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Borderline-Syndrom / Leben zwischen
Schwarz und Weiß
- Der persönlichkeitsgestörte Mensch lebt in
einer permanenten inneren Widersprüchlichkeit, er ist ein
Zerrissener zwischen einer schwarzen und weißen, einer
absolut bösen und einer absolut guten Welt. Er kennt keine
Zwischentöne. Er kennt nur das Entweder/Oder. Und dieses
Erleben betrifft ihn selbst wie seine Umwelt.
So wertet
er sich selbst wie auch seine Angehörigen, Freunde und
Partner abwechselnd völlig ab, um sie gleich darauf wider
maßlos zu idealisieren.
Seine Umwelt ist diesem Wechselbad von heftigen Affekten,
Emotionen und "Launen" hilflos ausgeliefert, denn die
Reaktionen des Patienten sind kaum je voraus berechenbar und
abzusehen.
Persönlichkeitsgestörte Menschen zerstören immer wieder
sowohl sich selbst wie auch jene, die ihnen nahestehen.
- Wie fühlt sich ein Mensch der mit einer
Persönlichkeitsstörung lebt?
- Das Leben mit unsicherer Identität
Er lebt mit einer unsicheren, weil falschen Identität.
Könnte er selbst Worte für diesen Zustand finden, würde er
von sich selbst sagen: "Ich weiß nicht was ich fühle, ich
weiß nicht wer ich bin." So ist er gleichsam gezwungen sich
seine Identitäten zu borgen, nur um der unerträglichen Angst
und Verunsicherung zu entgehen.
- Es fehlt die Kontinuität des Seins
Wer sich selbst nicht halbwegs realistisch einschätzen kann,
der kann auch andere Menschen nicht realistisch einschätzen.
Er ist nicht imstande, diese zu sehen, wie sie wirklich sind
- mit allen ihren Stärken und Schwächen-, sonder er sieht in
ihnen entweder abgehobene Idealgestalten oder bedrohliche
Angreifer, gegen die er sich dann impulsiv und zerstörerisch
wehren muss. Und auch sich selbst sieht er einmal als
grandios, dann wieder als minderwertig, hässlich und
schlecht. Die Grautöne zwischen diesem Schwarz/Weiß, das
verbindende Mittelstück zwischen Entweder/Oder hat er nie
gefunden. Er kann weder sich noch andere als vollständige
Person wahrnehmen, sondern erlebt einen Teil als das Ganze,
und dieses Ganze ist immer ein anderes. Man spricht in
diesem Fall von Spaltung, dem frühestens Abwehrmechanismus
(Schutzverhalten) der Kindheit.
- Das Dilemma von Nähe und Distanz
Wer ständig Angst hat und sich unsicher fühlt, sucht
gleichzeitig immer auch eine Partner/eine Partnerin, der/die
ihn positiv spiegelt, im Halt gibt, ihn umsorgt und ihm
damit zeigt, dass er liebenswert ist. Kommt ihm dieser
Partner aber zu nahe, dann fühlt er sich schnell von dieser
Nähe bedroht und fürchtet sich, von diesem anderen
vereinnahmt und verschlungen zu werden, und dadurch den
letzten Rest der mühsam aufrecht erhaltenen Identität zu
verlieren.
Sobald er aber wiederum den Menschen, den er ja so sehr
bracht, zurückgestoßen hat, steigt die Angst vor dem
Alleinsein, die Angst vor dem Verlassenwerden. Und sofort "kppt"
das Spiel wieder um und neuerlich wird Nähe gesucht. Und es
ist dies dann nicht nur einfach eine Angst vor dem
Verlassenwerden, sondern die Angst davor, der andere könnte,
wenn er nicht mehr anwesend ist, "tot" sein. Betroffene
berichten, dass sie sich in solchen Schrecksituationen nicht
einmal mehr das Bild (Gesicht, Stimme ...) dieser Menschen
in Erinnerung rufen können. Er ist also dann, tatsächlich
gänzlich "verschwunden".
Könnte der Patient über diesen Teufelskreis reflektieren,
würde er sagen: "Ich kann ohne dich nicht leben, aber mit
dir kann ich auch nicht leben; ich hasse dich, weil ich so
sehr von dir abhängig bin, aber bitte verlass mich nicht!"
So schwankt er ständig zwischen Idealisierung und Abwertung
seines Gegenübers, zwischen klammernder Anhänglichkeit und
kühler Distanz.
Um diesem Dilemma zu entfliehen, beginnt er nach und nach
seine Angehörigen aber auch Ärzte und Therapeuten zu
manipulieren. Er appelliert an sie mit Selbstmorddrohungen
und -versuchen, er schreit gleichsam um Hilfe, indem er
seine Hilflosigkeit durch Selbstbestrafung und irrealer
Handlungsweisen anschaulich macht, und er übt Gewalt auf die
aus, indem er sie mit aggressiven Worten und Handlungen
abwertet und unter Druck setzt. Das alles macht den Eindruck
einer "Inszenierung".
Vielleicht würde er dazu sagen: "Solange andere sich nach
mir richten, bin ich noch eine Person und lebe". Die
Manipulation der anderen bewahrt den Patienten davor, selbst
"ertappt" zu werden, den tief in seinem Inneren leidet er
sehr wohl darunter, dass er den anderen immer etwas
vormachen muss.
- Todesangst
Das Alleinsein ist eine existentielle Bedrohung für den
Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung. Da er über kein
eigenes, stabiles Selbst verfügt und da er sich nicht an den
eigenen Gefühlen orientieren kann, ist die Gefahr sich zu
verlieren ständig präsent. Sich verlieren heißt in seinem
Fall: nicht mehr zu sein, ja tot zu sein. Denn sich nicht
spüren zu können, nur die innere Leere und Isolation
wahrnehmen zu müssen, rückt ihn an den Rand des
existentiellen Abgrundes. Er fürchtet, aus der Realität
herauszufallen, sich aufzulösen und seine Existenz zu
verlieren.
- Die innere Leere
ist eine permanente Quelle der Angst, die den Betroffenen
dazu bringt, rastlos von einer Aktivität zur anderen zu
rasen, von einer Beziehung in die andere, nur um diesem
Gefühl zu entgehen. Drogen oder Alkohol können ebenso
betäuben wie beispielweise das exzessive Ausleben von
Sexualität. Oft wird diese innere Leere, dieses
Sich-Nicht-Spüren-Können durch Selbstverletzungen und andere
autoaggressive Akte gewaltsam zu gedeckt.
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