Themenbeitrag: Ratten und Kinder Wien, 10. Jänner 2002

Hi!

Gestern hat die kleine Schwarze mit den langen Haaren, ich glaub die heißt Liv oder Mäuschen oder so, in so 'nem komischen Heft gelesen. Auf dem Heft war ein Kumpel von mir drauf, ich glaub' das hatte was mit uns Ratten zu tun. Na auf jeden Fall liest sie uns auch immer daraus vor und eher nebenbei erwähnte sie etwas von wegen "Ratten und Kinder". Da wurde ich gleich hellhörig, denn ich bin ja 'ne Ratte und ich mag Kinder. Ich hab mich gleich mit meinen Kollegen zusammengesetzt und ihnen gesagt, dass wir dazu unbedingt von unseren Erfahrungen erzählen müssen. Da gabs ein Geknusper und Gequiecke, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Jeder wusste von einer anderen Begebenheit zu berichten. Nun ja, die Kleine schleppt uns ja auch ständig zu 'nem Haus, da steht Schule drauf. Dort ist es immer besonders lustig. Da gibt's kleine Menschen, die uns immer ganz viel streicheln und wir bekommen tolle Leckerlis zu fressen. Die sind voll lieb zu uns.

Einmal hab ich, ach ja, man nennt mich Frankenstein, sogar in dem Haus übernachten dürfen. Ich glaub' das war irgendwann im Oktober, bin mir da aber nicht so sicher. Das war auf jeden Fall ur lustig. Die kleinen und großen Menschen waren alle ganz gruslig angezogen, so als Gespenster und Hexen und so, und überall standen leckere Kürbisse rum mit 'ner Kerze drin. Die kleinen Monster und Vampire haben mir meinen Käfig ganz toll eingerichtet und mir Wasser und Futter reingestellt, aber ich wollt da gar nicht rein und bin viel lieber zwischen ihren Nestern rumgelaufen. Das war witzig, weil die Mumien und Harry Potter hinter mit nachgekrabbelt sind. Sie haben mir auch ganz tolle Leckerlis gegeben, die bekomm ich zu Hause nur ganz selten, weil die Frau mit den langen Haaren immer sagt ich werd' zu dick. Als es dann schon ganz finster draußen war sind wir in eine Zimmer mit lauter Büchern gegangen und haben uns einen gruseligen Film angeschaut. Da hat ein süßes Rattenmädchen mitgespielt, die hätt' ich gern mal bei mir im Käfig getroffen! Ich hab' mich dann auf dem Schoß von 'ner Hexe eingerollt und geschlafen.

In der Früh war es dann super hektisch. Die kleinen Menschen sind hin und her gelaufen, manche hatten Schaum vor'm Mund und andere haben ihre Nester in so komische Säcke gestopft. Ich hab' sie ganz interessiert beobachtet. Ich muss euch sagen, die sind wie die Ameisen! Da wuselts ganz arg rum! Irgendwann ist endlich wieder Ruhe eingekehrt und die kleinen Zweibeiner haben geschmatzt was das Zeug hielt. Ich hab mich ganz eng an das Gitter gedrückt und meine Nase rausgestreckt. Da rochs so lecker nach frischen Semmerln, ähm Groggy meint grad, das heißt Brötchen, na der muss ja wissen, is' ja ein Deutscher, und Marmelade. Wie? Konfitüre heißt das? Bist du dir da sicher, Valentin? Na soll sein! Auf jeden Fall hat's nach Essen gerochen und ich hatte ganz doll Hunger. Ihr wisst ja selbst wie man das Am Besten macht. Einfach den traurigsten Blick aufsetzen, dann fällt immer etwas ab! So kam auch ich zu meiner Semmel mit Marmelade.

Jetzt will ich! Jetzt will ich! Hi! Mein Name ist Tinkerbell und ich war auch schon ur oft bei den kleinen Zweibeinern. Normaler Weise steht ja die Frau da vorne und erzählt den Kindern interessante Dinge, aber letztes Mal stand einer von den kleinen Menschen bei dem grünen Ding an der Wand. Der hat auch von uns erzählt. Ich muss sagen, die kleinen Zweibeiner kennen sich aber schon ganz gut aus und wissen, was wir gerne fressen und was nichts in unserem Käfig zu suchen hat. Respekt! Da war ein großes Blatt Papier mit einer Ratte drauf und die Kinder haben dann hingeschrieben, wie das alles heißt, also eben Schwanz und Ohren und so. Die waren da richtig auf Zack.

