Roter Mars

(Red Mars)

 

Veröffentlichung: 1993, 572 Seiten

Autor: Kim Stanley Robinson

Verlag: Bantam Books

Anmerkung: Obwohl dieser Roman im deutschsprachigen Raum bereits veröffentlicht wurde, bezieht sich dieses Review auf die englische Originalausgabe.

Nach jahrelanger Vorbereitung und sorgfältiger Auswahl der Besatzung ist es endlich soweit: An Bord der Ares brechen 100 Menschen auf, um den Mars zu kolonialisieren. Nach einem strapaziösen Flug auf engstem Raum, ermüdenden und nervenaufreibenden Tests und allerlei Konflikten innerhalb der Besatzung kommt die Ares schließlich im Mars-Orbit an: Sofort wird mit dem Bau einer Siedlung begonnen, und auch auf Phobos wird eine Station errichtet. Doch je länger man sich auf dem Mars befindet, desto mehr scheint sich die Vorstellung eines Neuanfangs der Menschheit als Traum zu offenbaren: Denn die Konflikte zwischen den  verschiedenen Bevölkerungsschichten treten immer stärker zu Tage, und es bilden sich verschiedenste Gruppierungen und Allianzen. Kernstück der Differenzen ist die Frage der Terraformung. Soll der Mars eine 2. Erde werden, oder soll man unseren roten Nachbarn so weit als möglich unberührt lassen?

Eine der Schwächen des Romans war für mich - und mir ist bewusst, dass mir da jetzt viele nicht zustimmen werden - dass die wissenschaftlichen Aspekte sehr in den Hintergrund rücken. Während viele Autoren diese typischen Hard SF-Elemente stark thematisieren und genau auf die verwendete Technologie und/oder die wissenschaftlichen Rahmenbedingungen eingehen, spielen diese Aspekte bei „Red Mars“ nur eine untergeordnete Rolle. Dafür konzentriert sich Kim Stanley Robinson für einen SF-Roman schon fast untypisch stark auf die zahlreichen handelnden Figuren, aus deren Sicht abwechselnd immer ein Kapitel geschildert wird. Dabei fällt angenehm auf, dass uns trotz der starken Konzentration auf die Beziehungen zwischen den Charakteren eine weitere „Soap in Space“, wie sie Ben Bova salonfähig gemacht hat, erspart bleibt. Sehr interessant: Beide Autoren schreiben über die erste Mission zum Mars und stellen dabei die Beziehung der Figuren, und nicht den roten Planeten, in den Mittelpunkt des Geschehens. Was jedoch bei Bova oftmals an eine Soap à la GZSZ erinnert hat, wirkt bei Robinson erfrischend ehrlich, originell und anspruchsvoll. Beim zwischenmenschlichen Aspekt hat Robinson also definitiv die Nase vorne, erspart er uns doch typische Klischees und lässt seine Handlung nie in Soap-Abgründe abgleiten. Es gibt jedoch auch einen Aspekt, bei dem meines Erachtens Ben Bova’s Mars-Romane die Nase vorn hatten, und das ist das Erlebnis, unseren roten Nachbarn zu besuchen. Kim Stanley Robinson hat es leider nicht wirklich geschafft, mir die außerirdische Oberfläche des Planeten Mars näher zu bringen und mir ein Gefühl dafür zu vermitteln, was es heißt, auf unserem Schwesterplaneten zu wandeln bzw. zu leben. Neben den technisch-wissenschaftlichen Aspekten tritt also auch der Mars an sich gegenüber den Figuren in den Hintergrund. Diese nützt Robinson vor allem für den Austausch von Ideen und Meinungen zu verschiedensten Themen - seien sie nun politischer, wirtschaftlicher oder auch gesellschaftlicher Natur. Da die entsprechenden Dialoge teilweise ein wenig Überhand nehmen, wirken die Figuren oftmals mehr wie Vortragende denn wie echte Menschen, mit denen man sich identifizieren kann. Letzteres wird vor allem auch durch die sehr sprunghafte Handlung erschwert. Oft werden gleich mehrere Jahre übersprungen, wodurch man vieles in der Entwicklung der Figuren bzw. auch der Beziehungen zwischen den Personen verpasst, und oftmals ein paar Seiten braucht, um wieder hineinzufinden und sich im aktuellen Geschehen zurecht zu finden. Außerdem fand ich es schade, dass Robinson eine der interessantesten Entwicklungen des Romans gleich im 1. Kapitel vorweg nehmen musste, statt die Geschichte chronologisch zu erzählen. Denn vor allem zu Beginn ist man in der Handlung ohnehin ein wenig verloren, und weiß mit den Geschehnissen nicht viel anzufangen. Zudem kennt man auch die Figuren noch nicht und weiß demnach nicht, wie man zum einen oder anderen Charakter steht und ob man nun eher zu Person A oder Person B hält. Dadurch wirkt der Mord gleich zu Beginn des Romans ein wenig wie eine Verschwendung - hätte ihn Kim Stanley Robinson ganz normal in den Verlauf der Handlung eingebaut und auch wirklich mit dem 1. Kapitel (chronologisch gesehen) begonnen, hätte der Mord eine deutlich größere Wirkung erzielt. All das ist jedoch schon fast wieder viel zu negativ, denn trotz dieser Schwächen überwiegen klar die positiven Aspekte: Die faszinierende, realistische Schilderung der Besiedelung des roten Planeten, die vielschichtigen und auch wirklich unterschiedlichen Figuren, die Kim Stanley Robinson's Roman bevölkern, sowie die interessante und originelle Handlung.

Fazit: Auch wenn "Red Mars" einige Schwächen aufweist, ist er wohl ohne jeden Zweifel die realistischste und faszinierendste Schilderung der Besiedelung unseres roten Nachbarn, die je auf Papier gebracht wurde. Für alle Fans des Science Fiction-Genres ein absoluter Pflichttermin!

Wertung:  (7/10)

Verfasser: cornholio

Veröffentlicht am: 06.11.2006

 

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Cover © 1993 Bantam Books