Überlegungen zum
österreichischen Deutsch und zur österreichische Identität
© H-D. Pohl 1999 (2016)
Erschienen in: Kärntner Jahrbuch für Politik 1999 (S. 71-103) [geringfügig
überarbeitet]
(= SchriftenVerzeichnis
Nr. 198)
Aktualisierung vorgesehen
In meinen später erschienenen Beiträgen zum österreichischen Deutsch
habe ich mich zur Frage der österreichischen Identität nicht mehr näher
geäußert, zu 3- 6 siehe die aktuelleren unter OesterrDeutsch.htm zitierten Publikationen (v.a. Pohl_OeDt_KBS.pdf), zur Sprache der österreichischen Küche
Kueche1.htm
Inhalt:
1. Österreichische
Nation und österreichische Identität. – 2.
Über das „Nicht-Deutsch-Sein“ bzw. „Nie-Deutsch-Gewesen-Sein“ der
Österreicher. – 3. Mythen und
Tatsachen über das österreichische Deutsch. – 4. Zur Diskussion um das österreichische Deutsch. – 5. Die Eingebundenheit Österreichs in den
deutschen Sprachraum. – 6. Thesen
zum österreichischen Deutsch. – 7. Ausblick. – Fußnoten des
Originals blau in den Text
eingefügt.
„Was den Österreicher vom Deutschen
trennt,
ist die gemeinsame Sprache.“
Weit verbreitete und häufig kolportierte
Ansicht in Österreich, die vielfach Karl Kraus
zugeschrieben wird
(vgl. u.a. Holzheimer 1997:139, Wodak 1994:26 u. Holzer 1995:160, 2005:165),
aber auf Karl Farkas zurückgeht, der George Bernhard Shaws Ausspruch
„England and America are two countries divided by a common language“
auf Österreich und Deutschland umgemünzt
und nachweislich in seinen
Kabarett-Programmen verwendet hat (vgl. Sedlaczek
2004:17)
1. In den
letzten Jahren – nicht erst seit dem EU-Beitritt Österreichs – wurde die Frage
nach der österreichischen Identität immer wieder neu gestellt. Etwa seit der
Zeit, in der die deutsche Wiedervereinigung Realität wurde, gibt es in
Österreich Diskussionen darüber, wie „deutsch“ Österreich ist, was auch in
mehreren Buchtiteln von Neuerscheinungen zum Ausdruck kommt, wie z.B. (eher
sachlich) „Zur österreichischen
Identität. Zwischen deutscher Vereinigung und Mitteleuropa“ (Pelinka 1990) oder
(eher provozierend) „Österreich und Deutschlands
Größe. Ein schlampiges Verhältnis“ (Rathkolb u.a. 1990)
sowie (vom Titel her neutral, im Inhalt aber emotional [nach
Bruckmüller 1996:59 „gescheit und
temperamentvoll“ (s. folg. Anm.)]) „Verfreundete Nachbarn. Österreich – Deutschland. Ein Verhältnis“ ( Holzer
1995. – Mit Wissenschaft hat dieses
Buch von allen genannten am wenigsten zu tun. Viele Aussagen sind entweder
unrichtig oder „halbe Wahrheiten“ (vgl. 3).
Diesem (sehr persönlichen, sicher lesenswerten und zum Nachdenken anregenden)
Buch ist eine übertriebene Aufmerksamkeit geschenkt worden, wenn es im Österreich Lexikon unter dem Stichwort Deutschland – Österreich (Bd. I, S.
215-217) als einziger (sic!)
Literaturhinweis genannt wird.). Auch der Begriff der
„österreichischen Nation“ ist wieder des öfteren Gegenstand sehr emotional geführter
Diskussionen – nicht erst, als ein österreichischer Politiker von einer
„ideologischen Missgeburt“ sprach (FP-Obmann Jörg Haider
im ORF (Inlandsreport, 18.8.1988). Eine solche Formulierung ist grundsätzlich abzulehnen. Man sollte
aber versuchen, sie in einem größeren Zusammenhang zu sehen: Haider wollte damit in erster Linie auf
den von einem Teil der Theoretiker der Österreichischen Nation betriebenen
ideologischen Bruch in der gemeinsamen deutschen Geschichte anspielen (genauer
Wortlaut in DÖW 1993:373, vgl. auch 2),
wobei er allerdings übersieht, dass die Neukonstituierung der Österreichischen
Nation sicher keine „ideologische Konstruktion“ oder „Erfindung“ war, sondern
die einzig logische Folge der Ereignisse 1938-1945), was
wiederum Artikel wie „Geburtsstunde der
Mißgeburt – Die Wurzeln des österreichischen Pangermanismus – wie deutsch ist
Österreich?“ (Th.
Pluch, „Wiener Zeitung“ 9.3.1990)
evozierte, in denen die „Mischvolk“- bzw. „Schmelztiegel“-Theorie (dazu vgl. 2) mit
dem Wiener Telefonbuch als Kronzeugen bemüht wird. Wenn es um die
österreichische Identität bzw. Nation geht, sollte man sich emotionslos unter
Hintanstellung persönlicher ideologieträchtiger Vorurteile diesen
Begrifflichkeiten nähern, um jede Einseitigkeit zu vermeiden, denn weder die
Überbetonung des deutschen noch die des nicht-deutschen Elements – obwohl beide
konstitutiv sind – bringt uns einer Lösung näher. Wissenschaftlich
beleuchtet dieses Problem der Wiener Historiker Ernst Bruckmüller in seiner Monographie „Nation Österreich – Kulturelles Bewußtsein und
gesellschaftlich-politische Prozesse“ (Bruckmüller 1996); dieses Buch
ist geschichtswissenschaftlich eines der besten zum Thema, soweit ich dies
beurteilen kann, doch es weist auch Defizite auf (auf diese wird im Laufe meiner
Abhandlung hingewiesen, vgl. 2).
Die
Existenz einer „österreichischen Nation“ ist heute ein Faktum, an dem nicht zu
zweifeln ist. Der Hundertsatz von Österreichern, die sich als eigene Nation
verstehen, ist zwischen 1956 und 1989 von an die 50% auf fast 80% gestiegen
(aber 1990 leicht abgesunken); während der Anteil der „Gegner“ von über 45% auf
rund 6% gefallen ist, wozu noch eine Gruppe kommt, die zumindest den Beginn
eines österreichischen Nationalbewusstseins wahrnimmt (seit 1970 kontinuierlich
unter 20%, allerdings mit Schwankungen [Angaben nach Pelinka
1990:17; nach Bruckmüller 1996:65-70
lehnten 1987 nur 5% bzw. 1993 nur 6% eine eigenständige österreichische Nation
ab. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass selbst 77% der FPÖ-Sympathisanten 1987
bzw. 71% 1993 der Meinung waren, Österreich sei eine Nation (nur 7%, also nicht
signifikant mehr als der Durchschnitt, meinten 1987 keine eigene Nation zu
sein, 1993 aber doch immerhin 13%). Bei den anderen Parteien lag 1987 die
Zustimmung zwischen 73% und 82%, die Ablehnung zwischen 3% und 6%. Der
„Staatsnation“ wurde dabei mit 73-81% der Vorrang gegeben, gegenüber
„Sprachnation“ mit nur 18-22% – Indikator dafür, dass das Bewusstsein in
Österreich, einerseits „deutschsprachig“ zu sein, andererseits ein anderes
Deutsch zu sprechen als in den meisten deutschen Bundesländern, zumindest keine
sehr große Rolle spielt (wie dies auch De
Cillia 1995b:11f.
feststellt, auch in späteren Arbeiten). – Bemerkenswert erscheinen mir die
Daten des österreichischen Nationalstolzes, immerhin waren 1993 – aus welchen
Gründen auch immer – 61% „sehr stolz“, Österreicher zu sein, was nur von den
Amerikanern (USA) mit 87% übertroffen und den Engländern (Großbritannien) mit
58% fast erreicht wird, während sich die Franzosen mit 42%, die Schweiz mit 31% und Deutschland
mit gar nur 21% begnügen müssen (Angaben nach Bruckmüller
1996:69f.)]).
Ein Ergebnis übrigens, mit dem man zufrieden sein kann und welches mehrere
Interpretationen zulässt, deren schwerstwiegende der Umstand ist, dass die
überwältigende Mehrheit der Österreicher sich zu dem Staat bekennt, in dem sie
lebt, wobei mit dieser Feststellung die Frage nach der österreichischen
Identität noch nicht beantwortet ist. Bevor wir uns dieser zuwenden, wollen wir
uns die Frage stellen, wie die Nation, die die österreichische ist, zu
definieren ist. Hier wollen wir einen Blick in Benedict Anderson „Die Erfindung
der Nation – Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts“, den „Klassiker“ zum
Thema werfen. Er sagt zunächst, begrifflich sei der „Nationalismus“ nicht wie
„Liberalismus“ oder „Faschismus“ zu betrachten, sondern wie „Verwandtschaft“
oder „Religion“ und definiert die Nation dann
(Anderson
1998:14-16):
„Sie ist eine vorgestellte politische
Gemeinschaft – vorgestellt als begrenzt und souverän.“
„Vorgestellt“
sei sie deswegen, weil ihre Mitglieder die meisten anderen zwar nicht kennen,
aber dennoch existiere im Kopf eines jeden die Vorstellung von ihrer
Gemeinschaft, „begrenzt“ ist sie, da es einerseits sehr viele davon gibt und
andererseits sich keine Nation mit der
ganzen Menschheit gleichsetzt, „souverän“ ist sie, da Maßstab und Symbol der
nationalen Freiheit der souveräne Staat ist, und eine „Gemeinschaft“ ist sie,
da sie als kameradschaftlicher Verbund von Gleichen verstanden wird. Dies
wollen wir nun versuchen, mit dem allgemeinen Sprachgebrauch in Beziehung zu
bringen. Hier ist zunächst festzuhalten, dass laut „Deutschem
Universalwörterbuch“ (Dudenverlag,
Mannheim-Wien-Zürich 1989:1063, gleichlautend in der neuesten Auflage) eine
Nation eine „große, meist geschlossen siedelnde Gemeinschaft von Menschen mit
gleicher Abstammung, Geschichte, Sprache, Kultur, die ein politisches
Staatswesen bilden“ repräsentiert. In Wahrigs
Fremdwörterlexikon (München,
Bertelsmann 1983:496) kommt noch der bemerkenswerte Zusatz „bewusst
oder gewollt geformte politische Gemeinschaft“ hinzu. Entscheidend ist also
der gemeinsame Wille, dass alle (oder zumindest die überwältigende Mehrheit
der) Österreicher in einem unabhängigen Staat leben wollen, also eine
„Willensnation“ bilden (Bruckmann 1989:145), die als „eine mit dem Heimatgedanken eng verknüpfte,
unkomplizierte, positive Staatsgesinnung, unterstützt durch politischen
Realismus, erstarkt und... gefestigt“ zu betrachten ist (Zöllner
1988:96).
Auf
das moderne Österreich bezogen, ist Andersons
Definition der Nation leicht anzuwenden: „vorgestellt“ als Staat mit eigener
staatlicher Tradition, der von der „Gemeinschaft“ seiner Staatsbürger als „souverän“
und „begrenzt“ – relativ zum gesamten deutschen Sprachraum – gesehen wird. Dies
steht nicht zwangsläufig in Widerspruch mit dem Begriff der „Kulturnation“,
deren Verfechter meist jedoch die „Sprachnation“ meinen (vgl. Bruckmüller
1996:314f., mit (sprachwissenschaftlich
gesehen) problematischen Aussagen, vgl. 2).
Dieser letztlich auf Herder
zurückgehende Nationsbegriff bedeutet „Volk gleicher Zunge, daher Volk gleicher
Kultur“, also sind alle Deutschsprachigen als Teil der deutschen Kulturnation
zu sehen. Diesen Gedanken wollte man im 19. Jhdt. auch politisch umsetzen,
nämlich um im Rahmen des „Deutschen Bundes“ einen deutschen Nationalstaat
(selbstverständlich unter Einschluss Österreichs, aber ohne die Schweiz, die
längst aus dem 1806 erloschenen Römisch-Deutschen Kaiserreich ausgeschieden
war) zu begründen. Die Verwirklichung dieser Idee scheiterte am
unüberbrückbaren Gegensatz zwischen den beiden deutschen Großmächten Österreich
und Preußen. 1866 bedeutete das Hinausdrängen Österreichs aus dem Deutschen
Bund und die Weichenstellung für die weitere Entwicklung. 1871 wurde dann der
deutsche Nationalstaat als „Deutsches Reich“ gegründet – ohne Österreich. Für
Österreich bedeutete dies den Beginn einer eigenständigen Entwicklung,
allerdings nicht in dem Sinne, dass man (sich) nicht mehr „deutsch“ fühlte,
sondern dass man sich gegenüber den Preußen sogar als die besseren Deutschen
betrachtete (Zöllner 1988:88) und so blieb es bis 1938. Auch die führenden
Politiker der Ersten Republik bejahten durchaus die Zugehörigkeit der
(deutschsprachigen) Österreicher zum deutschen Volk (auch der Bundeskanzler
Kurt Schuschnigg sprach von einem
„freien und deutschen, unabhängigen und
sozialen, christlichen und einigen Österreich“), doch wenn man sich von
Deutschland politisch abgrenzte, bedeutete dies kein Absetzen vom Deutschtum,
sondern vom Preußentum, und ab 1933 vom Nationalsozialismus.
