Michael Aharon Schüller's Private Office
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NB 1: Bitte beachten: die hier angeführten Copyright-geschützten Texte und Graphiken u.a. sind nur für den persönlichen Gebrauch! Dies gilt auch für einen Teil der hier erwähnten LINKS! Der Stern hinter dem Artikel-Datum signalisiert, der Artikel ist von einem zurückliegenden Tag, also ein Nachtrag oder eine Wiederholung..
NB 2: Die Artikel werden weitgehend ungeordnet präsentiert, sie sind nach
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NB 3: Die hier wiedergegebenen Artikel lassen keinen Rückschluss auf meine
persönliche Meinung zu. Sie reflektieren aber m.E. den tagsaktuellen
Meinungsfluss - eben das, was "heute" die Zeitgenossen gerade bewegt.
Zum zweiten geben sie schlichtweg Sachinformation oder m.E. aufschlussreiche
Kommentare zu unterschiedlichsten Themen wieder, möglichst aus
qualitativ hochwertigen Quellen und kompetenter Feder.
1) ÖJC fordert internationale Konferenz der Staats- und Regierungschefs zum
Schutz der Pressefreiheit (ÖJC 4.5.) mehr...
! 2) Geißler: Eingreifen der Politik erforderlich (Deutschlandfunk 2.5.) mehr...
CDU-Politiker will Auswüchse des Kapitalismus stoppen
3) Konflikt um Kapitalismus-Kritik spitzt sich zu (Standard 3.5.*) mehr...
Münchner Historiker Wolffsohn ruft mit Nazi-Vergleich zu Müntefering Empörung hervor
Zentralrats-Präsident Spiegel nimmt SPD-Chef in Schutz
4) Heiner Geißler kritisiert Anarcho-Kapitalismus (Trend 24.4.) mehr...
Der Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler übt scharfe Kritik an
globalen Konzernen und Anarcho-Kapitalismus
5) "Presse" nur ohne Unterberger (Standard 2.5.*) mehr...
"Lesen Sie die Wiener Zeitung mit dem neuen Chefredakteur Andreas Unterberger":
"Presse" weigerte sich, Sujet zu schalten
6) Kapitalismusdebatte: Historiker Wolffsohn empört die SPD (HB
3.5.*) mehr...
7) Negative Bilanz der Gesundheitsreform (HB 3.5.*) mehr...
Ärzte befürchten Versorgungskrise
8) RHI-Gewinn steigt um knapp 80 Prozent (Wirtschaftsblatt
4.5.) mehr...
Positiver Ausblick - Heraklith soll sich "ausserhalb" des Konzerns strategisch weiter entwickeln
9) BA-CA erhöhte Quartalsgewinn um knapp 50 Prozent (Wirtschaft
4.5.) mehr...
Gewinn nach Steuern erreicht 207 Mio. Euro - Ergebnismotor CEE-Töchter
10) BA-CA-Mutter HVB übertrifft Erwartungen (Wirtschaftsblatt 4.5.)
mehr...
Gewinn steigt auf 336 Mio. Euro
11) Investkredit: Ergebnisplus und Ziele für 2005 (Wirtschaftsblatt
4.5.) mehr...
Leistungsspektrum in CEE ausbauen - ROE nachhaltig bei 15%
12) Arbeitslosenquote nach EU-Konzept im 4. Quartal 2004 bei 4,9% (OeStat
4.5.) mehr...
Vorläufiger Wert für das 1. Quartal 2005 beträgt 5,2%
13) Gewerkschaft und Arbeitgeber lagen mit ihren Vorstellungen weit auseinander
(HB 4.5.) mehr...
Stahlkocher drohen mit Streik
14) In den Unternehmen wächst die Angst (HB 4.5.) mehr...
Kippt die Konjunktur?
15) Jedes zweite Investment ist ein Flop (Wirtschaftsblatt 4.5.) mehr...
3i-Studie: 55 Prozent aller Firmenkäufe werden ein Erfolg
16) Quartalszahlen überraschen Analysten positiv (HB 4.5.) mehr...
HVB dreht nach Verlustjahr kräftig ins Plus
17) Neue Erbgutstudie soll Verbreitungsgeschichte der Menschheit aufklären
(HB 4.5.) mehr...
Forscher zeichnen Weltkarte der Gene
18) Immer weniger Deutsche wollen Kinder (HB 4.5.) mehr...
Deutsche Männer: Zu lange im „Hotel Mama“
19) Erbschafts- und Körperschaftssteuer (HB 4.5.) mehr...
Kabinett billigt Steuerentlastungen
20) NRW-Wahlkampf (HB 4.5.) mehr...
"Liebe Heuschrecken, liebe Neoliberale"
21) Heute schließt die Anklage ihre Beweisaufnahme (HB 4.5.)
mehr...
Michael Jackson besaß angeblich nur 38 000 Dollar Bargeld
22) Nachgefragt: Eichel: "Der Schaden ist nur schwer gutzumachen" (HB
4.5.) mehr...
23) Verbände: Kapitalismuskritik: Verbände verpassen ihre Chance (HB
4.5.) mehr...
24) CDU verschärft Kritik am SPD-Chef: (HB 4.5.)
mehr...
Müntefering legt Vier-Punkte-Programm vor
25) Ernüchterung in der Türkei (HB 4.5.) mehr...
dazu: Ankara sieht sich bei EU-Beitritt im Plan
26) US-Zinsschritt wie erwartet (NZZ 4.5.) mehr...
Leitzins bei 3 Prozent
27) 10 Jahre Nationalfond für Opfer des Nationalsozialismus - Festakt im Parlament
(WZ 4.5.) mehr...
Österreichs „langer Weg zur Mitverantwortung“
28) München: Neonazi Wiese wegen Anschlagsplänen verurteilt (HB
4.5.) mehr ...
29) DIW-Studie (HB 4.5.) mehr...
Einkommensunterschiede nehmen weiter zu
30) Teure Medikamente haben Ausgaben der Kassen erhöht (HB 4.5.) mehr...
Kassen schieben Beitragssenkung weiter auf
31) Gespräche in Istanbul (HB 4.5.) mehr...
Schröder gegen Blockade von türkischem EU-Beitritt
32) Weltweites Fondsvermögen stieg 2004 auf 11,8 Billionen Euro (Standard
4.5.) mehr...
Seit zwei Jahren steigt globales Fondsvolumen wieder
333 Milliarden Euro Nettomittelzuflüsse
USA immer noch größter Fondsmarkt - Knapp 55.000 Fonds weltweit
33) Treichl: 2012 beträgt der Börsewert der Erste-Bank über 20 Milliarden
(Standrad 4.5.) mehr...
Drittelanteil der Privatstiftung dann wohl 7 bis 8 Milliarden Euro wert
Zielstruktur für Erste Bank-Aktionärskreis bekräftigt
34)
1) ÖJC fordert internationale Konferenz der Staats- und
Regierungschefs zum Schutz der Pressefreiheit (ÖJC 4.5.) nach
oben
Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC), Österreichs größte und unabhängige
Journalistenorganisation, sieht weltweit die Pressefreiheit unter immer größer
werdenden Druck. So war das vergangene Jahr 2004 das „tödlichste
Jahr für Journalisten“ seit 16 Jahren: Bis zu 120 Journalisten starben in Ausübung
Ihres Berufes. Im heurigen Jahr wurden bereits 19
Journalisten getötet. 109 Journalisten sind zurzeit wegen Ihrer Tätigkeit in
Haft. Besonders gegen Online-Journalisten gehen
autoritäre Regime mit drastischen Strafen vor. So sitzen derzeit weltweit
76 Online-Journalisten in Haft. ÖJC-Präsident Fred Turnheim: „Es ist
kaum zu glauben, aber leider war. Die Pressefreiheit wird zu Beginn des 3.
Jahrtausends weltweit immer weniger beachtet.“ Manche Staaten
gehen immer energischer mit kritischen Journalisten um. Journalisten
werden physisch und psychisch eingeschüchtert. Es gibt Staatszensur
und daraus resultierende Selbstzensur. Journalisten
werden entführt und auch ermordet. Die Mörder
werden häufig nicht verfolgt oder bestraft. Medien werden zensuriert oder
verboten. Aber auch in einigen westlichen Ländern ist die Freiheit
der journalistischen Berichterstattung bedroht.
Besonders schlecht um die Pressefreiheit ist es in Nord-Korea,
der Volksrepublik China, Vietnam, Laos, Kuba, Turkmenistan, Eritrea, Nepal
und Saudi-Arabien bestellt. Im neuen Jahresbericht des in Wien ansässigen
Internationalen Presse Instituts (IPI) "World Press Freedom Review
2004" werden 190 Nationen mit Verstößen gegen die Pressefreiheit erwähnt.
Für ÖJC-Präsident Fred Turnheim ist es „unerträglich, dass jedes Jahr am
3. Mai die immer größer werdende staatliche Gewalt an Journalisten in den
demokratischen Ländern zwar beklagt wird – aber geändert wird nichts.“
Daher fordert der ÖJC eine internationale Konferenz der Staats- und
Regierungschefs zum Schutz der Pressefreiheit. Im Rahmen dieser Konferenz soll
ein Memorandum verfasst werden, in dem die Vereinten Nationen Sanktionsrechte
gegen jene Staaten erhalten, die die Pressefreiheit nicht einhalten und
Journalisten von Staatsgewalt her einschüchtern oder gar ermorden.
vgl. dazu auch die Rubrik "Tag
der Pressefreiheit" im Standard
2) Geißler: Eingreifen der Politik erforderlich
(Deutschlandfunk 2.5.) nach oben
CDU-Politiker will Auswüchse des Kapitalismus stoppen
Moderation: Hans-Joachim Wiese
siehe auch Artikel 4) Heiner Geißler kritisiert Anarcho-Kapitalismus
(Trend 24.4.*) und weiter unten den COMMENT
In der Debatte um die Kapitalismus-Kritik hat der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler ein Eingreifen der Politik gefordert. In der heutigen globalisierten Welt müssten internationale Verträge Auswüchse des Kapitalismus verhindern. Als Beispiel nannte er die
Einführung einer internationalen Spekulationssteuer und die Schließung der Offshore-Zentren, in denen kurzfristige Spekulationsgewinne geparkt werden können. An seiner eigenen Partei und an der Opposition generell übte er ebenfalls Kritik. Sie liefen in die Falle der SPD und reagierten lediglich reflexhaft auf die Forderungen der Regierung, indem sie ihrerseits einseitige Positionen bezögen.
