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Am Ende des Regenbogens
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Eine Erzählung von Werner Stangl
Maximilian lud seine Klassenkameraden der Reihe nach zum
Spielen ein. Alle staunten über seine Spielzeugsammlung. Er
schleppte seine Besucher zum Schwimmbecken im Garten und ließ sein Auto darin
schwimmen. Und er stellte das rosa Pferd auf und ließ es dazu wiehern. Schließlich
fragte er sie: "Hast du auch so ein tolles grünes Auto wie ich, das
schwimmen kann?" und "Hast du auch so ein rosa Pferd wie ich, das
wiehern kann und einen Wagen zieht?" Wenn sie antworteten:
"Nein! Mein Auto kann nicht schwimmen", und "Nein! Mein Pferd
kann nicht wiehern", dann war Maximilian zufrieden. Wenn sie aber sagten,
"Ich habe dafür ein rotes Auto, das fliegen kann", oder "Ich
habe ein größeres Pferd, auf dem ich reiten kann", dann trumpfte
Maximilian auf: "Dein Auto kann aber nicht schwimmen!" oder "Mein
Pferd ist viel grüner als deines." Bevor seine Besucher
heimgingen, zauberte er weiße Kaninchen aus seinem Zauberhut, dass ihnen Hören
und Sehen verging und sie die Flucht ergriffen.
Manche Klassenkameraden getrauten sich nicht Maximilian
einzuladen. Sie schämten sich, weil sie nicht soviel Spielzeug besaßen wie er.
Wenn ihn doch einer einlud, dann prahlte Maximilian: "So ein Auto habe ich
auch! Meines ist aber viel, viel größer", oder "Mein Baukasten ist
viel, viel schöner als deiner!" Keiner lud ihn ein zweites Mal ein. Wenn
Maximilian einen Klassenkameraden zum zweiten Mal einlud, dann antworteten
dieser: "Ich hab keine Zeit, ich muss heute lernen", oder "Ich
bin heute schon bei einem Freund eingeladen", oder "Ich muss heute mit
meiner Mutter in die Stadt". Keiner besuchte Maximilian ein zweites Mal.
Maximilian hatte schon alle Klassenkameraden eingeladen. Bis auf Boris. Er
war mit seinen Eltern vor einem halben Jahr in das Dorf gezogen. Boris hatte es
schwer. Er sprach kein Wort Deutsch, als er in die Klasse kam. Maximilian dachte
überhaupt nicht daran, Boris einzuladen. Als die Mutter fragte: "Wann
lädst du einmal den Boris ein?" antwortete Maximilian: "Den mag ich
nicht einladen." "Du hast alle Kinder eingeladen", sagte die
Mutter. "Er ist sicher traurig, wenn du nur ihn nicht einlädst." "Ich
mag aber nicht", maulte Maximilian. "Seine Eltern sind arm. Boris
hat bestimmt nicht soviel Spielzeug wie du", erwiderte die Mutter. Das
gefiel Maximilian. Er dachte nach und sagte schließlich: "Bestimmt
hat er nicht soviel Spielzeug wie ich! Wenn es sein muss...." Maximilian
lud Boris ein.
Maximilian erwartete Boris an der Wohnungstür. "Da
bist du ja!" rief er und schleppte Boris in sein Zimmer. Maximilian holte
sogleich ein Auto nach dem anderen und stellte es vor Boris auf. Boris wusste
nicht, wie ihm geschah. Maximilian drückte Boris den blauen Teddybären in die
Hand. Als dieser sagte "Ich heiße Waldemar, weil ich im Walde war!",
ließ ihn Boris vor Schreck fallen. "Da staunst du, was!" sagte
Maximilian. Maximilian nahm ein Stofftier nach dem anderen und drückte es
Boris in die Hand. Baukästen, Motorboote, Bücher und Eisenbahnen holte er aus
den Kästen und Regalen. Und natürlich auch das rosa Pferd, das wiehern konnte. Boris
sagte noch immer nichts. Als Maximilians Mutter bei der Tür hereinschaute,
konnte sie Boris nicht sehen. Er saß unter einem Berg von Spielzeug und war
sprachlos. "Na, was sagst du jetzt?" fragte Maximilian. "Ich",
stotterte Boris, "ich... ich weiß nicht". "Wie viele
Eisenbahnwaggons hast du?" fragte Maximilian. "Ich habe keine
Eisenbahn", antwortete Boris. "Und wie viele Autos hast du?"