Die
Idee der politischen Vereinigung der österreichischen Deutschen mit dem Reich
blieb auch nach 1866/1871 lebendig, sie wurde aktualisiert 1918, aber durch die
Friedensverträge von Versailles und St. Germain vereitelt und erst unter den
denkbar ungünstigsten Voraussetzungen 1938 tatsächlich verwirklicht. Doch
gleichzeitig bedeutete dieses Jahr auch einen Wendepunkt: die Realität der
„Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“, wie man den
„Anschluss“ offiziell nannte, entsprach nicht den Träumen und Sehnsüchten des
„Restes“ der Österreich-Ungarischen Monarchie. Die Menschen wollten Arbeit,
Wohlstand und sicherlich auch Genugtuung für die als ungerecht empfundenen
Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg, jedoch keinen Krieg und schon gar
nicht die wahren Ziele des Nationalsozialismus. Und am allerwenigsten wollten
die Österreicher von Berlin oder Preußen aus regiert werden. So entwickelte
sich schon vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges so etwas wie ein
österreichisches Sonderbewusstsein, zumal der Name „Österreich“ aus dem
öffentlichen Leben verbannt wurde (Die Auslöschung des Namens Österreich durch die Nationalsozialisten ist von
den österreichischen Nazi übrigens nicht widerspruchslos hingenommen worden
(vgl. Zöllner 1988:81 und Anm.
178 mit Lit.) und ist wohl u.a. (neben Adolf
Hitlers gestörtem persönlichen
Verhältnis zu Wien und Österreich) als Nachspiel zur Auseinandersetzung
zwischen Österreich und Preußen um die Vorherrschaft in Deutschland zu sehen,
die zwar bekanntlich seit 1866 entschieden war, doch im totalitären „Dritten Reich“ sollte mit der
Bezeichnung Ostmark jede Erinnerung an Österreichs essentiellen Anteil
an der deutschen Geschichte so weit wie möglich
getilgt werden. Für ein Kernland des alten (modern ausgedrückt: föderalistischen) „Reiches“ ist die
Bezeichnung „Ostmark“ onomastisch gesehen eine Demütigung und
Herabwürdigung, denn „die östlichen
Marken des hochmittelalterlichen Reiches waren sehr entwicklungsfähige Gebilde; das gilt für die Mark Österreich
ebenso wie für die Mark Brandenburg, die Keimzelle des preußischen, und die
Mark Meißen, jene des sächsischen Staatsgebildes“ (Zöllner 1988:16f.).
Ein Land – bereits Herzogtum seit 1156 unter den Babenbergern –, das die „Hausmacht“ der Habsburger war, die durch mehrere Jahrhunderte deutsche Könige
bzw. römische Kaiser stellten und zuletzt selbst „österreichische“ Kaiser
waren, im 20. Jhdt. zur Ostmark zu degradieren, zeugt vom gestörten
Geschichtsbild der Machthaber des Jahres 1938. – Dass nicht die Nazi allein in
der Ersten Republik ein Monopol auf diesen Begriff hatten, beweisen die 1930 in
Innsbruck als Gegengewicht zur Heimwehr gegründeten „Ostmärkischen
Sturmscharen“, deren „Reichsführer“ niemand geringerer als der spätere
Bundeskanzler Kurt Schuschnigg war (vgl. Österreich Lexikon II 164).).
Als
Österreich 1945 nach der Katastrophe wiedererstand, war die Abwendung von der
Anschlussidee im Denken der Mehrzahl der Österreicher bereits vollzogen, eine
Distanzierung vom Deutschtum ein politische Notwendigkeit (vgl. Zöllner 1988:93). Diese war allerdings oft skurril,
so wurde das Schulfach „Deutsch“ zur „Unterrichtssprache“, ein „Österreichisches
Wörterbuch“ trat an die Stelle der „Regeln für die deutsche Rechtschreibung
nebst Wörterverzeichnis“, und wenn es opportun war, wurden aus
nicht-österreichischen Deutschen Österreicher (z.B. Mozart und Beethoven)
und man verstand es hervorragend, die in die NS-Verbrechen involvierten
Österreicher „auszubürgern“. Man gefiel sich in der Rolle des „Opfers“, und
legte damit den Grundstein für spätere Auseinandersetzungen (z.B. die Waldheim-Diskussion). Jedenfalls ist
seit damals das Verhältnis Österreichs zu seiner deutschen Vergangenheit
gestört, was auch daran zu erkennen ist, dass deutschnational bzw. großdeutsch
gesinnte Österreicher, die das Jahr der „Machtergreifung“ und auch den „Anschluss“
gar nicht erlebt haben, posthum zu NS-Vorkämpfern erklärt wurden, wie z.B.
Ottokar Kernstock, der Schöpfer
der Bundeshymne der Ersten Republik. Aber auch denjenigen, die zwar zunächst
die Anschlussidee vertraten, aber sich später wieder distanzierten, und selbst
solche Personen, die sich mit den NS-Behörden überwarfen, hängt ihr Verhalten
als „Erbsünde“ nach; zwei große Kärntner seien hier genannt: Josef Friedrich Perkonig und Hans Steinacher.
Allzu
leichtfertig verbindet man in Österreich jedes deutsche Bekenntnis mit
negativen Implikationen mit „rechtsradikal“, „antiösterreichisch“, „undemokratisch“,
„neonazistisch“, „faschistisch“ usw. (nach Scheuringer
1993 Teil der österreichischen „Absetzungsstrategien“ vom Deutsch-Sein;
zuletzt auch als „rückwärtsgewandt“ bezeichnet, so unlängst die
ehemalige wissenschaftliche Leiterin des DÖW B. Bailer in ihrer Kritik am „Handbuch
freiheitlicher Politik“ unter: http://derstandard.at/2000047805924/Die-FPOe-und-ihr-Handbuch-fuer-Extremismus). Es
ist klar, dass eine politische deutsch(national)e Gesinnung in Österreich mit
unserem Nationsbegriff unvereinbar ist, aber sich als „Deutscher“ im Sinne der
„Kulturnation“ zu betrachten, muss in einem demokratisch-liberalen Rechtsstaat
ohne Sanktionen möglich sein – auch wenn das Konzept der „Kulturnation“ heute
als überholt zu betrachten ist (s.u.).
Damit kommen wir zum ersten Punkt der österreichischen Identität. Sie ist
historisch gewachsen und politisch gesehen keine
deutsche Identität, geprägt durch die Wiedererrichtung der Republik Österreich
nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ (1945) und durch den
Staatsvertrag von 1955. Im Werden dieser Identität spielte die österreichische Neutralität eine nicht zu
unterschätzende Rolle. Ein Teil dieser österreichischen Identität wurde auch
das Prinzip „small is beautiful“ (so auch Pelinka 1990:146ff.), in das Österreich im 20.
Jhdt. zunächst unfreiwilig, dann aber ganz bewusst hineingewachsen ist.
Übrigens, auch
die politische Identität der in Österreich lebenden Minderheiten, z.B. der
Kärntner Slowenen, ist eine „österreichische“ (vgl. dazu Bogataj 1989:370ff.), auch sie leben nach dem
Prinzip „small is beautiful“ (so Bogataj 1989:373). Beide, deutschsprachige Mehrheit
und slowenischsprachige Minderheit, leben in Kärnten im Spannungsfeld zwischen
politischer österreichischer Identität und dem größeren Raum der jeweiligen
Kulturnation. Doch die Identität eines Volkes, oder allgemeiner, einer
Gemeinschaft von Menschen, die einen Staat bilden, erschöpft sich nicht auf
politischer Ebene. Zwar ist diese der Endpunkt vielschichtiger historischer
Prozesse, die das politische Bewusstsein geprägt haben, das auch Veränderungen
unterliegen kann, wie dies das Beispiel unserer südlichen Nachbarn, der
Slowenen, zeigt. Zuerst Bekenntnis zum Habsburgischen Österreich, dann zu Jugoslawien
I und II, und schließlich Aufkommen eines neuen politischen Bewusstseins:
Ausstieg aus einer größeren politischen Einheit und nationale Unabhängigkeit –
ein weiterer Fall von „small is beautiful“.
Doch die ethnische Identität stand nie zur Diskussion: diese war immer
slowenisch – und von der Sprache her bestimmt. Damit ist die Sprache ein
weiteres, elementares identitätsstiftendes Merkmal, und es ist kein Zufall,
dass die Bezeichnungen für Sprachen oft älter sind als die der entsprechenden
Völker. So bedeutet „deutsch“ ursprünglich „zum eigenen Volk gehörig“, bezogen
auf die germanische Volkssprache im Ostfränkischen Reich im Gegensatz zur
romanischen im Westfränkischen Bereich. Da die deutschsprachigen Österreicher
aus den germanischen Stämmen der Alemannen und Baiern hervorgegangen sind, die
wiederum zu den „die Deutschen“ konstituierenden, auch jenseits der heutigen
Staatsgrenze verbreiteten Stämmen gehören, sind sie Teil der deutschen
Kulturnation im Herder’schen
Sinne, also ethnisch und sprachlich Deutsche, die politisch allerdings Österreicher
sind. Die Zugehörigkeit zur deutschen Kulturnation ist also das zweite
Standbein der österreichischen Identität. Würde man die österreichischen
Deutschen ethnisch als „Österreicher“ bezeichnen, schlösse man die
altösterreichischen Minderheiten aus dem Österreich-Begriff aus. Die Kärntner
Slowenen sind nämlich historisch und politisch ebenso Österreicher wie die
deutschen Kärntner, durch beider Siedlungs- und Sprachgebiete sind nach dem
Ersten Weltkrieg schmerzlich empfundene Grenzen gezogen worden, wobei Kärnten
ein Sonderfall war: die Grenzziehung wurde einer Volksabstimmung unterworfen;
immerhin hat auch ein großer Teil der Slowenen Kämtens (ca. 40%) dem Österreich-Gedanken,
repräsentiert durch ein ungeteiltes Bundesland, den Vorrang vor dem gemeinsamen
SHS-Staat gegeben.
Somit ist die österreichische
Identität der schweizerischen nicht unähnlich:
„Der Deutsch-Schweizer fühlt sich mit
derselben Selbstverständlichkeit als Schweizer, mit der wir uns als
Österreicher fühlen. Dennoch wird er sich mit derselben Selbstverständlichkeit
als Deutscher, im Herderschen Sinne, fühlen, als Angehöriger jenes Kulturkreises,
der einen Goethe, einen Gottfried Keller und einen Grillparzer hervorgebracht
hat. Es ist dies nicht einmal die Frage eines Bekenntnisses, sondern nur des
Bewußtseins einer simplen Tatsache. Für den Deutsch-Schweizer besteht darin
kein Gegensatz, kein Widerspruch, sondern es handelt sich für ihn einfach um
zwei unterschiedliche Ebenen“ (vgl. Bruckmann
1989:145).
Die Randlage
im deutschen Sprachgebiet und mannigfache kulturelle Beziehungen zu den Nachbarvölkern
sowie die in früheren Zeiten im Zuge der Eingliederung des heutigen
Sprachgebietes ins Ostfränkische Reich erfolgte Durchmischung mit der
vordeutschen Bevölkerung hat einen besonderen schweizerischen bzw. österreichischen
Typ im Rahmen der deutschen Kulturnation hervorgebracht, was mutatis mutandis
auch für den Rheinländer, den Brandenburger, den Sachsen usw. gilt. Aber der
„österreichische Mensch“ (dieser wurde schon in den 20er Jahren unseres Jhdts. kreiert (Scheuringer 1993), in erster Linie auf
der Wiener „Multikulturaltät“ aufbauend und den österreichischen Westen
vernachlässigend)
ist weder in seinen Lebensgewohnheiten noch in seiner Sprache einförmig, es
gibt ein deutliches Ost-/West- und Ost-/Südost-Gefälle. Man ist allzusehr
geneigt, was für Wien typisch ist, auf ganz Österreich auszudehnen. Deutsch
ist eine plurizentrische Sprache, sowohl im großen als auch im kleinen, das
österreichische Deutsch ist keine absolute Einheit, sondern
„Teil eines sprachlichen Kontinuums von Osten
nach Westen und von Süden nach Norden und steht in wechselnden Beziehungen zum
süddeutschen und Schweizer Raum. Viele der sogenannten österreichischen
Besonderheiten sind auch in der Schweiz und im bayrischen und alemannischen
Süden Deutschlands verbreitet“ (vgl. Walla
1992:174),
und wie wir im
Rahmen der Europäischen Gemeinschaft unsere kulturelle und sprachliche bzw.
„nationale“ Identität wahren werden, liegt an uns selbst.
2.
Die
Verleugnung unserer deutschen Herkunft in ethnischer, sprachlicher und
historischer Hinsicht sowie die Überzeichnung unserer „multikulturellen“
Wurzeln ist m. E. der falsche Weg, ganz abgesehen davon, dass dies nur auf Wien
und bis zu einem gewissen Grad auch auf
Kärnten (und das Burgenland) zutrifft, aber nicht auf die westlichen
Bundesländer (wie
dies Scheuringer 1992:171 u. Anm.
22 treffend feststellt). Wenn auch in der österreichischen Kultur die
Vielfalt der alten Habsburger Monarchie fortlebt, darf nicht vergessen werden,
dass diese letztlich doch eine Spielart der deutschen geworden ist, die Zeugnis
von der assimilatorischen Kraft des Deutschtums ablegt und die ihren Höhepunkt
erst in der Ersten Republik erreichte, als die Neuziehung der Grenzen das Ende
der tatsächlichen österreichischen Vielfalt einleitete. Hand in Hand ging damit
auch der Rückgang der Minderheiten – alles in allem eine bedauerliche
Entwicklung. Auch die „Schmelztiegel“-Theorie verschleiert und verklärt die
wahren Verhältnisse und verstellt den Blick auf die entscheidenden Komponenten,
ganz abgesehen davon, dass auch die gesamtdeutsche Kultur vielschichtig ist
(man denke z.B. an den jüdischen Anteil in der deutschen Kultur- und
Geistesgeschichte).