Hans-Joachim Wiese: Zu den sieben biblischen Plagen gehört neben Dürre, Sturm und Überschwemmung auch die Heuschreckenplage. Wenn also SPD-Chef Franz Müntefering bestimmte internationale Finanzinvestoren mit Heuschrecken vergleicht, dann sieht er in ihnen offensichtlich eine Plage. Ganz anders der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle. Der sieht in den Gewerkschaften und deren Funktionären die "wahre Plage in Deutschland". - Am Telefon begrüße ich den ehemaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Guten Morgen!
Heiner Geißler: Guten Morgen.
Wiese: Herr Geißler, gestern haben Sie auf einer gewerkschaftlichen Kundgebung zum 1. Mai, dem Tag der Arbeit, eine Rede in Koblenz gehalten. Schämen Sie sich nicht, diesen Plagegeistern Ihre Stimme zu verleihen?
Geißler: Ich glaube die Gewerkschaften und ihre Aufgabe in Frage zu stellen, das ist wirklich Frühkapitalismus wie vom vorletzten
Jahrhundert. Natürlich müssen die Gewerkschaften - wir brauchen sogar starke Gewerkschaften - ihre Aufgabe erfüllen, denn wer soll denn die Arbeitnehmer sonst
vertreten, zum Beispiel wenn es darum geht, Löhne auszuhandeln? Das nur auf der betrieblichen Ebene zu machen, dass dies ins Auge gehen kann, das haben sogar eingefleischte Vertreter des Neoliberalismus gesehen, als die Opel-Arbeiter in Bochum mit wilden Streiks angefangen haben, ihre Rechte durchzusetzen. Die Gewerkschaften haben auch die Aufgabe, Lösungen zu finden, die ökonomisch verträglich sind. Ich bin Zentralschlichter beim Hauptgewerbe und habe in den letzten sieben Jahren sechsmal schlichten müssen. Es ist ganz eindeutig und klar: Die
Gewerkschaften müssen die Interessen der Arbeitnehmer vertreten, aber sie sind gleichzeitig auch gezwungen, Kompromisse zu schließen. Das ist der Sinn dieser
Tarifpartnerschaft.
Wiese: Also die Gewerkschaften Ihrer Meinung nach kein Relikt von gestern, sondern sogar sehr wichtig für die Gegenwart. Aber in einer globalisierten Welt müssen sie doch eigentlich eine andere Rolle spielen. Welche könnte das sein?
Geißler: Sie können in der globalisierten Ökonomie keine so große Rolle mehr
spielen. Das gilt im Übrigen auch für die Arbeitgeberverbände. Die großen globalen Unternehmen sind eben global aufgestellt. Wir haben aber das
Problem: Die Demokratien sind immer noch national organisiert und die großen Unternehmen global und es ist klar, wer bei dieser Aufteilung, auch eben geographischen Aufteilung, um es mal so zu sagen, der Gewinner ist. Infolgedessen muss die Politik nachziehen. Was
wir brauchen sind internationale
Abkommen. Im Grunde genommen bräuchte man einen Weltstaat, aber auf den wird man wahrscheinlich noch eine Weile warten müssen. Also muss es zu
multilateralen Abkommen kommen, zum Beispiel unter den
G7-Staaten, die einfach Regeln ausarbeiten müssen, die auch in der globalen Ökonomie eingehalten werden müssen. Es fehlt an der Ordnung.
Die soziale Marktwirtschaft hatte ein ganz wichtiges Kriterium, nämlich den geordneten Wettbewerb, und diese Ordnung fehlt heute.
Wiese: Und diesen geordneten Wettbewerb gibt es nicht mehr. Eine Weltregierung, sagen Sie, gibt es auch nicht. Also müssten die Staaten, die einzelnen Regierungen untereinander sich enger absprechen?
Geißler: Ja. Das wird auch schon angestrebt. Innerhalb der G7-Staaten, sagen wir mal auf der mittleren Führungsebene, wird ja darüber geredet, genauso wie
in Davos schon darüber geredet worden ist. Ich will mal einige Beispiele bringen.
Wir haben einen börsentäglichen Umsatz von 1,8 Billionen Dollar und das reicht nun nicht aus - innerhalb der 24 Stunden werden noch einmal Hunderte von Milliarden Dollar hin- und hergeschoben -, um hundertstel Prozentpunkte Gewinne zu machen. Die werden zu einem großen Teil in den Offshore-Centern auf den Kanalinseln, Bermudas und in Liechtenstein geparkt, um dann anschließend wieder in dieses global gambling eingespeist zu werden. Dadurch entsteht eine gigantische Finanzindustrie. McKinsey schätzt ein Finanzvolumen von 100 Billionen Dollar, dem aber nur eine reale ökonomische Wertschöpfung von 25 Billionen gegenüber steht. Diese gigantische Finanzblase zu regulieren, müsste man zum Beispiel eine internationale Spekulationssteuer einführen. Man müsste die Offshore-Center schließen. Das alles kann man machen. Das steht in der Macht der Industriestaaten. Das kann die Politik tun.
Wiese: Schließen Sie sich in diesem Sinne dann auch der Kapitalismuskritik von Franz Müntefering an? Der hielt ja gestern auch eine Rede zum 1. Mai und wurde trotz seiner Kapitalismuskritik mit Eiern beworfen.
Geißler: Ich schließe mich dort deswegen ungern an, weil er relativ spät gekommen ist. Andere und auch ich haben das jetzige Wirtschaftssystem schon seit Jahren kritisiert. Das kann man in den Büchern nachlesen. Es ist eigentlich schade, dass die SPD erst jetzt aufgewacht ist.
Wiese: Warum erst jetzt, Herr Geißler?
Geißler: Das ist eben die Vermutung, dass es wegen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist und ich fürchte dies auch. Vor allem fürchte ich, dass
wenn diese Landtagswahl vorbei ist das Ganze wieder in sich zusammensackt.
Wiese: Dann wäre das ja keine aufrichtige Kritik, sondern Wahltaktik?
Geißler: Das wäre reine Wahltaktik. Wahltaktisch gesehen war das eine Meisterleistung. Aber jetzt die Konsequenzen daraus zu ziehen, dass daraus ein Konzept entsteht, das man auch international vertreten kann, das wäre eigentlich die Aufgabe einer deutschen Regierung. Das wäre auch die Aufgabe meiner Partei, der CDU, die ja die Mutter der sozialen Marktwirtschaft ist. Wir vertreten ja nicht eine freie Marktwirtschaft, die völlig ungebunden ist. Ludwig
Erhard war der Erfinder der Kartellgesetzgebung, des Bundeskartellamtes, der Fusionskontrolle. Der hat genau gewusst: wenn es keinen geordneten Markt gibt, dann haben wir nur noch Oligopole und Monopole. Vor allem der große, große Bereich der mittelständischen Industrie würde dann das Nachsehen haben und das ist ja im Moment auch die
Entwicklung.
Wiese: Aber da hört man, Herr Geißler, ja von der Parteispitze Ihrer eigenen Partei nichts. Wenn überhaupt Kapitalismuskritik, dann nur von Ihnen und vom Arbeitnehmerflügel. Von Angela Merkel hört man da nichts. Was sagen Sie dazu?
Geißler: Ja gut. Wenn Sie zum Beispiel an den Club of Budapest denken, einen Professor Rademacher, der einen global Marshall-Plan vorgeschlagen hat mit vielen, vielen namhaften Wissenschaftlern und Politikern, weiß man doch, dass die Diskussion längst im Gange
ist. Die CDU läuft Gefahr, in die Falle zu laufen, die die SPD aufgestellt hat, nämlich sozusagen reflexhaft zu reagieren, wie das halt zwischen politischen Parteien immer üblich ist, dass man das Gegenteil von dem sagt, was der politische Gegner verkündet, selbst wenn dies etwas Richtiges ist. In der Tat gibt es ein paar Dummköpfe, die in diese Falle hineinlaufen.
Wiese: Die Falle sehe so aus, dass Franz Müntefering - -
Geißler: Weil die SPD jetzt eine Kapitalismuskritik übt, dass man sich an die Seite des Kapitalismus stellt. Das ist natürlich schiere Dummheit.
Wiese: Man sollte sich Ihrer Meinung nach nicht an die Seite des Kapitalismus stellen?
Geißler: Nein. Der Kapitalismus ist genauso falsch wie der Kommunismus. Kapital ist
wichtig, aber Daimler-Benz oder Daimler-Chrysler könnte ja mit seinem Kapital gar nichts anfangen, wenn es nicht Menschen gäbe, die aus diesem Kapital Autos bauten und wieder andere Menschen, die diese Autos kauften. Dieses
Spannungsverhältnis zwischen Arbeitseinsatz, zwischen menschlicher Arbeit und Kapital ist auch in der Zeit moderner Produktionsfaktoren gleich geblieben. Die
Kommunisten haben geglaubt, sie könnten das Problem lösen, indem sie das Kapital eliminierten und die Kapitaleigner
liquidierten. Sie sind daran gescheitert. Aber umgekehrt ist es halt auch falsch. Dass das
Kapital die Arbeit eliminiert, das findet zurzeit statt und die Menschen am Arbeitsplatz werden überspitzt gesagt jetzt
liquidiert. Wir müssen einen Weg der Mitte gehen. Das ist der Weg eines geordneten Wettbewerbs, der sozialen Marktwirtschaft, in der eben nicht immer mehr Menschen unter die Räder
kommen.
Wiese: Lassen Sie uns noch einmal kurz auf diesen Heuschreckenvergleich von Franz Müntefering zu sprechen kommen. Schließen Sie sich denn auch dieser Kritik an den Firmen - die sind ja mittlerweile namentlich genannt - an?
Geißler: Natürlich kann man dies kritisieren, diese Finanzinvestoren. Aber der Fehler ist glaube ich darin zu sehen,
dass man jetzt zu sehr auf die Finanzinvestoren abhebt. Das ist auch ein bisschen eine Ausflucht. Es
geht auch nicht darum, bestimmte Manager zu kritisieren wie zum Beispiel Ackermann, obwohl der ganz sicher dem eigenen Bereich sehr geschadet hat durch sein Verhalten, oder Esser oder Funk von Mannesmann-Vodafone. Das sind ja unglaubliche Vorgänge, die sich damals abgespielt haben. Wenn das jeder in Deutschland wüsste, würde es wahrscheinlich eine Revolution geben.
Es geht um das System. Ein System, das sich so definiert, dass der Börsenwert eines Unternehmens umso höher steigt je mehr Menschen wegrationalisiert werden, ein solches System kann ja nicht richtig sein. Es ist ja zutiefst unsittlich und infolgedessen auch langfristig ökonomisch falsch.
Wiese: Aber es gibt doch keinerlei Ideen, wie man das ändern soll in dieser noch mal globalisierten Wirtschaft, oder haben Sie eine?
