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02–04: TSUNAMI
Die Jahre 02 bis 04 bringen den Euro und die Pensionsreform, Eurofighter und
EU-Erweiterung, Hochwasser und Tsunami, kein Nulldefizit und eine FPÖ-Versammlung
in Knittelfeld.
Der letzte Teil der Augustin-Gedankenjahr-Serie fängt mit der Euro-Einführung
im Jahr 2002 an. Für diejenigen, die nicht mehr umrechnen: 1 Euro waren
einmal 13,7603 Schilling. – In Schilling hätte etwa die aus Mitteln
der Industriellenvereinigung finanzierte Herstellung der Homepage www.karlheinzgrasser.at
3,894.164,90 gekostet.
2002 war der Begriff „NULLDEFIZIT“ in aller Munde. 2001 noch
erreicht und von den Grazer Germanisten zum Wort des Jahres gewählt („seine
besondere sprachliche Qualität besteht in seiner spezifischen Mehrdeutigkeit
– kein Defizit = keine Schulden –, die unausgesprochen zur Annahme
verleitet, der österreichische Staat hätte keine Schulden mehr. In
Wirklichkeit sind lediglich keine neuen Schulden zu den schon vorhandenen hinzugekommen"),
wird das nächste für ungefähr 2010 versprochen.
2003 beschließt die Regierung, zur Luftraumverteidigung EUROFIGHTER
anzuschaffen: ab 2007 bekommt Österreich 18 Stück zu einem Gesamtpreis
von knapp zwei Milliarden Euro (ca. 27,5 Mrd. Schilling), die in den darauf
folgenden neun Jahren abgezahlt werden sollen.
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2007 wird sich der Durchrechnungszeitraum für Pensionen auf 19 Jahre erhöht
haben (bis 2003 waren’s 15), 2027 wird er 40 Jahre betragen. Das ist eine
der Folgen der PENSIONSREFORM von 2003, mit der auch eine Abschaffung
der vorzeitigen Alterspension einhergeht. – Dies führt zu einer für
Österreichische Verhältnisse großen STREIKBEWEGUNG: Am
ersten Streik (6. Mai 03) nehmen etwa eine halbe Million teil, an einer Großdemonstration
am 13. Mai 200.000 Menschen und einem zweiten Streiktag (3. Juni) etwa eine
Million Beschäftigte.
Ein Resultat dieser Bewegung ist eine kleine Änderung, die zumindest vorläufig
bewirkt, dass die Verluste durch die Reform mit 10% begrenzt werden. Ohne diese
Deckelung wären die Pensionen bei bis zu 40 Versicherungsjahren um durchschnittlich
38% und bei 45 Versicherungsjahren um 27% vermindert worden. (Diese Deckelung
kann jedoch durch eine einfache Mehrheit im Parlament jederzeit gestrichen werden.)
2003 streiken auch die EisenbahnerInnen gegen die geplante Reform der ÖBB,
die eine Aufteilung Bundesbahnen in vier Aktiengesellschaften und fünf
Gesellschaften mit beschränkter Haftung umfasst. Das dazugehörige
neue Dienstrecht sieht eine Lockerung des Kündigungsschutzes, eine massive
Kürzung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, ein Einfrieren von Gehaltsvorrückungen
und das Verleasen von EisenbahnerInnen an andere Unternehmen im Rahmen einer
neu zu gründenden Personalmanagement-Gesellschaft vor. Nach knapp 77 Stunden
Streik werden die Verhandlungen wieder aufgenommen. (Derzeit unternimmt Verkehrsminister
Hubert Gorbach – jetzt BZÖ – wieder einen Anlauf für ein
neues ÖBB-Dienstrecht.)
Auch die Innenpolitik ist turbulent: Nach dem Hochwasser von 02 mit geschätzten
Verlusten in der Höhe von 7,5 Mrd. Euro (etwa 103 Mrd. Schilling) will
die ÖVP-FPÖ-Regierung die für das Jahr 2003 geplanten Steuersenkungen
verschieben. Das einfache Parteimitglied Jörg Haider ist gegen diesen Entschluss,
Volksanwalt Ewald Stadler sammelt Unterschriften für einen Sonderparteitag,
Haider lädt statt dessen zu einer Versammlung nach KNITTELFELD.