Hat man die
historisch bedingte Verwobenheit der Völker unserer Region vor Augen, stellt
sich mit Recht die Frage, was „national“ heute für eine Bedeutung hat. Ein
(natürliches) Nationalbewusstsein sollte kein biologisch zu begründendes
Bekenntnis nach der „Abstammung“ (es sei mir gestattet zu bemerken, dass sowohl der
„deutsch-germanische“ als auch der „Mischvolk-“ bzw. „multikulturelle“
Abstammungsmythos ideologisch bestimmt und rassistisch fundiert ist. Daran
ändert auch die Metapher von der „historisch
gewachsenen ethnisch-sprachlichen und kulturellen Pluralität Österreichs“
nichts (vertreten u.a. von Moritz Csáky,
zitiert nach DÖW 1993:553 mit Lit., denn das Wort „Pluralität“ meint
„Vielheit“, eine davon muss im Falle Österreichs das deutsche Element sein, das
vielfach vernachlässigt wird). Diese wurde nämlich abrupt 1918 beendet, sie für
die heutige österreichische Identität zu strapazieren ist genau so verfehlt wie
diese mit der großdeutschen Idee zu verknüpfen. Beide Vorstellungen hatten
einst ihre Gefolgschaft, heute, auf dem Weg ins vereinte Europa, sind beide
obsolet geworden. In Wirklichkeit wird man hier eine sprach- und kulturdeutsche
Identität mit einer pluralistischen mitteleuropäischen zu kombinieren haben,
aber den Bundesdeutschen eine „westeuropäisch-deutsche Identität“ und im
Gegensatz dazu den Österreichern eine „mitteleuropäisch-österreichische“
zuzuschreiben, ist
kontraproduktiv (z.B. am 2.9.1992 Johann Marte,
damals Leiter der Sektion III des Wissenschaftsministeriums in der Tageszeitung
„Salzburger Nachrichten“, zitiert nach Scheuringer
1993)),
sondern ein offenes, nach seinen historisch-kulturellen Wurzeln gerichtetes
sein. „Deutsch“ sind wir nach der Sprache, allerdings ist heute das Konzept der
„Kulturnation“ – als Definition der Nation von der Sprache her, daher auch
„Sprachnation“ – überholt, wenn auch die Sprachgemeinschaft nach wie vor ein
mächtiger Bezugspunkt ist und unter günstigen Bedingungen den Rahmen des
Nationalbewusstseins zu liefern in der Lage ist und in der Folge konstitutiv
für die Gründung eines Nationalstaates werden kann, wie wir es in letzter Zeit
mehrmals erlebt haben (friedlich im Falle Tschechien und der Slowakei, nicht
aber z.B. Slowenien und insbes. bei Kroatien und Bosnien-Herzegowina). Doch
weder das Österreich des Jahres 1918 noch das des Jahres 1945 war ein
„Nationalstaat“, entscheidend war in der Hauptsache – neben den zeitbedingten
Rahmenbedingungen – die eigenstaatliche Tradition, daher kann es für Österreich
nur eine Doppelidentität geben, eine von der Eigenstaatlichkeit geprägte und durch
das Landesbewusstsein ergänzte österreichische
und eine durch Geschichte und Sprache ererbte deutsche Identität (bei unseren slowenischen [usw.] Mitbürgern
freilich slowenische [usw.]
Identität), die sich beide in größeren historisch-kulturellen Zusammenhängen
verflechten, rückblickend im Rahmen des alten Reiches und der
Österreichisch-Ungarischen Monarchie, zukunftsweisend im zusammenwachsenden
Europa. Dieses kann aber nur ein „Europa der Völker und/oder Regionen“ sein, in
dem jeder weiß, wer er ist. Ein nationales Bekenntnis wird auch in Zeiten der
„Globalisierung“ seine Bedeutung nicht verlieren.
Die
Eigenstaatlichkeit Österreichs hat unbestritten Besonderheiten in der
Alltagskultur und im Sprachgebrauch mit sich gebracht, obwohl der kulturelle Austausch zwischen den deutschsprachigen Ländern immer
funktioniert hat und auch immer sehr rege war (wenn man von der unmittelbaren
Nachkriegszeit und der zeitweiligen Isolation der DDR absieht), wofür u.a. die
wirtschaftliche und mediale Verflechtung und Rufe von Österreichern an deutsche
Universitäten und umgekehrt ein beredtes Zeugnis ablegen, ohne dass deswegen
jemals die österreichische Identität gestört worden wäre oder gar das
Bekenntnis zur österreichischen Nation. In gewissen Kreisen macht sich aber in
Österreich die Angst vor der „Vereinnahmung“ (Ich glaube nicht, dass das Wort
„Vereinnahmung“ in diesem Zusammenhang angebracht ist. Von vielen Österreichern
werden die heutigen Vorstellungen kritiklos ins 19. Jhdt. zurückprojiziert, so,
als ob wir immer schon (bloß deutschsprachige) „Österreicher“ gewesen wären,
und keine „Deutschen“. Die deutsche und österreichische Geschichte verlief
mindestens bis zur Gründung des Bismarck-Reiches 1871 und längstens bis 1945
gemeinsam, die „österreichische“ Geschichte ist bis 1918 eine des Hauses
Habsburg bzw. eine Geschichte der einst im Reichsrat vertretenen Länder und
erst seit 1945 eine österreichische „Nationalgeschichte“. Auch die Subsumierung
der österreichischen Literatur unter dem Begriff „deutsche Literatur“ bedeutet
m.E. keine „Vereinnahmung“, solange man diese analog zu „deutsche Sprache“ als
„Literatur in deutscher Sprache“
interpretiert)
durch den deutschen Nachbarn breit, z.B. bezüglich eines Museums für deutsche
Geschichte in Berlin, wo die österreichische Geschichte von 1806–1945 als
„deutsche“ Geschichte dargestellt werden soll (vgl. Bruckmüller
1996:55 mit Lit. – Zur Frage der „Vereinnahmung“ und ihrer Rolle in der
österreichischen „Kulturbürokratie“ vgl. auch Scheuringer
1993).
Den Kollegen, die solche „Ängste“ artikulieren, sei aber empfohlen, die
Frankfurter Paulskirche zu besuchen, wo eine ständige Ausstellung über die
Revolution von 1848 informiert – unter Einschluss der Ereignisse in Österreich,
u.a. die Wahl des Österreichers Erzherzog Johann zum deutschen Reichverweser am
29. Juni 1848 durch die gesamtdeutsche Frankfurter Nationalversammlung (ein Akt
der „Vereinnahmung“?). Von „Vereinnahmung“ sprach man zuletzt, als Österreich
mit Deutschland unlängst für eine Aufwertung des Deutschen in der EU eintrat.
Beide Staaten blockieren dabei alle informellen Ministerräte der finnischen
Präsidentschaft, bei denen Deutsch als Amtssprache nicht zugelassen wird.
Immerhin ist Deutsch die größte Sprachgemeinschaft in der EU (und nach Russisch
zweitgrößte in Europa). Erfreulicherweise sagte der österreichische
EU-Botschafter Manfred Scheich (nach einem Bericht der
Tageszeitung „Die Presse“ vom 16.7.1999):
„Diese Sicht [dass Österreich sich hier
vom großen Nachbarn habe vereinnahmen lassen] zeugt von mangelndem Selbstbewußtsein. Unsere Interessen laufen hier
mit den deutschen ganz parallel.“
Unbestritten
ist eine solche Sicht allerdings nicht, in einem Leserbrief (mit dem
bezeichnenden Titel „Englisch ist immer
noch die am besten verstandene Sprache der Welt“ sprach sich der Generalsekretär der
Österreichischen UNESCO-Kommission, Harald Gardos,
vehement gegen eine (wie er es nannte) „deutsche
Großmacht-Sprachpolitik“ aus, unter anderem mit dem Hinweis, dass z.B. in
Wien der Unterschied zwischen ich gehe
nach Hause und i geh ham mindestens
so groß sei, als der zwischen Hochdeutsch und englisch I go home (in
der Tageszeitung „Die Presse“ vom 17/18.7.1999).
Die vom
Historiker Gerald Stourzh (und
anderen) so gesehene „Tendenz zu einer
Wiedervereinnahmung“ Österreichs (zitiert nach Bruckmüller
1996:55)
führte zu der großen Aufregung
über Erdmanns Drei-Staaten-Theorie in „Drei Staaten – zwei Nationen – ein Volk“ (= Erdmann 1989 (ähnlich bereits in einem Vortrag
1985). Vgl. dazu Bruckmüller 1996:53f.
mit Lit. (insb. Anm. 54) gegen Ende der 1980er Jahre. Diese
stellt zwar den eigenen Weg Österreichs nicht in Abrede und versteht „Volk“ v.
a. als historische, sprachlich-kulturelle Gemeinschaft (vgl. Zöllner
1988:95),
schließt aber die deutsche Schweiz (seit 1648 außerhalb des Reiches) aus; daher
haben manche österreichische Politiker und Historiker recht heftig reagiert,
denn Österreich versteht sich seit 1945 nicht mehr als „deutscher Staat“, weder
als „zweiter“ noch als „dritter“ (vgl. u.a. Scheuringer 1992:169,
inbes. Anm. 14).
Die oft recht gereizten Reaktionen erklären sich m.E. daraus, dass sich das
offizielle Österreich bis heute nicht dazu durchringen konnte, seine
essentielle Teilnahme an der deutschen Geschichte bis 1945 anzuerkennen (so pointiert Scheuringer 1992:171), mit
ihren guten, aber auch schlechten Seiten, denn an beiden hat Österreich Anteil
(zur Kritik an Erdmann vgl. Bruckmüller 1996:53ff. mit Lit.). Dieser
Umstand ist eben auch eine Facette der österreichischen Identität.
Da man nicht
„deutsch“ sein will (und es subjektiv gesehen auch nie war), haben sich auch in
der österreichischen Wissenschaft viele Mythen entwickelt, die mit
„Wissenschaft“ im engeren Sinn des Wortes nichts mehr zu tun haben. Wieso in
einem Land, in dem (1993) mit Deutschland „die größte innere Verwandtschaft“
von allen Nachbarländern gesehen wird (61%, nach Ungarn mit 22%) und wo
Deutschland hinsichtlich Sympathie unter den Nationen den Spitzenplatz einnimmt
(29%, gefolgt von der Schweiz mit 22% – alle Angaben nach Bruckmüller
1996:136 u. 138), eine derart anti-deutsche (Zeit-)
Geschichtsschreibung eine so große Verbreitung (und Dominanz!) finden konnte,
ist bei der ideologischen Verschiedenheit ihrer Exponenten schwer zu
beantworten. Einige solcher Mythen möchte ich hier kurz vorstellen, z.B. einen
auf den Grazer Historiker Moritz Csáky zurückgehenden,
vom Germanisten Hermann Scheuringer (Wien
– Passau = 1992:171
u. Anm. 22 mit Lit.) treffend kommentierten Zeitungsleserbrief:
„Hierzu auch das im Rahmen der
zeitgeschichtlichen Diskussion um das ‘Deutschsein’ Österreichs wiederholt
angeführte Zitat aus einem Zeitungleserbrief..., daß sich die meisten Österreicher ‘in Triest, in Prag oder in Zagreb
mehr zu Hause fühlen als in Hamburg oder in Kiel, wo doch deutsch gesprochen
wird’ (...) [Hervorhebung von mir, H.D.P.], eine Aussage, die, wenn sie tatsächlich auf ganz Österreich und
Deutschland umlegbar wäre, auch beinhalten müsse, daß sich z.B. auch ein
Schärdinger in Zagreb wohler fühlen müsse als in Passau, ein Innsbrucker sich
in Prag mehr zu Hause fühlen müsse als in München usw. – ausgehend von einer
Verherrlichung „Kakaniens“, symptomatischer Mißachtung Westösterreichs und
bewußt distanzierender Gleichstellung nur norddeutscher Städte mit Deutschland.
In der bewußt simplifizierenden und pauschal vereinnahmenden Diktion v.a.
ostösterreichischer Historiker: die meisten Westösterreicher fühlen sich in
Lindau, in München oder Passau mehr zu Hause als in Graz oder Wien, wo doch
auch Österreich ist. Argumentationen dieser Art sind einer objektiven
Zeitgeschichtsschreibung nicht zuträglich.“
Eine besondere
Art von „kultureller Verbundenheit“ konstruiert Ernst Bruckmüller (1996:315 – im Gegensatz zu den Verfechtern der (deutschen)
Kulturnation), indem er
„...gesteht, sich kulturell viel eher mit jenen
verbunden zu fühlen, die zu den Fisolen ‘fižol’, zu den Ribiseln ‘ribez’, zu
den Agraseln ‘agraz’ und zu den Paradeisern ‘paradižnik’ sagen als mit jenen,
bei denen die entsprechenden Früchte grüne Bohnen, Johannisbeeren,
Stachelbeeren und Tomaten heißen...“
Was
hier so locker gesagt wird – gedacht ist freilich an eine Abgrenzung zum
bundesdeutschen Sprachgebrauch –, erweist sich nach einer linguistischen
Analyse als eine typisch Wiener, ganz Österreich vereinnahmende Aussage, denn
keine einzige Bezeichnung der hier genannten Früchte kann für sich in Anspruch
nehmen, (gesamt-) „österreichisch“ zu sein, bestenfalls ostösterreichisch, wobei Agraseln ein Mundartausdruck sind (vgl. ÖWB 174) und
auch in Österreich nicht als Standard gelten, ferner sind die Paradeiser nur im Osten und Südosten
Österreichs das Normalwort, die Ribisel heißen
in Vorarlberg Johannisbeeren, die Fisolen in Kärnten Strankerl (übrigens ein slowenisches Lehnwort). Diese Aussage
stimmt nachdenklich, denn wenn man sie konsequent zu Ende denkt, folgt daraus,
dass ein Ostösterreicher sich kulturell
mit einem Slowenen (die oben genannten nicht-deutschen Bezeichnungen sind
nämlich slowenisch!) mehr verbunden fühlt, als mit einem Westösterreicher (oder
Kärntner bzw. Vorarlberger), der ja auch (österreichisches) Deutsch spricht.
