Gottesanbeterin

ER und SIE, einander nähernd, entweder Er ihr oder SIE
ihm oder beide gleichzeitig oder hintereinander sich mit
den Mundwerkzeugen um den Hals fallend, beinahe mit den entweder
gleichzeitig oder hintereinander oder auch
öfter oder auch nur einmal mit den folgenden Sätzen
halsabschnürend einander die Köpfe in den Himmel hinaufwürgend
oder dergleichen.

SIE oder ER
(zu ihm oder zu ihr) Leider muss ich Ihnen jetzt gleich Ihren
Kopf abbeißen, wissen Sie, aber haben Sie keine Angst,
es wird Ihnen nämlich gar nicht wehtun, und so halten
Sie bitte einfach still!

ER oder SIE
(zu ihr oder zu ihm) Ja ja, Sie haben wirklich ganz recht,
denn tatsächlich bemerke ich nun, - dass mir gerade
soeben er Kopf abgebissen wurde - Sie haben ganz
recht, dann das ist abenteuerlich und wunderschön, und
es wird auch wohl für alles weitere weiterhin noch
immer das Wunderschönste gewesen sein, immer noch,
das ich nämlich noch immer erlebe!

Am Erdboden darunter. Zwei mit Fernrohr.

ERSTER BEOBACHTER
Das darf doch nicht wahr sein: Am Himmel da oben, da sitzt ein
Mann auf einem Bett und liest und schreibt in
ein Heft und schwebt einfach über unseren Köpfen
vorüber. Ich glaube, ich sehe wohl nicht recht, schau,
bitte, einmal du!

ZWEITER BEOBACHTER
Ich sehe nichts. Doch, jetzt taucht er wieder auf, das ist
ja wirklich unglaublich, was sich die Leute heutzutage
erlauben. Schwebt da am offenen, freien Himmel über
unsere Köpfe hinweg und erreicht jetzt diesen Tagmond
da drüben, in dem er sich wohl gemütlich einzurichten
gedenkt. Schau!

ERSTER BEOBACHTER
Ja, er erreicht den Tagmond schon und sitzt noch immer
einfach am Bett und liest und schreibt und fährt in den
Tagmond ein wie in einen Yachthafen da oben..... nein!
Das hat er jetzt davon, der Tagmond hat ihn wie zur
Strafe verschluckt. Das wars dann wohl.

 

Das Zimmer

Ich halte es in diesem Haus nicht mehr aus.
Ich bin nur das Zimmer.
Eigentlich bin ich gar nicht da.
Dauernd werden mir unerträgliche, anmaßende
und rücksichtslose Leute zugewiesen, die mich unerträglich
lange bewohnen dürfen. Habe ich zwischendurch
manachmal Glück mit einem angenehmeren, bescheidenen
und schonend mich bewohnenden Menschen, bleibt
er meist ganz kurz nur, muss bald schon wieder aus mir
hinaus, meist weil er eie überraschend erhöhte Miete
nicht mehr bezahlen kann.
Soeben war ich leider wieder einmal gezwungen, einen
völlig unausstehlichen Einwohner, der derart unzumutbar
lange mich schon bewohnte, dass es einfach nicht
mehr auszuhalten war und ich beinah Mörtelputzend aus
meinen Mauern gefahren wäre, aus dem von ihm selbst zuvor
geöffneten Fenster so lange hausauswärts zu drücken,
bis seine Konturen ganz verschwommen in den blauen
Wellen des kleinen Himmelsteiches draußen verblaßt,
verraucht, verdunstet waren.
Es ist zum Aufatmen. Jetzt bin ich endlich, wenn auch
viel zu kurz wohl nur, wieder frei!

Gert Jonke
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Textauszüge stammen aus dem Buch:
INSEKTARIUM
2001 Jung & Jung Verlag, Salzburg
ISBN:3-902144-03-3

IN MEMORIAM

Mit Bestürzung und tiefer Trauer musste ich zur Kenntnis nehmen, dass am 4. Jänner 2009, der Autor, Kollege und Freund Gert Jonke im Alter von 62 Jahren seinem schweren Krebsleiden im AKH Wien erlegen ist.

Lieber Gert, danke dass ich dich kennelernen durfte, du hinterläßt als Mensch und in der Literatur ein riesiges Loch.