bohrte Maximilian nach. "Ein paar! Aber nicht so viele
wie du." Maximilian war zufrieden. "Und womit spielst du
dann?" fragte Maximilian. "Ich spiele mit Finka", antwortete
Boris. "Wer ist Finka?" "Das ist meine
Freundin." "Aber wenn du keine Lust hast, mit dieser Finka zu
spielen?" "Dann spiele ich mit Bojan."
"Wer ist Bojan?" fragte Maximilian. "Das ist mein Freund."
"Und wenn dir das zu fad ist?" "Dann spiele ich mit Gerald!"
"Ist das auch ein Freund?" fragte Maximilian ungeduldig. "Ja, das
ist auch ein Freund. Wir spielen oft miteinander." "Das ist blöd!" sagte Maximilian verächtlich, "ich brauche
keine Freunde." "Wir spielen verstecken, wir spielen Räuber und
Gendarm. Wir singen miteinander oder verkleiden uns. Das ist sehr lustig",
warf Boris ein. "Das ist alles blöd!" wiederholte Maximilian ärgerlich.
Nachdem Boris gegangen war, spielte Maximilian mit seinen
Teddybären und den anderen Stofftieren Verstecken. Das machte keinen rechten
Spaß, denn er wusste natürlich, wo sie waren. "Das ist ein blödes
Spiel", schimpfte Maximilian. Lieder singen oder Fangen spielen konnte er
mit seinen Stofftieren auch nicht. Sein blauer Bär vielleicht? Der saß aber
nur da und brummte: "Ich heiße Waldemar, weil ich im Walde war!"
"Ihr seid alle blöd!" rief Maximilian und schleuderte die Tiere und
Teddybären in eine Ecke. Das rosa Pferd wieherte noch ein letztes Mal.
Als Maximilian mit seinen Eltern beim Abendessen saß, war
er ganz still. "Ist dir etwas über die Leber gelaufen?" fragte seine
Mutter. Maximilian löffelte stumm die Suppe. "War heute
nicht Boris zu Besuch?" fragte sein Vater. Wieder schwieg Maximilian. Die
Mutter brachte den Nachtisch. Es gab Zitroneneis, das Maximilian besonders
mochte. "Ich habe keinen Hunger", sagte Maximilian.
Die Mutter staunte und fragte: "Möchtest du ein Kompott?" Maximilian
schüttelte den Kopf. "Oder einen Pudding?" versuchte es die Mutter
nochmals. "Nein! Ich mag auch keinen Pudding!" Die Mutter sah den
Vater fragend an. "Ihr müsst mir einen Freund kaufen!" platzte
Maximilian schließlich heraus. "Weißt du, Maximilian", versuchte es
die Mutter, "es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht kaufen".
Am nächsten Morgen wachte Maximilian früh auf. Seine
Eltern schliefen noch. Maximilian kletterte aus dem Bett. Er ging zum Fenster
und schaute hinaus. Es hatte in der Nacht geregnet. Maximilian entdeckte einen
Regenbogen, der ein buntes Band an den Morgenhimmel zeichnete. Maximilian
erinnerte sich an eine Geschichte, die ihm sein Großvater erzählt hatte. Die
Geschichte endete damit, dass ein armer Bub am Ende eines Regenbogens einen großen
Berg Gold fand. Mit diesem Gold konnte er alles kaufen, was er sich wünschte.
Maximilian überlegte nicht lange. "Ich werde mir das Gold holen. Dann
werde ich euch beweisen, dass man auch einen Freund kaufen kann!"