Wer so gegen die Zugehörigkeit der Österreicher zur „deutschen Kultur- bzw.
Sprachnation“ argumentiert (wie dies Bruckmüller
1996:312ff. tut. Nur aus einer solchen Sichtweise ist zu verstehen, dass
Bruckmüller auf Grund meiner (aus
dem Zusammenhang gerissenen, s.u.) lapidaren Feststellung in der Zeitschrift Carinthia I 179 (1989) 393 „Abstammungsmäßig sind die deutschsprachigen
Österreicher zum größten Teil Baiern, zu einem kleinen Teil Alemannen, und
niemand wird daran zweifeln, daß Baiern und Alemannen Deutsche sind...“
mich als „Klagenfurter Sprachwissenschaftler“ (ohne meinen Namen zu nennen!)
zu „einem der vielen Zeugen für den
‘deutschen’ Abstammungsmythos der Österreicher“ machte (1996:127f.). Das vollständige Zitat
lautet (ein Zusatz in […]): „Vom
sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus kann es bei der Frage, wie die
österreichische Mehrheitsbevölkerung zu definieren ist, kein Problem geben,
denn Sprache und Volk sind zwei verschiedene Ebenen. Es gibt Völker, die die
gleiche Sprache sprechen, aber doch voneinander verschieden sind (z.B. Serben
und Kroaten). Auch Volk und Nation sind nicht ohne weiteres gleichzusetzen,
denn das Entstehen einer Nation ist an die Existenz eines Staates gebunden, wie
es bei Österreich eben der Fall ist (aber [frühestens erst 1866/71,
spätestens] erst seit 1938/45!). Abstammungsmäßig sind die deutschsprachigen
Österreicher zum größten Teil Baiern, zu einem kleinen Teil Alemannen, und
niemand wird daran zweifeln, daß Baiern und Alemannen Deutsche sind. Daher
kann man jedem Österreicher die Entscheidung selbst überlassen, was er ist,
inklusive der Minderheiten. und man hat jedesBekenntnis
zu achten und auch zu akzeptieren.“), wird in dieser Hinsicht von
Kennern der sprachwissenschaftlichen Verhältnisse (nobel ausgedrückt) wohl
nicht ernst genommen..
Die
sich mit solchen Befindlichkeiten artikulierende Absetzungsstrategie vom
gesamtdeutschen Sprachraum scheint ein wichtiger Bestandteil der von gewissen
Kreisen aus Politik und Wissenschaft propagierten österreichischen Identität
geworden zu sein und wird sowohl von der österreichischen Zeitgeschichte
(Exponenten etwa Moritz Csáky,
Gerald Stourzh und Erika Weinzierl) und manchen Linguisten (wie
Rudolf De Cillia und Ruth Wodak) als auch Kulturbürokratie (vgl. dazu die kritischen
Bemerkungen von Wolf 1994:75 (zu Pollak 1992, der die Ideologie von der
staatsnationalen Varietät perpetuiere, die von den offiziellen Kreisen der
Kulturbürokratie gepflegt werde und die mit den „Ergebnissen“ solcher
„Forschung“ zufrieden sei). In einem ähnlichen Sinn auch Scheuringer 1997:339f)
gefördert. Da wird doch allen Ernstes behauptet,
„unsere österreichische Identität [sei]
... eindeutig ... Teil einer ‘ost-mitteleuropäischen’
Identität und nicht einer ‘deutschen Kulturnation’ “ (Schallenberg 1987:195; vgl. dazu auch Scheuringer 1992:172 Anm. 26 sowie hier
Anm. 29),
was
nichts anderes bedeutet, als mit der alten Monarchie in der Gegenwart zu
argumentieren. Doch das heutige Österreich ist der alte „deutsche“ Kern oder
der deutsche „Rest“ des multinationalen Habsburger-Reiches, in den Augen der
Schul- und Kulturbürokratie bloß „deutschsprachige“, was sogar in die Zeit der
Monarchie zurückprojiziert wird, in der es zwar „Tschechen, Polen, Ungarn,
Slowenen usw.“ gegeben hat, aber keine „Deutschen“, sondern bloß
„deutschsprachige Österreicher“ (unter Einschluss der Ungarndeutschen, z.B. Lemberger 1998:85) – als ob
Slowenen, Tschechen usw. keine „Österreicher“ gewesen wären. So „deutsch“ wie
die Erste Republik war Österreich sonst nie in seiner Geschichte, hatten die
österreichischen Länder der Monarchie bloß einen deutschen Bevölkerungsanteil
von rund 36%, waren es in der Republik „Deutschösterreich“ 1919 über 95% (heute hat Österreich eine
Wohnbevölkerung von über 8 Millionen Personen, von denen rund 1% den
autochthonen Minderheiten (Slowenen, Kroaten usw.) angehören und über 9%
Ausländer sind).
Wie dem auch sei – die deutschsprachigen Bewohner der Österreichisch-Ungarischen
Monarchie nannten sich selbst „Deutsche“ und wurden von den anderen
Nationalitäten ebenso bezeichnet (Berschin 1979:34-37 (mit einem Zitat von Hans Weigel , S. 36).). Im Grunde
genommen ist es unerheblich, ob in einem Lande, zu dem sich rund 90% seiner
Einwohner als eigenständige Nation bekennen, diese ethnographisch und
sprachlich als „Deutsche“ oder als „Deutschsprachige“ oder gar als
„Österreicher“ bezeichnet werden. Dass hier selbst in Kreisen der Wissenschaft
derart emotionale Diskussionen geführt werden (es ist auch völlig überflüssig, ein
eigenes österreichisches „Ethnos“ zu konstruieren oder gar um einige
Jahrhunderte zurückzuprojizieren (wie dies Albert F. Reiterer tut, vgl. DÖW 1993:553, ähnlich auch Erika Weinzierl in Rathkolb u.a. 1990:80, die schon unter Maximilian (1518) so
etwas wie ein „österreichisches“ Zusammengehörigkeitsgefühl ortet). – Ob die Österreicher eine eigene
Ethnie sind oder nicht, ist m.E. eine reine Glaubensfrage mit ideologischem
Hintergrund),
gibt zur Sorge Anlass, zumal Österreich ganz andere, weit schwererwiegende
Probleme hat, für die Lösungen gefunden werden müssen, die die beiden
Regierungsparteien noch zu finden haben...
Zum
Abschluss dieses Kapitels sei festgestellt, dass die Menschen deutscher Sprache
und Kultur keine Abstammungsgemeinschaft sind, sondern ein Volk im
soziokulturellen Sinne. In vielen Teilen des alten (ostfränkischen, später
„deutschen“) Reiches vermischten sich verschiedene germanische Stämme mit
Keltoromanen, Slawen und anderen Völkern. Im heute österreichischen Gebiet
setzten sich die Baiern (im äußersten Westen auch Alemannen) durch, was eine
kulturelle und sprachliche „Germanisierung“ bedeutete (alle „Deutschen“ haben Vorfahren aus
verschiedenen Stämmen, bei den „Österreichern“ sind es hauptsächlich Baiern und
Alemannen sowie Keltoromanen, Ladiner, Alpenslawen, Slowenen, Tschechen, auch
Ungarn, Juden, Roma u.a. gewesen, bei den „Bundesdeutschen“ außer Baiern und
Alemannen auch Franken, Sachsen usw., ferner Galloromanen im Westen, verschiedene
westslawische (auch baltische) Stämme im Osten, sowie Juden, Franzosen, Sorben,
Polen, Skandinavier usw. Eine Preisfrage an die „Mischvolk-Theoretiker“: wo ist
denn da der fundamentale Unterschied zwischen „Österreichern“ und „Deutschen“?).
Ebenso verfehlt wie der Irrglaube an die gemeinsame Abstammung der Deutschen
von den Germanen und der Mythos von der ethnischen Reinheit ist die
Überbetonung der nichtgermanischen und nichtdeutschen Anteile an der Siedlungs-
und Bevölkerungsgeschichte Österreichs und der Mythos vom einzigartigen
österreichischen „Mischvolk“ – so als ob die anderen europäischen Staatsvölker
Inzuchtprodukte seien! Ein österreichischer Kollege verstieg sich sogar zur
Behauptung, „ethnisch säubernde“ Germanisten und Historiker haben übersehen, dass Österreich in Wirklichkeit ein slawischer Name sei und „Spitzberg“
bedeute (wie
(Hoch-) Osterwitz in Kärnten, vgl. Kronsteiner 1996:133f.; dieser Beitrag
erschien in kürzerer Fassung auch in der Tageszeitung „Der Standard“
30.11./1.12.1996, von wo er u.a. den Weg auf die von R. Muhr (Graz) betreute „home-page“ Österreichisches Deutsch fand. Dies zeigt, dass alle Beiträge, die
das „Deutsche“ in Österreich in irgendeiner Weise in Frage stellen, in manchen
Kreisen voreilig und unkritisch rezipiert und sofort als neue
„wissenschaftliche“ Erkenntnisse präsentiert werden; zur Kritik an Kronsteiner 1996 vgl. Pohl 1999a:275f.).
Solche
Sichtweisen sind nichts anderes als die Rückseite des deutschtümelnden
Spiegels, denn für eine Volksgruppe bzw. für ein Volk (in der Wissenschaft Ethnie oder Ethnos) stehen als wichtigste Charaktermerkmale nicht
anthropologische, sondern eindeutig soziokulturelle im Vordergrund. Kultur wird im weitesten Sinn als ein
wechselseitiger in sich verflochtener Komplex aus Sprache, Religion, Wertnormen
und Bräuchen verstanden, an denen die Angehörigen einer solchen
gesellschaftlichen Großgruppe gemeinsam teilhaben. Eine solche Definition
entzieht romantischen Vorstellungen jede Grundlage, erst die Politisierung der Sprache, ausgehend vom nicht immer richtig verstandenen Herder’schen Nationsbegriff „Volk
gleicher Zunge, daher Volk gleicher Kultur“, hat die modernen (Sprach- bzw.
Kultur-) Nationen hervorgebracht und auf Grund sprachwissenschaftlicher Erkenntnisse
zur Vorstellung von einer germanischen/slawischen/romanischen
Völkergruppe oder -familie geführt – als Reflex der betreffenden
Sprachfamilien. Doch dass Engländer und Deutsche „Germanen“, Slowenen und
Serben „Slawen“, Franzosen und Italiener „Romanen“ sowie Esten und Ungarn
„Finnougrier“ sind, ist in erster Linie eine Angelegenheit des geschulten
politischen Bewusstseins oder der höheren Bildung, aber nicht Ausfluss
nationalen Empfindens und Erlebens. „Slawe“, „Germane“ usw. zu sein ist ein sprachwissenschaftlich
begründeter Mythos, ein Kärntner Slowene hat mit einem deutschen Kärntner, ein
Deutscher aus Pladen/Sappada mit einem Furlaner mehr gemeinsam als
beispielsweise ein deutscher Kärntner mit einem Vorarlberger oder ein
slowenischer Kärntner mit einem aus Prekmurje (Übermurgebiet), denn die
soziokulturellen Grenzen sind fließend und stimmen nicht immer mit den
sprachlichen und ethnischen Verhältnissen überein, was v.a. in
sprachlich-ethnischen Mischzonen auffällt. Eine solche Feststellung leugnet
keineswegs die Bedeutung eines bestimmten Sprachgebietes als Kommunikationsgemeinschaft
über politische und kulturelle (usw.) Grenzen hinweg, relativiert sie aber. Man
darf dies aber auch nicht umdrehen, indem man auf Grund eines romantisierenden
Österreichbegriffs behauptet, man fühle sich als Österreicher in Prag bzw.
Laibach mehr zu Hause als in München oder Berlin (s.o.); dies mag auf viele
Wiener bzw. Klagenfurter zutreffen, sicher aber nicht auf Salzburger oder
Innsbrucker in Bezug auf München. In diesem Zusammenhang sei auch darauf
hingewiesen, dass gerade der sich an der Sprache orientierende Nationalismus
jene Nationalitätenkonflikte hervorgebracht hat, die heute noch immer
historisch gewachsene zwei- oder mehrsprachige Länder entzweien; allzuoft
endeten (und enden noch immer!) solche Konflikte tragisch – mit „ethnischer
Säuberung“. „Völker“ sind also primär keine Abstammungsgemeinschaften, sondern
Produkte von natürlich entstandenen und/oder machtpolitisch organisierten
Lebensräumen. Daher war früher (bis ins 19. Jhdt.) die Sprache dem Landesbewusstsein
und der Religion nachgeordnet.
