehr als 30 Prozent der Natur mit zunehmender Geschwindigkeit zerstört. Zwischen 1970 und 2000 ist die Weltbevölkerung von 3.6 Milliarden auf mehr als 6 Milliarden angewachsen. Natürliche Wälder wurden in dieser Zeitspanne um über 10 Prozent reduziert. Jährlich werden Flächen der Größe von England und Wales entwaldet. Die gegenwärtigen Trends gehen in Richtung eines beschleunigten Verlustes von Waldgebieten, von Rest-Urwäldern und einer progressiven Minderung der inneren Qualität der Restwaldbestände. Die verbleibenden Waldflächen verarmen zunehmend. Die Zerstörung der tropischen Regenwälder beschleunigt sich.  Das meiste hochwertige Agrarland befindet sich bereits in Nutzung. Die Bodenfläche geht gegenwärtig 16- bis 300-mal schneller verloren als sie wiederhergestellt werden kann. Die Ökosysteme im Meer nahmen um mehr als 30 Prozent ab. Die Frischwasser-Ökosysteme wurden um 50 Prozent verringert. In den meisten Nationen ist das Grundwasser verschmutzt. Giftige Chemikalien bedrohen die menschliche Gesundheit. Der Verbrauch der Menschen hat sich in den letzten 25 Jahren verdoppelt. Zwischen 1970 und 1990 hat die Anzahl der Autos von 250 auf 560 Milliarden zugenommen, der Erdgasverbrauch stieg von 837 auf 1890 Milliarden m^3 und die Kraftwerkskapazitäten von 1.1 auf 2.6 Milliarden Megawatt. Zudem hat der Raubau seit 1990 weltweit stark an Tempo zugelegt. Täglich sterben etwa zwanzig Tier- oder Pflanzenarten aus. Jede Sekunde werden rund tausend Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen - es droht damit eine irreversible Veränderung des Weltklimas. Jede Sekunde gehen rund tausend Tonnen Mutterboden durch Erosionsprozesse verloren. Öl und Gas werden immer knapper. Von 1860 bis 1985 ist der Energiedurchsatz der Menschheit um das 60fache gestiegen, der vorrausichtlich bis 2020 um weitere 75% zunehmen wird. Gegenwärtig wird 88% der kommerziell gelieferten Energie durch nichtregenerierbare fossile Brennstoffe (Kohle, Erdöl, Erdgas) gewonnen).

Millionen von Menschen leben weiterhin in auswegsloser Armut, natürliche Ressourcen werden vergeudet, noch mehr Schadstoffe wurden in der Umwelt seit 1972 angehäuft, und weiterhin wird die Natur zerstört. Damit wurde die Kapazität des Planeten Erde, die biologischen Lebensformen zu erhalten, noch weiter reduziert.

Die Grenzen des Wachstums hatten keine transformationelle Wirkung auf die Wirtschaftspolitik der westlichen elitär-repräsentativen Demokratien. Während der ersten Ölkrise 1973/74 begann z.B. in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich eine Diskussion über eine neue Evaluation des Wirtschaftswachstums. Das Bruttoinlandsprodukt/Bruttosozialprodukt (BIP/BSP) als Indikator wurde zwar angegriffen und gefordert, statt quantitativen, einen qualitativen Wachstumsindikator zur Beurteilung der ökonomischen und ökologischen Leistungsfähigkeit einer Volkwirtschaft zu etablieren, der u.a. die Lebensqualität, neue Lebensphilosophien integriert. Trotz intensiver Bemühungen, Forderungen und vielen, oft scheiternden Versuchen um die Einführung solcher Indikatoren wird in allen Ländern der Erde weiterhin primär mit dem BIP gearbeitet. Die Publikationen des "Club of Rome" hatten zudem auch Wirkung auf den Aufstieg der Ökologiebewegung, die sich u.a. auf die Thesen von Meadows beriefen.