Geißler: Ich würde ganz einfache Maßnahmen ergreifen, auch auf der nationalen Ebene. Ich nehme mal das
Beispiel: 40 Prozent der Siemens-Aktien gehören Fondsmanagern, also
Fonds, Pensionsfonds, amerikanischen, australischen Fonds. Die haben ein Interesse daran, dass sie eine
möglichst hohe Kapitalrendite erzielen durch das Unternehmen, an dem sie beteiligt sind, und verlangen deswegen von einem Unternehmen wie Siemens, wie das bei einer der Aktionärsversammlungen passiert ist, es soll die Paddelboote versenken. Damit meinten die damals die Medizintechnik, weil die den Durchschnitt gedrückt hat aus irgendwelchen Gründen. Wenn die Siemens-Leute das gemacht hätten, hätten sie einen schweren Fehler gemacht, denn die Medizintechnik ist der große Renner von Siemens und hat im letzten Jahr über eine Milliarde Euro Gewinn abgeworfen. Das heißt die Investoren
denken in Quartalsabschnitten. Ein Unternehmer, der muss langfristig
denken. Das heißt durch die Gewinne, die er macht, muss er natürlich den Aktionären eine angemessene Verzinsung ermöglichen, aber er muss auf der anderen Seite investieren in Forschung, Innovation, in Maschinen. Ob sich das rentiert, stellt sich in zwei, drei Jahren heraus. Daran sind die Finanzinvestoren nicht interessiert, aber der Unternehmer muss daran interessiert
sein.
Wiese: Herr Geißler, ich danke Ihnen vielmals für dieses Gespräch. - Das war in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Auf Wiederhören!
Geißler: Auf Wiederhören.
COMMENT: ... leider werden die einfachen Maßnahmen nicht genannt! Die
Maßnahmen können doch nur sein, den Fonds das Überschreiten einer bestimmten
Beteiligungsquote zu untersagen oder Ähnliches. Daneben ist das freie
Aktionärstum zu stärken - volkswirtschaftlicher Grundunterricht in den
Schulen, nicht nur Ovid übersetzen und Maikäferbeine unterm Mikroskop
anschauen ... Aber Wirtschaft in der Schule, nein, so eine Wirtschaft aber auch!
COMMENT: siehe auch Artikel 4) Heiner Geißler kritisiert Anarcho-Kapitalismus
(Trend 24.4.*) des ehem. deutschen Bundesfamilienminister, Jesuitenschülers
und jetzigen Mitglied des Jesuitenordens, des ehemaligen Generalsekretärs der
CDU und Mitglied der Burschenschaften KStV Alamannia Tübingen und KStV Stauffenberg Tübingen.
Damit schließt sich der Kreis von politisch links nach politisch rechts. Kritik
an heutigen u.a. wirtschaftlichen Zuständen findet sich auch in H. Geißlers
Buch "Was würde Jesus heute sagen". In " Bürger, Nation, Republik – Europa und die multikulturelle Gesellschaft, in: Klaus
J. Bade (Hrsg.): Die multikulturelle Herausforderung. Menschen über Grenzen – Grenzen über
Menschen, München 1996, 125-146, bezieht Geißler eine kritische Sicht zur
multikulturellen Gesellschaft und trennt in willkommene und unwillkommene
AusländerInnen; zu letzteren zählen aus Sicht Geißlers MuslimInnen, sei doch
der Islam an sich . so Geißler - gewaltbereit, vertrete eine
religionsimperalisitische Auffassung, um schließlich - teils unter Verwendung
von Tricks und Schmeicheleien die Weltherrschaft anzutreten. Biographisches auf Geißlers
Homepage oder - nicht ganz so aktuell - auf der Homepage
des Deutschen Bundestages.
3) Konflikt um Kapitalismus-Kritik spitzt sich zu (Standard
3.5.*) nach oben
Münchner Historiker Wolffsohn ruft mit Nazi-Vergleich zu Müntefering Empörung hervor - Zentralrats-Präsident Spiegel nimmt SPD-Chef in Schutz
Der Historiker Michael Wolffsohn hat dem SPD-Chef Franz Müntefering vorgeworfen, mit seiner Kapitalismus-Kritik gegen Unternehmer so zu hetzen wie einst Nationalsozialisten gegen Juden.
Berlin/Hamburg - Die von SPD-Chef Franz Müntefering lancierte Kapitalismuskritik-Debatte spitzt sich weiter zu. Der
Münchner Historiker Michael Wolffsohn hat die Formulierungen des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden mit der antijüdischen Hetze der Nazis verglichen und damit Empörung
hervorgerufen. Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) sieht ihre Partei mit Müntefering auf einer Linie. "Wir haben vielleicht an der einen oder anderen Stelle andere Formulierungen, aber jetzt sollten wir nicht über diese fein ziselierten Formulierungen diskutieren", sagte Künast am Dienstag in einem ARD-Interview.
Die Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus sei richtig. "Jeder hat seine Pflichten, jeder muss seinen Beitrag leisten, das gilt auch für Unternehmen", unterstrich Künast. Der SPD-Vorsitzende hatte ein verstärktes Handeln des Staates gegen Fehlentwicklungen in der Wirtschaft gefordert. Ihm gehe es um die Grundsatzfrage:
"Muss der Staat wirklich machtlos zusehen, wie gesunde Firmen plattgemacht werden, Arbeitnehmer wegen illegaler Geschäfte arbeitslos werden und sich Geschäftemacher die Taschen vollstopfen?" Es könne nicht angehen, dass
Billigarbeitnehmer aus Osteuropa als Scheinselbstständige für Hungerlöhne auf deutschen Schlachthöfen arbeiteten.
Gegen solche Auswüchse müsse der Staat mit aller Härte
vorgehen.
"Der Mann hat sie nicht alle"
Der Historiker Michael Wolffsohn hatte Franz Müntefering vorgeworfen, mit seiner Kapitalismus-Kritik gegen Unternehmer so zu hetzen wie einst Nationalsozialisten gegen
Juden. Wolffsohn schrieb am Dienstag laut einer Vorausmeldung in der "Rheinischen Post", Müntefering benutze "Worte aus dem Wörterbuch des Unmenschen", weil "Menschen das Menschsein" abgesprochen werde. Der Historiker warf dem SPD-Chef vor, Unternehmer "mit Tieren gleichzusetzen".
Bei Müntefering schwinge mit, dass diese "als Plage vernichtet, ausgerottet werden müssen". Zudem erklärt der Professor an der Bundeswehr-Hochschule in München: "Heute nennt man diese 'Plage' 'Heuschrecken', damals 'Ratten' oder 'Judenschweine'". "Der Mann hat sie nicht alle", sagte der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses Rainer Wend (SPD) am Dienstag der "Netzeitung".
Wolffsohn hatte bereits Anfang Mai vergangenen Jahres mit umstrittenen Äußerungen zum Thema Folter erheblichen Wirbel verursacht. In einem Interview hatte er gesagt, als eines der Mittel gegen Terroristen halte er Folter oder die Androhung von Folter für legitim. Es sei die Freiheit der Wissenschaft, alle denkbaren Optionen zu durchdenken. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) hatte Wolffsohns Äußerungen als inakzeptabel bezeichnet, aber keine rechtliche Möglichkeit gesehen, den Professor abzulösen.
Spiegel: "Antisemitismus-Vorwurf absurd"
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul
Spiegel, sieht in der Kapitalismus-Kritik von SPD-Chef Franz Müntefering im Gegensatz zu dem Historiker Michael Wolffsohn
keine antisemitischen Tendenzen. Spiegel sagte der "Bild"-Zeitung (Mittwoch-Ausgabe): "Herrn Müntefering und der SPD Antisemitismus zu unterstellen, finde ich absurd. (...) Es widerstrebt nach meiner Kenntnis auch dem Wesen der Sozialdemokratie, antisemitische Tendenzen zu verbreiten oder Vorurteile zu schüren."
Er kenne Müntefering persönlich, betonte Spiegel. "Solche Ambitionen zu unterstellen, kann ich nicht verstehen."
Spiegel kritisierte jedoch Münteferings Wortwahl beim Vergleich von Investoren mit "Heuschrecken".
"Sprachlos über so viel Dümmlichkeit"
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Rainer Arnold kritisierte Wolffsohn scharf. Der "Mitteldeutschen Zeitung" (Mittwoch) in Halle sagte er: "Ich kann nur noch sprachlos sein über so viel Dümmlichkeit. Dies ist eines Professors unwürdig." Der bayerische CSU-Landtags-Fraktionschef Joachim Herrmann hat den Nazi-Vergleich des Münchner Historikers dagegen verteidigt. Er habe "durchaus Verständnis" für Wolffsohns Kritik, sagte Herrmann. In der so genannten Heuschreckenliste von SPD-Chef Müntefering seien
unter den genannten Firmen auch jüdische Namen. "Da braucht sich die SPD nicht zu wundern, wenn Leute im Ausland sich an die dumpfe Kritik am Großkapital in früheren Jahren erinnert fühlen."
Der Ex-SPD-Vorsitzende und ehemalige deutsche Finanzminister Oskar Lafontaine hatte die Kapitalismus-Debatte begrüßt. "Die
Diskussion darf aber nicht wieder ein wahlpolitisches Betrugsmanöver sein, das nach der nächsten Wahl vergessen
ist", hatte Lafontaine erklärt. "Man muss auch die Heuschreckenschwärme bekämpfen, die über den Sozialstaat hergefallen sind."
Heuschrecken-Vergleich
Müntefering hatte das Verhalten deutscher Firmen und internationaler Finanzinvestoren angeprangert, die keine Rücksicht auf Arbeitnehmer und den Standort nähmen. Dabei hatte er in einem Interview mit der Zeitung "Bild am Sonntag" gesagt:
"Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten. Sie bleiben
anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen
weiter." (APA/dpa/AP)
COMMENT: Nicht nur Wolffsohn zieht Vergleiche zur Natzi-Diktion, auch der
Presse-Kommentator Ortner, wenn er
am 25.4. sprachlich ausdeutet: Heuschreckenschwärme -> Plage/Schädlinge
-> Volksplage/Volksschädlinge - wer im Dritten Reich als Volksschädling
bezeichnet wurde, wissen wir nur zu gut ... Liegt Wolffsohn doch nicht so
verkehrt? Oder hat der Münchner Professor sich gar durch Lektüre der Wiener
Presse zu seinen Wortausdeutungen animieren lassen??
Dass ich nicht vergess': wer Börsenteilnehmer, ja Börsen selbst, als jüdische
Machenschaften verurteilte, um allsogleich nach Machtantritt z.B. die Bremer
Kaffeeterminbörse - seinerzeit praktisch die weltgrößte ihrer Art
- zu schließen, ist leicht zu erraten: Adolf Hitler ...