3. „Deutsches Deutsch werde gebellt,
österreichisches Deutsch hingegen gesprochen“, meint die Wiener Linguistin
Ruth Wodak (1994:26. – Richtig
lautet das Zitat (nach Moosmüller
1991:18) „Bundesdeutsch wird
Deutsch gebellt und in Österreich eher gesungen“ und stammt von einem
Politiker, nicht Lehrerin, wie Wodak a.a.O.
behauptet); treffend kontert der belgische Germanist Pierre Hessmann (1995:20): „Wer den Österreicher Adolf Hitler und den Deutschen Richard von
Weizsäcker gehört hat, bekam einen anderen Eindruck“. Hier findet auf dem
Gebiet der Linguistik die sich mit emotionalen Befindlichkeiten artikulierende
Absetzungsstrategie vom gesamtdeutschen Sprachraum (s.o. 2: Csáky,
Bruckmüller) ihre Fortsetzung. Sie beruht auf dem weit verbreiteten
österreichischen Stereotyp des (Bundes-) Deutschen, das mit „Norddeutsch“
gleichgesetzt wird – noch dazu mit einer Sprachform, wie man sie überall auf
dem Kasernenhof zu hören bekommt. Kurz zusammengefasst verkündet Wodak die These, „Hoch- bzw.
Dudendeutsch“ und „österreichisches Deutsch“
seien einander nur „oberflächlich ähnlich“, daher ergebe sich die
Notwendigkeit einer österreichischen „Standardsprache“ (vgl. Hessmann 1995:19). Hessmann wendet sich
entschieden gegen eine solche Ansicht, da es keine gravierenden phonologischen,
morphologischen und syntaktischen Besonderheiten gebe, die einerseits auf
Österreich beschränkt, andererseits im ganzen Bundesgebiet verbreitet wären.
Zwar gibt es eine Reihe von Ausdrücken, aus dem Recht und der Gastronomie, die
man für Österreich als typisch bezeichnen könne, doch es existieren auch „Vokabeln, die typisch sächsich, rheinisch,
norddeutsch, alemannisch sind... [und auch] für Ostbelgien“ (Hessmann 1995:20) – im Ausland hat man, wie man sieht, eine realistischere
Sichtweise als hierzulande.
Eine weitverbreitete Ansicht
über den Zusammenhang zwischen österreichischem Deutsch und der als typisch
österreichisch angesehenen gemischten Herkunft der Österreicher findet sich in
unzähligen Publikationen, meist in Verbindung mit romantischen Hypothesen über
die Herkunft der Österreicher – ein Beispiel etwa Gabriele Holzer (1995:163f. – Ich habe dieses Buch schon kurz nach seinem Erscheinen
sehr aufmerksam gelesen. Es ist das genaue Gegenteil einer „deutsch
orientierten“ Darstellung. In solchen wird ja jede historisch-kulturelle
Besonderheit Österreichs konsequent übergangen. Holzers „österreichisch-nationaler Standpunkt“ hingegen will
alles Deutsche wegprojizieren. Ich persönlich kann mit beiden Gesichtspunkten
nichts anfangen, die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, wie es ja auch
sprachlich der Fall ist: Österreichisches Deutsch ist nicht nur
„österreichisch“, sondern gleichzeitig auch süddeutsch (oder oberdeutsch) und
nur relativ Weniges deckt sich mit der Staatsgrenze. Die ernstzunehmende österreichische Geschichtsschreibung setzt sich
sehr wohl mit dem Anteil deutscher Vergangenheit
unseres Landes auseinander, u.a. wird im Sammelband Die Habsburgermonarchie 1848-1919, Bd. III „Die Völker des Reiches“ (Wien,
Verlag der ÖAW 1980) die heute tabuisiert meist „Altösterreicher“ oder
„deutschsprachige Österreicher“ genannte Bevölkerung (beide Metaphern werden
auch für die Deutschen Ungarns verwendet) konkret „die Deutschen“ genannt, auch
Bruckmüller (1996:276ff.) spricht
(Kap. IV.4) von Die deutschen
Österreicher vom „heiligen“ zum „großdeutschen“ Reich. Vgl. dazu auch Scheuringer 1992):
„Die wahrhaft multiethnische (und -nationale) Geschichte des Schmelztiegels
Österreich wurde und wird, auch in Österreich, bisweilen übersehen und
geleugnet... Die Spuren dieser Geschichte der Vielfalt ... sind in
grenzüberschreitenden Verwandtschaften und Kontakten, in Koch- und
Lebensgewohnheiten, in
Sprachgrenzen überschreitender verwandter Weltsicht, in Telephonbüchern,
Regierungslisten (der österreichische Bundespräsident, der Bundeskanzler, der
Vizekanzler (gemeint ist Busek, dessen Name aber drei Deutungen
zulässt: (1) Kurzform zu tschech. Bohuslav
o.ä. (eher wäre dann Buschek [nach
Bůžek] zu erwarten), in der BR
Deutschland gibt es auch die Variante Buske
(usw.), in jedem Fall zu
einem mit slaw. bogъ „Gott“
beginnenden Personennamen gehörig; (2) nach einem dt. Ortsnamen Buseck bei Gießen, der ebenfalls mit
slaw. bogъ zusammenhängt; und
(3) norddeutsch Buseke, Übername zu
ma. buse „Fischerboot“. – Gerade
dieser Name zeigt uns, dass slaw. Familiennamen keine österreichische
Spezialität sind, sondern eine gesamtdeutsche Dimension haben: typisch sind sie
für den deutschen Osten und österreichischen Südosten) und etliche
Minister haben slawische Namen) und auch in manchen Sprachwendungen und
Intonationen, wie dem slawischen Wiener „l“ lebendig [Hervorhebung von mir, H.D.P.]“
(Slawischer
Herkunft ist manches am Wiener und (noch viel mehr) Kärntner Deutsch (Pohl 1997a), doch gesamt-österreichisch
gesehen hat die vielsprachige Monarchie nur wenige Spuren im österreichischen
Deutsch hinterlassen, was mein Beitrag Pohl
1999b aufzeigt. Was am „Wiener Vorstadt-L“ slawisch sein soll, ist und bleibt unklar und man fragt sich,
wieso Autoren, die keine Linguisten sind, solche Behauptungen aufstellen).
Es stimmt zwar, wie Holzer
meint: Sie sind für jeden
sichtbar, der sie nicht übersehen will. Doch so
einfach ist es auch wieder nicht; insbesondere die Namen
haben es den Schmelztiegel-Theoretikern, die meist gar nicht in der Lage sind,
einen Familiennamen slawischer oder ungarischer Herkunft einigermaßen richtig
auszusprechen, angetan und setzen Namen und Herkunft gleich, aus dem bereits
zitierten Buch ( Holzer 1995:59):
„Der Aufruf zur Volksabstimmung über Österreichs Unabhängigkeit ... am
13. März 1938 ... galt einem deutschen
Österreich. Und ... [es] sprach Kurt Schuschnigg, österreichischer
Kanzler slowenischer Abstammung, davon,
daß kein deutsches Blut fließen solle“.
Name und Sprache haben aber mit
Blut gar nichts gemeinsam, daher sind Begriffe wie „deutsches Blut“,
„slowenisches Blut“ usw. abzulehnen (wenn auch – nicht nur im deutschen
Sprachraum – die Ideologie des Blutes noch immer nicht überwunden ist, vgl. Pohl 1999b:94f. Anm. 5), denn das Blut aller Menschen auf dieser Welt
unterscheidet sich nur nach
Blutgruppen! (vgl. dazu Pohl 1999b:94f.) Meines Wissens war Kurt Schuschnigg
Tiroler, genauer Südtiroler, und hatte zufällig einen Familiennamen
slowenischer Herkunft wie auch viele Südtiroler bekanntlich italienische Namen
führen, ohne Italiener zu sein (z.B. Magnago,
Scrinzi), wie ja auch in Wien eine
Politikerin einen „Kärntner“ bedeutenden Familiennamen führt, ohne
„kärntnerisch“ und noch weniger „slowenisch“ zu sein, nämlich Korosec (slowenisch Korošec [koró:šets]), „verdeutscht“ [kórosek]. Man hat auch im sich „multikulturell“ fühlenden Wien seine
Schwierigkeiten, Namen anders als deutsch zu lesen.
Diese
hier angesprochene Problematik hat der Wiener Germanist Hermann Scheuringer (1992:171 u. Anm. 22)
schon vor Jahren auf den Punkt gebracht:
„Den staatlichen Sonderwortschatz und damit
auch gleich die kraß überzeichnete Tatsache ‘multikultureller Wurzeln’, die –
implizit gemeint und im Grunde nur auf Wien anwendbar – Österreich von
Deutschland unterscheide, begründen viele mit einer Art von
‘Schmelztiegel’-Theorie (s.u.) mit
dem Wiener Telefonbuch als ihrem herausragenden Topos, die so auch für Wien
härtere Tatsachen romantisch verklärt und für das restliche Österreich und
besonders dessen westliche Hälfte überhaupt nicht zutrifft“ (Statt „Schmelztiegel-Theorie“ auch „Mischvolk-Hypothese“ – genaues
Gegenteil einer in die gesamtdeutsche Geschichte eingebetteten (bis 1938/45
üblich gewesenen) österreichischen Geschichtsauffassung. Während jede
„nationale“ Geschichtsschreibung mit verschiedenen Abstammungs- und
Entstehungsmythen verknüpft ist, haben sich auch die Vertreter des „Schmelztiegels
Österreich“ ihre eigenen Mythen geschaffen, beide sind Varianten des
Abstammungsmythos, einmal des „germanischen“, ein anderes Mal des
„multikulturellen bzw. -ethnischen“ (so berichtet Holzer 1995:164 exemplarisch von ihren „vielfältigen niederösterreichischen, kärntnerischen, bayerischen,
slowenischen, kroatischen und montenegrinischen Ursprünge[n]“). – Vgl. Anm.
51 u. 64).
Weit
verbreitet ist die Ansicht, es gebe so etwas wie eine „österreichische Norm“.
In einem Artikel setzt sich der Wiener Germanist Peter Wiesinger damit ausführlich auseinander und kommt zum Schluss
(Wiesinger 1996:215f.):
„Das österreichische Deutsch ... ist ... ein
heterogenes Gebilde von Varianten des auch für Österreich verbindlichen
Sprachsystems Deutsch. Es setzt sich hinsichtlich der Schrift- und
Standardsprache im Wortschatz aus lexikalischen und semantischen Austriazismen von verschiedener
Verbreitung und Gültigkeit zusammen, und ebenso gibt es
phonetisch/phonologische, morphologische und syntaktische Eigenheiten, die ganz
oder teilweise in Österreich gelten und z.T.
auch über Österreich hinaus in Süddeutschland vorkommen. Alle diese
Erscheinungen ... haben ... in Österreich normative Verbindlichkeit und müssen
innerhalb der Polyzentrik des Deutschen als einer Gliederung in Regionen
anerkannt werden. Weder darf die deutsche Schrift- und Standardsprache als
Einheitssprache aufgefaßt, noch dem norddeutschen ‘Binnendeutschen’ ein
allgemein verbindlicher oder höherer Rang beigemessen werden [Es folgen
einige Beispiele aus dem Bereich des Wortschatzes und der Beitrag schließt mit
der Bemerkung:] Andererseits geht es
nicht an, die auch in Österreich vorhandene Sprach- und Stilschichtung zu
leugnen und Erscheinungen des Dialekts und der Umgangssprache schrift- und
standardsprachliches Niveau beizumessen. Österreichisches Deutsch präsentiert
sich also nicht als eine einheitliche
nationale Sprachform, sondern der Gesamtheit seiner einzelnen, in
unterschiedlicher Verbreitung geltenden Eigenheiten kommt als einer
Varietät des Deutschen normative Gültigkeit zu“ [Hervorhebungen von mir, H.D.P.].
Eine
Sprachplanung für das österreichische Deutsch, wie sie der Grazer Germanist
Rudolf Muhr (1995:105f.) fordert,
ist also entbehrlich. Sie würde übrigens auf eine Standardisierung nach dem Muster
von Wien und dem Osten von Österreich hinauslaufen, die im Westen (und Süden)
auf wenig Gegenliebe stieße (vgl. u.a. Wiesinger 1997a:24f.).
Darüber hinaus ist der österreichische Sprachgebrauch ausreichend dokumentiert,
im ÖWB sowie im Sammelband „Das
österreichische Deutsch“ (Wiesinger 1988 (v.a. mit den Beiträgen Ebner 1988, Lipold 1988, Tatzreiter 1988). eine Zusammenfassung meiner
Publikationen dazu POHL 2014).
4. Bis
Mitte der 80er Jahre bestand in der Germanistik eine „monozentrische Auffassung.
Man wusste zwar, dass die deutsche Sprache in den 5 Staaten BRD, DDR,
Österreich, Liechtenstein und Schweiz zwar nicht völlig einheitlich ist, aber
trotz vieler Varianten waren die grundsätzlichen Normen überall akzeptiert.