Maximilian öffnete das Fenster und kletterte hinaus. Es
schien, als ob das Ende des Regenbogens hinter dem Wald lag, den er von seinem
Fenster aus sehen konnte. Maximilian marschierte über die noch feuchten Wiesen
zum Wald hinüber. Früher hatte er Angst, allein in den Wald zu laufen. Der
Gedanke an das Gold ließ ihn seine Angst vergessen. Er schaute noch einmal zu
dem Regenbogen auf, der jetzt genau über ihm war, und drang mutig in den Wald
ein. Er kam leicht voran. Je tiefer er aber in den Wald vorstieß, desto dichter
wurde das Unterholz. Die Zweige junger Fichten zerkratzten sein Gesicht und
seine Hände. Maximilian achtete nicht darauf. "Ich werde das Gold finden!
Dann kaufe ich mir einen Freund!" Immer undurchdringlicher wurde der
Wald. Hie und da fand ein Sonnenstrahl seinen Weg durch die Wipfel und zeichnete
einen hellen Fleck auf den Waldboden. Maximilian stolperte über Wurzeln, die er
in der Dunkelheit übersah. Das machte ihm nichts aus, denn er wollte zu dem
Gold, dem Gold am Ende des Regenbogens. Endlich sah er einen Lichtschimmer
zwischen den Baumstämmen. "Das wird das Ende des Waldes sein. Da ist das
Ende des Regenbogens und das Gold", rief Maximilian. Er lief schneller.
"Hinter den Haselsträuchern muss es sein." Ungeduldig schob er die
Zweige beiseite.
Maximilian zwängte sich durch das Gebüsch am Waldrand.
Immer wieder blieb er mit seinem Ranzen in den Zweigen hängen. Nur mit Mühe
konnte er sich befreien. Immer öfter stolperte er über die Wurzeln der Bäume.
"Blöde Wurzeln!" schimpfte er. Er kam nur langsam voran. Seine Beine
wurden müde. Wieder stolperte Maximilian und fiel samt seinem Ranzen auf den
weichen Waldboden. Maximilian war nicht mehr so glücklich. "Der Wald ist
bald zu Ende", sprach er sich Mut zu. Der Gedanke, wie alle über sein Gold
staunen würden, brachte ihn rasch auf die Beine. Der Ranzen schien ihm schwerer
als zuvor. "Blöder Ranzen!" schimpfte er. Die Nadeln der Bäume
zerkratzten seine Hände. Sie begannen zu bluten. "Der blöde Wald muss
doch längst zu Ende sein", dachte er. Er ließ sich auf einen Mooshügel
fallen und dachte nach. Ein Donnergrollen kündigte ein Gewitter an. Es begann
zu regnen. Die dichten Wipfel der Bäume sammelten den Regen und ließen ihn in
dicken Tropfen auf den Waldboden fallen. Maximilian suchte bei einem breiten
Fichtenstamm Zuflucht. "Blöder Regen!" schimpfte er kleinlaut.
Maximilian fror. Er biss die Zähne zusammen und dachte nach. Er hatte sich
verirrt. War es Regenwasser oder waren es Tränen, die über seine Wangen
flossen? Maximilian war unglücklich und wütend.
Ein Rascheln riss ihn aus seinen Gedanken. Maximilian
erschrak. Was war das? In der Dunkelheit sah er die Umrisse eines großen
Wesens, das langsam näher kam. Maximilian drückte sich enger an den Baumstamm.