Und siehe: schon wieder gibt's ein Naheverhältnis zwischen "ganz
links", "ganz rechts" und Globalisierungskritikern - heikel,
heikel und brennheiß ...
4) Heiner Geißler kritisiert Anarcho-Kapitalismus (Trend
24.4.*) nach oben
Der Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler übt scharfe Kritik an
globalen Konzernen und Anarcho-Kapitalismus
Originalartikel hier
; siehe auch 2) Geißler: Eingreifen der Politik erforderlich
bzw. weiter oben den COMMENT
Wien (OTS) - "Der Kapitalismus ist genau so falsch wie der
Kommunismus. Aber im Moment ist dieser Anarcho-Kapitalismus, dieser
wieder erstandene Frühkapitalismus die dominierende Ideologie. Was zu einer völlig anarchischen Situation in der Weltwirtschaft führt." Der
ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler findet im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin "trend" , das kommenden Dienstag erscheint,
harte Worte für die weltweit dominante Wirtschafts- und Gesellschaftsform.
"Die großen Global Players", so Geißler, könnten "genau so frei
agieren wie die Mafia, die Drogendealer, die Terroristen." Seit der
Aufgabe der Vereinbarungen von Bretton Woods Anfang der Siebziger Jahre habe sich eine gigantische Finanzindustrie
entwickelt. "Osama bin Laden finanziert seinen Terrorismus mit Hilfe dieser gigantischen
Finanzindustrie, an der er im übrigen mit beteiligt ist."
Der viel beschäftigte Talkshowgast und Bestsellerautor spricht sich nachdrücklich für die "soziale Marktwirtschaft" aus:
"Richtig ist ein geordneter Wettbewerb, der geordnete
Markt. Davon sind wir heute meilenweit entfernt. Wegen der Erhöhung der Kapitalrendite auf
25 Prozent, das erleben wir jetzt bei der Deutschen Bank, wird die Existenz von sechstausend Menschen aufs Spiel gesetzt. Ausdrücklich
in diesem Kausalzusammenhang! Ein Wirtschaftssystem, das sich so
definiert, dass der Börsenwert eines Unternehmens umso höher steigt, je mehr Menschen entlassen werden, ist zutiefst unsittlich. Und auch
ökonomisch falsch."
Es könne, so Geißler, letztendlich "nur jene Philosophie siegen,
die davon ausgeht, dass das Kapital dem Menschen zu dienen, und nicht ihn zu beherrschen hat. Heute werden für die Kapitalrendite
Menschenleben geopfert. Der moderne Kapitalismus ist eine moderne Form des Totalitarismus.
Ein ökonomischer Totalitarismus, der über Leichen geht. Er nützt einigen wenigen, die immer mehr verdienen, er
schadet immer mehr Menschen. Solch eine Wirtschaftsphilosophie verfehlt ihr eigenes Ziel, nämlich den Wohlstand für alle zu mehren.
Der jetzige Kapitalismus grenzt hunderte Millionen Menschen aus."
Zur Situation in Deutschland angesprochen, meint der streitbare Intellektuelle, "dass nun
bereits alle Arbeitnehmer potenzielle Hartz-vier-Kunden" seien.
"Deshalb vergrößert sich die Angst, deshalb verschlechtert sich auch die
Nachfragesituation." Die politischen Eliten arbeiteten nur auf Sicht und "entwickeln
keine langfristig-strategische Konzeption, weder in Deutschland noch in
Österreich."
Arbeitslosigkeit, so Geißler sei nicht Schicksal, "sondern die
Folge von schweren politischen Fehlern und von Dummheit. Und eine Folge der Unfähigkeit der Wissenschaft. Wir haben ja
keine Volkswirte mehr. Es gibt nur noch Betriebswirtschafts-Leute. Betriebswirtschaftler beherrschen die politisch-ökonomische
Diskussion. Das sind Leute, die glauben, Staat und Gesellschaft müssten funktionieren wie
Daimler-Chrysler."
Generell wäre es richtig, eine "antizyklische, nachfrageorientierte
Politik" zu machen. "Ich kann in Zeiten der
Stagnation den Leuten nicht noch mehr Geld wegnehmen" zeigt sich Geißler als Anhänger der keynesianischen
Schule. Kanzler Schüssel sei "vielleicht noch an der Politik des Wirtschaftsbunds orientiert, aber
das wird für eine Volkspartei nicht ausreichen. Die Amerikaner
machen das jedenfalls ohne jede Hemmung. Ich habe auch nicht verstanden, warum die Österreicher wie die Verrückten an dieser Maastricht-Zahl
von drei Prozent festgehalten haben. Ich muss doch die Wirtschaft wieder ankurbeln, um später mit höheren Steuereinnahmen die Schulden
wieder zurückzuzahlen."
Angesprochen auf die politische Situation in Deutschland, glaubt
Geißler, dass "Rotgrün die Chance vertan" habe. "Sie entdecken jetzt,
welche Fehler sie gemacht haben, doch die SPD hat ihren Charakter als
Volkspartei längst verloren. Man kann keine Politik betreiben, die Millionen Menschen ausgrenzt.
Der Armutsbericht geht von acht Millionen armutsgefährdeten Personen aus, darunter zwei Millionen
Kinder. Es ist verrückt, zu glauben, dass man dafür nicht irgendwann einmal die politische Zeche Zahlen muss.
Es gibt in der Demokratie keine überflüssigen Menschen. Das ist der große Irrtum der
neoliberalen Marktfetischisten. Die Menschen werden ihre Stimme nutzen, werden sich bei den nächsten Wahlen
der Stimme enthalten oder sie einer
radikalen Partei geben."
Das Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich hält Geißler für durchaus verbesserungsfähig. "Ich wünsche mir, dass sich
die beiden Länder auf ihre gemeinsamen Wurzeln besinnen und über Konzepte zur besseren Zusammenarbeit diskutieren."
5) "Presse" nur ohne Unterberger (Standard
2.5.*) nach oben
"Lesen Sie die Wiener Zeitung mit dem neuen Chefredakteur Andreas Unterberger": "Presse" weigerte sich, Sujet zu schalten
Die Wiener Zeitung hätte das Inserat - bei Werbung von Medien in anderen Medien ziemlich unüblich - sogar voll bezahlt. Doch auch das half nichts: Die Presse nahm das Sujet nicht an. "Lesen Sie die Wiener Zeitung mit dem neuen Chefredakteur Andreas Unterberger", wollte die staatseigene Zeitung in der Presse schalten. Dort musste Unterberger im September 2004 die Chefredaktion abgeben.
Selbst den etwas entschärften Text lehnte sein früherer Arbeitgeber ab, erfuhr DER STANDARD aus der Wiener Zeitung: "Den neuen Chefredakteur der Wiener Zeitung kennen Sie sicher", lautete der zweite Anlauf. Untertitel: "Wer es ist, erfahren Sie jetzt in der Wiener Zeitung." Karl Schiessl, Manager des Staatsblattes: "Offenbar fürchtet sich der große Horizont davor, dass die kleine Wiener Zeitung der Presse viele Leser wegschnappen könnte." (fid/DER STANDARD;
Printausgabe, 3.5.3005)
6) Kapitalismusdebatte: Historiker Wolffsohn empört die SPD
(HB 3.5.*) nach oben
Die Äußerungen des Historikers Michael Wolffsohn zur Kapitalismusdebatte haben in der SPD für großes Aufsehen gesorgt. Wolffsohn hatte den „Heuschrecken“-Begriff des Parteivorsitzenden Müntefering mit der antijüdischen Hetze der Nazis verglichen. Auch der Zentralrat der Juden nennt den Vorwurf "absurd".
HB BERLIN. Ohne Müntefering zu erwähnen, hatte sich Wolffsohn in einem Zeitungsbeitrag auf dessen Vergleich von Finanzinvestoren mit Heuschrecken bezogen. 60 Jahre nach Kriegsende würden wieder Menschen mit Tieren gleichgesetzt. „Das sind Vokabeln aus dem Wörterbuch des Unmenschen“, erklärte Wolffsohn.
Der Historiker forderte Müntefering auf, sich für seinen Vergleich von Unternehmern mit Heuschrecken zu entschuldigen. „Herr Müntefering muss sich entschuldigen und muss das schleunigst berichtigen.
Seine Kapitalismuskritik kann er fortsetzen, aber nicht mit diesen Sprachbildern“, sagte er der „Financial Times Deutschland“. Der SPD-Chef müsse sich entschuldigen „nicht zuletzt bei allen, die vom Nationalsozialismus betroffen sind und die eine echte Vergangenheitsbewältigung in Deutschland wollen“.
Die nordrhein-westfälische SPD bewertete Wolffsohns Äußerungen als „unglaubliche Entgleisung“. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, sagte, es sei absurd, Müntefering und der SPD Antisemitismus zu unterstellen.
Der bayerische CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann verteidigte indes auch Wolffsohns frühere Aussagen. Er habe "durchaus Verständnis", sagte er. Auch der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Schmidt, stellte sich vor Wolffsohn: "Wie man in den Wald schreit, so hallt es zurück", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung".
Auch Ex-Industrie-Chef Henkel scheute in seiner Kritik an Müntefering nicht vor Nazi-Vergleichen zurück. Im Nachrichtensender N24 bezog er in seine Kritik die Gewerkschaftszeitung „metall“ ein, die in einem Artikel
amerikanische Investoren als blutsaugende Insekten darstelle.
„Diese Begleitmusik - vor allem aus der IG Metall, aber auch von Herrn Müntefering selbst - der Begriff „Heuschrecken“ -
der erinnert nicht nur mich, sondern auch andere an die Propaganda im Dritten Reich“, sagte Henkel.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt bestärkte indes seine Befüchtung, dass die gegenwärtige Debatte ausländische Investoren abschreckt. „Kein Investor fühlt sich in einem Land willkommen, in dem er von der Politik als „Heuschrecke“ verunglimpft wird“, sagte er bei der Geschäftsführerkonferenz der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) beklagte, die
Private-Equity- Gesellschaften würden zu Unrecht angegriffen: „Private Equity verleiht der Volkswirtschaft große Impulse.“
Nachdem am Montag Grünen-Politiker die Unternehmer gegen überzogene Kritik in Schutz genommen haben, verstärken sich die Spannungen in der rot-grünen Koalition. SPD-Fraktionsvize Michael Müller griff die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt an, weil sie sich von Münteferings Wortwahl distanziert hatte.