Ende der 80er Jahre kam als neue Sichtweise die jeweilige Eigenstaatlichkeit
als wesentlicher Beurteilungsfaktor hinzu (vgl. Wiesinger
1997a:19 mit Lit.) und es entstand der „pluri- (oder poly-) zentrische Ansatz“,
den in Österreich v.a. der Grazer Germanist Rudolf Muhr und der Wiener Romanist Wolfgang Pollak (†) aufgriffen. Man postulierte eine „österreichische
(nationale) Varietät“ der deutschen Sprache, die aber bei genauerer Betrachtung
nur z.T. mit dem österreichischen Staatsgebiet korreliert. Von den
westösterreichischen Verhältnissen ausgehend führten die beiden Germanisten
Norbert Richard Wolf (Würzburg)
und Hermann Scheuringer (Wien)
den „pluriarealen Ansatz“ ein, denn
die meisten Verschiedenheiten im deutschen Sprachgebiet lassen sich nicht an
den Staatsgrenzen festmachen. Ich halte den „plurizentrischen“ und
„pluriarealen“ Ansatz nicht unbedingt für fundamentale Gegensätze, wenn ich
auch, sprachgeographisch gesehen, den pluriarealen als angemessener betrachte (vgl. Pohl
1997b:69). Eines wird allerdings oft übersehen: der Gültigkeitsbereich sprachlicher
Erscheinungen auf Ebene des Standards ergibt sich eindeutig auf Grund der
nationalen Varietäten einer Sprache (so gelten viele Wörter in Österreich als
Standard, in Bayern aber nicht, z.B. Jänner,
Ribisel, Jause, was auch auf einige grammatische Besonderheiten zutrifft wie
z.B. der Gehalt, vergessen auf usw.) und nicht (nur) auf Grund arealer Gliederung in
Großdialekte. Diese aber lieferten (zusammen mit den historischen und
politischen Fakten) die Voraussetzungen dazu, dass überhaupt nationale
Varietäten entstehen konnten. Ich denke, dass sich die „Bevorzugung“ eines der
beiden Gesichtspunkte aus den wissenschaftlichen Schwerpunkten und Interessen
jener ergibt, die sich mit dem Österreichischen Deutsch beschäftigen, daher
neigen Kollegen wie Muhr, der
sich v.a. um das Österreichische Deutsch im Unterricht „Deutsch als Fremdsprache“ verdient gemacht hat, zum
„plurizentrischen“ Ansatz, Kollegen wie Scheuringer
(und ich) zum „pluriarealen“.
Der Wiener Germanist Richard Schrodt (1997a:15) hat versucht, den verschiedenen Standpunkten des
plurizentrischen Ansatzes die wichtigsten Vertreter zuzuordnen: österreichisch-national (u.a. Möcker, Muhr, Pollak, Wodak [sowie De Cillia (unter „plurizentrisch-staatsbezogen“ auf
S. 16)]), österreichisch-integral
(Ebner, Reiffenstein, Wiesinger) und deutsch-integrativ (Pohl, Scheuringer, Wolf), wobei
„deutsch-integrativ“ mit „pluriareal“ identisch ist (Schrodt 1997a:16 auf Grund einer
persönlichen Mitteilung von Scheuringer).
Diese Einteilung mag ihre Berechtigung haben, sie vernachlässigt aber einen
Aspekt: die ideologische Sichtweise vieler Vertreter des
„österreichisch-nationalen Ansatzes“, die den Begriff des „österreichischen
Deutsch“ vornehmlich aus der Eigenstaatlichkeit und nationalen Unabhängigkeit
Österreichs ableiten und weniger auf Grund des linguistischen Befundes. Nur in
einem solchen weltanschaulichen Ambiente konnte es zur Vorstellung kommen, dass
„innerhalb Österreichs eine bestimmte
Variante des Wienerdeutschen das höchste Prestige“ (Wodak 1994:26) habe und „für eine Standardisierung geeignet“ sei
(De Cillia 1995b:7; er erwähnt aber nicht, dass in den österreichischen
Landeshauptstädten die Wiener Varietät eher abgelehnt wird (Moosmüller 1991:22), was auch ich
wiederholt beobachtet habe).
Als Vertreter eines solchen ideologisch (ähnlich Scheuringer 1997:339f.
(dazu vgl. auch Schrodt 1997a:37);
„ideologisch“ wäre auch der extreme „deutsch-integrative“ Standpunkt, wenn
jedwede österreichische Besonderheit geleugnet oder marginalisiert würde bzw.
man ein strammes „Einheitsdeutsch“ ohne Regionalismen forderte (ein Hang in
diese Richtung ist bei bundesdeutschen Lektoren feststellbar, vgl. Muhr 1997b sowie die Untersuchung von
J. RANSMAYR).
Mir ist aber aus der germanistischen und linguistischen Fachliteratur derzeit
niemand bekannt, der so dächte) begründeten „österreichisch-nationalen
Standpunktes“ – dieser Standpunkt entspricht der „Absetzungsstrategie“ der
Österreicher vom gesamtdeutschen Sprach- und Kulturraum auf Ebene der Sprache
(vgl. dazu auch Hessmann 1995:21f. und Wiesinger 1996:214f. – Scheuringer 1996 spricht von einem
„staatlich begrenzten Horizont“. – Wiesinger
(1999b:234ff.)
unterscheidet im „plurizentrischen Modell“ einen „nationalen bzw.
staatsbezogenen“ (u.a. De Cillia,
Muhr, Pollak, Wodak) und einen
„neutralen bzw. integralen Standpunkt“ (u.a. Ebner,
Reiffenstein, Wiesinger). „Neutral“ wäre m.E. u.a. auch Hornung 1987. Das zweite Modell ist das
„pluriareale“, u.a. Pohl, Scheuringer, Wolf) –
wären De Cillia, Muhr, Pollak und
Wodak zu bezeichnen, nicht aber Möcker (und Moosmüller);
einen vermittelnden Standpunkt nimmt Schrodt
selbst ein.
Realistisch
sieht Jakob Ebner die Dinge – er
schrieb mit seinem Duden-Taschenbuch
„Wie sagt man in Österreich“
österreichische Sprachgeschichte. Ebners
Buch erhob nie den Anspruch, ein normatives Lexikon zu sein, sondern er war
(und ist) bestrebt, den Wortschatz des „österreichischen Deutsch“, also den
„gesamten für Österreich spezifischen Sprachgebrauch“ zu erfassen. Seine
Interpretation des Begriffes Austriazismen
ist klar nachvollziehbar und sagt alles (Ebner 1998:8):
„Gegenstand des Buches sind natürlich Austriazismen. Dieses Prinzip stößt auf
die Schwierigkeit, österreichischen Sprachgebrauch von den Nachbarländern abzugrenzen.
Der Nutzen eines Buches, in dem nur die reinen Austriazismen, d.h. die auf
Österreich beschränkten Spracheigentümlichkeiten, behandelt werden, wäre
gering. Will man die österreichische Standardsprache in allen ihren
Erscheinungen erfassen, muss man jene Wörter mit einbeziehen, die auch in einer
benachbarten Sprachlandschaft vorkommen. Ebenso werden die Wörter behandelt,
die nur in einem Teil Österreichs vorkommen. Statt ‘Austriazismenwörterbuch’
ist die Bezeichnung ‘Wörterbuch des österreichischen Deutsch’ zutreffender,
sie drückt aus, dass der gesamte für Österreich spezifische Sprachgebrauch
behandelt wird, gleich ob Wörter auch in Nachbarlandschaften oder nicht in ganz
Österreich verbreitet sind. Die regionale Verbreitung wird jeweils angegeben
(z.B. auch bayr[isch], auch süddeutsch, auch schweiz[erisch], auch
ostmitteldeutsch usw.) bzw. die beschränkte Verbreitung innerhalb Österreichs“.
Das Wörterbuch ist in erster Linie der
Standardsprache in Österreich gewidmet, enthält aber auch viele
umgangssprachliche und dialektnahe Wörter, soferne sie geschrieben vorkommen
(in der Literatur, in fachsprachlichen Texten [z.B. Küchensprache], aber unter
Ausschluss der eigentlichen Dialektliteratur).
So weit ein Überblick zum Stand der Diskussion
über das österreichische Deutsch (eine gute Zusammenfassung u.a. Wiesinger
1999b).
Am ehesten ist noch bei der Aussprache (dazu Back
1995 und Lipold 1988) sowie „atmosphärisch“ (nach Greil-Wolkerstorfer 1997:514, vgl. auch Pohl 1999b:99) auf Anhieb
österreichisches Deutsch zu erkennen. Wie sehr hier aber oft Wunschdenken und
Realität auseinanderklaffen, zeigt die berühmte EU-Liste österreichspezifischer
Ausdrücke (sogenanntes
Protokoll Nr. 10, Teil des österreichisches Beitrittsantrages; dazu vgl. De Cillia 1995a, zuletzt 1998:78ff.,
sowie Pollak 1994:152ff., zur
dialektologischen und sprachgeographischen Kritik vgl. Pohl 1997c:19ff., zuletzt genauer 1999b:99-101, jetzt auch im
Internet unter: EU-Liste.htm):
Beiried/Roastbeef;
Eierschwammerl/Pfifferlinge; Erdäpfel/Kartoffeln; Faschiertes/Hackfleisch;
Fisolen/Grüne Bohnen; Grammeln/Grieben; Hüferl/Hüfte; Karfiol/Blumenkohl;
Kohlsprossen/Rosenkohl; Kren/Meerrettich; Lungenbraten/Filet; Marillen/Aprikosen;
Melanzani/Auberginen; Nuß/Kugel; Obers/Sahne; Paradeiser/Tomaten;
Powidl/Pflaumenmus; Ribisel/Johannisbeeren; Rostbraten/Hochrippe;
Schlögel/Keule; Topfen/Quark; Vogerlsalat/Feldsalat; Weichseln/Sauerkirschen.
Nur 10 Ausdrücke (oder 40%) weist der DUDEN (21.
Aufl.) als spezifisch österreichisch aus (Beiried,
Faschiertes, Fisolen, Kohlsprossen, Lungenbraten, Marillen, Paradeiser, Powidl, Ribisel, Vogerlsalat),
9 weitere als süddeutsch oder landschaftlich (Eierschwammerl, Erdäpfel, Grammeln, Karfiol, Kren, Obers, Schlögel/Schlegel, Topfen, Weichseln; z.T.
auch bayerisch), weiters Rostbraten
ohne nähere Angaben, und die Wörter Hüferl (Haupteintrag im ÖWB Hieferl, traditionell Hieferschwanzl (Wien, eine
Rindfleischsorte). Ammon (1995:209)
interpretierte das Wort (wohl irrtümlich) als Hüfterl),
Melanzani
und Nuss fehlen (sind aber jetzt in der 27. Auflage 2017 enthalten). Bei
Ebner sind 12 Ausdrücke (oder
etwas mehr als 50%) als spezifisch österreichisch ausgewiesen, im ÖWB 10 (Bemerkenswert erscheint mir die
Tatsache, dass die vorige (37.) Auflage des ÖWB nur 5 Wörter (nicht einmal 25%)
aus der Liste durch „Sternchen-Wörter“ erklärt hat und so indirekt als
„österreichisch“ auswies (wenn auch nur eines davon ein „echter“ Austriazismus
ist: Marille). – Mit Sternchen [*]
werden im ÖWB in Österreich nicht heimische Wörter gekennzeichnet; zur
Problematik und Geschichte der Sternchen-Wörter vgl. Ammon 1995:181ff.; es waren übrigens in der 37. Auflage des
ÖWB nur 170 Einträge + 49 in den Worterklärungen Sternchen-Wörter, das sind
weniger als 1% des gesamten im ÖWB enthaltenen Wortschatz. In der 38. Auflage
ist die Anzahl der „Sternchen-Wörter“ weiter zurückgegangen, jedoch um die mit
den Symbolen D (für Deutschland) und CH (für die Schweiz) gekennzeichneten Wörter
erweitert worden. In der letzten 43. Auflage [2016] werden die Abkürzungen (D)
u. (CH) verwendet).