Ein paar von den Kindern sind anders als andere. Die haben dicke Aschenbecher auf der Nase und reden ganz komisch. Unser Mensch hat gesagt, dass da bei der Geburt was schief gegangen ist und die ein bisschen langsamer sind beim Lernen und so. Na ich weiß nicht, also unsere Namen kennen sie alle. Die kleinen Zweibeiner haben gemeint, sie wären wie wir, denn manche Menschen sind böse und sagen dumme Dinge zu ihnen. Da haben sie schon recht, uns hat auch nicht jeder lieb!

Nachher ist meine Frau mit mir noch in einen anderen Raum gegangen. Da waren nur sechs Kinder, aber die haben auf ganz komischen Stühle gesessen. Die haben da so Rollen dran gehabt, ich glaub die haben nicht so gut gehen können. Irgendwie waren die anders. Die haben auch nicht so gut sprechen können und ich hab die nur ganz schwer verstanden. Liv hat mir ins Ohr geflüstert, dass diese kleinen Zweibeiner behindert sind. Sie hat gemeint, die können nicht so gut und viel lernen wie ein paar Kinder in ihrer Klasse auch und ich soll jetzt ganz lieb und brav sein. Sie hat mich dann auf den Schoß von einem der kleinen Menschen gesetzt. Der hat mich ganz lieb gestreichelt. Ich hab gehört wie die kleinen Schwarze mit einer anderen Frau gesprochen hat. Die hat gesagt, dass das ganz toll ist, weil der Bub sich eigentlich gar nicht richtig bewegen kann und immer mit den Armen in die Luft schlägt. Na hauptswache er war lieb zu mir! Der Bub hat auch ganz viel gelacht und sich gefreut. Ich war richtig stolz auf mich.

Eine Geschichte wollen wir euch noch erzählen. Sahne war unsere Chefin, leider ist sie aber über so 'ne komische Regenbogenbrücke gegangen. Sie war auch oft mit in dem Haus, auf dem Schule steht und sie hat uns immer davon berichtet. Einmal hat sie die Frau zu einem kleinen Menschen mitgenommen, dem es ganz schlecht ging. Sein Papa war ganz böse zu ihm und seinen Schwestern und hat mit ihnen schlimme Dinge angestellt. Der Papa hat dafür auch in einen großen Käfig gehen müssen und kommt da nimma raus, hat sie gesagt. Na auf jeden Fall war dieser Bub ganz komisch. Der hat immer alle anderen kleinen Menschen gehaut und ist davon gelaufen und so. Unser Mensch hat Sahne auf seinen Schoß gesetzt und gesagt er muss jetzt auf sie aufpassen und ganz lieb zu ihr sein. Sahne hat sich schon ein bisschen gefürchtet, aber der war ganz lieb zu ihr. Er hat sie die ganze Zeit gestreichelt und ihr Bussis gegeben. Der Bub ist auch nicht mehr weggelaufen und die anderen hat er auch nicht mehr geschlagen. Die mit den langen Haaren hat gesagt, dass Sahne seiner Seele gut tut, weil sie hat's ja auch nicht so leicht gehabt und jetzt hat er jemanden, der ihn versteht und der ihn braucht. Sahne war noch ganz oft bei dem Menschen und der ist immer lieber geworden.

Bei uns zu Hause ist immer ein kommen und gehen. Unser Mensch nimmt immer Kumpels von uns auf, die keiner mehr haben will und sucht dann einen neuen Menschen für die. Letztens waren's sogar 113 Ratten. Einige von denen sind sogar zu den kleinen Menschen aus der Schule gezogen. Sie haben uns letztens erzählt, dass es dort auch so lustig ist, wie bei uns. Ich glaub' die haben ein tolles Zuhause erwischt.

So, nun wünschen wir euch auch viel Spaß mit euren großen und kleinen Zweibeinern!

Liebe Grüße
Die Wiener Ratzenbande