"Was haben wir denn da?" fragte eine brummende Stimme. Maximilian
zitterte am ganzen Leib. Maximilian sah, dass es ein Tier war. Und als das Tier
vor ihm stand, erkannte er, was es war: "Hilfe! Ein Bär!" Er wollte
aufspringen und davonlaufen. Er konnte es nicht. "Du brauchst keine Angst
haben", sagte der Bär. "Was machst denn du bei diesem Wetter hier
draußen?" "Ich...ich", stotterte Maximilian, "ich habe Gold
gesucht." "Welches Gold?" fragte der Bär. "Das Gold am Ende
des Regenbogens", antwortete Maximilian, der sich gefasst hatte. Der Bär
lachte brummend: "Soso! Das Gold vom Ende des Regenbogens." "Hier
in meinem Ranzen", sagte Maximilian schon mutiger. "Willst du es
sehen?" "Lass das Gold", antwortete der Bär. "Was du
brauchst, ist ein Platz, wo du vor dem Regen geschützt bist." Maximilians
Zähne klapperten. "Komm in meine Höhle! Dort kannst du dich wärmen",
sagte der Bär und trottete voran. Maximilian wusste zwar nicht, wie ihm
geschah, doch er folgte dem Bären. Bald erreichten sie den Eingang der Höhle.
"Komm nur herein! Hier ist es trocken und warm", sagte der Bär.
Maximilian musste sich bücken, um durch den Eingang zu kommen. Es war finster
in der Höhle. Er verspürte zwar noch ein wenig Angst, doch er war froh, einen
Unterschlupf gefunden zu haben. "Mach es dir gemütlich", sagte der Bär.
Maximilian ließ den Ranzen zu Boden plumpsen und streckte sich auf dem
moosgepolsterten Boden der Höhle aus. "Jetzt erzähl mir die Geschichte
von dem Gold", sagte der Bär. Maximilian erzählte und der Bär hörte
aufmerksam zu. "Dein Vater hat ganz recht", brummte er schließlich,
"Freunde kann man nicht kaufen." Maximilian war inzwischen wohlig warm
geworden und auch sein Gewand war getrocknet. "Regnet es noch?" fragte
er. Der Bär trottete zum Eingang der Höhle. "Nein, es regnet nicht
mehr!" stellte er fest. Maximilian streckte seine Glieder und stand auf.
"Ich muss jetzt gehen", sagte er. Er schulterte den Ranzen und
kletterte mit dem Bären vor die Höhle. "Ich danke dir, Bär", sagte
er und zog aus der Hosentasche ein Goldstück. "Hier nimm!" "Was
soll ich mit dem Gold?" brummte der Bär. "Komm gut nach Hause und
besuch mich, wenn du wieder im Wald bist!" Maximilian stopfte das Goldstück
in die Tasche. "Danke, Bär", sagte er und streichelte über das
struppige Fell des Bären. "Lebwohl, mein Freund!" brummte der nur und
verschwand zwischen den Bäumen.
Die Sonne blinzelte durch die Wipfel der Bäume. Maximilian
stapfte mit großen Schritten über die knackenden Zweige. "Wenn ich doch
schon zuhause wäre!" dachte er. Sein Magen knurrte. "Ein Frühstück
wäre nicht schlecht", seufzte Maximilian. Er kramte in seinen Taschen.
Aber alles was er fand, waren glänzende Goldstücke. "Blödes Gold",
schimpfte er. Sein Magen knurrte noch lauter. "Ich will kein Gold, sondern
etwas zu essen" rief Maximilian jammernd. "Hast du Hunger?"
fragte eine Stimme hinter seinem Rücken. Maximilian zuckte zusammen. Er drehte
sich um. Zwei Rehe schauten ihn mit großen Augen an. "Ja, ich habe seit
gestern nichts gegessen", antwortete Maximilian. "Komm!" sagten
die Rehe. Sie führten Maximilian zu einem Strauch, an dem große, pralle Beeren
hingen. Maximilian ließ sich nicht lange bitten. Gierig pflückte er eine Beere
nach der anderen. Erst nachdem er die letzte Beere verzehrt hatte, war er satt.