Diese Liste ist also – linguistisch gesehen – sehr
oberflächlich und ungenau, darüber hinaus ist sie symptomatisch für die
Unmöglichkeit, „Austriazismen“ eindeutig festzumachen; sie zeigt auch deutlich
die Grenzen auf (wie
meine Übersicht (samt Kommentar) in Pohl
1999b:99-101 beweist):
nicht einmal die Hälfte der EU-Austriazismen sind „echte“ Austriazismen (und
davon wiederum ein Teil ist nicht in ganz Österreich üblich). Sprachpolitisch
gesehen wurde eine große Chance vertan: je größer die Anzahl der (eigentlichen
sowie süddeutschen) Austriazismen gewesen wäre, desto mehr wäre das Süddeutsche
ganz allgemein gestärkt bzw. aufgewertet worden und gerade im Hinblick auf die
Regionen in der EU hätte die Vielfalt der regionalen Alltagskultur ihren
sprachlichen Reflex finden müssen – dies ist meine Hauptkritik. Wolfgang Pollaks Kritik geht auch in eine andere
Richtung, er sieht in der seiner Meinung nach mangelnden Gleichberechtigung
österreichischer Ausdrücke gegenüber bundesdeutschen eine Gefährdung „der sprachlichen Identität der Österreicher“,
deren „Sprachkultur ... eine integrale
Komponente der österreichischen Kulturnation“ sei (Pollak 1994:152). Dies ist
aber eine Neuauflage des alten, Herder’schen
Konzeptes der Kulturnation: da Österreich nach seinem Selbstverständnis eine
Nation ist, muss es auch eine „Nationalsprache“ haben, eine Sichtweise, die ich
als einen „ideologisch begründeten
österreichisch-nationalen Standpunkt“ nennen will (s.o.). Die Vertreter
dieser Auffassung, außer Wolfgang Pollak
v.a. Rudolf Muhr (vgl. Muhr 1998), der
von der „Wiederkehr der Stämme“ spricht,
wenn die sprachliche Eigenständigkeit Österreichs relativiert wird und die
Gemeinsamkeiten mit Bayern und dem süddeutschen Raum hervorgehoben werden, Rudolf
De Cillia (der
die Angaben von Informanten unkritisch wiedergibt, ohne die dialektologischen
Hintergründe zu beachten (z.B. De Cillia
1997:120). Da viele über österreichisches Deutsch arbeitende Autoren
die dialektologischen Gegebenheiten in
Österreich vernachlässigen, kommt es oft zu fragwürdigen Aussagen, wie einige
Beispiele bei De Cillia (1997:120)
zeigen: Frikadelle ist in der Tat in
Vorarlberg unüblich, aber Faschiertes auch,
man sagt eben Hackfleisch und sollte
dieses auch in Wien zur Kenntnis nehmen, ohne weiteren Kommentar. Auch die auf
der selben Seite gegebene Bemerkung zu Fleisch-
bzw. Leberkäs(e) lässt jede
Sachkenntnis vermissen: in Tirol (und z.T. auch in Oberkärnten) sagt man eben Fleischkäse, wie auch in
Baden-Württemberg, nicht aber in (Alt-) Bayern, wo – wie im größten Teil
Österreichs – Leberkäse gilt. – Zu Pfifferling und Hackfleisch
in Vorarlberg: wie in Tirol ist auch in Vorarlberg neben Eierschwamm das gemeindeutsche Pfifferling
üblich und Faschiertes ist dort
unüblich, vgl. Forer – Moser und Metzler in Wiesinger 1988:192 u. 217) und
Ruth Wodak (1994:26f.) unter
dem bezeichnenden Titel „Wir sind nicht Duden-Land“ (angeblich stammt der Titel nicht
von der Verfasserin selbst, sondern wurde von der Redaktion der Zeitschrift
gegeben, so Schrodt 1997b. Darin
die der Behauptung (S. 26) „Die ältere
Generation wertet Dudendeutsch höher, Rechtsstehende und Deutschnationale
ebenfalls“. Ich habe nicht den Eindruck, dass diese Feststellung so richtig ist: der Duden ist nun einmal das Nachschlagewerk zum Deutschen,
sozusagen die „höchste Instanz“, und er verzeichnet auch die österreichischen
Besonderheiten (der Verlag hat mit Ebner
1980 bzw. 1998 sogar ein Spezialwörterbuch herausgegeben!). Im ÖWB steht
im Grunde genommen auch nichts anderes, wenn man von Marginalien absieht. –
Typisch ist für die österreichische Diskussionskultur, dass die Vertreter des
„ideologisch begründeten österreichisch-nationalen“ Standpunktes (s.o.) auf
Kritik äußerst sensibel reagieren, vgl. z.B. De
Cillia 1998:73 Anm. 1, der
Scheuringers (1996:150 u. 151) pointierte
Ausführungen polemisch zurückweist, oder der Beitrag Muhr 1998, der einem Rundumschlag gegen ziemlich alle anders
denkenden (Scheuringer, Wiesinger, Wolf
und mich) gleichkommt)
setzen sich über die historischen und dialektologischen Grundlagen des
Deutschen in Österreich großzügig hinweg; aus einer solchen defizitären Sicht
muss auch die EU-Liste der Austriazismen entstanden sein, die auf den
österreichischen Osten zugeschnitten ist und in dieser Form – wenn überhaupt – nur für Wien gültig ist. Da – wie es Pollak (1994:155f.)
ausführt – österreichischerseits die Frage der „Austriazismen“ noch bei den
EWR-Verhandlungen als unwesentlich betrachtet wurde und erst nach kritischen
Reaktionen der Öffentlichkeit bei den EU-Verhandlungen nicht mehr ignoriert
werden konnte, ist das Ergebnis eben so wie es ist, ein paar geschickt
ausgewählte „Demonstrationsaustriazismen“ aus dem Bereich der Gastronomie
(„gastronomische Schibboleths“ – vgl. Reiffenstein
1995:163)
unter völliger Missachtung anderer semantischer Gruppen (relevant v.a. Amts-
und Rechtssprache, z.B. Vignette [aus
der Schweiz „entlehnt“] bzw. umgangssprachlich Pickerl „Aufkleber (v.a. als Nachweis der entrichteten
Autobahngebühr“), Vorrang „Vorfahrt“
u.v.a.m.).
5. Das
österreichische Deutsch ist jedoch in vieler Hinsicht mit dem ganzen
oberdeutschen Raum verbunden, wobei es in Österreich selbst ein West-/Ost- bzw.
Ost-/Südost-Gefälle gibt (vgl. z.B. Wiesinger 1988:25f.). Aus
sprachpolitischen Gründen wäre außer dem nur in Österreich üblichen auch der
mit Bayern und dem süddeutschen Raum gemeinsame Wortschatz in die Liste
aufzunehmen gewesen. Viele beklagen in Österreich die „sprachliche
Vereinnahmung“ (s.o.
2 sowie Muhr
1997b:90-92 (mit Lit.), auch zu den „Leiden“ österreichischer Autoren,
die ihre österreichischen, süddeutschen und oft auch Wiener Ausdrücke nach dem
Willen bundesdeutscher Lektoren nicht in die (gesamt-) deutsche
Literatur(sprache) einbringen können. Doch dies ist keine „Vereinnahmung“,
sondern sprachliche Gleichschaltung (ein anderes Vokabel fällt mir nicht ein)
des geschriebenen Wortes, beim Fernsehen schon längst Realität, auch bei
österreichischen Produktionen: sprach man z.B. in den in Wien gedrehten Folgen
des „Tatortes“ in den 70er Jahren noch „österreichisch“, ist dies beim
„Kommissar Rex“ der 90er Jahre nicht mehr der Fall – im Gegensatz etwa zu den
bayerischen „Rosenheim-Cops“) von Norden her, auch viele Bayern
tun dies, doch statt passivem Klagen wäre
ein aktives sprachbewusstes gemeinsames Auftreten notwendig.
Folgende Wörter aus dem Bereich „Lebensmittel“ wären in eine Liste der
süddeutschen und bairisch-österreichischen Ausdrücke aufzunehmen, sie sind
gleichzeitig Austriazismen und Bavarismen, da sie sowohl in
Österreich (zumindest großräumig) als auch in Bayern (mehr oder weniger)
allgemein üblich sind:
Beuge(r)l,
Blaukraut, Blunzen, Bries, Brösel, Dampfl, Einbrenn(e), Erdäpfel- (Kartoffel-)
püree, -fleck (in Kuttelfleck
usw.), Geröstete („Bratkartoffeln“), Geselchtes, Gugelhupf, Häuptel (-salat),
Hendl, -junge (in Hühner-, Enten- usw.
statt -klein), Kipfe(r)l, Kletzen,
Knödel, Krapfen, Kraut(-kopf, -wickel), Kutteln, Leberknödel, -käse, Laib (Brot), Marmelade, Nockerl, Orange, (der)
Petersil, Porree, Radi, Rahm, Rindsbraten, Ripperl, rote Rübe, Sauerkraut,
Scherzel, Schweinsbraten, Schmarren, Schwammerl, Semmel, Sur (-fleisch,
-braten), Tafelspitz, Tellerfleisch, Truthahn, Wecken (Brot), Weißwurst, Wurzelwerk, Zipf (z.B. Polsterzipf „mit Marmelade gefülltes Gebäck“) und viele andere.
Den tiefgreifenden Gemeinsamkeiten zwischen dem
bayerischen und österreichischen Bairischen stehen allerdings auch Unterschiede
gegenüber, z.B. (Bavarismus/Austriazismus):
Schweishaxe(n)/-stelze,
Hackbraten/Faschierter Braten, Feldsalat/Rapunzel oder Vogerlsalat,
Fleischpf(l)anzel/Fleischlaibchen, Reiberdatschi/Kartoffelpuffer
(auch Erdäpfellaibchen, -blattl usw.), Obatzter/(abgemachter Topfenkäse wie z.B. Liptauer o.ä), gelbe Rübe/Karotte oder Möhre, Radieserl/Radieschen.
Doch solche Unterschiede gibt es auch innerhalb
Österreichs, z.B. (Tirol) Fleischkäse,
(sonst meist) Leberkäse oder Karotte neben Möhre und (gelbe) Rübe,
(Westösterr.) Lüngerl, (der/die) Sellerie / (Ostösterr.) Beuschel, (der) Zeller, (Kärnten) Strankerl /
(sonst meist) Fisole, in Vorarlberg Blumenkohl, Hackfleisch usw., oder eine andere Schichtung z.B. Heidel- bzw. Schwarzbeere oder Nachtmahl vs.
Nacht- bzw. Abendessen.
Wie mehrmals angedeutet: ein einheitliches
österreichisches Deutsch gibt es nicht (vgl. Ebner 1980:215f.
und Wiesinger 1988:25f.), was
freilich seine Existenz im Bewusstsein der meisten Sprecher nicht ausschließt.
Dieses Thema ist aber (wie sub 4 ausgeführt)
in den letzten Jahren wiederholt zum Gegenstand ideologischer
Auseinandersetzungen geworden (vgl. in der Einleitung von Pollak
1992:1: „ich bin der Meinung, dass bei wissenschaftlichen Auseinandersetzungen
in einem bescheidenen Ausmaß auch politische Akzente gesetzt werden
können“ – was „ein bescheidenes Ausmaß“
sein soll, ist sehr dehnbar, jedenfalls ist dieses Ausmaß in der angesprochenen
Literatur m.E. eher unbescheiden; vgl. zur Kritik u.a. auch Wolf 1994:75).
6. Die
österreichische staatsnationale Varietät ist also nichts anderes als die Summe aller sprachlichen Phänomene der
deutschen Sprache in Österreich (ähnlich auch Wiesinger 1997b:25. – Er schlägt auch
(1997a:22f., 1999b:242-244) eine Einteilung der Austriazismen vor: oberdeutscher, bayerisch-österreichischer, gesamtösterreichischer,
ost-/westösterreichischer, regionaler Wortschatz sowie spezifische Bedeutungen. Die von ihm gebrachten Beispiele sind größtenteils
hier in meiner Gruppierung eingearbeitet), wobei der
Begriff Austriazismus nicht mehr besagt, als dass die betreffende
sprachliche Erscheinung zwar für Österreich typisch ist, wobei jedoch nicht ausgeschlossen
wird, dass diese auch in anderen deutschsprachigen Ländern (Regionen) üblich
ist. „Austriazismen“ im engeren Sinn des Wortes sind also die vom Duisburger
Germanisten Ulrich Ammon so
genannten „spezifischen nationalen Varianten“ (Ammon 1996:162. „Unspezifisch“ wären Apfelstrudel, Germknödel und Vanillekipferl,
denn diese stammen zwar aus Österreich, sind aber die einzigen Bezeichnungen
der deutschen Sprache dafür. Dies gilt freilich auch für die schwäbischen Spätzle, den Hamburger Labskaus und die Münchner Weißwürste etc.), die fast
ausschließlich zu den „staatsräumlichen Austriazismen“ gehören. Im weiteren
Sinne sind „Austriazismen“ auch jene sprachlichen Erscheinungen, die zwar nicht
gemeindeutsch sind, aber doch auf einem Areal liegen, an dem zumindest ein
größerer Teil Österreichs Anteil hat.
Hans Weigel
sagte einmal (zitiert
nach Holzheimer 1997:139f.): „Richtiges
Österreichisch ist anders als richtiges Deutsch. Aber nicht alles falsche
Deutsch, das Sie in Österreich lesen, ist darum richtig“. Österreichisches
Deutsch ist also auf der Ebene des Standards ein ein wenig anderes Deutsch, kein
„liebenswürdigeres“, „weicheres“ und auch kein „schlampigeres“ Deutsch – dies
sind subjektive Einschätzungen. Es gibt auch keine „10.000 speziell österreichische
Wörter“, wie oft behauptet wird, sondern bestenfalls ein paar hundert, das
meiste findet sich auch in den anderen süddeutschen Regionen, v.a. in Bayern.
Das in Österreich gepflegte Vorurteil vom „Bellen“ des nördlichen Nachbarn (des
„Preußen“, s.o. 3) ist glatter
Unsinn, wie übrigens auch die in den österreichischen Bundesländern kultivierte
Vorstellung vom „Raunzen“ des Wieners.
Durch Kombination der „plurinationalen“ (Ammon 1995:159), „pluriarealen“ (Scheuringer 1996, Wolf 1994) und „plurizentrischen“ (Muhr 1993 u. 1995, Pollak 1992 u. 1994) Gesichtspunkte lassen
sich die Austriazismen in 3 bis 4 Gruppen zusammenfassen:
(1) staatsräumliche
Austriazismen: v.a. Verwaltungs-, Rechts- und Mediensprache (vgl. Ebner 1980:215) wie z.B. Landesgericht (vs. Landgericht),
Bezirksgericht (vs. Amtsgericht), Nationalrat (vs. Bundesrat),
Landeshauptmann (vs. Ministerpräsident), politischer Bezirk (vs. Landkreis), Obmann (vs. Vorsitzender),
Erlagschein (vs. Zahlkarte), Tischler (vs.
Schreiner, so auch in Vorarlberg), Jause (vs. Brotzeit), Journaldienst (vs.
Bereitschaftsdienst), Ansuchen (vs. Gesuch), Einlaufstelle (vs.
