Rezension von:
Robert Sedlaczek, Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs. In
Zusammenarbeit mit Melita Sedlaczek. Innsbruck-Wien, Haymon Taschenbuch (haymon tb73), Innsbruck-Wien 2011. ISBN 978-3-85218-873-7, €
12,95
Robert Sedlaczek ist als Verfasser bereits mehrerer Bücher
bekannt geworden, so war er u.a. Mitherausgeber des Kulinarischen Jahrbuchs – Österreich für Feinschmecker (zusammen
mit Christoph Wagner) und hat einige Bücher zum
Kartenspiel Tarock, dessen großer
Liebhaber und Förderer er ist, geschrieben. Sprachfreunde kennen sicher sein
Hauptwerk Das österreichische Deutsch
(2004), das einerseits die Unterschiede zwischen
dem österreichischen und dem (bundes-) deutschen Wortschatz aufzeigt,
andererseits aber auch die Gemeinsamkeiten Österreichs mit dem süddeutschen
Raum (v.a. mit Bayern) nicht außer Acht lässt.. Dieses Buch gilt als
populärwissenschaftliches Standardwerk zu diesem Thema. Weiters sind hier noch sein Lexikon der Jugendsprache Leet & leiwand (2006), sein Lexikon der österreichischen Sprachirrtümer
(zusammen mit Sigmar Grüner 2003) oder das Kleine
Handbuch der bedrohten Wörter Österreichs (2007) zu erwähnen wie auch Wenn ist nicht würdelos (2010), worin er Streitfälle von Rechtschreibung, Grammatik und Stilistik
aus österreichischer Sicht beleuchtet. Im Gegensatz zu seinem deutschen
Autorenkollegen Bastian Sick vertritt er selbst einen pragmatischen und deskriptiven
Standpunkt und beschreibt, wie sich die Regeln der Sprache verändern, wobei
auch staatliche („nationale“) und regionale Sprachgewohnheiten zum Zuge kommen
und eine große Rolle spielen. Er sieht sich laut Eigendefinition eher als Sprachbeobachter
und nicht als „Sprachpolizist“.
Das vorliegende Buch ist nun der zeitgenössischen
österreichischen Spielart der deutschen Sprache gewidmet, nicht der gehobenen,
sondern der Alltagssprache mit ihren mundartnahen Bezügen. Im Mittelpunkt
steht also die lebendige Umgangssprache, wobei nicht nur der gemeinbairische
Wortschatz berücksichtigt wird, sondern auch der einzelner Bundesländer (Tirol:
neunern ‘eine Vormittagsjause
einnehmen’; Oberösterreich. Bunkel ‘Art
Kuchen’; Kärnten: tschentschen ‘raunzen,
nörgeln’; usw.) sowie der alemannische, wie er uns in Vorarlberg begegnet (z.B.
Fluh ‘Fels(wand)’, Schübling ‘eine Wurst’, gsi ‘gewesen’, wovon das scherzhafte Gsiberger). Besonders hervorgehoben
seien zwei Aspekte: (1) es werden klare Angaben zur Aussprache gemacht
(Betonung, Vokallänge/-kürze usw.) und auch Varianten angegeben, z.B. Häuptel, Häupel, Happ(e)l ‘(Kraut-,
Salat-) Kopf’oder Gstieß, Schkis, Schküs, Sküs ‘die höchste
Tarock-Spielkarte’ oder Masel, Masen, Maschen ‘Glück;’ (2) alle Wörter werden (sofern dies möglich ist)
auch in Bezug auf ihre Herkunft kurz erklärt, so erfährt der Leser, dass das
heutige schiach (meist schirch geschrieben) auf mittelhochdeutsch
schiech ‘scheu, abschreckend,
scheußlich’ beruht oder das typisch österreichische Wort Schmäh mit schmähen
verwandt ist, aber eine Bedeutungsverbesserung erfahren hat. Abgeleitete Wörter
stehen vielfach unter dem Grundwort, so z.B. derstessen ‘verunglücken’ unter stessen
‘stehlen; ermahnen’ (von stoßen) oder
einweimberln unter Weimber ‘Weinbeere’. Viele Redewendungen
erhöhen die Fülle des gebotenen Materials, z.B. da geht mir das Geimpfte auf ‘da werde ich wütend’, oder jemandem eine picken entspricht genau
dem nördlichen … kleben. Manchmal
werden auch sich derzeit vollziehende Änderungen in der Sprache aufgezeigt: in
der binnendeutschen Umgangssprache sind hinunter/herunter, hinaus/heraus usw. in runter, raus usw. zusammengefallen; die bairischen Mundarten unterscheiden
noch deutlich zwischen åbi/åba, außi/außa (< abhin/-her, aushin/-her), doch vielfach fallen sie bereits in åbe, auße zusammen.
Bezüge auf das Kabarett (Bronners G’schupfter
Ferdl) und auf Aussprüche bekannter Persönlichkeiten (z.B. Gusenbauers Gesudere) lockern das Werk auf.
Insgesamt vermittelt das Buch einen tiefen Einblick in die Umgangssprache der
Österreicher und zeigt, dass sich „Sprache“ nicht auf die amtlich normierte
Norm oder auf die gehobene Literatur beschränkt, sondern ihr wahres Leben in
der Alltagssprache entfaltet. Somit dürfte das Buch auch bei unserem großen
Nachbarn auf ein ebensolches Interesse stoßen.
Heinz-Dieter Pohl