06:00 - 07:00
Staffel 3, Folge 18
Schweren Herzens hat sich Palmer zu der Entscheidung
durchgerungen, dem Wunsch des Erpressers nachzugeben. Damit lastet nun ein
schwerer Druck auf Jack und die ganze CTU: Gelingt es nicht binnen einer Stunde,
Saunders ausfindig zu machen und möglichst auch das Virus sicherzustellen, wird
man Chapelle umbringen müssen. Diesen wirft diese Neuigkeit verständlicherweise
ziemlich aus der Bahn, doch die Anstrengungen scheinen Früchte zu tragen: Chloe
gelingt es aus den Kontenbewegungen eine LA-Adresse von Saunders herauszufiltern.
Sofort macht sich Chase mit Agent Baker auf, um die Adresse zu überprüfen, zur
Sicherheit jedoch fliegen auch Jack und Chapelle mittels Hubschrauber zum
vereinbarten Treffpunkt, an dem Jack die Leiche übergeben soll. Nun hängt
alles davon ab, ob es Chase gelingt, Saunders zu schnappen. Anfangs läuft alles
gut, Chase und Baker stürmen das Haus, und Chapelle schöpft Hoffnung - die
sich jedoch in Luft auflöst, als sich herausstellt, dass Saunders die CTU auf
eine falsche Fährte gelockt hat. Nun scheinen Jack und Chapelle keine andere
Wahl mehr zu haben, als Saunders Forderung nachzugeben...
Das größte (jedoch eigentlich auch einzige) Problem dieser Folge habe ich bereits in meiner Kritik zur vorangegangenen Episode erwähnt: Ich konnte Chapelle einfach noch nie so recht leiden, und so hat mich leider auch sein Tod längst nicht so berührt, wie dies bei anderen, sympathischeren Figuren der Fall gewesen wäre. Interessanterweise kann ich dieser Folge trotz dieses Schwachpunktes die Höchstwertung nicht vorenthalten - und das hat mehrere Gründe. Einerseits ist es eigentlich gar nicht notwendig, Chapelle zu mögen, um diese Folge großartig zu finden, da man genau so gut auch Mitleid wegen Jack haben kann, da dieser nun die schwere Tat vollbringen muss, einen Vorgesetzten und Kollegen quasi hinzurichten - und das nur, weil es ein erpresserischer Terrorist so gewollt hat. Außerdem ist alles rund um Chapelle von der ersten bis zur letzten Sekunde inszenatorisch wirklich top und erinnert an das Finale der 1. Staffel oder der Episode, in der Mason das Flugzeug in die Mohave-Wüste steuerte. Und, ebenfalls ein wichtiger Punkt: Ich fände es falsch und unfair, einer für sich allein betrachtet durch und durch perfekten Folge die Fehler der Vergangenheit (also die zu unsympathische Darstellung Chapelle's) anzulasten - immerhin würde man das ja bei einer Serie, die keine fortlaufende Handlung besitzt, auch nicht machen. Außerdem muss man den Machern zumindest zugestehen, dass sie wirklich alles versucht haben, um die Kehrtwendung quasi in letzter Sekunde (oder eher Stunde ) doch noch zu schaffen - was ihnen dank der spannenden Ausgangssituation und der großartig-berührenden Inszenierung der letzten Minuten sogar ansatzweise geglückt ist, denn auch wenn mich die Wendung sicher nicht so mitgenommen hat wie z.B. Teri's Tod...
Doch
lassen wir die spannende und dramatische Haupthandlung doch einfach noch einmal
etwas genauer Revue passieren: Zuerst gibt es gleich mal einen kleinen Schock,
als Palmer dieser Forderung doch tatsächlich zustimmt, und selbst wenn man
Chapelle so wie ich nicht sonderlich leiden kann, fällt es schwer, mit ihm
überhaupt kein Mitleid zu empfinden, wenn er diese erschütternde Neuigkeit
schließlich hört. Die darauffolgenden 40 Minuten Handlung sind dann einfach
unheimlich spannend und dramatisch. Das beginnt schon bei der Art, die Jack und
Chapelle mit dieser Neuigkeit umgehen. Man merkt deutlich, dass es BEIDE
richtiggehend fertig macht, wenn natürlich Chapelle doch noch unmittelbarer
betroffen ist. Herrlich dann auch die Szene als er versucht, abzuhauen, und Jack
ihn in letzter Sekunde stoppen kann. Natürlich ist es einerseits
unverantwortlich von Chapelle, einen Fluchtversuch zu unternehmen und damit
möglicherweise Millionen von Menschenleben zu gefährden - andererseits ist
diese Handlungsweise auch vollkommen verständlich, und vermutlich seine erste
Aktion in der gesamten Serie, in der er menschlich gewirkt hat. Nicht minder
großartig die Szene am Hubschrauber, die nicht nur mit herrlichen Bildern von
einem die Hoffnungslosigkeit grandios konträrem Sonnenaufgang aufwarten konnte,
sondern durch Chase Kommentare einen fiesen Touch erhält. Schon allein bis
dahin war die Folge spannend genug, doch es kommt noch besser: Als Chase und
Baker das Gebäude stürmen, fiebert man so richtig mit Chapelle mit. Man spürt
einfach, dass sein Leben an einem seidenen Faden hängt - der zu zerreißen
droht, wenn es den beiden nicht gelingt, Saunders zu schnappen. Doch nachdem
beide zügig voranschreiten und Saunders sie nicht zu bemerken scheint, schöpft
man Hoffnung - die schließlich brutal zerstört wird, als uns die Macher
offenbaren, dass sie uns mit dem guten alten "Schweigen der
Lämmer"-Trick in die Irre geführt haben.