"Frau Göring-Eckardt muss sich die Frage stellen, ob Solidarität für die Grünen eine Einbahnstraße ist", sagte er dem Tagesspiegel. "Wenn die SPD Fischer stützt, erwarten wir auch Unterstützung von den Grünen für eine notwendige Diskussion." An den Grünen-Chef Bütikofer apellierte Müller, "für Klarheit im eigenen Laden" zu sorgen.
HANDELSBLATT, Dienstag, 03. Mai 2005, 18:38 Uhr
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COMMENT: ... schöner Kladderadatsch ist das ... da lese ich vielleicht doch lieber Heiner Geißler (??!) Und überhaupt "Private Equity": schön und gut, aber Fondsgesellschaften, die die Rechte von (Klein-)Aktionären durch aufgeblasene Beteiligungsquoten unterminieren, den echten Streubesitz marginalisieren und den demokratischen Hintersinn der Konstruktion von Aktiengesellschaften untergraben, die hab' ich schon gefressen ...
7) Negative Bilanz der Gesundheitsreform (HB
3.5.*) nach oben
Ärzte befürchten Versorgungskrise
Die deutschen Ärzte haben eine vernichtende Bilanz der Gesundheitsreform gezogen. Knapp eineinhalb Jahre nach dem Start bemängeln sie die weitere Bürokratisierung und warnen vor einer Krise in der medizinischen Versorgung. Gesundheitsministerin Schmidt wehrt sich gegen die Vorwürfe
BERLIN. „Wir erleben eine weitere Bürokratisierung des ärztlichen Alltags und eine Konzentration der
Versorgungslandschaft“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, zu Beginn des 108. Deutschen Ärztetags in Berlin. Die
Ärzteschaft wandte sich in einstimmig angenommenen Beschlüssen gegen zu starke Reglementierung bei Behandlungen, überbordende Bürokratie in den Praxen sowie die Verknappung bei der Versorgung unter anderem durch Wartelisten, Praxisgebühr und Zuzahlungen.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) betonte in ihrer mehrfach von spöttischem Gelächter, aber auch von Applaus unterbrochenen Rede vor de: „Es muss erlaubt sein, über den sinnvollen Einsatz auch der Ressourcen zu reden.“
Es sei „kein Widerspruch, ein guter Arzt zu sein und gleichzeitig wirtschaftlich zu handeln“. Schmidt versicherte: „Wir wollen keine von außen gesetzten Rationierungen.“
Mehrere der rund 250 Delegierte griffen Schmidt scharf an, warfen ihr Realitätsverlust vor und sagten, dass sie sich gegenüber der Rahmensetzung des Bundes ohnmächtig fühlten. Hoppe beklagte:
„Schon lange kann nicht mehr jeder so behandelt werden, wie es nach den Regeln der ärztlichen Kunst geboten wäre.“
Der Bundesregierung hielt Hoppe die Schaffung gefährlich administrativer Behandlungsprozesse etwa durch Fallpauschalen in Krankenhäusern oder durch vorgeschriebene Behandlungskorridore in so genannten Disease-Management-Programmen vor. In der Ärzteschaft herrsche „Frust“.
Zum Vorwurf gewachsener Bürokratie sagte Schmidt an die Adresse von Ärzten und Kassen, die
wenigen bürokratischen Auswüchse seien größtenteils „durch die Vertragsgestaltung in der Selbstverantwortung
entstanden“. Die flächendeckende Versorgung auch sozial Schwacher müsse weiter sichergestellt
werden. Hochleistungs-Medizin müsse dafür verstärkt
in spezialisierten Zentren konzentriert werden.
Der Ärztetag unterstützte die Forderungen der Krankenhausärzte, die seit Wochenbeginn gegen zu lange Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung
protestierten. Schmidt forderte Krankenhäuser und Kassen auf, flexible Arbeitszeiten in Kliniken zu ermöglichen und die Hierarchie in der Klinikärzteschaft abzubauen. Von 700 Mill. zugesagten Euro für die Förderung neuer Arbeitszeitmodelle in Kliniken habe der Bund bereits 200 Mill. ausgegeben.
HANDELSBLATT, Dienstag, 03. Mai 2005, 18:25 Uhr
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8) RHI-Gewinn steigt um knapp 80 Prozent (Wirtschaftsblatt
4.5.) nach oben
Positiver Ausblick - Heraklith soll sich "ausserhalb" des Konzerns strategisch weiter entwickeln
(c) Der Feuerfest-Konzern RHI meldet für das erste Quartal Zuwächse bei Umsatz und Ertragszahlen. Ingesamt erzielte der RHI-Konzern im ersten Quartal Umsatzerlöse von 331,9 Mio. Euro, ein Anstieg um 9,8%.
Das EBITDA erreichte 41,8 Mio. Euro (Vorjahr: 36,7 Mio), das EBIT lag mit 29 Mio (Vorjahr: 25,3 Mio. Euro) um 14,6% über dem Vorjahr. Der Gewinn vor Ertragsteuern stieg durch das wiederum verbesserte EBIT und Finanzergebnis um erfreuliche 48,5% auf 24,5 Mio Euro.
Das Finanzergebnis war insbesondere durch geringeren Zinsaufwand in Folge der erfolgten Wandlungen der RHI Wandelschuldverschreibung der Tranche B und durch Zinserträge im Zusammenhang mit Steuererstattungen deutlich besser als im Vorjahr. Der höhere Gewinn vor Ertragsteuern und die bereits im Jahresabschluss 2004 deutlich sichtbare weitere Optimierung der Ertragsteuern führten im ersten Quartal zu einem Gewinn im Konzern von 22 Mio. Euro, ein Anstieg um 77,4%.´
Die Sparte Heraklith erzielte im ersten Quartal mit 46,3 Mio. Euro einen um 17,8% höheren Umsatz als im Vorjahreszeitraum. Ohne die Einbeziehung der slowenischen Gesellschaften Eurovek und Termo hätte der Umsatz aufgrund der strengen Winterperiode in West- und Osteuropa leicht unter dem Vorjahreswert gelegen. Der Vorstand bekräftigte die Strategie, dass sich Heraklith mittelfristig ausserhalb des Konzerns "strategisch weiterentwickeln" soll.
Im Ausblick heisst es weiter, dass der Ergebnisausblick insgesamt positiv sei. Geschäftsverlauf und Auftragseingang stellen sich zu Beginn des Geschäftsjahres 2005 in beiden RHI Geschäftsbereichen insgesamt erfreulich dar. RHI werde auch 2005 die Ziele der Kapitalrestrukturierung erfüllen. (bs)
9) BA-CA erhöhte Quartalsgewinn um knapp 50 Prozent
(Wirtschaft 4.5.) nach oben
Gewinn nach Steuern erreicht 207 Mio. Euro - Ergebnismotor CEE-Töchter
(c) Die BA-CA meldet für das erste Quartal einen Gewinn nach Steuern von 207 Mio. Euro, was einem Anstieg von 49% entspricht. Das Betriebsergebnis wird um 42% bei 270 Mio. Euro ausgewiesen, der Return on Equity liegt bei 12,3%, nach zuletzt 9,3%).
BA-CA-Chef Erich Hampel spricht am Mittwoch früh von einem "sehr guten" Start ins Jahr 2005. "Damit können wir an die sehr erfreuliche Entwicklung des Vorjahres anschliessen".
Ergebnismotor waren auch zum heurigen Jahresbeginn wieder die Osteuropatöchter. Vom Bilanz-Geschäftsfeld Zentral/Osteuropa (CEE) stammten im Quartal 114 Mio. Euro Vorsteuergewinn, das war ein Zuwachs um 68 Prozent. Der Gewinnbeitrag der Ostbanken liegt somit bei 41 Prozent. Vor Ort fiel in den Ostbanken ein Vorsteuergewinn von 138,9 Mio. Euro an, das war ein Anstieg um gut 50 Prozent.
Das Kreditrisiko ist mit 110 Mio. Euro (2004: 105 Mio. Euro) um rund 5 Prozent höher ausgefallen. Die Kosten-Ertrags-Relation hat sich auf 62,5 Prozent verbessert (2004: 67,2 Prozent). Der Quartalsgewinn je Aktie hat sich von 0,95 Euro auf 1,41 Euro deutlich erhöht. (bs)
10) BA-CA-Mutter HVB übertrifft Erwartungen (Wirtschaftsblatt
4.5.) nach oben
Gewinn steigt auf 336 Mio. Euro
(c) Die BA-CA-Mutter HVB hat im ersten Quartal den Gewinn deutlich gesteigert und wegen eines besser als erwartet ausgefallenen Handelsergebnisses die Analystenerwartung übertroffen.
Unter dem Strich sei von Jänner bis März ein Gewinn von 336 Mio. Euro angefallen, nachdem im Vorjahr nach angepassten IFRS-Zahlen lediglich 56 Mio. Euro verbucht worden waren. Vor Steuern kletterte das Ergebnis auf 565 (Vorjahr 206) Mio. Euro. Analysten hatten im Schnitt mit einem Nettogewinn von 295 Mio. Euro sowie einem Vorsteuerergebnis von 521 Mio. Euro gerechnet.
Im Ausblick heisst es, die Bank halte an der angepeilten Eigenkapitalrendite von acht bis neun Prozent nach Steuern fest. "Mit den Ergebnissen des ersten Quartals befinden wir uns auf gutem Weg, diese Ziele zu erreichen".
(bs)
11) Investkredit: Ergebnisplus und Ziele für 2005
(Wirtschaftsblatt 4.5.) nach oben
Leistungsspektrum in CEE ausbauen - ROE nachhaltig bei 15%
(c) Die Investkredit steigerte im ersten Quartal den Konzernüberschuss um 34 Prozent auf 18,3 Mio. Euro. Die Ergebnisverbesserung sei wesentlich auf den gestiegenen Zinsüberschuss zurückzuführen. Mit 36,2 Mio.Euro übertrifft er um 8 % den Vorjahres-Quartalswert. Der Return on Equity auf Basis des Konzernüberschusses hat sich weiter verbessert und beträgt 18,1 %. Die Bilanzsumme ist im ersten Quartal um 7% auf 23,0 Mrd. Euro angestiegen.