Die Wachstumstrends haben sich aber weiterhin fortgesetzt und uns den Grenzen nähergebracht. Daß diese an anderer Position liegen, als in der Studie von 1972 beschrieben, ist hierbei weitgehend unerheblich. Wie bereits Weizsäcker und die Lovins betont haben, ist eher die Aufnahmefähigkeit der Erde für Abfälle und Emissionen begrenzt, als es die Rohstoffvorräte sind (Weizsäcker/Lovins/Lovins, 1996, S. 286). Trotz erfolgter Rohstoffkunde (und trotz neuer Erkenntnisse und Korrekturen alter Vorstellungen) sind die Grenzen des Wachstums der Menschheit "beängstigend" nähergerückt. Zwanzig Jahre später lautete der Titel der aktualisierten Version "Beyond the Limits of Growth" ("Jenseits der Grenzen des Wachstums" - wobei der deutsche Verlag sich für den Titel: "Die neuen Grenzen des Wachstums" entschieden hat. Meadows et al. haben auch tatsächlich vor, 2012 ein weiteres Buch herauszubringen. So hatten die Folgerungen aus World3/1992 folgende zugespitzte These ergeben: "Wir haben Euch gewarnt, jetzt sind eine Reihe von Grenzen überschritten".

Das Meadows-Team hat auch eine Anzahl von Szenarien simuliert, von denen einige selbst-stabilisierend sind. Das optimalste und friedlichste Szenario im neuen Buch ist nicht mehr durchführbar. Nichtsdestoweniger hat es eine pädagogische Bedeutung. Es nimmt an, die notwendigen Stabilisierungsmaßnahmen (Bevölkerungswachstum, etc.) seien bereits 1975 vorgenommen worden. Doch implementiert wurden solche Maßnahmen nicht einmal heute. Im Gegenteil, die Politik scheint sich vom Thema Umwelt sowie Entwicklung abgewandt zu haben. Die Meadows werden u.a. als "hoffnungslose Pessimisten" bezeichnet. In unnachhaltiger Art und Weise überzieht die USA nach den Präsidentschaftswahlen 2000 die Grenzen. Ein tiefgehender Wandel und die Betonung der Suffizienz (Genügsamkeit) und große Effizienzsteigerungen wären u.a. ein mögliches Mittel zur Schadensbegrenzung der zerstörerischen Dynamik von World3/2000. Doch Genügsamkeit scheint weltweit keine Regierung zu propagieren. Die Zivilisation rennt nach der Lehrmeinung der Meadows auf den Abgrund zu. Dennis Meadows geht es weniger um die Frage, ob wir uns ändern  können, sondern darum, darauf hinzuweisen, daß wir keine andere Wahl haben, als unsere Handlungsweisen zu verändern.

Nach den neuen Testläufen von World3/2000 läßt sich der globale Kollaps wegen den gegenwärtig vorherrschenden politischen, ökonomischen, und kulturellen Wertvorstellungen nicht mehr abwenden.

Falls es doch für eine dauerhaft tragbare Entwicklung zu spät ist, muß die Menschheit die vielschichtigen Mechanismen begreifen lernen, die den Zusammenbruch verursachen. Dies erfordert ggf. eine neue Sozialethik und öffentliche Diskussionen, um uns darüber verständigen zu können, und neue alternative Langzeitvisionen erarbeiten, die unsere Gesellschaften auf diesen Planeten einigen können. Es wird ein neues transformationelles Paradigmensystem benötigt, um den gewaltsamen Konflikt zu minimieren. Schließlich wird eine nachhaltige Transformationsgesellschaft mit dem Ziel einer erheblich geringeren Weltbevölkerung und eines niedrigeren Konsumniveaus angesteuert. Der Transformationsprozess würde jedoch erst kurz vor Ende des 21. Jahrhunderts abgeschlossen sein (Meadows, 2001). 