"Das war gut! Ich danke euch!" sagte er zu den Rehen. "Aber jetzt
muss ich weiter." Er überlegte kurz. Dann griff er in die Hosentasche und
zog zwei Goldstücke hervor. "Hier nehmt für die Beeren," sagte er
und reichte sie den Rehen. "Was sollen wir mit dem Gold?" antworteten
diese, "die Beeren sind für alle da." "Aber ohne euch hätte ich
sie nicht gefunden", widersprach Maximilian. "Man muss dem anderen
helfen, wenn er in Not ist", wehrten die Rehe ab. "Besuch uns, wenn du
einmal in den Wald kommst." Maximilian steckte kopfschüttelnd die Goldstücke
wieder ein. "Danke! Ich werde euch bestimmt besuchen", sagte
Maximilian. "Lebwohl, mein Freund!" riefen die Rehe und verschwanden
hinter den Sträuchern.
Die Beeren hatten Maximilian seine Kräfte zurückgegeben.
Er stapfte mit großen Schritten weiter. Vergeblich suchte er nach einem Weg,
der aus dem Wald hinausführt. Alle Bäume sahen gleich aus. "Ich habe mich
verirrt", jammerte er schließlich. "Wenn mir doch jemand einen Weg
aus diesem blöden Wald zeigen könnte!" Hilflos blickte er sich um.
Frohen Mutes machte sich Maximilian auf den Heimweg. Schon
nach kurzer Zeit erreichte er das Ende des Waldes. In der Ferne sah er das Haus
seiner Eltern. So schnell er konnte, lief er über die Wiese. Das Gold klingelte
in den Taschen und im Ranzen. Atemlos kam Maximilian beim geöffneten Fenster
seines Zimmers an. Es war noch alles so, wie er es verlassen hatte. Leise
kletterte er hinein, schloss das Fenster und ließ sich auf sein Bett fallen.
Den Ranzen mit Gold hielt er dabei ganz fest. Müde und glücklich schlief
Maximilian ein.
Das Rasseln des Weckers riss ihn aus dem Schlaf.
"Aufstehen, Maximilian!" hörte er die Stimme seiner Mutter.
Schlaftrunken rieb er sich die Augen. Sein erster Gedanke: das Gold! Er tastete
nach dem Ranzen. Er war nicht da! Sein Hemd und seine Hose lagen - wie an jedem
Morgen - über der Lehne des Stuhls vor seinem Bett. Er durchwühlte die Kissen
und Tuchenten. Der Ranzen war weg! Der Ranzen und das Gold! Er griff in die
Taschen seiner Hose. Leer! "Maximilian! Aufstehen! Ab ins Bad!", rief
die Mutter nochmals. Enttäuscht kletterte Maximilian aus dem Bett. Die Mutter
öffnete die Zimmertür: "Komm doch, es ist schon spät!" "Wo ist
das Gold?" fragte er. "Welches Gold?" staunte seine Mutter.
"Das Gold vom Ende des Regenbogens!" "Ich sehe keinen
Regenbogen", antwortete die Mutter. Maximilian lief zum Fenster. Die Sonne
stand am Himmel, und im Morgendunst lag der Wald am Horizont. Kein Regenbogen
spannte sich über den Himmel. "Aber ich habe den Regenbogen doch
gesehen!" "Das hast du geträumt!" tröstete die Mutter.
"Mach dich fertig! Sonst kommst du zu spät zur Schule."
Nachdenklich saß Maximilian mit den Eltern am Frühstückstisch.
Er kaute lustlos an seinem Marmeladebrot. "Maximilian hat von einem
Regenbogen geträumt und von dem Gold, das man an seinem Ende findet", erzählte
die Mutter. "Na, hast du auch viel Gold gefunden?" lachte sein Vater.
Maximilian schwieg. Er schlang den letzten Bissen hinunter, stopfte sein
Jausenbrot in die Schultasche und war bei der Tür draußen.
Auf dem Schulweg traf er Boris, der gerade aus dem Haus
kam. Maximilian wollte wegschauen, denn irgendwie schämte er sich. Aber Boris
hatte ihn schon entdeckt. "Hallo, Max!", rief Boris und lief zu ihm.
Maximilian mochte nicht, wenn man ihn Max rief. Heute schluckte er nur kurz:
"Hallo Boris!" "Kommst du am Nachmittag zu mir spielen?"
fragte Boris. "Finka und Bojan sind auch da." "Ich...",
stotterte Maximilian, "ich weiß nicht, ob ich heut Zeit habe."