Die Umsetzung der Investkredit-Strategie - sich als Spezialbanken-Gruppen mit Nischencharakter in einem europäischen Kernmarkt qualitätsvoll und nachhaltig zu positionieren - bedeute für 2005 folgende Schritte, so Vorstands-Chef Wilfried Stadler (im Bild): Die Expansion der Bilanzsumme soll mehr als 2 Mrd. Euro betragen. Wesentlich dabei ist schrittweise die Umsetzung des gesamten Leistungsspektrums in Zentraleuropa. Weiters strebt Die Investkredit strebt einen nachhaltigen Return on Equity von 15% an. Gleichzeitig sollen zunehmende Grössenvorteile eine weitere Reduktion des Cost-Income-Ratios von 43 % auf 40 % ermöglichen. (bs)
12) Arbeitslosenquote nach EU-Konzept im 4. Quartal 2004 bei 4,9%
(OeStat 4.5.) nach oben
Vorläufiger Wert für das 1. Quartal 2005 beträgt 5,2%
Wien, 2005-05-04 - Die Arbeitslosenquote nach EU-Konzept lag den Berechnungen der Statistik Austria zufolge im 4. Quartal 2004 bei 4,9% (nicht saisonbereinigter Wert). In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass insgesamt 195.800 Personen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgingen, aktiv Arbeit suchten und auch kurzfristig verfügbar waren. Im 1. Quartal 2005 (vorläufige Werte) stieg die Zahl der Arbeitslosen saisonbedingt auf 205.400 (2004: 203.500) und die Quote auf 5,2% (2004: 5,3%). Die Zahl der Beschäftigten sank von 3,771 Mio. im 4. Quartal 2004 auf 3,745 Mio. (vorläufiger Wert) im 1. Quartal 2005, ist aber im Jahresvergleich deutlich gestiegen (1. Quartal 2004: 3,653 Mio.).
Seit Beginn des Jahres 2004 befragt die Statistik Austria im Rahmen des Mikrozensus österreichweit wöchentlich rund 1.700 Haushalte zum Thema „Erwerbstätigkeit und Arbeitssuche“. Den Definitionen der Europäischen Union folgend waren im Durchschnitt des 4. Quartals 3,771 Mio. (1. Quartal 2005: 3,745 Mio.) Menschen erwerbstätig und 195.800 Personen arbeitslos (1. Quartal 2005: 205.383).
Insgesamt 21,4% (4. Quartal) bzw. 22,3% (1. Quartal 2005, vorläufige Ergebnisse) der Erwerbstätigen arbeiteten in Teilzeit (weniger als 36 Stunden pro Woche). Teilzeitarbeit ist in erster Linie Frauensache: Nur 6% der erwerbstätigen Männer, aber mehr als 40% der erwerbstätigen Frauen gingen im 4. Quartal 2004 einer Teilzeitbeschäftigung nach.
Ausländer sind von Arbeitslosigkeit besonders betroffen. Ihre Arbeitslosenquote war mit 11,3% fast drei Mal so hoch wie jene der Inländer (4,2%). Für die Inländer brachte das 1. Quartal 2005 im Jahresvergleich (1. Quartal 2004) keine Veränderung, bei den Ausländern zeigt sich ein geringfügiger Rückgang. Ebenfalls deutlich über dem gesamtösterreichischen Wert der Arbeitslosenquote liegt die Quote der Jugendlichen (15 bis 24 Jahre). Hier zeigen die Daten für das 4. Quartal einen Wert von 9,8% und für das 1. Quartal 2005 einen Rückgang auf 9,3% (1. Quartal 2004: 11,0%). Günstiger ist dagegen die Situation bei der älteren Erwerbsbevölkerung (55-64 Jahre). Für diese Personengruppe liegt die Arbeitslosenquote lediglich bei 3,8%, im 1. Quartal 2005 bei 3,7%.
Regional betrachtet war die Arbeitslosigkeit im 4. Quartal 2004 in Wien mit 9,3% deutlich höher als in allen anderen Bundesländern. Mit 3,2% verzeichnete Oberösterreich die niedrigste Arbeitslosenquote.
13) Gewerkschaft und Arbeitgeber lagen mit ihren Vorstellungen weit auseinander
(HB 4.5.) nach oben
Stahlkocher drohen mit Streik
Nach dem Abbruch der Tarifverhandlungen in der westdeutschen Stahlindustrie scheint ein Streik unabwendbar. Dabei laufen die Öfen auf Hochtouren.
HB GELSENKIRCHEN. Arbeitgeberverband Stahl und IG Metall hatten die Gespräche am späten Dienstagabend in der fünften Verhandlungsrunde in Gelsenkirchen ohne Ergebnis abgebrochen. Bereits am heutigen Mittwoch soll die Tarifkommission der Gewerkschaft im westfälischen Sprockhövel das Scheitern der Gespräche feststellen und über eine Urabstimmung befinden. Der Vorstand der IG Metall soll am kommenden Dienstag (10. Mai) über den Streik beraten.
„Die Arbeitgeber sind dabei, einen Großkonflikt zu
initiieren“, sagte der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Detlef Wetzel. Vor der Verhandlungsrunde hatten sich mehrere tausend Stahlkocher in ganz Deutschland in der vergangenen Woche an Warnstreiks beteiligt.
In den Verhandlungen hatten die Arbeitgeber in der fünften Runde ihr ursprüngliches Angebot von Einkommenserhöhungen um 1,9 Prozent auf zuletzt 2,4 Prozent mit einer Laufzeit von 19 Monaten angehoben. Das Angebot für die Einmalzahlung wurde von 500 Euro auf 800 Euro erhöht. Die IG Metall war dagegen mit einer Forderung nach Lohnerhöhungen um 6,5 Prozent in die Verhandlungen gegangen.
„Wir sind an die Grenze dessen gegangen, was wir vertreten können“, sagte der Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbands Stahl, Helmut Koch. Das Angebot der Arbeitgeber liege oberhalb der Inflationsrate. Derzeit gehe es dem Stahl noch gut. Die Branche sei jedoch eine „zyklische Industrie“, sagte Koch.
IG Metall-Verhandlungsführer Wetzel wertete die Arbeitgeberofferte dagegen als „völlig unzureichend“. „Die Stahlarbeiter möchten sich nicht abkoppeln lassen von der allgemeinen Einkommensentwicklung“, sagte Wetzel. „Gleichzeitig fahren die Aktionäre hohe Gewinne ein und die Vorstände erhöhen ihre Bezüge“, sagte er.
Zuletzt hatte es in der westdeutschen Stahlindustrie 1978 einen Streik gegeben. In den vergangenen anderthalb Wochen hatte sich bereits rund die Hälfte der Stahlbeschäftigten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen an Warnstreiks beteiligt.
Die deutschen Stahlwerke sind angesichts eines seit gut eineinhalb Jahren anhaltenden Booms derzeit noch voll ausgelastet. Durch den zunehmenden Lageraufbau der Kunden und durch gestiegene Stahlimporte in die EU sind die Preise jüngst aber leicht unter Druck geraten. Führende Stahlhersteller wie Thyssen-Krupp oder Salzgitter haben deshalb mit Produktionskürzungen auf den Mengendruck reagiert. Ein Ende des Stahlbooms ist nach Einschätzung des deutschen Stahlverbands jedoch nicht in Sicht.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 04. Mai 2005, 07:32 Uhr
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14) In den Unternehmen wächst die Angst (HB 4.5.) nach
oben
Kippt die Konjunktur?
Während die Politik noch heftig über die Kapitalismuskritik von SPD-Chef Franz Müntefering diskutiert, sorgt sich die Wirtschaft über die sich eintrübenden Geschäftsaussichten im laufenden Jahr. Vor allem die schwache Binnenkonjunktur macht den Unternehmen zu schaffen.
doh/tak/tel DÜSSELDORF. Sie schlägt sich in den jetzt einlaufenden Geschäftszahlen zum ersten Quartal nieder. Für den weiteren Jahresverlauf wächst die Angst vor einem Abkippen der Konjunktur.
So spricht Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller von einem schwierigen Konjunkturumfeld und wagt nur einen zurückhaltenden Ausblick. Der Konsumgüterhersteller Henkel meldet zwar Wachstum in Deutschland. Aber dies führt Henkel-Chef Ulrich Lehner auf neu eroberte Marktanteile zurück. „Die Deutschen halten sich beim Konsum nach wie vor zurück“, sagte Lehner gestern anlässlich der Vorlage der Quartalszahlen. Der Düsseldorfer Handelskonzern Metro konnte seinen Umsatz im ersten Quartal gerade halten. Mit einer Konjunkturerholung rechnet Metro-Chef Hans-Joachim Körber frühestens in der zweiten Jahreshälfte.
Diese Hoffnung könnte jedoch trügerisch sein. Die aktuellen Werte des Handelsblatt-Frühindikators signalisieren ein langsameres Wachstum im dritten Quartal. „Vor allem die Inlandsnachfrage ist wieder in ihren alten Trott zurückgefallen und lag zuletzt in der Industrie erstmals sogar wieder unter ihrem entsprechenden
Vorjahresstand“, sagt Ulrich van Suntum, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Münster. Der Ökonom hat den Frühindikator für das Handelsblatt entwickelt.
Für das Gesamtjahr 2005 stellt der Handelsblatt-Frühindikator nur noch einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,5 Prozent in Aussicht. Die in der vergangenen Woche um 0,6 Prozentpunkte nach unten revidierte
Prognose der Regierung von 1,0 Prozent Wachstum sei „eigentlich schon
Makulatur“, sagt van Suntum.
Die führenden Wirtschaftsinstitute erwarten nur noch ein Wachstum von 0,7
Prozent. Am pessimistischsten ist das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), das ein Wachstum von 0,6 Prozent in diesem Jahr erwartet. Selbst diese Schätzung beruht jedoch auf der Annahme, dass sich die Entwicklung im zweiten Halbjahr verbessert. Joachim Scheide, Leiter der IfW-Konjunkturabteilung, warnt: „Harte Indikatoren dafür gibt es noch nicht.“ Ein noch geringeres Wachstum sei daher nicht auszuschließen.
Ähnlich pessimistisch äußert sich Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI): „Das erste Halbjahr 2005 ist eine Periode enttäuschter Hoffnungen, das bereitet mir Sorge für das zweite Halbjahr.“ Die schlechten Zahlen seien zwar „ernüchternd, aber nicht überraschend“. Vor allem die Binnennachfrage sei schwächer geblieben als erhofft.
Das liege auch an der Verunsicherung der Verbraucher, die wegen der hohen Arbeitslosigkeit immer noch groß sei. Zudem schöpfe der hohe Ölpreis erheblich Kaufkraft ab. Und auch die Weltwirtschaft entwickle sich vergleichsweise schwächer als im vergangenen Jahr.
Auch das Forschungsinstitut Allensbach rechnet mit einer anhaltend schwachen Binnennachfrage. Die
Bevölkerung verhalte sich völlig rational, wenn sie derzeit vor allem spare und Konsumausgaben
verschiebe, schreibt Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, in einem Gastbeitrag der „Wirtschaftswoche“. Sie rechne nicht mit einem kurzfristigen Anstieg der Binnennachfrage.