Annahmestelle), Vignette (bzw. umgangssprachlich Pickerl) „Aufkleber als
Nachweis der entrichteten Autobahngebühr“ (entsprechend picken vs. kleben), Allfälliges (statt binnendeutsch Verschiedenes auf der Tagesordnung), (Tabak-) Trafik (vs. Tabakladen), Schultasche (vs. -ranzen),
Kundmachung (vs. Bekanntmachung), Wachzimmer
(„Polizeibüro“), Jause (vs. Brotzeit, Vesper, Zwischenmahlzeit), Karfiol (vs. Blumenkohl, so auch Vorarlberg),
Matura (vs. Abitur), Vorrang (vs. Vorfahrt), Ruhensbestimmungen
(d.s. Regelungen für das „Ruhen“ von Zahlungen aus der gesetzlichen
Pensionsversicherung wegen Erwerbstätigkeit u.dgl.) usw. – diese Wörter „enden“
an der Staatsgrenze (vgl.
Wiesinger 1988:25f.); Scheuringer (1988:69)
spricht hier von „einem stark staatsräumlich bestimmten Bereich“, daher auch
der von mir gewählte Terminus. Dazu kommt noch der von Wien ausgehende
gesellschaftsgebundene Verkehrswortschatz wie z.B. Energieferien (heute veraltend für „(Schul-) Semesterferien“)
sowie Produktbezeichnungen (z.B. Obers-/Apfelkren,
Heuriger, Sturm, Most, Bäckerei „süßes Kleingebäck“) und einige
Berufstitel (z.B. Primarius) und -bezeichnungen wie Tischler „Schreiner“ (so auch
Vorarlberg), ferner u.a. Buschenschank (vs.
Straußwirtschaft), Marille (vs. Aprikose) und sich verkühlen (vs.
sich (v)erkälten) usw. (in seiner Dissertation hat Josef
Schneeweiss (Klagenfurt 1998) eine rund 20 Seiten umfassende
Darstellung von Austriazismen der Wirtschaftssprache vorgelegt, also aus dem
Bereich der Verwaltungs-, Rechts- und Mediensprache, wo sie besonders gut
fassbar sind. Gerade dieser Bereich spielt beim Übersetzerdienst der EU in Brüssel
die größte Rolle; vgl. dazu u.a. Markhardt
1998:60-63);
(2) süddeutsche
Austriazismen: der österreichische Wortschatz auf Grund der
Zugehörigkeit des Landes zum süddeutschen Sprachraum wie z.B. Bub (vs. Junge), heuer (vs. dieses Jahr), Samstag (vs. Sonnabend), kehren (vs. fegen), Ferse (vs. Hacke), Rechen (vs. Harke), Orange (vs. Apfelsine), Knödel (vs. Kloß), Knopf (vs. Knoten), Stiege(nhaus) (vs. Treppe(nhaus)), gehören (vs.
gebühren, sich schicken), richten „reparieren,
in Ordnung bringen“, ausrichten „schlecht
machen, herabsetzen“ usw., dazu auch ich
bin gelegen/gestanden (statt nördlichem habe),
hinauf- (vs. hoch-), hinauf/hinunter/hinaus
(vs. nach oben/unten/draußen), jemand anderer (vs. jemand anders);
(3) bairische
Austriazismen: der mit (Alt-) Bayern gemeinsame Wortschatz des
größten Teils von Österreichs auf Grund der Zugehörigkeit beider Länder zum
bairischen Großdialekt, z.B. Maut
„Zoll“, Brösel „Paniermehl“, Kren (vs. Meerrettich), Scherzel „Anschnitt
des Brotes“, Kletze (vs. Dörrbirne), Topfen (vs. Quark), Kluppe (vs. Wäscheklammer), Fleckerl- (vs.
Flicken-) -teppich, (Tinten-) -patzen (vs. -klecks), pelzen „Obstbäume
veredeln“, Einbrenn(e) (vs. Mehlschwitze) usw (s.o. 5 weitere Beispiele);
(4) regionale
Austriazismen (Untergruppen zu 1/2/3): ost-/west-/südösterreichische Besonderheiten und solche
einzelner Bundesländer, z.B. großräumig (Ost) Obers, Nachtmahl, Fleischhauer, Fasching, Gelse, Rauchfang, Stoppel vs. (West/Süd) Rahm,
Mücke bzw. (West) Abend-/Nachtessen, Metzger, Fasnacht, Kamin, Stopsel, kleinräumig (es stellt sich die Frage, ob hier von Austriazismen im engeren
Sinn zu sprechen noch gerechtfertigt ist) z.B. Strankerl „Fisole, grüne Bohne“ (Kärnten) oder Fraktion „Gemeindeteil“ (Tirol) oder Hotter „Gemeindegrenze“ (Burgenland).
Worin
und wie unterscheidet sich nun hauptsächlich das „österreichische“ Deutsch vom
„deutschländischen“ Deutsch?
(A)
Auf Ebene des geschriebenen Standards kaum,
auf Ebene des gesprochenen Standards stärker (im geschriebenen Substandard jedoch weniger,
da „bundes-/binnen-/norddeutsche“ Formen in Österreich kritiklos übernommen
werden, wie z.B. Rauswurf
„Hinauswurf“, Reinfall „Hineinfall“
(besser „Irrtum, Enttäuschung, Misserfolg, Fehlentscheidung“), Schnäppchen „günstiger, vorteilhafter
Kauf“, Frühchen „Frühgeburt“ usw. –
In Österreich scheint sich jetzt das zu wiederholen, was hinsichtlich der
Sprache in den letzten 50 Jahren im Freistaat Bayern geschehen ist: das
Zurückdrängen der Mundart aus dem öffentlichen Leben fördert das Überhandnehmen
der binnen-/norddeutsch geprägten Standardsprache. Die süddeutsche Hochsprache,
die in meiner Schulzeit die „normale“ Schriftsprache war, tritt immer mehr in
den Hintergrund. Niemand wird fordern zu schreiben: er geht außi „er geht hinaus“ oder sie kommt einer „sie kommt herein“, doch das (vermeintlich
richtige) er geht raus und sie geht rein können wir ständig lesen
oder hören, aber es ist geschrieben genau so „falsch“, also ein Verstoß
gegen die Standardnorm, wie die mundartlichen bairischen Formen in unserer
alltäglichen Verkehrssprache. Uns ist offensichtlich das Gefühl dafür abhanden
gekommen, was korrekte Schriftsprache ist und was nicht; den eigenen
Substandard meiden wir, den aus anderen Regionen übernehmen wir kritiklos...).
(B)
Auf Ebene der täglichen Verkehrs- und
Umgangssprache weniger vom
süddeutschen Raum, mehr vom
binnen-/norddeutschen.
(C)
Auf Ebene der Verwaltungs- und
Rechtssprache erheblich.
(D)
Auf Ebene der Wirtschafts- und
(Print-) Mediensprache weniger bei
Berichterstattung zu Themen aus dem (v.a. deutschsprachigen) Ausland, mehr aus dem Inland.
(E)
Auf Ebene von Rundfunk und Fernsehen kaum – abgesehen von den Nachrichtenthemen
(wie D) und von
landes-/regionalspezifischen Sendungen (wie F).
(F)
Auf Ebene der Alltagskultur wenig vom süddeutschen Raum, stärker
vom binnen-/norddeutschen.
(G)
Auf Ebene der Mundarten überhaupt nicht (bzw. fließend entlang
der Staatsgrenze).
(H)
Auf Grund des pragmatischen
Sprachverhaltens stark.
(I) Auf Ebene der Schulsprache nach
Bundesländern verschieden mehr oder weniger stark.
Im Mittelpunkt steht daher in erster Linie (C) samt
den rechts-/verwaltungsrelevanten Ausdrücken aus der Alltagskultur (z.B.
Nahrungsmittelbezeichnungen nach dem Lebensmittelgesetz oder gesetzlich
geschützte landesspezifische Produkte), nicht
aber die alltägliche Umgangssprache (die sich unabhängig von Amt und Schule weiter entwickelt, daher nicht
lenkbar ist, Modeeinflüssen unterliegt usw.).
Abschließend noch ein paar Worte zur Terminologie:
die Termini „Austriazismus“ und „Helvetismus“ sind klar, „Teutonismus“ und/oder „Deutschlandismus“ aber unscharf. Wie die
Republik Österreich (West-/Ost- und Ost-/Südost-Gefälle) ist auch die
Bundesrepublik Deutschland sprachlich in sich gegliedert (Nord-/Süd- und
West-/Ost-Gefälle). Weder die Begriffe „Binnendeutsch“
noch „Teutonismen“ (in ihrer
Gesamtheit) erfassen die ganze BR Deutschland, „bundesdeutsch“ aber ist zumindest die Rechts- und
Verwaltungsterminologie und sollte daher auf dieser Ebene der entsprechenden „österreichischen“ (und ggf. „schweizerischen“) gegenübergestellt werden. Überall sonst sind die Grenzen fließend.
„Bundesdeutsch“ ist also für die
Rechts- und Verwaltungssprache klar verwendbar (im Sinne von C, das wären also dann die „Deutschlandismen“ im konkreten Sinn des
Wortes), „Binnendeutsch“ ist hingegen
ein rein sprachgeographischer Begriff. – „Teutonismus“ ist m.E.
ein unscharfer Begriff, der noch dazu bei Nicht-Fachleuten falsche
Vorstellungen erwecken könnte, sollte daher tunlichst vermieden werden (wenn er auch in der Fachliteratur vorkommt, in Österreich v.a.
bei Muhr, in Deutschland v.a. bei
Ammon).
7. Diese
Beobachtungen zeigen, dass das Verhältnis zwischen dem Deutschen in Österreich
und in der BR Deutschland (einschließlich des Freistaates Bayern) ein sehr
verwickeltes ist. Die innerstaatlich verlaufende Kommunikation, bedingt durch
die Eigenstaatlichkeit (spätestens seit 1866/71) ließ einerseits die
„staatsräumlichen Austriazismen“ der Amts- und Verwaltungs- bzw. Küchen- und
Mediensprache entstehen und lieferte andererseits den Rahmen dazu, dass
süddeutsche und bairische Besonderheiten in unserem Lande ihre Position
gegenüber binnen- und bundesdeutschen Varianten besser behaupten konnten als
etwa im Freistaat Bayern. Dazu kommt die Randlage Österreichs im Süden des
deutschen Sprachgebietes und Randgebiete sind bekanntlich konservativer als
Binnenräume. Entscheidend war für Österreich aber die Einbindung in die
einheitliche gesamtdeutsche Standardsprache seit dem 18. Jhdt. (dazu vgl. v.a. Wiesinger 1997b, insbes. 754ff.), die
einerseits die areale Gliederung des pluriarealen
deutschen Sprachgebietes reflektiert, in Österreich im kleinen, in
Deutschland im großen, andererseits die deutschen Großdialekte überdacht und
damit die Kommunikation sicherstellt. Die plurizentrische
Gliederung des deutschen Sprachgebietes ist sekundär sowie historisch
jünger und reflektiert die neuzeitliche politische Entwicklung, hat aber bisher
keine einheitlichen Sprachräume nach den Staatsgrenzen schaffen können,
zumindest nicht auf der Ebene der Alltagssprache.
Inwieweit das österreichische Deutsch seine
spezifischen Besonderheiten bewahren wird und dort, wo es eigene Ausdrücke
besitzt, dem Einfluss aus dem Norden über die Massenmedien und die Wirtschaft
widerstehen kann, hängt vom Sprachwollen der österreichischen
Bevölkerung ab (sinngemäß
gleich u.a. Wiesinger 1988:242). Es
gilt daher ein ausreichendes Bewusstsein über die Eigenarten der
österreichischen Varietät der deutschen Standardsprache zu schaffen (ähnlich Möcker 1992:249. – Derzeit scheint es zu fehlen, vgl. De Cillia 1995b:11f. – Diesem Defizit
verucht die Broschüre „(Österreichisches) Deutsch als Unterrichts-
und Bildungssprache“ (hg. v. BMUKK) entgegenzuwirken (an dieser arbeiteten u.a. die
auch in meinem Beitrag zirierten Autoren R. De
Cillia und J. Ebner mit).
Näheres s. im Internet unter Broschuere_BMUKK.htm). Ein
ausgeprägtes österreichisches Nationalbewusstsein ist offensichtlich zu wenig,
wie die neuere Entwicklung zeigt. Den eigenstaatlich geprägten Österreicher
formte nämlich seine Alltagskultur mit ihren zahlreichen Einflüssen aus der
vielsprachigen alpin- mittel- bzw. südosteuropäischen Region, was wiederum auf
die Sprache zurückwirkte. In dieser Wechselbeziehung drückt sich das eigentliche
Österreichertum im Rahmen des deutschen Sprachraumes aus. Wenn man „Pluralität“
(s.o. 2 – Das Wort „Pluralität“ meint „Vielheit“,
eine davon muss im Falle Österreichs das deutsche Element sein, dass vielfach
vernachlässigt wird, s.o. 2) als
ein besonderes Kennzeichen des Österreichers sieht, sollte man auch die
ungebrochene Offenheit zum gesamtdeutschen Sprach- und Kulturraum als einen
wesentlichen Teil davon betrachten und die geographische Lage als Quelle der
Bereicherung schätzen, zumal ja viele Kulturgüter zusammen mit den Wörtern über
Österreich nach Deutschland gekommen sind. Daher sollte die österreichische Identität
sprachlich in einem zwanglosen Gebrauch der süddeutschen Standardvarietät
einschließlich des zum Standard gehörenden spezifischen Wortschatzes aus Amt
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