"Sei nicht fad! Bring ein paar von deinen Autos mit! Da machen wir ein
Wettrennen." Maximilian zögerte noch immer. "Mein Freund Bojan ist
schon ganz neugierig auf deine Autos!" versuchte Boris ihn zu überreden.
Maximilian gab seinem Herzen einen Stoß: "Also gut! Ich komme! Ich bringe
die Autos mit!" "Das wird bestimmt lustig!" versicherte Boris.
Gemeinsam erreichten sie die Schule.
Maximilian war im Unterricht mit seinen Gedanken noch immer
bei seinem Traum. "Schläfst du, Maximilian?" fragte der Lehrer, als
er ihn schon zum dritten Mal aufrief. Die ganze Klasse lachte. Aber das störte
ihn nicht. In der Pause blieb Maximilian in der Bank sitzen, während die
anderen Kinder herumtollten. Endlich war die letzte Stunde vorbei. Maximilian
und Boris trotteten gemeinsam nach Hause. "Also dann um vier bei mir",
verabschiedete sich Boris. "Bis um vier!" wiederholte Maximilian und
lief nach Hause. "Und vergiss nicht auf die Autos! Gerald kommt auch"
rief ihm Boris nach.
Gleich nach dem Mittagessen verstaute Maximilian alle Autos
in einer großen Schachtel. Die Hausaufgaben, bei denen er sonst trödelte,
waren im Nu erledigt. "Ich gehe zu Boris!" rief er seiner Mutter zu
und war bei der Haustür draußen. Boris, Bojan, Finka und Gerald erwarteten ihn
schon. Es wurde ein tolles Wettrennen. Boris und Bojan gewannen dreimal, Finka
und Gerald zweimal. Auch Maximilian gewann einmal. Aber das war ihm diesmal
nicht so wichtig. Sie spielten Verstecken, Räuber und Gendarm. Sie verkleideten
sich. Maximilian war glücklich. Die Kinder halfen ihm beim Abschied, die Autos
in die Schachtel zu packen. Maximilian dachte kurz nach und holte das größte
wieder heraus: "Das schenke ich dir, Boris!" Und er nahm das zweitgrößte
Auto: "Das ist für dich, Finka!" Auch Gerald und Bojan gingen
nicht leer aus. Als er die staunenden Augen der vier sah, sagte er: "Ich
hab ja noch genug. Und in meinem Zimmer ist schon zuwenig Platz". "Und
morgen kommt ihr alle zu mir! Da machen wir wieder ein Wettrennen!" sagte
Finka. "Ich freu' mich schon!", sagte Maximilian.
Obwohl Maximilian zu spät von seinen Freunden nach Hause kam, schimpfte die Mutter nicht. Aus Maximilian sprudelte es nur so heraus. Er erzählte, wie toll das Rennen bei Boris gewesen war. Und erst das Räuber-und-Gendarm-Spiel! Fast jeder Satz begann mit "Mein Freund Boris..." oder "Meine Freundin Finka...." "Und morgen bin ich bei Finka!" rief er. "Es ist schon spät!" bremste seine Mutter. "Du musst morgen früh auf!" Noch beim Zähneputzen musste er erzählen, wie sich die Kinder über die Autos gefreut hatten. "Vielleicht träumst du wieder vom Regenbogen und vom Gold", sagte der Vater, als er ihn zu Bett brachte. "Wozu braucht man Gold, wenn man Freunde hat!" antwortete Maximilian und presste seinen Lieblingsbären an sich. Maximilian war glücklich. Da drückte ihn etwas in seinem Rücken. Er machte Licht und tastete zwischen die Kissen. Ein großer Tannenzapfen kam zum Vorschein. Er stellte ihn behutsam zum Wecker auf das Nachtkästchen. "Den muss ich wohl im Wald eingesteckt haben", dachte er, drehte das Licht aus und schlief ein. |