Angesichts der deutschen Konsumflaute setzen die Unternehmen verstärkt auf Auslandsmärkte. So will Metro-Chef Körber weiter international expandieren. Der größte Teil der geplanten Investitionen von 1,9 Mrd. Euro soll ins Ausland fließen – mit Schwerpunkten in Osteuropa und Asien. Ohnehin trägt das Ausland schon knapp die Hälfte zum Umsatz bei.
Ähnlich stellt sich die Lage bei Henkel dar. Das Wachstum kommt vor allem aus Osteuropa, Lateinamerika und der Region Asien/Pazifik. Zudem hat sich Henkel im vergangenen Jahr unter anderem mit dem milliardenschweren Zukauf des US-Konsumunternehmens Dial verstärkt. In Deutschland macht Henkel mittlerweile nur noch knapp ein Fünftel seines Umsatzes.
Die schwache Binnennachfrage hemmt offenbar auch die Innovationsfähigkeit der deutschen Firmen. Das ist das Ergebnis der deutschen Innovationserhebung 2004, das das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aus Mannheim gestern veröffentlicht hat. Die Umfrage unter 8 000 Unternehmen aus Industrie und Dienstleistungen ergab, dass eine stärkere Nachfrage in den Absatzmärkten und höhere Gewinne notwendig seien, damit die deutsche Wirtschaft ihre Innovationsaktivitäten ausweiten und finanzieren könne.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 04. Mai 2005, 07:29 Uhr
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15) Jedes zweite Investment ist ein Flop (Wirtschaftsblatt
4.5.) nach oben
3i-Studie: 55 Prozent aller Firmenkäufe werden ein Erfolg
(c) Laut einer neuen Studie der börsenotierten Private Equity-Gesellschaft 3i werden
nur 55 Prozent sämtlicher Firmenübernahmen des Mittelstands für den Käufer ein
Erfolg. 3i liess 22 bekannte Unternehmen zu ihren Erfahrungen mit Firmenübernahmen befragen. Untersucht wurden deutsche Firmen mit einem Jahresumsatz zwischen 50 Mio. Euro und 1,5 Mrd. Euro, darunter unter anderem Katjes Fassin, Techem, Vaillant oder AWD.
Übernahmen wurden dann als erfolgreich ausgewertet, wenn die zugekauften Firmen schon ein bis zwei Jahre nach dem Kauf messbar zur Gewinnsteigerung des Unternehmens beitragen konnten und wenn die Käufer die Auffassung vertraten, das erworbene Unternehmen seinerzeit richtig bewertet zu haben.
Faktum ist, dass fast ein Drittel der Befragten ist davon überzeugt, dass sie bei Firmenkäufen zu viel bezahlt hätten. Das wichtigste Ziel, das die befragten Firmen mit den Übernahmen verfolgen, sei dementsprechend die Erschliessung neuer Märkte. Weitere Motive seien Umsatz-Steigerung.
(cp)
16) Quartalszahlen überraschen Analysten positiv (HB
4.5.) nach oben
HVB dreht nach Verlustjahr kräftig ins Plus
Nach dem Milliardenverlust durch Abschreibungen im vergangenen Jahr ist die Hypovereinsbank (HVB) dank eines starken Handelsergebnisses mit einem kräftigen Gewinnanstieg ins Jahr 2005 gestartet. Sie hat damit die Erwartungen von Analysten übertroffen.
HB FRANKFURT. „Alle Geschäftsfelder liefern substanzielle Ergebnisbeiträge“, erklärte HVB-Chef Dieter Rampl am Mittwoch bei der Vorlage der Quartalsbilanz. Die Bank halte an der angepeilten Eigenkapitalrendite 2005 von acht bis neun Prozent nach Steuern fest und sehe sich dabei auf gutem Wege. Im Auftaktquartal übertraf das Institut die eigene Messlatte mit 11,6 Prozent deutlich, bis 2007 sollen es 15 Prozent sein. „Die Zahlen sehen ganz gut aus, viel besser als erwartet“, kommentierte Analyst Dirk Becker von Kepler Equities den Quartalsbericht.
Unterm Strich verdienten die Münchener von Januar bis März 336 Millionen Euro und übertrafen so die durchschnittliche Prognose der Analysten um gut 40 Millionen. Im Vorjahr standen angepasst an den neuen Bilanzierungsstandard IFRS 56 Millionen Euro zu Buche. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank, das einzige im internationalen Vergleich wettbewerbsfähige inländische Kreditinstitut, hatte im Auftaktquartal 1,1 Milliarden Euro Nettogewinn verbucht. Deutschlands Nummer drei, die Commerzbank, war auf 395 Millionen Euro gekommen - allerdings nur durch Beteiligungsverkäufe.
Vom guten Start ins neue Jahr dürften auch die Aktionäre profitieren. Nach drei Jahren ohne Ausschüttung müsse die Bank im laufenden Jahr wieder eine Dividende zahlen, sagte Rampl am Mittwoch in einer Telefonkonferenz mit Analysten. An diesem Ziel halte Deutschlands zweitgrößtes Kreditinstitut fest.
Die HVB hatte 2004 rund 2,5 Milliarden Euro Abschreibungen auf faule Immobilienkredite vorgenommen und angekündigt, Not leidende Finanzierungen im Volumen von 15 Milliarden Euro in einer eigenen Einheit zu bündeln, genannt Real Estate Restructuring . Im vergangenen Jahr fiel so ein Fehlbetrag von fast 2,3 Milliarden Euro an. Insgesamt hat die Bank in den zurückliegenden drei Jahren etwa sechs Milliarden Euro Verlust verbucht.
Bislang verlautete aus der Bank, sie wolle sich auf Dauer will sich auf Dauer vom Problemkredit-Portfolio trennen. Vorstandschef Dieter Rampl zieht nun auch in Betracht, es selbst abzuarbeiten. „Wir haben immer gesagt, dass wir alle Optionen verfolgen“, sagte Rampl in einer Telefonkonferenz mit Analysten. Eine davon sei es, das Portfolio nicht zu verkaufen und selbst abzuarbeiten. Auch eine Mischung aus beiden Möglichkeiten sei denkbar. Letztlich hänge dies von den Offerten möglicher Interessenten ab.
17) Neue Erbgutstudie soll Verbreitungsgeschichte der Menschheit aufklären
(HB 4.5.) nach oben
Forscher zeichnen Weltkarte der Gene
Von Joachim Hofer
In einem weltumspannenden Projekt haben Forscher jetzt begonnen, eines der größten Rätsel der Wissenschaft zu lösen: Sie wollen
herausfinden, wie sich die Bevölkerung über die Erde verbreitet hat. Rund um den Globus sammeln Experten deshalb das Erbgut von mehr als hunderttausend
Menschen.
MÜNCHEN. So wollen sie mit Hilfe der Gene eine Weltkarte über die Verbreitungsgeschichte der Menschheit
zeichnen – angefangen von den Ursprüngen in Afrika bis heute. „Für die Anthropologie hat das Projekt dieselbe Bedeutung wie die erste Mondlandung für die Raumfahrt“, sagt Projektleiter Spencer Wells. Der Bevölkerungswissenschaftler hat auf allen Erdteilen Forscher für das Vorhaben gewonnen, die nun das Erbgut vor Ort sammeln. Wells: „Wir nutzen die Genetik, um Wissenslücken in der Anthropologie zu füllen.“
Im Mittelpunkt stehen dabei Naturvölker in Asien, Australien und Afrika. Dort ist das Erbgut über Hunderte von Generationen nahezu unverändert geblieben. 100 000 Blutproben werden die Experten in den nächsten fünf Jahren nehmen. Danach wird das Erbgut dieser Menschen analysiert und miteinander verglichen. So wollen die Forscher erkunden, welche Beziehungen es untereinander und zum Rest der Welt gibt.
Doch die Zeit drängt. Wells: „Immer mehr Menschen ziehen in andere Regionen der Welt, so dass sich die Erbgutinformationen untereinander vermischen.“ Der beste Zeitpunkt für das Projekt wäre bereits das Jahr 1 500 gewesen, ist der 36-Jährige überzeugt. Im Mittelalter habe es so viele Völker und Sprachen gegeben wie vor- und hinterher nicht.
Allerdings macht die moderne Informationstechnologie das Vorhaben heute erst möglich. Unterstützt wird Wells nicht nur von der US- Zeitschrift National Geographic, die das gesamte Vorhaben verwaltet und vermarktet. Vor allem der US-Computerbauer IBM engagiert sich. Der IT-Konzern speichert die vielen Millionen Daten und sorgt durch entsprechende Programme dafür, dass die Wissenschaftler sie in die richtige Beziehung setzen können. „So eine riesige Datensammlung gab es noch nie“, betont IBM-Forscher Sahaorn Rosset.
Die Experten nehmen aber nicht nur das Erbgut unter die Lupe. Die Leute werden auch zu ihrer Herkunft befragt, zu ihrer Kultur und Sprache. Zudem fließen archäologische Fakten in die Auswertung ein.
Doch auch in den Industrieländern sollen sich die Menschen beteiligen. Dabei werden Testpakete verkauft, mit denen jeder seinen eigenen Gentest machen kann. Hier ist keine Blutprobe erforderlich, sondern lediglich ein Stückchen Haut, das an ein Labor eingeschickt wird. Für 100 US-Dollar lässt sich solch ein Testpaket auf der Internetseite www.nationalgeographic.com/genographic bestellen. Medizinische Bereiche des Erbguts werden nicht untersucht.
Die Bevölkerungswissenschaftler sind sich zwar sicher, dass die Wiege der Menschen vor rund 60 000 Jahren in Afrika
stand. Zudem haben die Forscher bereits Vorstellungen davon, wie sich die Menschen über die Erde verbreitet haben. „Aber viele Details dieser Reise sind noch unbekannt“, sagt Projektleiter Wells.
So sei nach wie vor offen, ob Europäer nicht schon vor tausenden Jahren nach Amerika gekommen seien. Oder ob sich die Neandertaler und die modernen Menschen vermischt hätten. Wells hofft auch,
Spuren längst ausgestorbener Völker zu finden, etwa der Arawaks in der
Karibik.Zudem sei ungeklärt, warum die Menschen heute so unterschiedlich aussehen, wenn sie doch alle auf den selben Ursprung zurück gehen.
Antworten darauf und auf viele andere Fragen will Wells in spätestens fünf Jahren präsentieren. Bereits nächstes Jahr sollen erste Zwischenergebnisse vorliegen. Das Interesse der Öffentlichkeit ist jetzt schon enorm groß.
Seit das Forschungsprojekt vor drei Wochen in den USA vorgestellt wurde, haben bereits 32 000 Menschen das Testpaket gekauft, heißt es bei National Geographic.