Wahrscheinlich liegt das auslösende Moment für den Kollaps im Nahrungssystem (Meadows, 2001). Als primärer Bremsfaktor für Wachstum tritt in den Modellszenarien die abnehmende Fruchtbarkeit des Agrarlandes auf. Der globale Höchstwert der Nahrungsmittelproduktion pro Kopf war World3 zufolge 1995 erreicht, der bis 2010 um fast zehn Prozent zurückgeht. Zwar überschreitet die Nahrungsmittelproduktion für das Jahr 2020 die Menge zur Jahrhundertwende entscheidend, doch diese Steigerung hält nicht Schritt mit dem Wachstum der Weltbevölkerung. World3 zeigt, daß es immer schwieriger wird, die Grundnahrungsbedürfnisse der Menschheit zu befriedigen. Da die finanziellen Mitteln von anderen Wirtschaftssektoren in die Agrarwirtschaft umgeleitet werden müssen, nehmen die Nettoinvestitionen in Industrie- und Dienstleistungssektoren ab. Diese verschärfen sich durch die wachsenden Kosten zur Gewinnung natürlicher Rohstoffe - das Problem wird nach 2030 offenkundig.

Die Weltbevölkerung wird bis 2040 auf knapp 8 Milliarden Menschen steigen. Nach diesem Zeitpunkt wird das sinkende Lebensalter eine rasche Abnahme der Weltbevölkerung verursachen. Die globale Getreideproduktion ist pro Kopf von 1970 bis 1985 um rund 3 Prozent angestiegen, doch während der letzten 15 Jahre konstant geblieben bzw. gesunken.

Die Geschwindigkeit, mit der sich die Situation verändern kann, wird durch die neueste Studie von Lester Brown und Hal Kane (Meadows, 2001) belegt. Ihre Daten stehen für die 4 größten und 9 nächstgrößten Staaten des globalen Systems. In diesen 13 Staaten leben etwa 70% der Weltbevölkerung. Demzufolge wurde in den USA, in China, Indien und der ehemaligen UdSSR im Jahr 1950 mehr Getreide erzeugt als konsumiert. Im Jahr 2030 hingegen wird der Bedarf um fast 20 Prozent die Produktion übersteigen. In Bangladesch, Indonesien, Iran, Pakistan, Ägypten, Äthiopien und Eritrea, Nigeria, Brasilien und Mexiko waren im Jahr 1950 knapp im Minus, während 2030 nur noch zwei Drittel des benötigten Getreides angebaut werden.

Bei dieser Prognose müssen die Auswirkungen des Absinkens von Erdöl und anderer nicht-erneuerbarer Rohstoffe oder klimabedingte Störungen der Nahrungsmittelkette berücksichtigt werden. Für nicht-erneuerbare Ressourcen gilt jedoch die gleiche dynamische Tendenz wie für die obigen Nahrungsmitteldaten: Sie können mit dramatischen Tempo von einer langen Periode leichter Verfügbarkeit und zunehmenden Konsums zu einer Periode steigender Kosten und steigenden Mangels führen.

In den ersten zwei Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts werden World3 zufolge mehr Rohstoffe aufgebraucht als während des gesamten 20. Jahrhunderts - d.h. der Vorrat der im Jahr 2020 verbleibenden Rohstoffen würde nur mehr 72 Jahre reichen. Von 2020 bis 2040 steigen aber die relativen Kosten für natürliche Rohstoffe in World3 um mehr als das Doppelte. Dadurch wird die Fähigkeit der globalen Wirtschaft, das Wachstum zu halten, unterminiert. Im Jahr 2030 erreicht der industrielle Output den Höhepunkt, der das gegenwärtige Niveau fast zweimal übertrifft.

