Interessante Aufschlüsse
über die militärische und politische Organisation der Jivaro in der
Zeit knapp nach der Conquista liefert der große Jivaro-Aufstand von 1599
gegen die Goldzentren Sevilla de Oro am Rio Upano, Logrono am Zusammenfluss
von Paute und Zamora, sowie Huamboya. Trotz des von Salinas kritisierten Partikularismus,
der Aufsplitterung in kleine und kleinste politische Einheiten, war es offenbar
in Krisensituationen wie jener von 1599, als von den Encomienderos anlässlich
der Krönung Philipp III. eine zusätzliche Abgabe verlangt wurde und
diese daher die Goldtributleistungen ihrer Dienstindianer auf ein unerträgliches
Maß erhöhten, möglich, eine außerordentlich schlagkräftige
Allianz auf regionaler Basis zu bilden. Nach Velasco soll ein Häuptling
namens Quiruba ein Bündnis der Jivaro der betroffenen Gebiete an den Flüssen
Paute, Upano und Zamora mit jenen des Rio Morona zustande gebracht haben, in
das auch die macas und Huanboyas einbezogen wurden, die dann allerdings an den
Kampfhandlungen nicht teilnahmen.
Die Stärke der Truppe, die Logrono überfiel, ist mit 20.000 Kriegern
angegeben, eine unwahrscheinlich hohe Zahl, nach der man auf eine Gesamtpopulation
des doch recht begrenzten Gebietes von über 100.000 Einwohnern schließen
müsste, wenn man von rezenten demographischen Daten ausgeht. Eine Erklärungsmöglichkeit
bietet Costelos, der berichtet, dass an der Revolte nicht nur Jivaro beteiligt
gewesen seien, sondern auch als "mitimaes" in den Goldminen der Region
beschäftigte Hochlandindianer. Er erwähnt auch nicht nur einen Anführer,
sondern deren vier, nämlich außer Quiruba noch Pincho, Chimbo Palacali.
Ob es sich bei letzteren um Gleichgestellte oder um Unterführer handelt,
geht aus dem Text leider nicht hervor; ebensowenig ist zu erkennen, ob sich
nicht auch Anführer der Minenarbeiter darunter befanden.
Bemerkenswert ist die strategische Planung des Feldzugs sowie der Aufbau des
Kommunikationssystems und die genau aufeinander abgestimmten Truppenbewegungen:
die Planung erfolgt unter absoluter Geheimhaltung, jeder der drei Stämme
erhält ein Ziel zugewiesen; um Mitternacht soll gegen Sevilla, Logrono
und Huamboya gleichzeitig vorgegangen werden. Der Überraschungsangriff
gelingt im Fall Logrono, die Stadt wird eingeschlossen, ein Teil der Jivaro
nimmt zuerst die Kaserne ein und verhindert das Eingreifen der Soldaten; dann
stürmt die Hauptmacht den Gouverneurssitz. Quiruba erfährt noch am
Vormittag - als Logrono schon erobert ist - von dem Fehlschlag der Unternehmen
gegen die beiden anderen Städte, und rückt sofort mit seinen Leuten
auf Sevilla de Oro vor, wo sie vor der Stadt bereits auf die gewarnten Spanier
treffen und diese zum Rückzug in die Siedlung zwingen, deren Gebäude
sie dann in Brand stecken. Velasco gibt die Verlustziffern der Spanier mit insgesamt
30.000 an, was wohl etwas hoch gegriffen sein dürfte.
Nach
diesen Erfolgen blieb die Revolte nicht auf das Einzugsgebiet des oberen Santiago
beschränkt, die Jivaro sollen auch die benachbarten Provinzen von Yaguarzongo,
Jaen, Loja und Quijos zerstört haben, ja die Verschwörung soll sogar
bis Popayan (heute Kolumbien) gereicht haben.
Überlebende aus den zerstörten Städten, vor allem aus Sevilla
de Oro, ziehen sich an den oberen Upano zurück und gründen dort Macas,
das bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die einzige dauerhafte Siedlung der Jivaro
(Shuar) bleiben sollte. Ansonsten bleibt der Einfluss der Spanier des oberen
Santiago und oberen Morona in den nächste 250 Jahren auf mäßig
erfolgreiche Strafexpeditionen und Missionierungsversuche beschränkt.
Die Kolonialisierungsaktivitäten verlagern sich in der Folge nach Süden
und Südosten, an den unteren Santiago und den oberen und mittleren Maranon
samt Nebenflüssen. Aber auch dort sind die spanischen Siedlungen nicht
vor Überfällen sicher. 1616 kommt eine Kanuflotille den Pongo de Manseriche
herauf und greift Santiago an. Dieses Ereignis bewirkt, dass der Corregidor
von Bracamoros und Yaguarzongo, Diego Vaca de Vega, 1619 schließlich von
Vizekönig Francisco de Borja die schon lange angeforderte Erlaubnis erhält,
das Land der Maynas unterhalb des Pongo zu erobern. Im Zuge dieses Unternehmens
fährt er auch den Rio Pastaza hinauf und erkundet den Lago Rimachi (Rimachuma).
Knapp unterhalb der Stromschnellen gründet er San Francisco de Borja, die
erste Stadt in der Montana Baja, dem eigentlichen Amazonastiefland.
Bei seiner Rückkehr wird Vaca "auf zwei Leben" zum Gouverneur
von Maynas ernannt, einer neu eingerichteten Provinz, die sich vom Pongo an
beiderseits des Maranon 200 leguas (1067 km) nach Osten erstreckt.
24 vecinos der Hauptstadt Borja wurden encomiendas über Indianersiedlungen
entlang des Rio Maranon sowie über ein Dorf am Rio Pastaza erteilt. In
Ermangelung von Gold wurden Tribute in Form von Baumwolle, Cacao und Tabak eingezogen.