Offenbar wollen viele Amerikaner ganz genau wissen, wo sie herkommen. Das ist kein Wunder, denn nirgends haben sich so viele Völker vermischt wie zwischen New York und Los Angeles. Mit dem Testpaket lässt sich der Familienstammbaum über viele Generationen zurück verfolgen.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 04. Mai 2005, 08:58 Uhr
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18) Immer weniger Deutsche wollen Kinder (HB 4.5.) nach
oben
Deutsche Männer: Zu lange im „Hotel Mama“
Von Peter Thelen, Handelsblatt
In Deutschland hängen junge Männer weit länger ökonomisch am Tropf der Eltern als beispielsweise in Frankreich, Skandinavien oder den USA. Nach einer neuen Studie des Bevölkerungswissenschaftlers Hans Bertram ist
dies eine der Hauptursachen dafür, dass hier zu Lande weniger Kinder geboren werden, als in diesen Ländern.
HB BERLIN. „Deutsche Männer verlassen das Hotel Mama meist erst jenseits des 27. Lebensjahres, wenn sie ins Berufsleben eintreten.“ Damit
falle die Entscheidung für Kinder sehr spät. „Da langt es dann, wenn überhaupt, nur für ein oder zwei
Kinder,“ erläuterte Bertram die Ergebnisse der im Auftrag des Familienministeriums erstellten Untersuchung gestern in Berlin. Die Folge sei, dass die Zahl der Mehrkindfamilien in Deutschland immer stärker gesunken sei. Schuld daran trage auch der Staat, weil er in der Ausbildungsphase die Eltern mit Bafög, Kindergeld und Steuerfreibeträgen alimentiere, statt den Kindern direkt zu helfen.
„Derzeit ist der Anteil größerer Familien nur halb so hoch wie in den USA, Frankreich oder
Finnland. Dagegen ist der Anteil der Männer und Frauen die ein Leben lang kinderlos bleiben in allen Industrienationen etwa gleich groß.“
Auch beim Anteil der Familien mit einem bis zwei Kindern seien die Unterschiede gering.
„Eine nachhaltige Familienpolitik muss deshalb sowohl die Entscheidung für das erste Kind erleichtern als auch die Bedingungen für Mehrkindfamilien verbessern,“ folgerte Bertram. Dabei brächten einzelne Maßnahmen wie die Einführung des Erziehungsurlaubs in den 80er-Jahren wenig. Nötig sei ein „Dreiklang von Infrastruktur-, Zeit- und Transferpolitik“.
Familienministerin Renate Schmidt (SPD) sieht sich durch die Studie in ihrem familienpolitischen Kurs bestätigt. „Wir setzen auf den
Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und als Ergänzung auf ein einkommensbezogenes einjähriges
Elterngeld.“ Erste Erfolge seien sichtbar sagte Schmidt und verwies auf die Teilnahme von 1000 Unternehmen an den Bündnissen für Familie.
Bertram lobte die Elterngeldpläne der Ministerin. Das Elterngeld, das in Schweden zu einem starken Anstieg der Geburtenrate beigetragen hat, mache klar, dass die Entscheidung, sich für eine bestimmte Zeit verantwortlich um das eigene Kind zu kümmern, aus gesellschaftlicher Sicht genau so wichtig sei wie der ausgeübte Beruf. „Und es sorgt dafür, dass die Frauen für die Geburt eines Kindes nicht auf ihre ökonomische Selbstständigkeit verzichten müssen.“
Die größere ökonomische Unselbstständigkeit deutscher Frauen, die sich in ihrer geringeren Erwerbsbeteiligung zeigt, ist nach Bertrams Studie nicht nur eine Ursache für die höhere Kinderarmut in Deutschland. Sie sei auch mit dafür verantwortlich, dass sich viele Familien das dritte und vierte Kind schlicht nicht leisten könnten.
Besserverdienende und hoch qualifizierte Frauen seien zudem zunehmend nicht mehr bereit, ihre ökonomische Selbstständigkeit für Kinder zu opfern.
Vor allem sie wünschen sich nach Bertrams Untersuchung eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit die Geburt von Kindern nicht zu einer „Achterbahnfahrt“ beim Familieneinkommen führt. Dies bestätigt auch eine Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungswissenschaft aus dem vergangenen Jahr, die das Innenministerium jetzt veröffentlich hat.
Danach ist die Lust auf Nachwuchs in der Bevölkerung gesunken. Würde jeder Wunsch nach einem Kind auch tatsächlich realisiert, läge die Geburtenrate allerdings immer noch bei 1,7 statt der tatsächlichen 1,4 Prozent.
Und dies würde nach einer Untersuchung des Kölner Statistikers Eckart Bomsdorf reichen, um die Wohnbevölkerung in Deutschland konstant zu halten. Allerdings müssten sich außerdem noch jährlich netto 200 000 Ausländer hier niederlassen.
Bomsdorfs Prognose ginge allerdings nur in Erfüllung, wenn diese Geburtenrate bereits 2015 erreicht wäre. Das hält Bertram knapp für möglich. Nach seinen Berechnungen würde die Geburtenrate bis 2017 schon dann auf 1,64 Kinder pro Frau steigen, wenn es der Familienpolitik nur gelänge, alle Frauen, die ihren Kinderwunsch derzeit zurückstellen, zu bewegen, jetzt ein Kind zu bekommen. Außerdem müsste das Durchschnittsalter der Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes um ein Jahr gesenkt werden.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 04. Mai 2005, 11:27 Uhr
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19) Erbschafts- und Körperschaftssteuer (HB
4.5.) nach oben
Kabinett billigt Steuerentlastungen
Rot-Grün hat die Senkung von Erbschafts- und Körperschaftssteuer auf den Weg gebracht. Das Bundeskabinett stimmte am Mittwoch entsprechenden Vorlagen von Finanzminister Hans Eichel zu.
HB BERLIN. Die Körperschaftssteuer soll von derzeit 25 auf 19 % gesenkt werden. Von der Senkung der Erbschaftssteuer sollen nur mittelständische Unternehmer profitieren, die als Nachfolger Betriebe fortführen und Arbeitsplätze
erhalten. Ihnen soll die Erbschaftsteuer zunächst gestundet werden und nach zehn Jahren ganz
wegfallen.
Mit beiden Gesetzesvorlagen sollen Beschlüsse des Job-Gipfels von Mitte März umgesetzt werden. Koalition und Opposition streiten seither jedoch über die Finanzierung der Reformpläne. Die Union will die
Reform mit einer höheren Besteuerung von Dividenden finanzieren. Sie plant, Dividenden künftig mit 57 % zu besteuern und nicht, wie bislang, mit 50 %.
Eichel lehnt diesen Vorschlag als "ziemlich unverschämt" ab. Hintergrund: Die Erbschaftssteuer ist eine reine Ländersteuer, für die zu erwartenden Steueraufälle müssten die Länder selbst aufkommen. Von einer Anhebung der Dividendenbesteuerung wäre wegen der Verrechnung mit der Einkommensteuer auch der Bund betroffen.
Die geplante Senkung der Körperschaftsteuer kostet Bund, Länder und Gemeinden der Gesetzesvorlage zufolge rund 6 Mrd Euro. Dies will Eichel teilweise durch die Begrenzung des Verlustabzuges von Steuersparmodellen finanzieren, eine Erhöhung der Mindestbesteuerung und die steuerliche Begünstigung bei der Veräußerung von Immobilienvermögen.
Außerdem erhofft sich die Regierung von der geplanten Senkung des Körperschaftsteuersatzes, dass Firmen ihre Erträge wieder zunehmend in Deutschland versteuern. Hiervon verspricht sich Eichel zusätzliche Einnahmen von 2,2 Mrd Euro.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 04. Mai 2005, 11:02 Uhr
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20) NRW-Wahlkampf (HB 4.5.) nach
oben
"Liebe Heuschrecken, liebe Neoliberale"
Von Kristian Frigelj, Handelsblatt
Um Friedrich Merz war es in letzter Zeit still geworden. Von CDU-Chefin Merkel degradiert, hatte er sich aus den ersten Reihe der Union verabschiedet. Doch im Hintergrund wirkt der 49-Jährige unermüdlich weiter. Im nordrhein-westfälischen Wahlkampf mischt er sich gar in die "Heuschrecken-Debatte" ein - mit Erfolg.
HB GÜTERSLOH. Gleich mit seiner Anrede hat Friedrich Merz das Publikum für sich gewonnen:
"Liebe Neoliberale, liebe Turbokapitalisten, vielleicht sind auch Heuschrecken unter ihnen, liebe Heuschrecken." Es scheint so, als wolle ein Sauerländer aus der Union dem Sauerländer aus der SPD, Parteichef Franz Müntefering, nun einen Kontrapunkt setzen.
"Wir haben nicht zu viel Kapitalismus in Deutschland. Wir haben zu wenig
Marktwirtschaft", sagt Merz am Dienstagabend im vollbesetzten Saal des Parkhotels im nordrhein-westfälischen Gütersloh, der Heimstatt der Traditionsunternehmen Bertelsmann und Miele. Die Organisatoren von Wirtschaftsrat und Deutsche Bank in Gütersloh hatte ihn lobend als "scharfzüngig" angekündigt, und er erfüllt die Erwartungen der Gäste.
Neuerdings ist der 49-Jährige für eine Anwaltskanzlei tätig und berät den Hedgefonds TCI, der Großaktionär der Deutschen Börse ist. Merz steht also auf Seiten derer, die nach Münteferings Kritik am "Heuschrecken-Kapitalismus" unter Generalverdacht geraten sind.
"Man sollte unaufgeregt auf das Thema reagieren", empfiehlt er. Man dürfe es aber nicht unterschätzen. Denn viele Menschen verstünden die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft nicht mehr.
Abseits der aktuellen Kapitalismus-Debatte unterstreicht Merz in Gütersloh, warum er in der Union als Wirtschafts- und Finanzexperte zurzeit wieder hoch gehandelt wird. Fraktionsvize Wolfgang Bosbach sagt, es wäre "wünschenswert, wenn Friedrich Merz die Felder Wirtschafts- und Finanzpolitik für die Union wieder mehr öffentlich besetzen würde."
Parteichefin Angela Merkel hat daraufhin betont, es sei "nicht die Zeit für Personaldiskussionen". Merz habe sich freiwillig zurückgezogen. Allerdings bleibt seit einem halben Jahr nicht verborgen, mit welchem Impetus und Leichtmut der frühere Fraktionschef im Bundestag politisch aktiv ist, sei es bei Hintergrundgesprächen, internen Veranstaltungen oder Kongressen.
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