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Dafür erarbeitet er mit Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer eine Resolution
(gegen Steuersenkung, für Abfangjägerkauf und EU-Erweiterung), die
bei der Versammlung am 7.9. vom Kärntner FP-Geschäftsführer Kurt
Scheuch öffentlich zerrissen wird. Verteidigungsminister Herbert Scheibner
präsentiert statt dessen einen „Kompromiss“ (für Steuersenkung,
gegen Abfangjägerkauf und EU-Erweiterung), der angenommen wird. Am 8. geben
Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Klubobmann Peter Westenthaler
ihren Rückzug aus der Regierung bekannt, am 9. ruft Bundeskanzler Schüssel
NEUWAHLEN aus.
Nach langem Hin und Her übernimmt Haider die FPÖ doch nicht (angeblich
weil er von einem Unbekannten bedroht wurde), das tut kurzfristig Mathias Reichhold,
schließlich Sozialminister Herbert Haupt. Bei der Wahl wird die ÖVP
von 42% (1999: 27) gewählt, die FPÖ stürzt von 27 auf 10% ab.
Es folgt eine Ausschlusswelle von „Anti-Knittelfeldern“, Stadler
gründet den „Klub der Freunde des Jörg Haider“, bei den
Koalistionsverhandlungen ist die FPÖ gegen Steuersenkung, für Abfangjägerkauf
und EU-Erweiterung. Es kommt zum KABINETT SCHÜSSEL II.
Mit 1. Mai 2004 wird die EU um zehn Mitglieder VERGRÖSSERT:
die Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei,
Slowenien, Ungarn und Zypern. Es ist die mit knapp 80 Millionen neuen EinwohnerInnen
bisher größte Erweiterung der Europäischen Union, die auch der
Friedenssicherung dienen soll.
Im so genannten DRITTEN GOLFKRIEG marschieren Truppen der USA und verbündeter
Staaten im März 03 in den Irak ein, schlagen die irakische Armee, besetzen
das Land und stürzen Präsident Saddam Hussein. Die USA begründen
dies damit, dass der Irak im Besitz von Massenvernichtungswaffen sei und dass
Hussein terroristische Organisationen wie Al Qaida unterstützen würde.
(Beides konnte bis heute nicht bestätigt werden.)
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2003 resp. 2004 werden der österreichisch-amerikanische Bodybuilder und
Filmstar Arnold SCHWARZENEGGER zum Gouverneur von Kalifornien und Heinz
FISCHER zum Bundespräsidenten gewählt (die unterlegene Konkurrentin
Benita Ferrero-Waldner wird in der Folge EU-Kommissarin).
Kurz vor Ende seiner zweiten Amtszeit war Thomas Klestil verstorben. Zu weiteren
TOTEN der Jahre 02 bis 04 gehören der für Toleranz und Dialog
stehende Kardinal Franz König, „Opernführer“ Marcel Prawy
und Billy Wilder (der wegen seiner jüdischen Abstammung in die USA emigrierte
Drehbuchautor und Regisseur u.a. von „Manche mögen’s heiß“,
„Das Appartment“ und „Extrablatt“ wurde mehrfach mit
dem Oscar ausgezeichnet).
2004 erhält Elfriede JELINEK den Literatur-Nobelpreis für „den
musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die
mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende
Macht der sozialen Klischees enthüllen“.
2003 FÄLLT das RUNDFUNKMONOPOL und ATV+ nimmt seinen Sendebetrieb
auf, im Jahr davor wird Monika Lindner ORF-Generaldirektorin. 2002 wird „Starmania“
produziert, aus dem finalen Voting der ersten Staffel geht CHRISTINA STÜRMER
als Zweite hervor (und weil das hier unterschlagen wurde: 2000 und 01 lief die
Reality-Soap „Taxi Orange“).
Ansonsten wird Österreich ein Jahr nach dem oben erwähnten katastrophalen
Hochwasser von einem Hitzesommer heimgesucht. Und die Welt erschaudert Ende
2004 vor jenem TSUNAMI, der nach einem Seebeben im Indischen Ozean geschätzte
200.000 Tote und 100.000 Verletzte fordert und 1,7 Millionen Menschen obdachlos
macht.
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Quellen:
80 Jahre Radio – http://oe1.orf.at/highlights/17754.html
Projekt Österreichisches Deutsch – http://www-oedt.kfunigraz.ac.at/
ATTAC-Rundbrief Sand im Getriebe #29 (Mag. David Mum), 2004
Wikipedia
– http://de.wikipedia.org,
2001 ff
Ende der Serie
© Augustin 2005
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