Nun ist es also soweit, und Jack und Chapelle bleibt keine andere Wahl mehr, als Saunders Forderung nachzukommen. Diese harte Realität war selbst mich als Chapelle-Hasser ein harter Schlag - zu akzeptieren, dass es das gewesen ist, dass es keine Rettung in letzter Sekunde geben wird, dass nun auf Geheiß dieses Terroristen tatsächlich ein zwar nicht sympathischer, aber durchaus fähiger Agent sein Leben lassen muss. Es sind diese letzten 7 Minuten, die mich fast einen Award zücken lassen - und hätte dieses Schicksal eine andere, von mir mehr geschätzte Figur getroffen, hätte ich dies wohl auch getan. Denn nun mal ehrlich - da war alles wirklich perfekt in Szene gesetzt. Zuerst die Frage von Jack, ob Chapelle noch jemanden anrufen will, woraufhin dieser erwidert, dass er niemanden hat - weder eine Familie noch einen Freund. Wie er versucht, zumindest einen Rest an Würde zu wahren und sich selbst das Leben zu nehmen, es aber einfach nicht fertig bringt und schließlich doch Jack die Waffe wieder zurückgeben muss. Jack's "Möge Gott mir vergeben", und wie er schließlich abdrückt - und die letzten Sekunden, bei denen wie bereits nach Teri's Tod und der Szene in der Mason zum letzten Mal die CTU verlassen hat das typische ticken der Uhr fehlt, sondern die Folge ganz ruhig ausklingt - bewegender und besser kann man diese letzten Minuten gar nicht inszenieren. Und im Endeffekt ist es wohl auch eben dieser Inszenierung zu verdanken, dass ich trotz allem mit Chapelle Mitleid empfunden habe, und mich diese Wendung zumindest nicht (wie ich es nach der vorangegangenen Folge noch vermutet hatte) völlig kalt gelassen hat.
Angesichts
der klasse der Haupthandlung rückt alles andere naturgemäß in den Hintergrund
- doch es hätte nur einen einzigen ähnlich dummen Handlungsstrang wie jenen
von Kim aus der 2. Staffel gebraucht, und ich hätte dieser Folge trotz allem
nicht die Höchstwertung geben können. Gott sei dank war dies nicht der Fall,
und auch wenn natürlich die anderen Handlungen längst nicht so begeistern
konnten, war darunter jedoch auch keine einzige Schwachstelle, welche den
Gesamteindruck der Folge trüben würde. Im Gegenteil, auch in den
Nebenhandlungen gab es durchaus ein paar wirklich gelungene und bewegende
Szenen, angefangen vom Gespräch zwischen Michelle und Tony zu Beginn der Folge,
der Szene in der Michelle den geschockten und verzweifelten Hotelgästen ihre
Situation erklärt und einige zur Selbstmordpille greifen bis hin zu dem kurzen
Augenblick mit dem kleinen Mädchen, dass Michelle verzweifelt anblickt - alles
Momente, die zur Klasse der Folge beitragen. Selbst weniger gelungene Szenen wie
jene in der Michelle dem Sicherheitschef des Hotels dezidiert verbietet, seine
Frau anzurufen (was unnötig hart erscheint) verblassen angesichts der hohen
Qualität der restlichen Folge und können daher den positiven Gesamteindruck in
keinster Weise trüben. Und so kann ich abschließend nur sagen: Ganz egal ob
man Chapelle-Fan oder -Gegner ist, diese Episode war einfach herausragend...
Fazit: Natürlich hätte mich die Folge noch mehr berührt, wenn es eine Figur erwischt hätte, die mir sympathischer ist als Chapelle - doch die Episode war inszenatorisch so gelungen, dass dieser Kritikpunkt für mich nicht ins Gewicht fällt.
Wertung:
Verfasser: cornholio
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