"In den groben Grundrissen wird unsere Vorhersage von vielen Personen als ziemlich plausibel empfunden. Unter der Vorraussetzung, daß es inzwischen zu spät ist, um ein dauerhaft tragbares Wirtschaftwachstum zu ermöglichen, möchte ich daher vorschlagen, daß heute endlich Anstrengungen zur Erforschung unserer Optionen und Prioritäten unternommen werden" (Meadows, 2001, S. 30).                   
                     
Wenn man die Lastenreduktion zurückstellt und die Transformation zur stabilen Gesellschaft hinauszögert, verschiebt man im Best Case um so größere Lasten auf künftige Generationen und schafft im Worst Case die Vorraussetzungen für den Kollaps.

Allerdings können am Prozeß der Entscheidungsfindung über ökologische Zukunftsmodelle die wichtigsten Betroffenen nicht partizipieren: Es sind die künftigen Generationen und die der menschlichen Sprache nicht mächtigen Pflanzen- und Tierarten von heute und morgen (Weizsäcker/Lovins/Lovins, 1996, S. 334).

 

Modern industrial civilization has developed within a system of convenient myths. The driving force of industrial civilization has been individual material gain - which has been accepted as legitimate, even praiseworthy on the grounds that private vices yield public benefits (in the classic formulation). It has long been understood, very well, that a society that is based on this principal will destroy itself in time. It can only persist - with whatever suffering and injustice it entails - as long as it is possible to pretend that the destructive forces humans create are limited, that the world is an infinite resource and the world is an infinite garbage can. At this stage in history, either one of two things is possible. Either the general population will take control of its own destiny and concern itself with community interests guided by values of solidarity and sympathy and concern for others, or alternatively, there will be no destiny for anyone to control.

As long as some specialized class is in a position of authority, it is going to set policy in the special interest that it serves. But the conditions of survival, let alone justice require rational social planning in the interest of the community as a whole - and by now that means the global community. The question is whether priveledged elites should dominate mass communication and should use this power as they tell us they must - namely to impose necessary illusions; to manipulate and deceive the "stupid" majority and remove them from the public arena.The question, in brief, is whether democracy and freedom are values to be preserved or threats to be avoided.

In this possible terminal phase of human existence, democracy and freedom are more than values to be treasured, they may be essential to survival.

-the words of Noam Chomsky,
The end of the movie 'Manufacturing Consent'

Literatur

Fabrizio R., End of the world?, Portsmouth Herald, Sunday, 30. Juli, http://www.seacoastonline.com/2000news/7_30c.htm, 2000.

Meadows D. L. et al., Dynamics of Growth in a Finite World, Cambridge, Wright-Allen Press, MA, 1974.

Meadows D. L. et al., Alternatives to Growth-I, Cambridge, Mass., Ballinger Books, 1977.

Meadows D. H., Meadows D. L., Randers J., Die neuen Grenzen des Wachstums, Rowohlt, Stuttgart, 1995.

Meadows D. L. et al, Beyond the Limits Video, On April 13, 1992, Dennis Meadows, Donella Meadows, and Jorgen Randers gave a major address in Washington, DC, that was memorialized by the Global Tomorrow Coalition. The original program was broadcast by CNN on national television in the United States, Version 1996.

Meadows D. L., Wir haben euch gewarnt, Der Spiegel, Nr. 18/99, S. 221, 03.05.1999.

Meadows D. L. et al., World3/2000 Explorer, Beyond the Limits 2000, http://www.unh.edu/ipssr/ index.html#World3, Institute for Policy and Social Science Research, University of New Hampshire, 2000.

Meadows D. L., Der Kaiser ist längst nackt: Für eine dauerhaft tragbare weitere Wirtschaftsentwicklung ist es zu spät. Umso mehr muss die Gesellschaft Abschied nehmen von einer Ideologie grenzenlosen Wachstums und Visionen entwickeln, wie sie mit dem Mangel umgehen wird, Magazin für modern politics, Nr. 7, März, 2001, S. 29-30.

Weizsäcker E. U., Lovins A. B., Lovins L. H., Faktor 4, Der neue Bericht an den Club of Rome, Droemer Knaur, 1996.